Maserati Grecale 3.0 Trofeo
Charaktervolle V6-Unterhaltung

Spät, aber mit Nachdruck drängt Maserati in die SUV-Mittelklasse. Im Grecale Trofeo soll der Nettuno-V6 aus dem MC20 für die nötige Maseratiness sorgen – dynamisch wie akustisch.

Maserati Grecal
Foto: Achim Hartmann

Bevor der V6 zeigen darf, ob er die rund 2,1 Tonnen Blech in Blu Intenso mit göttlicher Kraft gen Horizont katapultieren kann, müssen wir noch kurz die Quartettfakten durchkauen. Zum einen, weil der Grecale eine komplett neue Baureihe in einer für Maserati neuen Fahrzeugklasse etabliert, und zum anderen, nun, weil er auch etwas zwischen den Stühlen sitzt.

Das sogenannte D-SUV-Segment, zu dem der Grecale zählt, wird dominiert von Audi Q5, BMW X3 und Mercedes GLC. Nur ist keiner von ihnen auch nur annähernd so groß wie der rund 4,86 Meter lange Grecale, der damit eigentlich näher an X5 und GLE liegt. Neben dem Topmodell Trofeo warten noch zwei Vierzylinder-Varianten (GT und Modena) beim Händler und eine E-Variante (Folgore), die erst im Laufe dieses Jahres ausgeliefert wird. Den Unterbau teilt sich der Grecale mit Alfa Romeo Giulia und Stelvio. Eine Plattform, die statt einer kryptischen Abkürzung einfach den Namen Giorgio trägt.

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Seebeben unter der Haube

Nun aber ran an den Speck. Startknopf am Lenkrad gedrückt, und mit (noch) verhaltenem Klang erwacht der Dreiliter-V6 zum Leben. Das serienmäßige Luftfahrwerk fährt von der Einstiegshöhe zurück in die Standardposition (65 Millimeter Verstellweg von "Offroad" bis "Aero 2"), und sanft setzt sich der dreizackige Hochsitz in Bewegung. Angesichts der mächtigen 21-Zoll-Räder überrascht der gute Abrollkomfort. Das Luftfahrwerk dämpft auffallend gemütlich in der Comfort-Stellung.

Von dieser entspannten Ausrichtung hat nur einer nichts mitbekommen, und der sitzt unter der Haube. Er pulsiert, vibriert, sendet bei niedrigen Drehzahlen leichte Dröhnfrequenzen durch den Innenraum und, nun ja, hört sich erst mal an wie ein mäßig gedämmter Dreizylinder, was daran liegt, dass er genau das ist. Zumindest in Teilzeit, denn regelmäßig knipst die Motorsteuerung drei der sechs Zylinder aus. Schon bei niedriger Drehzahl macht der Antrieb auf sich aufmerksam und stellt sich ab etwa 3.000 Umdrehungen showmastergleich in den Mittelpunkt. Ab jetzt liegt das volle Drehmoment an, die beiden Lader rotieren auf Hochtouren, und aus der Zylinder-Vorkammer züngeln die Fackelstrahlen, die das mit elf zu eins verdichtete Luft-Benzin-Gemisch gründlichst verbrennen.

Maserati Grecal
Achim Hartmann
Segment: Power-SUV der Mittelklasse. Kosten: Ab 113.467 Euro, überraschend kurze Aufpreisliste. Anspruch: Das Power-SUV-Segment aufmische. Konkurrenten: BMW X3 M, Jaguar F-Pace SVR.

Oder man lauscht einfach dem Übergang vom Dreizylinder-Genörgel hin zum rauen Klappenauspuff-Rock, wie ihn nur ein italienischer V6 zustande bringt – hier übrigens ohne hörbares Lautsprecher-Autotune. Aber das hat Zucchero ja auch nie gebraucht. Dass der Motor auf seinem Weg aus dem MC20 in den Grecale seine Trockensumpfschmierung, 100 PS und etwas Drehzahl eingebüßt hat? Kein Drama, auch im Grecale stürmt er inbrünstig gen Begrenzer bei knapp über 7.000/min. Die Schaltunterbrechungen der Achtgangautomatik von ZF sind unter Volllast kurz und hart und werden akustisch laut donnernd untermalt.

Die explosive Leistungsentfaltung rührt auch von der knackig kurzen Übersetzung der unteren Gänge her. So reicht der vierte Gang bis gerade einmal knapp 140 km/h. Die Akkordarbeit des Getriebes kann oder sollte man im manuellen Modus dirigieren. Denn die beiden Aluminiumtaktstäbe an der Lenksäule klicken herrlich taktil, und das Getriebe reagiert ausgesprochen flink auf Paddelbefehle. So verwundert es auch nicht, dass der Grecale trotz seiner Dimensionen auch Landstraßen mit Unterhaltungsanspruch begegnet. Zum einen durch die Übersetzung, zum anderen durch die akribisch abgestimmte Lenkung. Während sie sich bei Konkurrenten in modusabhängigen Kennlinien verkünstelt, bleibt sie im Grecale konstant: direkt, gefühlvoll, von hoher Mitteilsamkeit. Untersteuern kündigt sich klar in nachlassenden Haltekräften an. Die Vorderachse wirkt vor allem im Sport- und im Trofeo-Modus mit nachgestraffter Dämpferkennlinie sehr verbindlich, das Fahrverhalten dank des hervorragend dämpfenden Fahrwerks auch auf schlechten Straßen souverän.

Der richtige Kompromiss

Auf eine Wankstabilisierung verzichtet der Grecale und erlaubt ein gewisses Maß an Rollneigung, was dem Fahreindruck auf öffentlicher Straße jedoch kaum schadet und im Vergleich zu wankstabilisierten Konkurrenten etwas mehr Kommunikation von Chassis zu Fahrer erlaubt.

Am Kurvenausgang spielt sich dann das aktive Sperrdifferenzial an der Hinterachse in den Vordergrund, das den breiten Hintern des Maserati unter Last spürbar zum Mitlenken anregt. Im Corsa-Modus lockert das ESP dafür die Zügel und erlaubt einige Freiräume. Lastwechselinduziertes Übersteuern steht jedoch auf der Verbotsliste. Im Slalom und im Ausweichtest regelt das System im Grenzbereich eher grob.

360-Millimeter-Stahlscheiben kämpfen vorn gegen die angreifenden Massen – mit Erfolg. Die Bremswerte sind gut und konstant, nur fühlt sich das im Bremspedal nie ganz danach an. Zwar spricht die Bremse bissig an, bei höherem Bremsdruck hat man aber das Gefühl, auf einem dicken Klumpen Büffelmozzarella herumzutreten.

Maserati Grecal
Achim Hartmann
530 PS und 630 Nm sorgen für reichlich Fahrdynamik.

Trotzdem gefällt die Ausrichtung des Grecale: Seine Agilität reißt mit, geht aber kaum Zulasten seiner SUV-Qualitäten. Er verkneift sich eine überharte Abstimmung zugunsten von noch mehr Performance, wie es manche Konkurrenten tun – ja, wir meinen dich, lieber X3 M –, agilisiert stattdessen seinen unvorteilhaften Aufbau, so gut es eben geht. Dafür rollt er geschmeidig über Gullydeckel, rauscht bei hohem Tempo satt über geflickte Autobahnen und bietet zwar keinen brillanten, aber zumindest einen ordentlichen Geradeauslauf. Nur bei mittleren Tempi – 100, 120 km/h in etwa – scheint der Dreizack einen Knick in seiner Physiognomie zu haben. In diesem Geschwindigkeitsbereich gibt die Luftfederung auf zerfurchten Landstraßen mit wechselnden, teils einseitigen Anregungen viel Aufbaustabilität, reicht aber kurze Brückenfugen auf der Autobahn harsch in die Ledersitze durch. Der Geradeauslauf wirkt in diesem Tempobereich wackelig, der Motor bettelt rumorend um Aufmerksamkeit und mehr Drehzahl. Immerhin zeigt die Fahrassistenz größtenteils einen hohen Reifegrad, sofern man das gewaltige Pieporchester deaktiviert und sich auf optische Warnungen beschränkt. Die Eingriffe von ACC und Spurhalter wirken sehr stimmig, auf die Verkehrszeichenerkennung sollte man sich besser nicht verlassen. Aber gewisse Eigenheiten erwartet man ja schon fast, schließlich galt Neptun ja auch nicht gerade als in sich ruhender, achtsamer Yogi.

Nach einem Skurrilitätenkabinett in der neuen Cockpit-Architektur muss man jedenfalls lange suchen. So gut wie nichts erinnert an die Chryslerigkeit von Levante, Ghibli und Quattroporte. Stattdessen warten gestochen scharfe Touchscreens, großflächig verlegtes Leder und feines Aluminium auf die prüfenden Handflächen. Kunststoff? Gibt es, in unschönen Formen aber nur weit unten in den hinteren Türen. Trotzdem reicht der Grecale qualitativ nicht ganz an die deutschen Mitbewerber heran. Die Lenkradtasten wirken arg klapprig, das Sitzleder schlägt hier und da Fältchen, die Nähte der Türverkleidung wählen statt eines geraden Strichs die Wünschel-Route, und die Spaltmaße zwischen den Türen und von der Motorhaube zu den Kotflügeln verlaufen auch nicht perfekt.

Warum das Interieur trotzdem geglückt ist? Das touchbasierte Infotainment-System reagiert zackig, bietet hübsche Grafiken und erfreut mit flacher Menüstruktur. Ein Navigations-Plug-in von TomTom sorgt für passende Routen. Im Fahrzeugmenü kann man sich über Spinnendiagramme anzeigen lassen, welche Parameter der Fahrmodus wie beeinflusst und an welche Räder wie viel Kraft gelangt. Android Auto und Apple CarPlay sind ebenfalls an Bord. Skurril wirken manche Übersetzungsfehler. So wird die Getriebetemperatur als "Übertragungstemperatur" deklariert.

Blaumann unter dem Sakko

Klassische Lenkradtasten sorgen für eine recht einfache Bedienung des Tempomaten und des Tachodisplays. Weitere Schalter hinter dem Lenkrad übernehmen wie bei Ferrari die Einstellung von Medien und Lautstärke.

Andere Grundfunktionen wie Lichtsteuerung, Klimabedienung oder Displayhelligkeit laufen über den leicht abgewinkelten unteren Screen in der Mittelkonsole. Zwar sind alle Einstellungen hier maximal eine Menüebene entfernt, trotzdem sollte man gerade die Scheinwerfer schneller und präziser bedienen können.

Die vorderen Sitze bieten ein ordentliches Maß an Seitenhalt und sind fahraktiv, also nicht zu hoch platziert. Im Fond gibt es nach einem bequemen Einstieg ebenfalls reichlich Platz, auch wenn das serienmäßige Glasdach die Kopffreiheit von Passagieren über 1,90 Meter etwas einschränkt. Die eng zulaufenden Wangen der Rückbank drücken zudem manchen Personen leicht in die Schultern. Der Kofferraum kommt mit 570 bis 1.625 Litern im klassentypischen Format und präsentiert sich recht variabel. Zwar fehlt ein Unterflurfach, aber die optionalen Verzurrschienen und die dreiteilige Lehne sorgen für ein gesundes Maß Variabilität. Die Lehne legt sich per Knopfdruck zu einem flachen Ladeboden nieder. Praktischerweise positioniert Maserati je einen Knopf links und rechts an der Rückbank und einen im Kofferraum, was unnötiges Umherlaufen erspart.

Maserati Grecal
Achim Hartmann
66,5 km/h, so schnell steppt der italienische Blaubär durch den Slalom. Trotz seiner üppigen Maße ist er damit 0,2 km/h schneller als ein 809 Kilogramm leichterer Toyota GR86.

Nervig in der Handhabung sind dagegen die äußeren elektrischen Türgriffe, in denen sich ein kleiner Gummiknopf zur Türentriegelung verbirgt. Von innen öffnet man die Türen via Knopfdruck direkt unterhalb des Haltegriffs in einer Bewegung ohne Ellenbogenstoß – smart.

Kein Evergreen

Dass sich ein solches Niveau an Power, Fahrspaß und Komfort in genau dieser Zusammenstellung nicht ganz ohne Nebenwirkungen erreichen lässt, dürfte klar sein. Der Grecale ist ähnlich grün wie die Komplementärfarbe Magenta: nämlich gar nicht. Der Motor lässt sich kaum mit einstelligen Verbräuchen bewegen, der Produktionsaufwand liegt hoch, der Fahrwiderstand bei 130 km/h ebenfalls. Einzig der kurze Transportweg über die Alpen rettet ihm ein paar Umweltpunkte.

Rund 125.000 Euro kostet der gezeigte Testwagen. Die Differenz zum Basispreis kommt vor allem durch Fahrassistenz mit LED-Matrix-Scheinwerfern (5.902 Euro), das klanglich ziemlich enttäuschende Sonus-Faber-Soundsystem (2.499 Euro), Lenkradheizung (250 Euro), Sitzbelüftung (904 Euro), 360-Grad-Kamera (1.000 Euro) und ein paar dekorative Extras zustande. Alles fahrdynamisch Relevante gibt es zwar serienmäßig, trotzdem verlangt Maserati im Vergleich zur Konkurrenz von BMW oder Jaguar einen gewissen Aufschlag.

Aber auch das sind nicht mehr als Quartettfakten.

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Fazit

Auch wenn er kein Punktekönig wird, überrascht der unterhaltsame Grecale positiv. Er verbindet gute Alltagskompetenz mit einem charaktervollen Antrieb. Eine starke Affinität zu Verbrennungsmotoren ist Voraussetzung, um ihm trotz dominanter Akustik und hohem Verbrauch zu verfallen.

Technische Daten
Maserati Grecale 3.0 Trofeo
Grundpreis124.016 €
Außenmaße4859 x 1979 x 1659 mm
Kofferraumvolumen570 l
Hubraum / Motor2992 cm³ / 6-Zylinder
Leistung390 kW / 530 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit285 km/h
0-100 km/h3,9 s
Testverbrauch12,5 l/100 km