Focus ST , Leon Cupra 280, Golf R, Octavia RS 230
Kompaktsportler im Kombikleid

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Die High-End-Versionen von Focus, Leon, Golf und Octavia verbinden kompakte Karosserien mit Nutzraum und großkalibrigen Motoren, kombinieren all das aber ganz unterschiedlich. Gaudimax, Tarnkappenbomber, Allradrabauke oder Vernunftverführer?

Ford Focus ST Turnier, Seat Leon St Cupra 280, Skoda Octavia RS 230 Combi, VW Golf R Variant
Foto: Rossen Gargolov

Eigentlich beginnen Tests wie diese ja auf dem Parkplatz eines schwedischen Möbelhauses. Und eigentlich gehen sie immer gleich: Irgendein Trottel versucht verzweifelt, ein paar Sack Teelichter in ein Coupé zu puzzeln, während der Kombibesitzer nebenan zum Helden wird. Mit der linken Hand isofixiert er seine Kids, und mit der rechten zaubert er die Wohnwand Björk in die unendlichen Weiten seines hoch variablen, doppelbödigen und weißderkuckuckwasnochsoalles Laderaums.

Breites Spektrum an sportlichen Kombis auf dem Markt

Die Moral von der Geschicht? Es gibt Gründe für Kombis: familienpolitische, organisatorische – und ja, manche davon sind richtig gut. Dennoch: Viel wichtiger als die Gründe an sich ist die Tatsache, dass sie kein Hindernis sein müssen. Vor allem jetzt, wo immer mehr Hersteller immer dickere Maschinen in Kombis pfropfen. Diese hier sind so welche, sie verbinden Power mit Platz, wobei es vom Auge des Betrachters abhängt, was davon nun das Nützliche und was das Angenehme ist. Und Ford Focus ST Turnier, Seat Leon ST Cupra 280, Skoda Octavia RS 230 Combi und VW Golf R Variant sind nur vier von vielen.

Speziell in der Kompaktklasse kannst du dich vor lauter Kompromissperfektionierern inzwischen kaum noch retten: Los geht's in der Gegend von 180 PS, Schluss ist seit Neuestem erst bei 381. Der Bär steppt aber vor allem dazwischen, im Bereich von 200 bis 300 PS, wo sich aktuell sieben Modelle auf neun Leistungsstufen verteilen.

Das ist genug, um Sie bis Ostern mit Tests zu versorgen, aber eben nicht unbedingt unser Spezialgebiet, weshalb wir das Thema lieber gleich in einem Rutsch durchackern. Problem: Dabei entsteht ein Leistungsgefälle, was wiederum die Fragestellung verändert. So geht es hier nicht nur darum, welcher der Schnellste ist, denn das ist von vornherein eigentlich klar. Spannend ist vielmehr, wie viel schneller die Schnelleren am Ende sind, und: ob es überhaupt darauf ankommt.

Dennoch: Zwei haben wir von vornherein ausgeklammert – zu ihrem eigenen Schutz. Zum einen den Peugeot 308 GT, der mit seinen 200 PS schon auf einem sehr verlorenen Posten gestanden hätte. Und zum anderen den Mégane GT220, der sich mit seinem letzten Auftritt hier quasi selbst disqualifizierte. Geradeaus ging er zwar prima, auf der Strecke jedoch regelte ihm das ESP die Querdynamik derart zurück, dass nichts, rein gar nichts übrig blieb. Und ein weiteres Mal auf die Schlachtbank führen möchten wir ihn nicht.

Vier PS-Stufen, vier Charaktere

Ernsthaft sportlich wird es – so unsere Annahme – erst darüber, beim neuen Skoda Octavia RS 230 Combi, von dem sich die Performance-Konzentration über den Ford Focus ST Turnier und den Seat Leon ST Cupra 280 bis zum VW Golf R Variant hochdosiert. Es stimmt: Drei dieser vier sind praktisch dasselbe Auto und nutzen obendrein einen bis auf Ladereinheit und Set-up identischen Motor.

Dennoch ist es den VW-Markenstrategen gelungen, drei unterschiedliche Charaktere aus diesem Einheitsbrei herauszudestillieren: über die Leistung, klar, aber auch mit der Art des Antriebs und ihrer jeweiligen Abstimmung. Mit anderen Worten: Es mag nicht viele Argumente für einen 280 PS starken Leon Kombi geben, die Existenz von Golf R und Octavia RS sind aber keine, die dagegen sprechen.

Gut finden muss man die epidemieartige Ausbreitung der Konzernbau-Kaste trotzdem nicht, aber in diesem einen speziellen Fall kann man es. Oder man nimmt eben den Ausweg, den letzten in dieser Gegend, und den – so viel vorweg – reizvollsten überhaupt. Ganz im Ernst: Wenn es um Spaß geht, allein um Spaß, gibt's eigentlich nur den Ford Focus ST Turnier. Er ist der Abzweig aus dem Alltagstrott, das Kontrastprogramm zur Elternbeiratssitzung und der, der sich nach Sau-rauslass-Wochenende mit den Kumpels anfühlt, während man mit Kind, Kegel und Rolf-Zuckowski-Endlosschleife zu Tante Anneliese ins Hohenlohische gurkt.

Ford Focus ST Turnier mit grantigem 250-PS-Motor

Dabei klingt Turnier erst mal eher gediegen, nach Reiten, nach Golfen, diesem Zeug. In Kombination mit dem Focus ST artet dieses Turnier nun aber zu einem handfesten Schlagabtausch aus, wobei: Eigentlich ist es eher eine hemmungslose Rauferei. Die schnippische Lenkung, der grantige 250-PS-Motor, die gallige E-Sperre, das resolute Fahrwerk – alles geht quasi schon beim Anfahren auf einen los, zerrt, reißt, hakt, bockt, rangelt mit dem Fahrer um die Oberhand – was sich je nach eigenem Naturell entweder zermürbend oder anspornend auswirkt.

Mal fuchteln einem die 360 Nm wüst im Kurs herum, mal reißen sie einem den Boden unter den Rädern weg, mal packen sie die Straße am Schlafittchen und ziehen dir die Ärmel stramm. So weit der Status quo, entscheidend ist nun, wie man darauf reagiert.

Wer stumpf zurückprügelt, hickhackt recht ziellos auf und vor allem neben der Ideallinie herum. Hält man sich jedoch dieses berühmte bisschen zurück, fährt mit Füßchen und Fingerspitzengefühl, kann es auch richtig rund laufen zwischen Fahrer und Ford. Die Kunst besteht also darin, Beherrschung zu bewahren, einfach weil einen der Ford Focus ST Turnier andauernd zu Blödsinn anstiftet. Motto: Komm schon, trau dich, nur kurz, die Kinder pennen, Mami schmökert Bauch-weg-Tipps, es merkt doch keiner!

Hautenge Recaros im Ford Focus

Der Motor ist der größte Schlawiner. In 6,8 Sekunden randaliert er auf 100 km/h, richtig forsch ist aber vor allem sein Benehmen. Ständig drängelt er mit den Ladern, schnappt, drückt dramatisch und klingt mit seinem dumpfen Ansauggrölen dabei fast noch wie sein Vorgänger, der alte 2,5-Liter mit fünf Zylindern, obwohl er selbst nur noch deren vier besitzt.

Harmonisch ist sicher anders, langweilig aber auch. Wer den Ford Focus ST Turnier streichelt, wird mit Grünzeugsymbolen im Effizienzprogramm des Bordcomputers belohnt, wer ihn behandelt, wie er will, hat das Unkraut binnen zweier Kilometer wieder restlos rausgerupft. Dazu die griffgünstige Sechsgangschaltung, hautenge Recaros und die Handbremse als Hebel, falls man den Radius doch mal zurechtbiegen muss. Kurzum: Es gibt keinen Unterhaltsameren, keinen Ungenierteren, keinen, der so ist wie er.

VW Golf R Variant zeigt sein böses Gesicht

Nur Dynamischere, die gibt es. Allen voran natürlich den VW Golf R Variant. Allradantrieb, 300 PS, 380 Nm, Doppelkuppler – Kunststück. Das Verblüffende: Charakterlich ist er dem Ford gar nicht unähnlich. Eigentlich bauen sie in Wolfsburg perfekte Autos – perfekte, aber biedere. Dieser Golf jedoch ist böse, zeigt das andere, bislang unentdeckte VW-Gesicht, das finstere – und nicht, weil er mit Emissionswerten trickst.

Spaß beiseite: Seine Vorgänger waren immer etwas unentschlossen in ihrer Sportlichkeit, gehemmt, ja schüchtern, er hier jedoch rumst mit seinem rabiaten Fahrwerk rücksichtslos über Gullydeckel, rotzt beim Hochschalten, röchelt durch vier Rohre, röhrt rauchig mit dem Resonator, räubert richtig rattig durchs Rurale und hängt auf der Rennstrecke den Racer raus. Kurzum: Endlich merkt man, für was das R im Golf eigentlich steht. Und wer gedacht hätte, die Kombiversion nehme sich da in irgendeiner Form zurück, der irrt. Gewaltig.

Klar drücken der klobigere Körperbau und das höhere Gewicht – die vier liegen zwischen gut 20 und knapp 90 Kilo über ihrer jeweiligen Ausgangsbasis – auf Sprintstärke und Rundenzeit, das Fahrgefühl jedoch belasten sie nicht. Konkret: Die Sekunde Rückstand auf die Kompaktversion ändert nichts daran, dass der VW Golf R Variant unbeirrbar in Kurven stanzt.

Perfektes Schnellfahrschulauto

Er ist das perfekte Schnellfahrschulauto. Akkurat beim Einlenken, unerbittlich beim Rausbeschleunigen, stoisch dazwischen. Alles, was man als Fahrer beisteuern muss, sind Lenkwinkel und die passende Geschwindigkeit. Schnell wird man so, logisch, besonders gefordert wird man jedoch nicht. Verstehen Sie mich nicht falsch: Auch die anderen verlangen einem fahrerisch nicht alles ab, nur bewegen sie sich auch, während sich der VW Golf R Variant im Test primär fortbewegt.

Okay, der Focus ST übertreibt es ein wenig mit der Lebhaftigkeit, vor allem kurvenausgangs, wo ihm jedes Mal ein beträchtlicher Teil seines Turboschubs ungenutzt durchs entlastete Vorderrad entwischt. Doch es gibt einen Mittelweg, einen größten gemeinsamen Nenner aus der Performance des VW und der Lockerheit des Ford – den Seat Leon ST Cupra.

Dessen Strickmuster ist prinzipiell dasselbe wie bei seinen Konzernkollegen: griffige Lenkung, gut ausgekuhlte Sitze, ein voll flexibles Fahrdynamiksystem für die Regie und ein superspontaner, kernig hochdrehender Zweiliter-TFSI, der sich maßstabsgerecht zwischen Skoda und VW einsortiert – nominell ebenso wie längsdynamisch. Den Unterschied macht die Darbietung: Skoda Octavia RS 230 Combi und Golf sind echte Machos, der eine äußerlich, der andere durch und durch. Seat hingegen verpackt die Leon-Topversion Cupra 280 eher verschmitzt: adrette Vielspeichenräder, seichter Vierzylindersingsang, ein vergleichsweise filigraner Lenkradkranz, schlichtes Mobiliar und eine zierliche Karosserie als Tarnkappe für die Bombe darin.

Seat Leon ST Cupra krazt an Golf-Zeit

Gegenüber dem VW fehlen ihm 20 PS, 30 Nm Drehmoment, die angetriebene Hinterachse, über 8.000 Euro allein im Grundpreis – und am Ende nur lächerliche vier Zehntel in Hockenheim. Aber hallo! Und dabei haben wir die Sportreifen, die Seat auch für den Kombi offiziell anbietet, noch nicht mal aufgezogen – aus Gründen der Vergleichbarkeit übrigens, nur falls hier irgendwer Stallorder konspirieren will.

Dass er so gut mitgeigt, liegt am Gewicht. 1.412 Kilo wiegt er – rund 160 weniger als der VW Golf R Variant, was ihm nicht nur zu einem leichtfüßigeren Handling verhilft, sondern – ganz offensichtlich – auch den antriebskonzeptionellen Nachteil ausgleicht. Wenigstens auf der Strecke. Im Sprint hat der Seat hingegen größte Mühe, so etwas wie Traktion überhaupt herzustellen – beziehungsweise sie so herzustellen, dass ihm die Traktionskontrolle nicht immer wieder den Kraftfluss abschnürt. Wir haben alles probiert: konservativ anfahren, aggressiv, progressiv – eine bessere Zeit als die 6,8 Sekunden bis 100 war aber einfach nicht drin.

Sei's drum, denn ansonsten lässt es sich mit der Elektronik im Test ganz gut auskommen. Sie hält sich lange zurück, gestattet sogar leichte Eindrehbewegungen, um einen dann wie eine unsichtbare Planke am Grenzbereich entlangzuleiten. Auch VW und Ford bleiben von ihren Regelsystemen unbeeindruckt. Der eine hält sie sich mithilfe des Allradantriebs und der satten Abstimmung vom Leib, der andere legt sie – als Einziger – auf Knopfdruck komplett lahm.

Skoda Octavia von der Elektronik eingebremst

Im Skoda Octavia RS 230 Combi jedoch spielt die Elektronik eine Hauptrolle – und leider die des Bösewichts. Doch der Reihe nach: Mit dem RS 230 hat man soeben ein neues Topmodell eingeführt. Es siedelt sich – nomen est omen – 10 PS über dem 220-PS-Modell an und verfügt zusätzlich über eine hydraulisch gesteuerte Quersperre an der Vorderachse – dieselbe, die auch der Leon Cupra nutzt. Und die ist fürs Feeling ein echter Antörner – im Einlenken ebenso wie beim Kurvenfahren unter Last, wo sie einen spürbar in den Radius hineinzerrt.

Das Problem: Sie greift nur bis zu einem gewissen Punkt. Und nicht, weil sie – wie etwa im Ford – vom Motor irgendwann überrumpelt wird, nein, dazu kommt es gar nicht. Sondern weil sich das ESP schon vorher dazwischendrängt. Restschutzversicherung schön und gut, aber dann bitte erst in letzter Instanz!

Die Performance ist damit natürlich erledigt: Geradeaus fehlt ihm aufgrund seiner schwächeren Ausgangsposition ohnehin der Schmiss. Und dann wird er in Kurven eben auch noch festgehalten. Deftige drei Sekunden verliert er dadurch auf den Golf, was an sich ja kein Drama ist, wäre es nicht so unnötig. Ob man den Skoda darauf reduzieren muss? Mitnichten, allein weil er mit seiner ploppigen Handschaltung, dem zünftigen Druck der – wie im Seat – 350 Nm ein durchaus knackiger Kombi ist.

Doch es gibt noch ein Aber, ein zweites, größeres: Es liegt im Preis-Leistungs-Verhältnis, das mit der 230er-Version aus der Balance gerät. 3.000 Euro Aufpreis boniert Skoda gegenüber dem regulären Octavia RS, womit er gleichauf mit dem agileren, stärkeren Leon Cupra liegt – und sein einstmals bester Grund, der Preis, auf einmal zum Hindernis wird.

Fazit

Blendet man alles Rationale aus, gewinnt der Focus haushoch. Das fetzige Fahrverhalten, der brünstige Klang – bei einem Kombi traut sich das eben nur Ford. Die Traktion ist bescheiden, das Fahrwerk spröde – aber hey: Für Perfektion gibt es Waschmaschinen. Oder den Golf R, der auf der Strecke ein blitzsauberes Programm abspult, statt rumzublödeln. Emotional lässt ihn VW nun aber von der Kette: hart, laut, trocken. Wer hätte das gedacht? Doch er kann es sich leisten, so zu sein, weil es mit dem Seat eine dezentere, ähnlich flinke Alternative gibt. Auch der Skoda hätte – in seinem Leistungsrahmen – das Zeug dazu, stolpert aber über sein erzkonservatives ESP.

Technische Daten
Seat Leon ST Cupra 280 Cupra 280Ford Focus Turnier ST 2.0 EcoBoost STVW Golf Variant R RSkoda Octavia Combi RS 230 2.0 TSI RS
Grundpreis34.250 €30.850 €43.450 €34.150 €
Außenmaße4543 x 1816 x 1431 mm4563 x 1823 x 1486 mm4596 x 1799 x 1467 mm4685 x 1814 x 1452 mm
Kofferraumvolumen587 bis 1470 l490 bis 1516 l605 bis 1620 l610 bis 1740 l
Hubraum / Motor1984 cm³ / 4-Zylinder1999 cm³ / 4-Zylinder1984 cm³ / 4-Zylinder1984 cm³ / 4-Zylinder
Leistung206 kW / 280 PS bei 5700 U/min184 kW / 250 PS bei 5500 U/min221 kW / 300 PS bei 5500 U/min169 kW / 230 PS bei 4700 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h248 km/h250 km/h247 km/h
0-100 km/h6,8 s6,8 s5,3 s7,1 s
Verbrauch6,7 l/100 km6,8 l/100 km7,0 l/100 km6,2 l/100 km