Land Rover Defender 90 Td4 im Supertest
Die Kult-Kiste im Offroad-Einsatz

Bis 2015 darf er noch kraxeln. Im Supertest nehmen wir den fabrikneuen Oldie Land Rover Defender noch einmal hart ran.

Land Rover Defender 90 TD4
Foto: 4wf

Das Dasein als Lieb­haberstück und Kult-Vehikel ist nicht immer einfach - der Land Rover Defender weiß da einige Geschichten zu erzählen. 2013 feierte er 65. Geburtstag, und immer wieder musste er sich der kriti­schen Musterung durch die Fans stellen. Das war bei der Umstellung von Blatt- auf Schrauben­federn so – obwohl er damals noch nicht Defender hieß –, eben­falls beim Wechsel vom seligen TDI-Diesel zum Pumpe-Düse-Motor im Td5 (den Landy-Puristen wegen seiner elektronischen Motorsteuerung seinerzeit als "Taschen­rechner" verulkten). Und es war auch 2008 - mit der wohl umfang­reichsten Überarbeitung seit 1983, als die blattgefederte Serie III in Rente geschickt wurde – nicht leicht.

Unsere Highlights

Land Rover Defender mit modernem Commonrail-Diesel

Es ist weniger die Form. Bis auf den Hügel auf der Motorhaube und die nur noch vorgeprägten, aber nicht mehr ausgestanzten Öffnungen der ehemaligen Lüftungsklappen im Scheibenrahmen ist alles beim Alten geblieben. Einem unbedarften Nachbarn kann man auch mit dem Modelljahr 2013 den Bären aufbinden, dass dies lediglich ein besonders gut restaurierter Oldie aus den 70er-Jahren sei, keinesfalls ein Neuwagen. Der "Potenz­hügel" auf der Motorhaube ist dem Antrieb darunter geschuldet: Der gute alte Td5, der im Defender seine letzte Zuflucht gefunden hatte, ist seit 2008 ­Geschichte. Seinen Part übernimmt ein moderner Commonrail-Diesel, zunächst mit 2,4 Liter und seit dem Facelift in 2012 mit 2,2 Liter Hubraum. Der stammt von Konzernmutter Ford und ist dort eigentlich als Antrieb für den Transporter Transit gedacht - ein echter Nutzfahrzeugmotor also.

Die Maschine baut insgesamt kürzer, aber höher als frühere Antriebe. Deshalb die ausgebeulte Haube. Mit dem alten Fünfzylinder wurde 2008 auch das ehrwürdige R380-Fünfganggetriebe verabschiedet, das seit 1994 den Vortrieb im Defender (und im Discovery) übernommen hatte. Es wurde durch das MT-82-Getriebe von Getrag ersetzt, eine Sechsgang-Box, die ebenfalls aus dem Transit stammt und daher ohne viel Aufwand adaptiert werden konnte. Damit zieht allerdings auch ein etwas merkwürdiges Übersetzungsverhältnis ein, das uns im Verlauf des Tests noch mehrfach beschäftigen wird.

Im Alltagsbetrieb bringt diese Kombination fast nur Vorteile - vor allem bei der Lautstärke. So leise war noch kein Landy zuvor. In jedem Drehzahl- und Geschwindigkeitsbereich ist der neue Land Rover Defender gefühlt allenfalls halb so laut wie der Vorgänger. Ohrenstöpsel können auch bei langen Autobahn-Etappen daheim bleiben, ganz im Gegenteil: selbst bei Tempo 120 ist noch ein Gespräch in gedämpfter Lautstärke möglich, wo früher ein akustischer Orkan aus Fahrtwind-Geheule, Motorlärm, Getriebe- und Abrollgeräuschen durch das Auto tobte. Ein Riesen-Fortschritt. Im Ansprechverhalten zeigt sich der 2,2-Liter-Motor im Land Rover Defender ebenfalls als feine Kraftmaschine. Schon knapp über Leerlaufdrehzahl legt er beherzt zu, schiebt kräftig an. Ein echtes Turboloch kennt der Antrieb nicht.

Der Defender setzt weiterhin auf Leiterrahmen und Starrachsen

Im Offroad-Leben spielen beim Defender jedoch ein paar Sekunden mehr oder weniger kaum eine Rolle, da geht es um andere Charakterstärken. Und davon hat der Defender nach wie vor reichlich. Denn in Sachen handfesten Geländewagenbaus befinden sich nur noch ein paar starke Typen von Jeep, Mercedes und Toyota in Rufweite, die wie der Defender auf einen Leiterrahmen und zwei Starrachsen setzen - was in Bezug auf Haltbarkeit und Belastungsreserven nach wie vor das Optimum darstellt. Daran hat sich zum Glück nichts geändert - bis auf ein paar Details der Komponentenbefestigung, die beim Unterbodencheck verwundern.

Ausgezeichnete Verschränkung und gleichbleibende Bodenfreiheit

Die Bauweise mit Starrachsen und Schraubenfedern schafft überdies eine ausgezeichnete Verschränkung und gleichbleibende Bodenfreiheit unter den Differentialen. Entsprechend ­herausragend bewährt sich der Land Rover Defender 90 in der Verschränkungsbahn und bei forcierter Fahrweise auf dem Geröllhang. Dort macht sich auch der extrem kurz übersetzte erste Gang bemerkbar und führt in den Steilhangdisziplinen zu großem Umdenken. Der Grund liegt in der Gangspreizung: Als waschechtes Transportergetriebe ist das MT-82 branchenüblich eigentlich als 5+1-Schaltbox ausgelegt, mit ­extrem kurzem ersten Gang zum Anfahren bei schwerer Beladung, womöglich mit vollgepacktem Hänger - ein Transit hat schließlich keine Untersetzung.

In Zahlen liest sich das so: Was beim alten Getriebe der vierte Gang war (mit direkter 1:1-Übersetzung), ist nun der fünfte. Der angebliche Schongang der neuen Sechsstufen-Box ist mit 0,74 : 1 nur um Nuancen länger übersetzt als der fünfte Gang des alten R380-Getriebes (0,77 : 1). Dafür hat es der Erste in sich: Mit 5,44 : 1 ist er kürzer als so ziemlich alles, was sich sonst noch im Geländewagensektor finden lässt. Die so erreichbare Gesamtübersetzung im ersten Gang mit Geländereduktion: 62,96:1! Der Vorgänger kam auf einen ­(eigentlich hervorragenden) Wert von "nur" 43,4:1.

Der Defender klettert wie eine Bergziege

Diese ganze Zahlenakrobatik ­bedeutet in der Praxis, dass der Defender im ersten Gang wie ­eine Berg­ziege über Felsen ­klettert. Aber auch, dass man das Wort "Anlauf" in Stufe 1 ­getrost vergessen kann. Und dass zwischen erstem und zweitem Gang eine riesige Lücke klafft, die in der Praxis kaum zu überbrücken ist. Das fordert sowohl Landy-Einsteiger als auch die alten Hasen im Gelände richtig heraus. Denn die bisherige Fahrweise ist mit dem neuen Getriebe nicht mehr kompatibel.

Hurrarufe gibt es für den kurzen Ersten natürlich in der Trial-Sektion, wo der 90er im Schneckentempo durchkriecht - da könnte man geradezu rausspringen und gemütlich nebenher schlendernd von außen die Lage peilen. Geblieben ist es dagegen beim gruseligen Wendekreis als Folge des Fahrwerks: Im Gegensatz zu einer Einzelradaufhängung ­limitieren die Längslenker der Starr­achse den Radeinschlag. Deshalb bleibt auch der neue ­Defender 90 trotz nur 3,90 Meter Länge ein verblüffend unhandliches Fahrzeug.

Trotz des vertrauten Äußeren ist der Defender charakterlich ein neues Auto

Das Getriebe wirkt sich natürlich ebenfalls auf die weiteren Testprogramme aus, zum Beispiel auf die Disziplinen Lockersandstrecke oder Sandhang. Von geübten Gangschemata, hundertfach mit dem Vorgänger offroad erprobt, kann man sich verabschieden. Deshalb kraxelt der aktuelle Defender nicht schlechter durchs Gelände als der bisherige, ganz im Gegenteil. Man muss ihn nur erst kennenlernen.

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Test Wertungen
Unterboden
29
maximal 10 Punkte

Alles beim Alten? Nicht ganz. Die frohe Botschaft vorweg: Der Defender ist unten dicht. Zumindest unser Testwagen verlor nirgends auch nur ein winziges Tröpfchen Öl. Langjährige Landy-Fans wissen diese Botschaft zu würdigen. Durch die unveränderte Bauweise bleibt es bei der beschädigungsgefährdeten Spurstange, die bei unvorsichtiger Fahrweise beispielsweise durch große Steine deformiert werden kann. Der Auspufftopf ragt deutlich aus dem ­Rahmen heraus und kann in un­weg­samem Gelände dadurch ebenfalls Schaden nehmen. Die riesigen Schmutzlappen hinten laufen bei Rückwährtsfahrt in ­Verschränkungspassagen Gefahr, ­unter die Räder zu kommen. ­Ärgerlich: Die Kraftstoffleitungen, die an der Innenseite des Rahmen-Längsträgers offen verlegt sind, können schon beim Überfahren von Ästen verletzt werden. Ein Schutzblech bringt hier Abhilfe. Die Trittbügel schränken den ­Rampenwinkel ein, dienen aber auch als Schwellerschutz. Fazit: Robust, aber längst nicht perfekt.

Land Rover Defender 90 TD4
Verschränkung
185
maximal 200 Punkte

Der erste Abschnitt ist nicht der Rede wert, 50 Punkte. Im zweiten Teil der Verschränkungsstrecke, wo die Modulationen wirklich heftig werden, gibt sich der Defender ebenfalls völlig unbeeindruckt. Zwar kann er, bedingt durch den kurzen Radstand, nicht immer alle Räder am Boden behalten, doch er läuft im ersten Gang mit Untersetzung und gesperrtem Verteiler­getriebe im Standgas einfach so durch. Die sensibel ansprechende Traktionskontrolle greift nur einmal ganz kurz ein. Seekrank wird man dank des weit federnden Fahr­werks nicht. Trotz der Trittstufen bewältigt der Defender - auch hier dank des kurzen Radstands - sogar die steilste Kuppe der Test­strecke, ohne aufzusetzen. Eine nahezu fehlerfreie Darbietung.

Land Rover Defender 90 TD4
Fahrwerk
86
maximal 100 Punkte

Der 90er benimmt sich ziemlich steif, das war schon auf den Verbindungsstrecken zwischen den Prüfungen zu spüren. Speziell die Hinterachse ist unbeladen bretthart gefedert. Das bezieht sich ­allerdings in erster Linie auf den Fahrkomfort, denn im Geröllhang wirkt sich diese steife, beladungssichere Federauslegung nur marginal auf das Fortkommen aus. Bergab geht es im Schneckentempo im ersten Gang mit Untersetzung, nur kurz fluppt hinten ein Rad in die Höhe und lässt den Landy einen Wimpernschlag lang stolpern. Direkt gefährlich wird es nie, denn er krallt sich sofort wieder ein. Bergauf ist echtes ­Kinder-Kino: Ersten Gang rein, die Untersetzung mit gesperrtem Zwischendifferential ist drin - einfach laufen lassen. Die Steuerelektronik hält die Maschine stoisch bei 1.000 Touren, und der Defender klettert unverdrossen - Fuß vom Gas! - ganz geruhsam nach oben. Die Traktionskontrolle kommt erst gar nicht ins Spiel. Und auch im zweiten Gang mit Untersetzung gibt es ­keine Probleme.

Land Rover Defender 90 TD4
Steigfähigkeit
142
maximal 200 Punkte

Bergauf nimmt der 90er die stärksten ­Steigungen, jedoch mit leicht ­rutschenden ­Rädern. Mit der Differentialsperre des Getriebes ist der Radschlupf weg. Ebenso bergab: Erst wenn die Sperre des Verteilergetriebes eingelegt wird, kommt der Defender in seinem superkurzen ersten Gang nicht mehr ins Rutschen. Der erste Gang ist im echten Gelände bei schlüpfrigem Untergrund viel zu kurz, dort droht der Defender abzuschmieren. Der zweite Gang bietet sich kaum als Alternative an - er ist hierfür viel zu lang.

Land Rover Defender 90 TD4
Handling
55
maximal 100 Punkte

Der Defender ist ein waschechter Offroader und kein Sportwagen. Entsprechend verhält er sich bei der Fahrdynamik. Mehr zu erwarten, wäre übertrieben. Übertrieben ist allerdings auch die extrem gedämpfte Lenkung, die es schwer macht, den 90er wirklich punkt­genau zu bewegen. Die (nicht abschaltbare) Traktionskontrolle regelt forsch die Leistung runter. Es ist schon einige Kurbelei nötig, um den Land Rover zum Drift zu überreden, eigentlich benimmt er sich eher behäbig. Mit dem Permanent-Allrad zeigt er sich von seiner Sonnenseite: auf Sand richtig gut und traktionsstark. Die stramme Federung macht dagegen nicht wirklich Spaß und lässt den ultrakurzen Briten ziemlich unbeholfen durch die Sandetappe stolpern. Seitenneigung? Na ja, Defender eben. Schon schräg. Ständige Richtungswechsel mag er nicht, dann beginnt sich der 90er aufzuschaukeln. Mit ausreichend Zuladung ist die Federung höflicher, die ­Seitenneigung aber stärker.

Land Rover Defender 90 TD4
Wat-Verhalten
80
maximal 100 Punkte

Freigegeben sind 50 Zentimeter, das ist gerade einmal Trittbrett­höhe. Sogar die Türen lassen sich da noch öffnen, ohne nasse Füße zu bekommen. Entsprechend ist der halbe Meter kein Thema für den Landy. Schwallwasser findet allerdings über die Türdichtungen den Weg nach innen und nässt den Teppich ordentlich ein. Wer öfter baden geht, hat beim Defender die sehr elegante Möglichkeit, einfach einen Schnorchel an die seitliche Ansaugöffnung im Kotflügel zu montieren. Solange diese Ansaugöffnung allerdings serienmäßig so bleibt, sollten allzu heftige Wasserspiele unterbleiben, sonst droht ein Wasserschlag. Der im Vergleich zum Vorgänger deutlich umfangreicheren Fahrzeug­elektronik macht der Tauchgang allerdings gar nichts aus.

Land Rover Defender 90 TD4
Übersichtlichkeit / Wendigkeit
67
maximal 100 Punkte

Keine vier Meter lang und trotzdem unhandlich wie ein Fünfmeter-Pickup: Der geringe Radeinschlag sorgt für eifriges Gekurbel, an einem Tor muss sogar gleich zwei Mal rangiert werden. Eigentlich ist die Übersicht über die kantige Karosserie hervorragend. Ausgerechnet die B-Säule aber stört durch die nach hinten gerückte Sitzposition: Da muss man sich schon kräftig nach vorn beugen, um daran vorbeipeilen zu können. Die klassischen Abmessungen - kurz, schmal und hoch - helfen natürlich dennoch, den ­Landy ohne anzuecken selbst im dichten Wald bewegen zu können. Der Defender 90 ist ein echter Förster-Freund.

Land Rover Defender 90 TD4
Traktion
43
maximal 50 Punkte

Er wühlt und gräbt sich vorwärts, wie das von einem Defender erwartet werden darf. Die Traktionskontrolle muss kaum eingreifen, das gesperrte Zentraldifferential ­genügt, um ausreichend Vortrieb im tiefen Geläuf zu erzeugen. Ein echter Wüstenfuchs. Geht man es allerdings beim Anfahren etwas zu forsch an, bedankt sich der kurze Ninety mit wüstem Trampeln des Fahrwerks, bis man Tempo rausnimmt. Wenig auszusetzen gibt es an der Spurhaltung, das anvisierte Ziel erreicht er ohne große Lenkkorrekturen.

Land Rover Defender 90 TD4
Antriebssystem
75
maximal 100 Punkte

Hier heißt es erst einmal ausprobieren, welcher Gang der richtige ist. Den Ersten in der Untersetzung kann man im Tiefsand getrost aus dem Repertoire streichen, da geht es nur nach unten, nicht nach vorn. Bei Sand wird ohnehin üblicherweise im Straßengang gefahren, doch dafür ist wiederum der Sprung zwischen erstem und zweitem Gang zu hoch. Also Untersetzung und die Gänge drei bis vier bemühen, wenn es vorangehen soll. Im zweiten wird nur angefahren. Der Motor gibt sich kämpferisch und baut richtig Druck auf, ohne dabei einen wenig hilfreichen, abrupten Leistungs­einsatz zu zeigen - so soll es sein. Durch das gut ansprechende Fahrwerk behält der Permanent-Allrad die Situation fast allein im Griff. Die elektronische Traktionskontrolle muss nur ganz selten mit einem kurzen Bremseingriff helfen - zum Glück, so geht nicht unnötig Kraft verloren. Den Sandhang stürmt der Defender lässig empor, und weil das fast langweilig wirkt, probieren wir es außerhalb der Wer­tung einmal rückwärts. Geht auch.

Land Rover Defender 90 TD4

Fazit

Der Defender gehört nach wie vor zu den geländetauglichsten Fahrzeugen weltweit. So besteht er auch den Supertest souverän. Die Alltagstauglichkeit ist nach der Überarbeitung in 2012 vor allem hinsichtlich der Geräuschdämmung verbessert worden. Kompromisse erfordern die ungenaue, schwergängige Lenkung, das schaukelige Fahrwerk und der riesige Wendekreis – ein echter Geländewagen eben, kein modisches SUV.

Technische Daten
Land Rover Defender 90 TD4 Station Wagon SE
Grundpreis34.890 €
Außenmaße3894 x 1790 x 1997 mm
Hubraum / Motor2198 cm³ / 4-Zylinder
Leistung90 kW / 122 PS bei 3500 U/min
Höchstgeschwindigkeit144 km/h
Verbrauch10,2 l/100 km