CLA 45 AMG Shooting Brake vs. Golf Variant R
Wilde Kompakt-Kombis im Vergleichstest

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Kombis sind langweilig? Sie werden sich wundern, welche Fahrdynamik-Party der Mercedes CLA 45 AMG Shooting Brake und der VW Golf R Variant feiern. Sie bieten Stauraum und Turbo-Power – eine starke Kombination. Die beiden Kompaktsportler im knallharten Vergleichstest.

Mercedes CLA 45 AMG Shooting Brake, VW Golf Variant R, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Cool. Spektakulär. Sensationell. Wann haben Sie diese Begriffe zum letzten Mal mit einem Kombi assoziiert? Durch den steigenden Erfolg der SUV scheinen Kombis langsam ein Image-Problem zu bekommen. Sie können Vorteile wie den großen Kofferraum samt niedriger Ladekante und die hohe Agilität bei gutem Federungskomfort nicht mehr so leicht in Verkaufserfolge ummünzen. Was also tun? Extrovertiertes Design wie beim Mercedes CLA 45 AMG Shooting Brake mit 360 PS hilft. Der hat optisch nun wirklich nichts mehr mit einem Traditions-Sportkombi wie dem VW Golf Variant R gemeinsam.

Wenn der AMG sich selbst per Launch Control aus dem Startblock schießt, dann hat das schon etwas von einem Jetstart. Und wie im Flugzeug muss man die richtige Prozedur einhalten. ESP: Sport. Doppelkupplungsgetriebe: Manueller Modus. Bremspedal: Bis Anschlag gedrückt (mit dem linken Fuß). Schaltpaddel: erst beide ziehen, dann noch einmal nur das rechte. Vollgas!

Standgeräusch: 103 Dezibel

Wenn der Vierzylinder im Mercedes CLA 45 AMG Shooting Brake bei 4.000/min im Limiter rattert, holen Sie noch mal tief Luft; die brauchen Sie zum Druckausgleich beim Ausnahmezustand. Gleich, wenn der Fuß von der Bremse rutscht. Dann pfeift der Turbo, grölt der Motor, scharren die vier angetriebenen Reifen, dotzt Ihr Kopf gegen die hohe Sitzlehne – presst es die Luft aus Ihren Lungen.

Cool. Spektakulär. Sensationell. Ja, genau, in einem Kombi. Also, geht doch: Man muss offensichtlich nur AMG ranlassen, dann kommt das vermisste Drama ganz von alleine. 360 PS und 450 Nm – Rekord unter den serienmäßigen Zweiliter-Turbos. 4,9 Sekunden auf Tempo 100 – Rekord unter den Kompaktkombis. Und 103 Dezibel beim Standgeräusch – Rekord unter den Vierzylindern.

VW Golf R Variant gibt sich wild

Aus den Brot-und-Butter-Triebwerken lässt sich eben doch Emotion holen, gerade in Verbindung mit automatisierten Getrieben. Sirren aus dem Motorraum, Röhren aus dem Auspuff, beim Schalten ein dumpfer Knall – nur Spaßbremsen schimpfen das pubertären Krawall. Sie wären wohl auch mit einem Golf R Variant nicht glücklich.

Der hat zwar alles, was ein Kombi braucht: Einen einfachen Einstieg, viel Transportraum, eine niedrige Ladekante und ausreichend Zuladung. Und er bietet auch vieles, was einen modernen Bestseller der Kompaktklasse ausmacht: Reichlich Multimedia-Optionen, bequeme Rücksitze, gute Übersichtlichkeit und eine leicht verständliche Bedienung. Die Karosserie- und Komfortwertung streicht er deshalb locker ein. Aber er definiert sich nicht darüber: Der VW Golf Variant R entspricht dem Golf-Weltbild nur auf den ersten Blick.

Jene perfektionistische Funktionalitäts-Besonnenheit, für die praktisch jeder VW berühmt ist, wird von einer naiven Wildheit überlagert, die den Charakter stählt. Da weicht der ausgeglichene Federungskomfort einer würzigen Straffheit – die adaptiven Stoßdämpfer stecken Unebenheiten kaum besser weg als das konventionelle Sportfahrwerk des Mercedes CLA 45 AMG Shooting Brake.

Und der allradgerüstete VW Golf Variant R darf, was den anderen VW verboten ist: Vom komplett deaktivierbaren ESP ungezügelt durch die Kurven lastwechseln, bis das Heck verschmitzt aus dem Windschatten hervorlugt. Kein sicherheitsdienliches Untersteuern beim Einlenken. Zack, rein in die Kurve – und mit Druck wieder heraus. Für ein Frontantriebs-Unternehmen stimmt VW den Allradantrieb des Golf Variant R ganz schön hecklastig ab.

Mercedes CLA 45 AMG hat bei der Fahrdynamik knapp die Nase vorn

Und der Mercedes CLA 45 AMG Shooting Brake? Der müsste es doch noch wilder treiben, schließlich blickt AMG bis zur ersten A-Klasse auf eine blütenreine Heckantriebs-Vergangenheit zurück. Auch der Shooting Brake treibt die Hinterachse an, aber nicht nur und nicht immer. Sie wird per hydraulisch gesteuerter Lamellenkupplung zugeschaltet und darf maximal hälftig ins Traktionsgeschehen eingreifen. Und doch mischt sie gefühlt stark mit.

Lahr, Schwarzwald, Teststrecke: Schon beim zackigen Einlenken in die erste Pylonengasse drückt der Mercedes CLA 45 AMG Shooting Brake mit dem Heck – um es beim Umsetzen in Gasse zwei weit herauszustellen. Selbst mit eingeschaltetem ESP muss man die Lenkung schnell öffnen, in der Sportstellung bereits zackig gegenlenken und bei deaktivierter Fahrhilfe sogar auf einen Konter gefasst sein. Das ist Fahrverhalten für Fortgeschrittene.

Ebenso Schwarzwald, nun aber Landstraße. Heißassa, juchhe! Der Mercedes CLA 45 AMG Shooting Brake wirbelt herum, als hätte er nicht 92 Kilogramm mehr, sondern weniger als der VW Golf Variant R zu schleppen. Hellwach, direkt, präzise. Fast wie der Abkömmling eines Renntourenwagens. Oder ein umgerüsteter Nordschleifen-Berserker. Gasfuß lupfen reicht, und der Mercedes CLA 45 AMG Shooting Brake dreht ein, durchfährt die Kurve ohne Korrektur-Sägen, schickt via Lenkung satte Rückmeldung. Das gibt ordentlich Punktebelohnung beim Fahrspaß und sorgt für einen knappen Gewinn im Kapitel Fahrverhalten.

Das Heck auffordernd stupsen

Und der VW Golf Variant R? Der liefert beim simulierten Spurwechsel sogar deutlich bessere Fahrdynamikwerte. Er wirkt auf abgesperrter Strecke abgeklärt, carvt eng anliegend um die Hütchen und pfeilt mit zehn km/h mehr durch den Parcours. Geordnet. Schnell. Aber nicht so spektakulär.

Seinen wilden Charakter kehrt der VW Golf Variant R erst dort heraus, wo keine Millimeterpräzision gefragt ist. Dort, wo es nicht um Zeiten geht. Dort, wo man seinem Heck bewusst einen auffordernden Stups geben darf, und es freudig mitlenkt. Bei abgeschaltetem ESP ließe es sich sogar in den Drift schubsen; doch auf der Landstraße begnügen wir uns mit einer stillen Andeutung.

Ja, der VW Golf Variant R ist wild. Aber der Mercedes CLA 45 AMG Shooting Brake ist wilder. Ungezähmter. Entfernt sich noch weiter vom Mainstream – und trägt das schließlich auch zur Schau. Abgesehen von der laxen Auslegung der Hinterachse ist er im Sicherheitskapitel ganz Mercedes, setzt den Maßstab bei den Assistenzsystemen, haut die Bremse noch unerbittlicher rein als der VW Golf Variant R.

Mercedes CLA 45 AMG verliert beim Raumkonzept

60 PS Leistungsüberschuss und vor allem 70 Nm pulverisieren das Mehrgewicht. Mit seiner barschen Beschleunigung und der mitreißenden Leistungsentfaltung nimmt sich der Mercedes CLA 45 AMG Shooting Brake die Antriebswertung – zumal der Verbrauch nur so viel höher ist, dass er sich außer im Unterpunkt CO2 (Well-to-Wheel) nicht negativ bei der Beurteilung auswirkt.

Dass der CLA 45 AMG Shooting Brake in der Eigenschaftswertung hinten liegt, resultiert vielmehr aus seiner Karosseriegestaltung: Das coupéhaft geschwungene Dach gibt ihm einen wirklich eigenständigen Charakter, kostet aber Innenraum sowie Transportkapazität und schränkt die Übersichtlichkeit nach hinten stark ein.

Das Konzept, das bei der Bepunktung Schwächen zeigt, dürfte seine Stärke allerdings im Markt entfalten: Der Mercedes CLA 45 AMG Shooting Brake ist mit seiner Andersartigkeit für viele Interessenten die optisch reizvollste Variante eines Kompaktkombis – und ein größeres Ladevolumen wäre nicht viel mehr als eine nette Dreingabe zu seinem provokativen Auftritt.

Bei den Kosten bleibt der Golf ein Golf

Bleibt noch das abschließende Thema Kosten. Stern-Liebhaber wissen, dass ihre Favoriten hier selten positiv abschneiden. Das liegt bei Mercedes im Allgemeinen und beim CLA 45 AMG Shooting Brake im Besonderen zum einen am hohen Listenpreis. Zum anderen sind auch die Kosten für Vollkaskoversicherung und Werkstattaufenthalte höher.

So baut der VW seinen Vorsprung noch weiter aus. Vor allem als Golf Variant R ist er zwar immer noch ein klassischer Allrounder; aber einer, der seinem Golf-Sein ein erfrischendes Maß an Wildheit beimischt.

Fazit

1. VW Golf Variant R
444 von 1000 Punkte

Ach so, Sie wollen keinen Golf? Das ist ein Jammer, denn so mitreißend wie mit dem R golft es sich selten. Und dann kann er auch noch praktisch. Vielleicht doch mal ausprobieren?

2. Mercedes CLA 45 AMG Shooting Brake
420 von 1000 Punkte

Der Shooting Brake hält das derzeit flammendste Plädoyer gegen den Kombi-Verdruss. Er ist schnell, laut, direkt. Aber auch anspruchsvoll im Grenzbereich. Und vor allem teuer.

Technische Daten
Mercedes CLA 45 AMG 4Matic Shooting Brake AMGVW Golf Variant R R
Grundpreis57.269 €43.450 €
Außenmaße4630 x 1777 x 1435 mm4596 x 1799 x 1467 mm
Kofferraumvolumen495 bis 1354 l605 bis 1620 l
Hubraum / Motor1991 cm³ / 4-Zylinder1984 cm³ / 4-Zylinder
Leistung265 kW / 360 PS bei 6000 U/min221 kW / 300 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
0-100 km/h4,9 s5,4 s
Verbrauch6,9 l/100 km7,0 l/100 km
Testverbrauch10,1 l/100 km9,8 l/100 km