KTM X-Bow R, Caterham Seven 355, Morgan 3 Wheeler
Drei Extreme und total verrückte Second-Hand-Cars

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Ab und zu lohnt sich der Blick über den Tellerrand: KTM X-Bow R, Caterham Seven 355 und Morgan 3-Wheeler stehen für den filterlosen Mega-Fahrspaß. Gebraucht geht es ab 15.000 Euro los, das Fahrvergnügen aber ist unbezahlbar. Wir haben drei Second-Hand-Flitzer ausprobiert.

Caterham Seven 355, Seitenansicht
Foto: Rossen Gargolov

Heute erzählen wir die Geschichte vom Verzicht. Karg möblierte Cockpits, ein Motor, drei oder vier Räder und ein kleines Lenkrad. Genug, das muss reichen. Servolenkung, ABS oder gar ESP? Uninteressant. So etwas gibt es für unsere verrückten Gebrauchtsportwagen erst gar nicht. Caterham Seven 355, KTM X-Bow und Morgan 3 Wheeler sind groß im Weglassen. Somit ist die Geschichte vom Verzicht auch eine Story über das pure Autofahren. Scheibenwischer? Hat nur der Caterham, Lenkstockhebel nur der Morgan, und richtig Platz für lange Beine und große Füße gibt es nur im KTM. Drei völlig unterschiedliche Gefährte, die eines gemeinsam haben: Fahrspaß durch echten Leichtbau.

Unsere Highlights
Caterham Seven 355, Frontansicht
Rossen Gargolov
Wenn einen der Caterham nicht so zur Kurvenhatz animieren würde, könnte man während der Fahrt auch prima Blümchen pflücken.

Caterham Seven 355 wiegt leer 560 Kilogramm

Der Methusalem heißt Caterham Seven 355 und geht auf den Lotus Seven zurück: Colin Chapman stellte diesen Einbaum bereits 1957 auf die Räder. Gut 100 Kopien sind bis heute weltweit entstanden. In Deutschland dominieren die Marken Caterham und Westfield. Beide werden nach wie vor auf der Insel von Hand gebaut. Einer der Experten in Süddeutschland ist Gunther Schleyer von CCK in Kempten. Der Westfield-Importeur handelt schon seit rund 40 Jahren mit britischen Kitcars und betreibt auch eine Vermietung. „Ich empfehle immer eine Halbtages- oder Tagesmiete. Erst danach weiß man, ob man für den Seven geboren ist.“

Vor mir parkt ein gelbes Vermietfahrzeug mit 30.000 Kilometern, eben zurückgekommen und schön warm gefahren. Der Caterham Seven 355 wiegt leer 560 Kilogramm, mit 36 Litern Sprit bleibt er immer noch unter der 600-Kilo-Grenze.

Mir reichen zehn Minuten, und schon bin ich vom Virus gepackt. Minimale Bewegungen am 280-Millimeter-Lenkrad genügen, und der Brite schlägt Haken auf den winkligen Landstraßen. Herrlich, wenn man den Vorderrädern und Federelementen bei der Arbeit zusehen kann. Ich sitze so tief über dem Boden, dass ich Blümchen pflücken könnte.

Zweiliter-Duratec von Ford

Gunther Schleyer: „Das sind acht Zentimeter Bodenfreiheit. Ich lasse meine Mieter immer einen Kniefall machen, bevor sie vom Hof fahren!“ Vor meinen Füßen rackert ein Zweiliter-Duratec von Ford. 175 PS bei 7.300 Touren und 194 Nm bei 6.100 – ganz nach meinem Geschmack. Über Fächerkrümmer und Sidepipe atmet der Einspritzer aus. Sein Klang: sehr sonor, dumpf, kernig. Da ginge sicher noch mehr, doch unser Caterham ist ein 2014er-Modell mit EU6 und erfüllt aktuelle Geräuschvorschriften. Ältere Modelle sind oft weniger dezent unterwegs.

Ruckzuck habe ich mich auf den englischen Monoposto eingeschossen. Unfassbar, wie direkt der Seven auf Gas und Lenkung reagiert. Die kurz gestufte Sechsgangbox begeistert mit ultrakurzen Wegen, kratzt aber schon leicht. Naja, ein Mietwagen eben. Der Grenzbereich liegt hoch, das Ding klebt ordentlich auf dem Asphalt.

Wenn das Heck dann mal wegschmiert, sind keine Rennfahrer-Reflexe nötig – der Caterham Seven 355 ist eine ehrliche Haut. Und der tiefe Schwerpunkt schafft schnell Vertrauen. Alltag? Bedingt. Immerhin, es gibt ein Fach für Geldbeutel oder Smartphone.

Besser mit Wollmütze im Caterham Seven 355

Aber eine normale Schildkappe zieht es dir schon bei 60 km/h vom Scheitel, besser sind Wollmütze und Climax-Brille. Künftige Seven-Fans sollten darauf achten, dass das Auto COC-Papiere hat. Englische Exemplare haben keine und sind bei uns nicht zulassungsfähig. Also besser nicht vom günstigen Pfundkurs blenden lassen. Technisch sind die Fahrzeuge Großserie. Den anspruchslosen Motoren von Ford, Opel oder Rover sei Dank. Große Fahrer sollten den Serie-5-Rahmen suchen, er bietet mehr Länge und Breite. „Zusätzlich lässt sich ein tiefer Boden für mehr Kniefreiheit nachrüsten“, weiß Schleyer.

KTM X-Bow R, Heckansicht
Rossen Gargolov
Dank reinrassiger Formel 3-Technik und reichlich Downforce ist der KTM X-Bow die Ideallösung für Trackdays.

Frühe Seven bis 1990 starten bei 15.000 Euro

Einsteiger finden den Seven ab rund 15.000 Euro bis Baujahr 1990, dann oftmals mit Vergasertechnik. Bei etwa 20.000 Euro beginnen die Einspritzer. Modelle wie unser gelber Seven wurden ab 2009 gebaut. Mit dem 175-PS-Motor muss man mindestens 40.000 Euro anlegen. Neu kostet er gut 50.000 Euro, Autos mit 241 oder 310 PS liegen darüber.

Ab 50.000 Euro aufwärts findet man auch die günstigsten gebrauchten KTM X-Bow. Dafür steckt in seinen Carbon-Fasern echte Formel-3-Technik: Die österreichischen Motorradexperten haben auf die Expertise von Dallara gebaut. Das Monocoque mit Downforce und sichtbarer Pushrod-Technik verdient einen Kniefall. Im Verein mit dem 300 PS starken Audi-TFSI-Motor und dem Verzicht auf alle Komfort- und Sicherheits-Features flößt das insektenartig gestylte Mittelmotorauto zwangsläufig auch Respekt ein. Toyo-Semislicks versprechen kaugummiartigen Grip.

„Auf Passstraßen hast du keine Gegner“, grinst Harry Thoma von Auto Thoma in Burgau. „Sogar die hitzigsten Motorradfahrer geben nach zwei oder drei Kurven auf.“ Schade, dass es rund um Burgau keine Pässe gibt, aber Harry kennt ein paar verlassene Landstraßen. Beim Warmfahren durch den Stadtverkehr fällt auf, dass man auffällt – kein Wunder bei der Optik. Man sitzt recht bequem, es gibt genug Platz. Die Pedalerie ist verstellbar, die Sitze nicht. Ablagen, Servolenkung und Bremskraftunterstützung? Nada, hat ein Dallara-F3-Renner ja auch nicht. Die Schaltung und der moderne Audi-Turbomotor geben sich lammfromm.

Rennstrecken hinterlassen Spuren am KTM

Ortsschild, Feuer frei. 300 PS und 400 Nm drücken ordentlich, leider ist der Klang etwas banal. Ab 100 wird es laut an den Ohren. Ein Helm ist zwar nicht Pflicht, aber wer will schon, dass Wespen mit Vmax an die Stirn klatschen? Kurven bedeuten Arbeit, und du willst auch was arbeiten. Stur die Gerade runterhämmern macht keinen Sinn. Ohne spürbare Seitenneigung und verzückend spontan folgt der 864 Kilogramm leichte Roadster minimalsten Lenkausschlägen. In jeder Kurve flüstert er dir immer zu: „Da geht noch mehr!“ Aber der Grenzbereich ist sehr schmal, und vorher sagte Harry noch, er hat ihn als Unfallauto gekauft. Sein KTM hat sich schon einmal das linke Vorderrad abgerissen – vermutlich auf der Rennstrecke.

Gutes Stichwort: Viele X-Bow werden dorthin entführt, verständlich. Steven Koppenhöfer, KTM-Spezialist der Auer Gruppe, rät, den Carbon-Unterboden und angrenzende Bauteile auf Kratzer von Curbs und auf Steinschläge zu prüfen. „Jeder Rennstreckenkilometer belastet das Auto wie zehn Straßenkilometer.“ Ansonsten sei der X-Bow robust, Ärger weitgehend unbekannt.

Genug mit vier Rädern herumgetobt, reichen nicht auch drei? Mein letztes Dreirad fuhr ich vor, hmm, 45 Jahren. Joachim Steck, Geschäftsführer von Merz & Pabst in Nürtingen, führt mich zum skurrilen Morgan 3 Wheeler und lacht: „Der gehört einem Daimler-Entwickler!“

Morgan 3 Wheeler, Cockpit
Achim Hartmann
Abnehmbares Lenkrad für bequemeren Einstieg, aber wenig Platz für große Füße und lange Beine im Morgan 3-Wheeler.

Morgan 3 Wheeler: Noch nie haben 82 PS mehr Spaß gemacht

Bereits von 1909 und 1953 war das Gefährt im Programm. Optisch erinnert es an eine Kreuzung aus Kajak, Motorrad und Flugzeug. Seit 2012 gibt's den Neuen. Teile des Aufbaus bestehen natürlich aus Holz und Aluminium, wie bei jedem Morgan. Enges Cockpit, der Blinkerhebel rechts statt links, und der Startknopf wie ein „bomb release button“. Die spinnen, die Briten!

Und das ist gut so. Auf der Vorderachse schüttelt ein Harleyähnlicher V2 mit zwei Litern und 82 PS. Hart im Wind steuert man den Briten über enge Straßen. Noch nie haben mir 82 PS mehr Spaß gemacht. Den Neuling verwirrt die breite Vorderachse. Zusammen mit der direkten Lenkung sind Schlangenlinien unausweichlich. Die Fahrradreifen und das einzelne 175er-Hinterrad bauen wenig Grip auf, dennoch begeistert der nur 569 Kilo schwere 3 Wheeler mit fröhlicher Agilität. Reichlich Fahrtwind im Gesicht, V2-Knattern in den Ohren – danke, Morgan!

Frühe Dreiräder hatten Probleme mit dem Zahnriemenantrieb. Außerdem gibt es einen Nachrüstkit, er reduziert die Schlaglochempfindlichkeit. Risse im Rahmen wurden auf Kulanz beseitigt. Und für problemlosen Stop-and-go-Betrieb bekam der V2 ein Gebläse spendiert.

Vertrauensfrage

Ganz im Vertrauen: Würden Sie einem Kleinserienhersteller etliche Zigtausend Euro hinterherwerfen, um ein Gefährt zu bekommen, an dem das Wichtigste fehlt? Dazu noch ein dünnes Händlernetz und dumme Bemerkungen wie: „Dafür hättest du auch einen gebrauchten BMW-Audi-Porsche-AMG bekommen?“ Wer so argumentiert, saß noch nie in einem offenen Caterham, KTM oder Morgan. Alle drei sind Paradebeispiele für diebischen Fahrspaß. Sie überzeugen mit niedrigem Wertverlust und sind als als Dritt- oder Viertautos echte Alternativen zu Motorrad oder Oldtimer. Der KTM ist ideal für die Rennstrecke, der Morgan für die Landstraße, im Caterham geht beides. Beim Cruisen durch die Stadt sorgen alle drei für amüsante Erlebnisse. Die Kombination aus Leichtbau, konsequentem Weglassen und tiefem Schwerpunkt steht für Sportwagen pur. Genau das zaubert uns in jeder Kurve ein fettes Grinsen ins Gesicht. Kaum ein Großserienhersteller kann da mithalten. Also: Wer traut sich?

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten