Mercedes-AMG C-Klasse Performanceanalyse
Alle Modellvarianten im Vergleich

Am Anfang ging’s drunter und Drüber im AMG-Haushalt des W 205. Der kleine C ärgerte den nächstgrößeren, der ganz grosse kämpfte mit sich selbst. Jetzt wurde für Ordnung gesorgt!

Mercedes-Benz C AMG, Exterieur
Foto: Rossen Gargolov

Sieben AMG frei Haus, sturmfreie Bude in Hockenheim – der heutige Tag verspricht ein guter zu werden. Dennoch wollen wir unsere Geschichte im Gestern beginnen, im Jahr 1993, als die Performance der C-Klasse noch keiner so weitgefächerten Analyse bedurfte. Damals lancierten Mercedes und AMG ihr erstes gemeinsames Projekt – den C 36, der in genau einer Version angeboten wurde. Mit Reihensechser, 280 PS, Stufenheck und einem Preis von 95.450 D-Mark.

Die Sportmodell-Großfamilie

Seitdem sind jedoch einige Jahre ins Ländle gezogen. Die einstigen Kooperationspartner sind inzwischen fest liiert, und der erst so belächelte Versuch, einem spießigen Mittelklässler Feuer zu machen, hat sich mit der Zeit zur größten Sportmodellfamilie weit und breit entwickelt: Aktuell lassen sich vier Karosserien frei mit drei Leistungsstufen zwei verschiedener Motoren zusammenspannen, was zwölf Kombinationen aus C-Klasse und AMG ergibt.

Doch der Variantenreichtum birgt Probleme. Früher, als Sportmodelle noch für sich selber standen, durften sie quasi einfach drauflosperformen. Heute unterstehen vor allem die Zwischenstufen einer strikten Stallorder. Sie müssen sich von der Stangenware differenzieren,schließlich bedürfen Mehrpreis und Reputation einer fahrdynamischen Rechtfertigung. Gleichzeitig dürfen sie dem Ranghöheren aber keinesfalls zu nahe treten, da ja auch der einer Rechtfertigung bedarf.

Mercedes-Benz C AMG, Exterieur
Rossen Gargolov
Was wirklich dahinter steckt: Zwischen dem kleinsten und dem größten C AMG liegen weit mehr als 120 PS und zwei Zylinder.

Im Falle des C 43 verläuft der Korridor zwischen dem C 400 und der Unterstufe des 63er. Heißt: Seine Nische umfasst eine Spanne von 143 PS und rund 34.000 Euro und ist damit eigentlich breit genug. Doch brutto ist hier nicht gleich netto, was mit dem Antriebskonzept zusammenhängt.

Die Abgrenzung nach untenhin war und ist zwar stets gewährleistet. Dafür sorgen die trockene Fahrwerkskonfiguration mit Bestandteilen des 63er und die vitalisierende Kraftverteilung des 4Matic-Systems. Seine Vorgesetzten jedoch brachte er gerade in jungen Jahren gehörig in die Bredouille. Klar, geradeaus hatte er mit seinem damals 367 PS starken V6-Biturbo keinen Auftrag gegen den mächtigen Schub der Achtzylinder, in Kurven hingegen war er verblüffend nah dran. Er wog weniger und ließ sich dank der unerschütterlichen Traktion nonchalant herausbeschleunigen, während man die anfangs doch recht labile Hinterachse des 63er mit Samthandschuhen anfassen musste – oder besser: mitSeidensöckchen. Unsere Statements zum C 43 waren dementsprechend: „Der beste BMW, den Mercedes je gebaut hat“, stand in einem Vergleichstest. Vom besseren AMG war dieSchreibe, und davon, dass er nur etwas mehr Power bräuchte, um die Hackordnung komplett auf den Kopf zu stellen.

Und obwohl das, wie gesagt, nicht im Sinne der Erfinder ist, bekommt er 2018 genau das: Mit der Modellpflege steigen Leistung und Drehmoment des Dreiliters auf 390 PS und 520 Nm, was ihn definitiv hätte weiter aufholen lassen, wäre es die einzige Änderung geblieben.

Mercedes-Benz C AMG, Interieur
Rossen Gargolov
Problemzone: Mit der neu sortierten Übersetzung des Neunstufenautomats im C 43 muss man in sechs der 14 Kurven feststellen, dass Gang drei und vier nicht ganz mit der Strecke harmonieren wollen.

Never change a running system, sagt der Engländer. Frei übersetzt: Nimm die Griffel weg, wenn etwas funktioniert! Doch AMG tat das Gegenteil, was dazu führte, dass sich der 43er in die falsche Richtung entwickelte – zumindest was seine Rennstrecken-Performance anbetrifft. Ein Faktor: der Neunstufenautomat, der mit seinen umsortierten Übersetzungen überhaupt nicht mehr mit der GP-Strecke des Hockenheimrings harmonieren will. In sechs der 14 Kurven steht man vor der Entscheidung, ob Gang drei oder vier nun besser passt – um irgendwann resigniert festzustellen, dass der eine schlicht zu kurz ist und der andere zu lang.

Platt- statt leichtfüßig

Klar, das kann man dem C schwerlich vorwerfen, allerdings verstärkt er diesen unglücklichen Zufall mit einer künstlich eingeimpften Lethargie. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der einen mit Drehfreude ansteckte und durch Kurven tänzelte, wirkt der Neue irgendwie wie eingeweicht. Die Kraftentfaltung scheint nach strammem Beginn nun früher zu erschlaffen, manuelle Schaltbefehle werden zögerlich umgesetzt oder gänzlich ignoriert, und auch die Leichtfüßigkeit, die ihn einst auszeichnete, reicht nur noch bis zu einem bestimmten Punkt –zu einem Punkt diesseits des Grenzbereichs. Wird der überschritten, stehen sofort die Kollegen aus der Abteilung Bauteileschutz auf der Matte und schieben dem weiteren Ausbau der Querdynamik einen Riegel vor. Zwar erfolgen deren Eingriffe sensibel und dosiert, anscheinend blockieren sie aber genau jenes bisschen Spielraum, das Allrad und Fahrwerk bräuchten, um das Handling aufzulockern. Noch mal: Es ist nicht der Job eines C 43, auf der Strecke die Sterne vom Himmel zu fahren, das Dilemma ist nur, dass er dazu schon mal in der Lage war.

Beim C 63 ist die Situation genau andersrum. Zu Beginn seiner Laufzeit hatte speziell die S- Version schwerzu kämpfen. Hinterradantrieb, Kraft en masse und eine Sperre, deren elektronische Steuerung nicht so recht umzugehen wusste mit alldem. Folgen: plötzliche Haftungsabrisse am Limit, eine wackelige Performance, reichlich Kritik und noch mehr Kuddelmuddel in der Hierarchie. Trotz seiner 510 PS bekam es der C 63 S nämlich nicht nur mit dem aufmüpfigen 43er zu tun, sondern auch mit dem 476-PS-V8, der anfangs noch mit einer rein mechanischen Differenzialsperre zusammenarbeitete. Die sollte in der Theorie zwar nicht so feinfühlig regeln, tat in der Praxis aber genau das. So kam es, wie es kommen musste: Der kleine C erreichte in Hockenheim genau das Niveau des großen – und an manchen Tagen sogar mehr.

Mercedes-Benz C AMG, Interieur
Rossen Gargolov
Toll: das Track-Pace- Programm – ein GPS- gestützter Rundenzeitenmonitor mit Live-Timing und Analysefunktion.

Doch das ist Schnee von gestern. Seit der Modellpflege nutzen beide Leistungsstufen die elektromechanische Lösung, funktionieren tadellos und gemäß ihres Dienstgrades, wobei die knappe Sekunde Differenz in der Rundenzeit auch tatsächlich durch die Differenz von 34 PS und 50 Nm entsteht. Ihr Kurvenverhalten gleicht sich inzwischen wie ein Ei dem anderen. Sowohl der C 63 als auch der C 63 S keilen sich motiviert in Lenkwinkel, liegen satt, lassen sich dennoch mit dem Gas aufganseln und im butterweichen Powerslide herausbeschleunigen. Das Gezicke von einst? Wegentwickelt!

Unterschiedlich, aber ähnlich

Selbst die feinen Unterschiede zwischen den Varianten, die einst in der Disharmonie des Traktionsverhaltens untergingen, zeichnen sich nun deutlich ab. Limousine und T-Modell sind dabei nach wie vor gleichauf, was aber schlicht daran liegt, dass das minimal niedrigere Gewicht hüben und die minimal bessere Achslastverteilung drüben zu wenig sind, um den Ausschlag zu geben. Das Coupé́ indes weiß seine besseren Rahmenbedingungen (breitere Spur, breitere Reifen, größere Hinterräder) in Zählbares zu verwandeln. Im Gegensatz zum 43er, bei dem die Karosserie eine reine Formalität darstellt, raspelt der zweitürige C 63 S noch mal 1,1 Sekunden von der Zeit der 45 Kilo leichteren Limousine ab – obgleich der Unterschied auf der Uhr am Ende größer ist als der im Fahreindruck.

AMG C63 S Coupe, Exterieur
Rossen Gargolov
Klarer Favorit: Das C 63 S Coupé geht mit einer Rundenzeit von 1.57,0 Min auf dem Hockenheimer GP-Kurs über eine Sekunde vor Limousine und T-Modell in Führung, Semislicks bringen nocheinmal weitere vier Zehntel.

Sogar das C 63 S Cabrio, das per Konzeption etwas gediegener veranlagt ist, lässt sich von seinen 1.960 Kilo nicht davon abhalten, genauso herzerfrischend ums Eck zu grätschen wie seine schlankeren Kollegen. Mag sein, dass die Bewegungen zäher ablaufen und sich die Ideallinie bei ihm eher nach Spätzle als nach Spaghetti anfühlt. Dennoch hält er sich im Klassement am Ende locker vor den 43ern, was dem Rollenverständnis entspricht und angesichts der früheren Kräfteverhältnisse ebenso lobenswert wie bedauerlich ist.

Fazit

Die Verhältnisse sind geklärt! Seit dem Facelift liegen die 43er-Modelle an der Leine und können dem C 63 nicht mehr gefährlich werden. Die Geschwindigkeiten im Kurvenscheitel lesen sich zwar gut, jedoch fehlt es ihrer Querdynamik an Lebhaftigkeit – insbesondere kurvenausgangs. Zwischen Limousine und Coupé́ lassen sich keine Unterschiede ausmachen – weder im Fahrgefühl noch in den Messwerten.

Anders bei den 63ern: Hier ist das S Coupé́ aufgrund modellspezifischer Zutaten wie den breiten Schmiederädern (optional) klar tonangebend. T-Modell und Limousine liegen praktisch gleichauf dahinter. Bemerkenswert: Der Unterschied zwischen Semislicks (Michelin Pilot Sport Cup 2) und Standardreifen (Michelin Pilot Super Sport) fällt erstaunlich gering aus. Die Kurvengeschwindigkeiten sind weitgehend identisch, nur in den Bremswerten macht sich der höhere Reifengrip positiv bemerkbar. Weitaus deutlicher differenzieren sich die beiden Leistungskonfigurationen des V8, wobei sie gefühlt um einiges enger beisammenliegen als am Ende auf der Uhr. Die größte Überraschung gelingt dem Cabrio. Es verfügt über die beste Achslastbalance im Feld und lässt sich trotz rund 150 kg Mehrgewichts nicht die Fahreigenschaften verderben.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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