Oberklasse-Limousinen im Innenraum-Vergleich
Ist die S-Klasse innen besser oder nur anders?

Fahren durften wir den W 223 noch nicht. Aber wir durften uns reinsetzen und alles ausprobieren. Was liegt also näher, den Innenraum gegen Audi A8 und BMW 7er zu vergleichen?

Mercedes S-Klasse vs Audi A8 und BMW 7er
Foto: Hans-Dieter Seufert

Es heißt ja oft, moderne Autos gleichen sich immer mehr an und sind kaum noch voneinander zu unterscheiden. Nachdem wir uns intensiv mit den aktuellen Generationen des Audi A8 und BMW 7er sowie der brandneuen Mercedes S-Klasse beschäftigt haben, bleibt uns die Erkenntnis: Stimmt nicht! Selten waren sich Vergleichskandidaten derart verschieden wie dieses Oberklasse-Trio. Natürlich liegt das auch daran, dass sie aus verschiedenen Epochen stammen (der A8 debütierte 2017, der 7er stammt aus 2015 und wurde 2019 umfassend modellgepflegt). Doch vor allem pflegen sie ihre eigenen, völlig unterschiedlichen Charaktere.

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Natürlich fahren die Langversionen vor

Zum Innenraum-Vergleich treten sie natürlich in ihren Langversionen an. Bedeutet beim mindestens 106.998 Euro teuren Mercedes S 400 d 4Matic satte 5,32 Meter. Der Audi A8 L 55 TFSI Quattro (ab 96.748 Euro) folgt mit 5,30 Meter in geringem Abstand, auch der BMW 745Le xDrive (Kostenpunkt: 108.202 Euro) lässt sich mit 5,26 Meter Außenlänge sicher nicht als Kompaktwagen bezeichnen. Mit den äußeren Werten der Testkandidaten wollen wir uns allerdings nicht lange aufhalten. Auch nicht mit der stromlinienförmigen Karosserie (cW-Wert von 0,22) des W 223. Den geringen Luftwiderstand erreicht die S-Klasse allerdings nur mit den optionalen versenkbaren Türgriffen. Die klappen automatisch aus, als wir uns nähern.

Was für eine Einladung. Also schnell einsteigen. Wohin? Natürlich auf den Chefsessel. Selten zuvor war das eine treffendere Bezeichnung für den Platz hinten rechts: Feinstes, weiches Leder, zigfach verstellbarer sowie klimatisierter Sessel, und alle Berührungsflächen von den Armauflagen über die Türtafeln bis hin zum weichen Kopfkissen an der Kopfstütze sind beheizbar. Auf Wunsch kneten zehn Massageprogramme mit selektiv beheizten Stellen den Meeting-gestressten Rücken. Topwert im Vergleichstrio: Der 7er bietet nur acht Massageprogramme, der A8 gar nur deren sieben.

Bis zu 31 Lautsprecher in der neuen S-Klasse

Beim Fahrer mildert die Energizing-Sitzkinetik Ermüdungserscheinungen, indem die Neigung der Lordosenstütze, Sitzkissen und -lehnen während der Fahrt minimal verstellt wird. Sollte die Körperspannung dennoch nachlassen, weckt ihn der 4D-Sound der Burmester-Anlage. Neben 31 Lautsprechern im gesamten Fahrzeug, unter anderem über den Kopfstützen, übertragen je zwei Exciter (Schwingelemente) in den Sitzlehnen den Schalldruck direkt auf den Körper.

Mercedes S 400 d 4Matic lang
Hans-Dieter Seufert
Entspannungsposition für den Chef: Wenn der Beifahrersitz in vorderer Position ist, lassen sich die Beine ausstrecken.

Die S-Klasse rollt anders als 7er und A8 mit einem hinteren Mittelplatz zum Fotoshooting vor die Konzernzentrale der Hahn und Kolb GmbH in Ludwigsburg. Insgesamt stehen fünf Fondvarianten zur Wahl. Statt der festen Business-Mittelkonsole klappt im Mercedes-Testwagen das in der Mittelarmlehne versteckte Infotainment-Tablet herunter. Tatsächlich befindet sich hier auch eine Durchlade. Aber Achtung beim Einladen der Ski: Nicht, dass das herausnehmbare Tablet noch verkratzt. Neu ist, dass die natürlich weiterentwickelte Spracherkennung des MBUX-Systems auch die Wünsche der Hintensitzenden erfüllt, die alternativ den fest montierten Touchscreen an der Rückseite der Beifahrersitzlehne nutzen können.

Keine Klagen in puncto Platzverhältnisse

Und die Platzverhältnisse? Opulent. Vor allem die Beinfreiheit in der Langversion profitiert vom um 5,1 Zentimeter gewachsenen Radstand (3,22 Meter). Aber da geht noch mehr: Mit einem Tastendruck an der Türtafel aktivieren sich 19 Motoren im Beifahrersitz. Dieser gleitet nun langsam vor, klappt die Kopfstütze ein und fährt eine Fußbank aus, während der Chef in die Relaxposition rutscht. Ja, das ist schöner wohnen im Auto. Aber eben auch nicht überraschend. Denn auch 7er und A8 sind ähnlich feudal eingerichtet, warten im Fond mit Touchscreens auf, haben aber auch richtige Schalter – zum Beispiel für Sonnenrollos.

Das Platzangebot ist auch im langen A8 überragend; hier lässt sich der Beifahrersitz ebenfalls zugunsten einer maximalen Beinfreiheit für den hinten rechts sitzenden nach vorne schieben. An Spielereien mangelt es jedoch nicht. So lässt sich das Leselicht hinten vielfältig verstellen, und die Fondsitze, geteilt durch eine Konsole, sind äußerst bequem. Keine Klagen kommen in Sachen Bein-, Schulter- und Kopffreiheit aus dem 7er-Fond. Im Gegenteil: Der ausklappbare Tisch des getesteten 745Le beschert den Chef einen Arbeitsplatz wie in der Business Class eines Flugzeugs. Anders als bei den Kontrahenten gibt es hier Ambienteleuchten in den Verkleidungen der B-Säulen. Gleichstand herrscht in Sachen Tablets: Diese bieten alle drei, und jeweils lassen sie sich heraus- und mitnehmen.

BMW 745Le xDrive
Hans-Dieter Seufert
Als Einziger der drei Testkandidaten wartete der 7er mit einem ausklappbaren Tisch auf.

Vorne werden die Unterschiede deutlicher

Muss man hinten noch etwas genauer hinsehen, um zu realisieren, in welcher Limousine man sitzt, ist das vorne deutlich einfacher. Der BMW wirkt mit vielen Bedientasten sowie klassischem Dreh-Drück-Steller auf dem Mitteltunnel eine Fahrzeuggeneration älter. Der Touchscreen ist kaum größer als manches Smartphone, löst jedoch nicht so hoch auf. Zwar gibt es digitale Anzeigen, doch deren Funktionalität beschränkt sich auf ein Minimum. Im Vergleich präsentiert er zudem mit Abstand die meisten Tasten: Klimaregelung, Fahrdynamik-Abstimmung, dazu die Tasten rund um den Dreh-Drück-Steller: Das sieht alles arg nach 2015 statt 2020 aus.

Das klingt jetzt nicht so doll? Im Gegenteil. Die Bedienredundanz des 7ers ist noch immer hervorragend, weil er auch Gesten deutet und seine Spracherkennung der der S-Klasse kaum nachsteht. Die Sicherheitsassistenz kann mit einem Knopfdruck deaktiviert werden, denn der BMW ist markentypisch auf den Fahrer zugeschnitten. Apropos: Der steuert die Fahrstufen über einen auf der Mittelkonsole platzierten, vertikal ausgerichteten Wählhebel an. Beim Audi sitzt an dieser Stelle ein ziemlich ausladendes Pendant, das an den Schubhebel eines Flugzeugs erinnert. Beides beunruhigt die Optik und lässt diesen Bereich unaufgeräumt aussehen. Ganz anders der S 400 d: Dessen Wählhebel sitzt recht an der Lenksäule, wodurch sich eine flächige Optik zwischen Fahrer und Beifahrer ergibt.

In der S-Klasse flogen 27 Schalter raus

In der S-Klasse hat auch in dieser Hinsicht die von Tesla angezettelte Touchscreen-Revolution voll eingeschlagen. Der Dreh-Drück-Steller flog zusammen mit den meisten klassischen Tasten raus – in Summe 27 Schalter. Auch am Lenkrad finden sich kaum noch Knöpfe. Die Daumen gleiten nun wie in der gelifteten E-Klasse über kapazitive Touchfelder. Sie reagieren deutlich schneller als die alten Touchpads, folgen aber der bekannten Bedienlogik: rechts Infotainment, links Cockpit-Funktionen.

Mercedes S 400 d 4Matic lang
Hans-Dieter Seufert
Aus der Mittelkonsole steigt in der neuen S-Klasse nun ein 12,8-Zoll-Touchscreen empor.

Der fast freischwebend wirkende Touchscreen in der Mitte mit einer Bildschirm-Diagonale von 12,8 Zoll löst die bekannte Doppelmonitor-Lösung bei MBUX ab. Er lässt sich locker vom Fahrersitz aus bedienen, weil der Arm ergonomisch perfekt auf der beheizten Lehne ruht und sich die Finger unterhalb des Touchscreens abstützen. Schlicht beeindruckend: die Reaktionsgeschwindigkeit des OLED-Displays, das vor allem Schwarz satt darstellt. Schon beim Annähern scannen vier Kameras die Bewegungen vor dem Monitor, sodass sich die Symbole der Hand zuwenden. Das System reagiert nun unmittelbar – vergleichbar mit einem nagelneuen Tablet.

50 Prozent mehr Rechenleistung als der W 222

Insgesamt stecken 30 Millionen Zeichen Programmiercode allein in der Headunit, die die Daten auf einer 320 Gigabyte großen SSD-Festplatte speichert und dank leistungsfähigerer Chips von Nvidia auf 50 Prozent mehr Rechenleistung im Vergleich zur Vorgängerversion kommt. Und: Das System ist komplett updatefähig, neue Funktionen oder gebuchte Erweiterungen kommen over-the-air direkt aus der Cloud. Aber eigentlich können Sie sich das Touchen fast sparen, denn MBUX versteht neben Dialekten auch bestimmte Gesten oder öffnet via Slider am Dachhimmel das Schiebedach. Ihren Besitzer erkennt die S-Klasse per PIN, am Gesicht, der Stimme oder am Fingerabdruck.

Der Audi gibt den Technokraten im Oberklasse-Trio. Die klaren Linien des A8-Interieurs, das muss man den Designern lassen, werden wohl in ein paar Jahren noch modern wirken. Die Verarbeitung wirkt hier im Detail allerdings nicht so penibel wie einst. Natürlich drückt man nur dann feste auf die Ecken des Touchscreens, wenn man dem großen Audi etwas Böses will. Dass der Monitor dabei dennoch nachgibt und etwas labberig im Armaturenbrett hin- und herschwingt, mag nicht so recht zum Markenanspruch passen. Nett ist aber die Show, die der A8 beim Motorstart abzieht: Nun treten die Lüftungsdüsen aus ihrem Versteck hervor – genau wie die Hochtöner der Bang & Olufsen-Anlage.

Audi A8 L 55 TFSI quattro
Hans-Dieter Seufert
Die klaren Linien des A8-Cockpits dürften noch lange modern wirken.

Im Vergleich wirkt der 745Le antiquiert

Dem A8-Infotainment kann man – zumindest in diesem Vergleichs-Umfeld – keinen Vorsprung durch Technik attestieren: Zu aufgeregt wirken die Helfer beim Fahren, zu oft fragt die Sprachsteuerung nach, und zu unübersichtlich ist im wahrsten Sinne des Wortes das vielschichtige Touchscreen-Menü trotz haptischer Rückmeldung. Eine solche bietet der 7er beim Touchen nicht, aber dafür hat er ja seinen Dreh-Drück-Steller auf der Mittelkonsole. Auch sonst reagiert er auf Befehle im Vergleich zu A8 und vor allem der S-Klasse spürbar verzögert.

Vom Fahrersitz aus nimmt man den 745Le ebenfalls etwas antiquiert wahr. Warum? Sein flächiger Instrumenten-Monitor zeigt im Zentrum zwar Verkehrsteilnehmer im direkten Umfeld des eigenen Autos an, rückt dabei aber die wichtigen Informationen arg weit an den Rand. Das digitale A8-Cockpit hat dagegen schon lange mehrere Anzeigestile drauf. Maximiert man die Größe der Navi-Karte, sieht das sogar dreidimensional aus, ohne wirklich 3D zu sein. Die Digitalanzeigen der S-Klasse präsentieren sich dagegen wirklich dreidimensional – den Effekt kennt man so bisher nur aus dem 3D-Kino. Doch hier klappt das dank einer speziellen Schicht vor dem LCD-Display und Stereokameras, die permanent die Augenposition bestimmen, auch ohne Brille. Dazu gibt es vielfältige Stile: vom klassischen Rundinstrument bis hin zur Miniatur-S-Klasse in einer 3D-Navi-Karte.

BMW 745Le xDrive
Hans-Dieter Seufert
Die digitalen Instrumente des BMW können nicht mit denen des Audis und Mercedes mithalten.

Die S-Klasse ist auch beim Headup-Display top

Das Ganze ergänzt ein Headup-Display, das Fahrinformationen nicht wie gewohnt auf die Frontscheibe projiziert, sondern tiefer in den Raum stellt. So entsteht der Eindruck, dass die angezeigten Daten sich zehn Meter vor dem Auto direkt auf der Fahrbahn befinden. Wir freuen uns schon darauf, dass uns hier per Augmented Reality bald bewegliche Pfeile den richtigen Weg weisen. Aber auch ohne das Hightech-Feature beeindruckt das S-Klasse-HUD durch Klarheit und Größe. Da halten Audi und BMW nicht mit, obwohl gegen ihre Headup-Displays objektiv betrachtet nichts einzuwenden ist.

Ähnliches lässt sich über ihre Einrichtungsstile konstatieren. Und doch wirkt die neue S-Klasse edler, strukturierter, fast schon skandinavisch klar. Vorbei die Zeit eines burgenhaften Armaturenbretts. Die yachtartigen Linien des Neuen stört nur der 27 Liter fassende Schacht, in dem der Headup-Projektor sitzt. Die Materialien und Oberflächen, die sich hier den Nadelstreifenanzug überziehen, zeigen selbst bei diesem frühen Modell keinerlei Mängel. Allein die unnachgiebigen Tasten zur Sitzverstellung irritieren im ersten Moment. Das Klavierlack-ummantelte Lenkrad deutet eher entspannte Fortbewegung an. Die Ambientebeleuchtung gleicht einem Lichtband. Es besteht aus 250 LEDs und ist mit den Fahrerassistenzsystemen vernetzt. So sorgt es nicht nur für Wohlfühl-Atmosphäre, sondern warnt zum Beispiel mit roten Lichtblitzen beim Aussteigen vor Gefahren.

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Audi A8 L 55 TFSI quattro
A8. Ich mag seine modern-kühle Mischung.
BMW 745Le xDrive
7er. Auch innen ein konsequentes Fahrerauto.

Fazit

Aber aussteigen, das will man eigentlich nicht. Nicht aus A8 und 7er, aber erst recht nicht aus der neuen S-Klasse. Ohne auch nur einen Meter gefahren zu sein, verblüfft der W 223. Nicht wegen des Sitzkomforts oder des feinen Ambientes – das konnte schon der Vorgänger, und das beherrschen auch die Kontrahenten aus Bayern. Vielmehr lässt das moderne Bedien-Layout mit dem großen, frei schwebend wirkenden Touchscreen A8 und 7er alt aussehen. Das neue MBUX reagiert schneller als alle anderen Systeme auf dem Markt, stellt Fahrinformationen dreidimensional im Cockpit dar oder projiziert sie via Headup-Display scheinbar direkt auf die Fahrbahn. Zudem soll es voll updatefähig sein. Ab Dezember können Sie das alles selbst beim Händler ausprobieren.

Technische Daten
BMW 745Le xDrive Audi A8 L 55 TFSI Quattro
Grundpreis120.200 €100.650 €
Außenmaße5260 x 1902 x 1479 mm5302 x 1945 x 1488 mm
Kofferraumvolumen420 l505 l
Hubraum / Motor2998 cm³ / 6-Zylinder2995 cm³ / 6-Zylinder
Leistung210 kW / 286 PS bei 5000 U/min250 kW / 340 PS bei 5000 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
Verbrauch2,1 kWh/100 km8,2 l/100 km