Ford Mustang GT Coupé als Gebrauchtwagen
Ist die Ikone ein Kauf ohne Risiko?

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Wenn Amerika was beherrscht, dann die große Show – etwa die des gepflegten V8-Beats. Der große Mustang zeigt das ziemlich lässig. Ein Kauf ohne Risiko?

Ford Mustang GT Coupe?, Exterieur
Foto: Marc Reinecker

Der Blick über den Tellerrand bringt ja doch immer wieder mal einen Erkenntnisgewinn. Zum Beispiel beim Ford Mustang: Bis vor einigen Jahren galt er unter Sportfahrern eigentlich nur als gut klingende, etwas holzschnittartig gezeichnete Reminiszenz an den Erfinder der Pony-Car-Klasse. Toller Klang, wunderbares Low-End-Drehmoment. Aber sportlich, so richtig und ernsthaft? Nö. Lass die US-Ikone mal in ihrem kleinen Fankreis für Furore sorgen.

Mit Nummer sechs änderte sich das 2014/2015. Denn endlich lieferten nicht mehr oder weniger findige Grauimporteure den Mustang nach Deutschland, sondern ganz offiziell der freundliche Ford-Händler von nebenan. Die Jungs in Detroit meinten wohl, der Neue sei nun wirklich gut genug, um in Europa nicht als Kanonenfutter Dresche zu bekommen.

Mittlerweile sind die erstausgelieferten Exemplare im besten Gebrauchtwagenalter, da kann man durchaus mal drüber nachdenken, statt der üblichen Verdächtigen einen Fastback von Ford in die enge Wahl zu ziehen. Vielleicht genau diesen magneticgrauen GT aus November 2015, der beim Autohaus Segbert in Gronau steht?

Garantiert lange Freude

„Wir haben den aus dem Ford-Firmenwagen-Pool“, erklärt Verkaufsberaterin Jeanny Wessels. Das Hauptgeschäft mache der 1958 gegründete Ford-Betrieb natürlich mit bürgernahen Modellen à la Fiesta, Kuga oder Mondeo. Doch auch gebrauchte Mustang fänden durchaus ihre Liebhaber, die oft von weiter weg kämen, weil sie am liebsten vom Vertragshändler kaufen. Klar, mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass das Muscle-Car kein Blender und auch solide gebaut ist.

Ford Mustang GT Coupe?, Exterieur
Marc Reinecker
Während Leistung und Fahrverhalten im Mustang maximiert wurden, vergrößerte sich gleichzeitig die Auswahl an Ausstattungsvarianten, auch Modelle mit Garantieverlängerung auf 5 Jahre kursieren nun auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt; die Wunschkonfiguration steht zum Greifen nahe.

Der Gang zum Ford-Händler ist durchaus als Kauftipp zu verstehen. Denn mit einem Klick hat der Kunde Zugriff auf den Fahrzeugbestand an ausgemusterten Dienstwagen in Köln; der Mustang in Wunschkonfiguration rückt damit näher. Und, nicht unwichtig: Die Chance, hier ein Exemplar mit Garantieverlängerung auf fünf Jahre zu erwischen, ist besonders hoch. Das gibt sehr lange Sicherheit vor kostspieligen Schäden.

Rundum Sorglos

Sonderlich viele Großbaustellen hat der Mustang sowieso nicht, aber manche Werkstätten scheinen mit der Diagnose ein wenig überfordert. Er ist guter amerikanischer Maschinenbau ohne Anspruch auf filigrane, ausgereizte Hightech.

Natürlich kann man den Mustang auch mit Vierzylinder-Turbo kaufen – so wie man im Steakhaus das kleinste Stück Fleisch ordert. Aber mal ehrlich: Authentisch ist er nur mit dem prächtig anzusehenden V8, der sich bisher nicht als Problembär geoutet hat. Als häufigster Fehler kristallisiert sich nur Ruckeln im Bereich von 2.000/min heraus, das mit leuchtender Motorwarnlampe und den Fehlercodes P0300 oder P0308 einhergeht.

Ford Mustang GT Coupe?, Exterieur
Marc Reinecker
Die große Flatter: Jenseits der 200 km/h kommt so manche Haube ins Flattern. Eine Lage Tape an der Kante stellt das ab

Zündspulen, -kabel und -kerzen wechseln bringt meist keinen Erfolg, sondern kostet eher Nerven und Zeit. Als wahrscheinlichster Verursacher der Fehlzündungen in einer Zylinderbank hat sich der Ansaugkrümmer herausgestellt – beziehungsweise die darin laufende Welle der Klappensteuerung zur Leistungsoptimierung. Nur nervig, aber mit ein wenig gutem Willen der Werkstatt abstellbar sind Schleifgeräusche aus dem Kardantunnel bei langsamer Fahrt. Bei der Probefahrt mal dahingehend die Ohren zu spitzen ist kein Fehler.

Zur Folklore des Sportwagens aus dem Land der restriktiv geahndeten Tempoverstöße gehört oft auch eine bei zügiger Autobahnfahrt im Wind flatternde Motorhaube. Kann man nichts machen? Doch. Eine Lage zusätzliches Profilgummi an der Haubenkante verhindert, dass ungewollt Luft in den Motorraum strömt und das große Blech ins Schwingen bringt.

Nur die Ruhe

Wenn’s mehr nicht ist, steht ja dem Spaß ohne großen Ärger nichts im Wege, oder? An und für sich nicht. Nur das menümäßig etwas strubbelige Multimedia-Navi-System Sync 2, das 2016 von Sync 3 abgelöst wurde, gibt hin und wieder mal nach dem Start den Schweiger. Doch nachhaltiger als das Abklemmen der Batterie, das Entfernen aller gekoppelten Telefone oder der Komplett-Reset hilft: Geduld. Erst Zündung an, System hochfahren lassen, und dann den Motor starten.

Ford Mustang GT Coupe?, Interieur
Marc Reinecker
Das menümäßig etwas strubbelige Multimedia- Navi-System Sync 2, das 2016 von Sync 3 abgelöst wurde braucht etwas Zeit, daher erst Zündung an, System hochfahren lassen, und dann erst den Motor starten.

Das ist ein gutes Stichwort für uns. Raus auf die Straße mit dem Fünfliter-Coupé́, das im Grunde Vollausstattung hat inklusive des Premium-Pakets, das mit höherwertigen Materialien sicht- und fühlbare Qualität in die geräumige Kabine bringt. Einzig die Recaro-Sitze fehlen diesem Mustang, doch darüber muss man nicht wirklich traurig sein, wenn man nicht regelmäßig auf dem Track das letzten Quäntchen Seitenhalt benötigt. Denn zum einen verschleißen die Bezüge der zupackenden Recaros im Zeitraffertempo, zum anderen entfallen mit dieser 1.800 Euro teuren Option die angenehmen Goodies Sitzheizung und -lüftung.

Auch wenn der Camaro oder manche AMG-Benze brachialer aufbrüllen beim Start, lässt der Mustang durchaus von sich hören. Dabei verzichtet er auf zorniges Hämmern; er gibt sich eher weich und flauschig, um beim Ausdrehen kerniger zu werden. Dabei ist er alles andere als ein Softie: Wer das Gaspedal über einen auffällig langen Weg ans Bodenblech tackert, erlebt sehr beachtliche Beschleunigung, die auch aus der bis 7.000 reichenden Drehfreude des Großkolbenmotors resultiert. Spaß macht aber auch das weite Gebiet zwischen Leerlauf und rotem Bereich, denn fein dosierbar und gut am Gas hängend liest der Mustang seinem Fahrer die längsdynamischen Wünsche sozusagen von den Schuhsohlen ab. Die Schaltung? Kernig, nicht spielerisch leicht. Und ja, der Sechste schielt spaßbremsend in Richtung Overdrive. Trotzdem: Die Sechsstufenautomatik ist keine echte Alternative.

Spaß in jeder Ecke

Zur Power-Show des Antriebsstrangs, der bis in den dritten Gang für quiekende Hinterräder gut ist, passt auch die Bremsanlage mit Brembo-Sätteln. Sie arbeitet so gut, wie sie sich anfühlt. Und selbst engagiert gefahrene Kurven werden nicht zum Show-Stopper. Perfekt gefühlsecht ist die Servolenkung zwar in keinem ihrer drei Modi, und ein wenig wankig geht der Ford schnelle Kurven auch an. Aber wer sich darauf einlässt, erlebt ein Auto, das den Fahrer ins Geschehen einbindet bei guter Fahrbarkeit bis in den weit gesteckten Grenzbereich. Das ist durchaus ein Fahrspaßfaktor, der einem den Mustang ans Herz rücken kann.

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Marc Reinecker
Wer das Gaspedal ans Bodenblech tackert, erlebt sehr beachtliche Beschleunigung, die auch aus der bis 7.000 reichenden Drehfreude des Großkolbenmotors resultiert.

Das Ticket für die tägliche Dosis Detroit-Beat ist nicht mal teuer. 40.000 Euro kostete der Handschalter 2015 neu, fully loaded waren es noch deutlich unter 50.000 Euro. Anfang 30.000 Euro liegen gepflegte EU-Gebrauchte, US-Importe – viele mit Unfall-Vorgeschichte –liegen Mitte 20.000. Beim kleinsten Zweifel Finger weg, raten Kenner.

Fazit

Wie seine Vorgänger ist der Mustang kein filigranes Stück Automobilkunst. Klar, der Motor und auch das Fahrwerk entspre- chen aktueller Technologie. Dennoch verströmt das Coupé́ etwas Bodenständi- ges, Geerdetes, Herbes: Geh mir weg mit Hightech, die ist nur anfällig und teuer! Die letzten fünf Prozent Feinschliff fehlen ihm, doch das stört ihn nicht im Gerings- ten. Der Mustang ist wie eine gute einfache Mahlzeit. Sie schmeckt wunderbar, macht satt und kostet nicht die Welt. Damit wären wir bei den Preisen, die für Neuwagen im Konkurrenzumfeld äußerst wettbewerbsfähig sind und für Gebrauchtwagen demzufolge auch. Wer einen gebrauchten Mustang kauft, kauft keinen Blender, sondern eine ehrliche Haut gemäß dem Motto „What you see is what you get“. Ein Mustang fällt – nicht immer positiv – mehr auf als ein starker BMW, Mercedes oder Jaguar. Damit muss man leben wollen. Am Steuer verfliegen diese Gedanken aber schnell. Denn das Fahrerlebnis ist schlicht klasse. Und Menschen, die mit ihrem Auto Menschen beeindrucken wollen, die sie nicht mögen, gibt es ja schon viel zu viele.

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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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