Kia e-Niro und Niro Hybrid im Test
Elektro oder Hybrid - welcher ist besser?

Die nach wie vor hohe Förderung bringt das rein elektrisch betriebene Modell in eine vorteilhafte Ausgangssituation. Hat der hybridisch fahrende Niro im direkten Vergleich dennoch eine Chance?

Kia e-Niro, Kia Niro Hybrid, Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

Hat Kia das heutige babylonische Stimmengewirr von Vorständen, Politikern und Meinungsmachern schon zur Konzeption des Niro vorausgesehen? Diese Kakofonie aus Ausstiegs-Ankündigungen, Ausnahme-Hintertürchen und Anti-Polemik? Jedenfalls war es klug, die Plattform des kompakten SUV zu diversifizieren – in Plug-in-Hybrid, Hybrid und Vollelektriker. Die beiden Letztgenannten vergleichen wir hier.

Akkutechnik wiegt 450 kg

Optische Unterschiede? Der elektrisch unterstützte Verbrenner schiebt einen luftdurchlässigen Kühlergrill durch den Wind, das reine E-Auto eine Luft abweisende Blende, und seine Karosserie liegt minimal höher.

Unsere Highlights

Die Batterietechnik breitet sich im Unterboden aus, weshalb die Sitze des e-Niro vorn höher montiert sind. Im Fond lässt sich dieser Kniff aufgrund der geringeren Kopffreiheit nicht bewerkstelligen. Folge: Die Oberschenkel der hinten Sitzenden stehen in der Luft, finden kaum Halt.

Kia e-Niro, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Seine schwere Elektrotechnik macht den e-Niro gemächlicher, aber auch stabiler.

Den durchschnittlichen Testverbrauch von 20,4 kWh angelegt, kommt man mit einer Stromfüllung 348 Kilometer weit. Reichweite bedingt Gewicht – rund 450 Kilogramm schwer ist die Elektrotechnik insgesamt. Verglichen mit dem Hybrid will eine um 326 Kilogramm höhere Masse beschleunigt, gebremst und um die Ecke gewuchtet werden.

Entsprechend lässt der schwere Stromer die Fahrdynamik-Übungen auf dem Testgelände gemächlicher angehen. Wobei auch die mon­tier­ten Energiesparreifen dem Grip ins Geschäft pfuschen. Was an der Haftgrenze ebenfalls stört: das indifferente Lavieren zwischen Einlenk-Untersteuern und Lastwechsel-Übersteuern – das ESP greift beim schnellen Ausweichen rigide ins Geschehen ein. Wir ziehen hierfür Punkte bei der Fahrsicherheit ab.

Beim tagtäglichen Herumgondeln merkt man davon wenig; vielmehr scheint der Elektrowagen dank seiner zusätzlichen Pfunde ruhiger auf der Straße zu liegen. Einerseits wirkt das behäbiger, andererseits gesetzter: Das Fahrwerk schluckt Bodenwellen bereitwilliger.

Kia Niro Hybrid, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Ohne E-Unterstützung ist der Vierzylinder des Hybrid schnell überfordert.

Beim Beschleunigen zeigt er mehr Sportsgeist, powert dem Verbrenner dank deutlich mehr Leistung und vor allem einem fülligen Instant-Drehmoment auf und davon. Der 1,6-Liter des Hybrids kann nur kurz auf die zusätzlichen 170 Nm sowie 32 kW des Elektromotors setzen – solange eben der angesparte Strom aus der 1,6 kWh-Batterie reicht. Entsprechend wirkt der Vier­zy­linder mit seinen frei saugend bereitgestellten 105 PS am Berg oder beim Überholen arg angestrengt.

Anders der Elektriker: Er legt ansatzlose Zwischenspurts hin und begeistert auf der Langstrecke mit seinem niedrigeren Geräuschlevel im Innenraum. Langstrecke? Mit dem hier getesteten E-Mobil samt 64-kWh-Batterie und einer maximalen Reichweite von 429 Kilometern (wenn man den Vorwärtsdrang im Zaum hält) geht das. Sofern sich die Route entlang von Schnellladesäulen erstreckt, denn nur dort saugt der e-Niro seinen Stromtank in reisetauglichem Tempo voll.

E-Fahrer brauchen mehr Zeit

Wobei der Elektriker selbst an den Hyperchargern nicht mehr als 100 kW anfordern kann. An unserer redak­tionsinternen 22-kW-Wallbox simulieren wir dagegen den Lade­vor­gang zu Hause. Hier benötigt der Kia für eine Volltankung 9,9 Stunden und zieht dabei einphasig mit maximal 7,4 kW. Etwas schneller ginge es mit dem Onboard-Charger für 500 Euro: Damit kann der e-Niro immerhin mit rund elf kW laden, was die Wartezeit auf etwa sieben Stunden verkürzen soll, so der Hersteller.

Kia Niro Hybrid, Interieur
Hans-Dieter Seufert
Verbräuche mit einer Fünf vor dem Komma sind im Hybrid-Niro problemlos erreichbar.

Nach wie vor muss man deutlich mehr Zeit einkalkulieren, will man mit einem E-Auto statt mit einem Verbrenner auf Reisen gehen. Von der Tankgeschwindigkeit eines Verbrenners träu­men Elektrotechniker derzeit schließlich noch. Zumal man bedenken muss, dass der Hybrid-Niro nach seinem wenige Minuten dauernden Pitstopp mehr als doppelt so weit wie der e-Niro kommt.

Auch der elektrisch unterstützte Benziner lässt sich sparsam bewegen, liegt im gemittelten Testverbrauch bei 6,1 Liter auf 100 Kilometer, wobei sich auch eine Fünf vor dem Komma problemlos erzielen lässt.

Rechnet man allerdings die Energiekosten hoch, dann relativieren sich die Sparbemühungen des Hybrids: Mit Strom statt Superbenzin ist man pro Kilometer einfach günstiger unterwegs. Und solange die Nachhaltigkeit – etwa hinsichtlich der Batterieherstellung und -haltbarkeit – nicht berücksichtigt wird, brillieren E-Autos sogar in der Umweltwertung (hier wird nur die direkte Kohlendioxid-Emission bepunktet).

Kia e-Niro, Kia Niro Hybrid, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Das Laden dauert beim e-Niro nicht nur deutlich länger, die Klappe an der Front erweist sich zudem als fummelig.

Die reinen Stromkosten dürften im Alltag auch deshalb niedrig ausfallen, weil sich Kia einiges ausgedacht hat, um dem E-Fahrer einen grünen Gasfuß anzuerziehen. Etwa klassifizieren farbige Grafiken die Fahrweise: Wer maximal ökonomisch unterwegs sein möchte, bremst via Rekuperation Energie in den Stromspeicher. Davon abgesehen verhält sich der E-Wagen unspek­takulär normal; Umsteiger aus der alten Welt dürften sich in der neuen schnell zurechtfinden – auch oder gerade weil Kia nicht vollständig auf eine hippe Touchscreen-Bedienung setzt, sondern glücklicherweise noch auf praktische Menütasten.

Das gilt für den Verbrenner wie das E-Auto. Ohnehin sind die Unterschiede bezüglich der Ka­rosserie-Hardware nicht sonderlich groß. Im Wesentlichen lassen sich dem e-Niro neben dem erwähnten Sandwich-Unterboden samt geringer Oberschenkelauflage auf der Rückbank elektrospezifische Nachteile anlasten: das hohe Gewicht, die ausgedehnte Ladezeit sowie längere Bremswege durch die Energiesparreifen. Nicht zu vergessen die fummelig zu öffnende Ladebuchse in der Front – sie klappt zuweilen erst auf, nachdem man ihr einen mittelstarken Klaps verpasst hat.

Nur mit Förderung interessant

Kia e-Niro, Kia Niro Hybrid, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Der Hybrid kommt weiter, ist schneller aufgetankt und selbst nach Förderabzug für den e-Niro noch günstiger.

Auf der Habenseite stehen der bessere Federungskomfort samt niedrigeren Innengeräu­schen, die höheren Beschleunigungsreserven und vor allem die geringeren Kraftstoffkosten. Wer also rein die finanziellen Gesichtspunkte des Unterhalts in Erwägung zieht, wählt den e-Niro, weil er auch bei den Wartungskosten deutlich günstiger ist – andererseits aber nach Abzug der Förderung 2.430 Euro mehr als der Hybrid kostet.

Wer dagegen den Gewinner dieses Vergleichstests fahren möchte, wählt den Hybrid-Niro. Auch er lässt sich sparsam bewegen und ist so alltagsnah, wie man das aus der alten Welt kennt: Kurz tanken, über 700 Kilometer fahren – so einfach kann es gehen.

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Fazit

1. Kia Niro Hybrid
595 von 1000 Punkte

Das schnellere Tanken und die höhere Reichweite bringen entscheidende Punkte zum Sieg. Negativ: Bei leerem Akku, also ohne E-Boost, wirkt der Vierzylinder häufig überfordert.

2. Kia e-Niro
587 von 1000 Punkte

Dickes Plus: der umgerechnet auf den Strommix geringere Ausstoß an Kohlendioxid samt den geringe­ren Kraftstoffkos­ten. Allerdings ist der e-Niro sogar ge­fördert teurer.

Technische Daten
Kia e-Niro 64 kWh SpiritKia Niro Hybrid Spirit
Grundpreis45.790 €34.790 €
Außenmaße4355 x 1805 x 1545 mm4355 x 1805 x 1545 mm
Kofferraumvolumen451 bis 1405 l436 bis 1434 l
Hubraum / Motor1580 cm³ / 4-Zylinder
Leistung77 kW / 105 PS bei 5700 U/min
Höchstgeschwindigkeit167 km/h162 km/h
0-100 km/h7,2 s10,2 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km4,2 l/100 km
Testverbrauch20,4 kWh/100 km6,1 l/100 km