Mercedes CLS 450 4Matic im Test
Mildhybrid-Coupé mit vier Türen und 367 PS

Seit 2003 ist der CLS der etwas andere Mercedes. Generation drei reckt sich mit der Haifischnase an die Spitze der Autonomiebewegung. Der 450 4Matic mit Mildhybrid zeigt im Test, wie nah die Zukunft rückt.

Mercedes CLS 450 4Matic, Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

Die Zukunft ist so eine Sache, bei der man sich oft fragt, wann sie wohl beginnt. Und während man ihr entgegenwartet, vergrößert sich die Menge an Vergangenheit mit jedem Tag, der vergeht, und nimmt die an Zukunft um einen Tag ab. Wie zukünftig das Heute schon ist, merken wir erst im Rückblick.

Also ab nach 2003. Es zählt zu den Vorzügen der Vergangenheit, dass wir sie kennen. So können wir behaupten, wie überzeugt wir vom zukünftigen Erfolg der Vision CLS waren, die Mercedes damals auf der IAA präsentierte. Bis Oktober 2004 dauerte es zur Serienfertigung des viertürigen Coupés mit dem internen Code C 219. Den Nachfolger, den es auch als Shooting Brake gab, nannten sie ab 2010 übrigens C 218. Das klingt wie ein Rückschritt, und warum das so ist, zählt zu den Geheimnissen des Zahlenmythos im Hause Mercedes. Nicht aber zu den Ausnahmen, wie uns da einfällt: Gab es in der älteren Vergangenheit schon, etwa bei der Heckflosse (W 111/112) und ihrem Nachfolger W 108/109.

Mercedes CLS 450 4Matic, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Nummernschild im Stoßfänger? Ist ein Kennzeichen der Mercedes Coupés.

Gestern war heute morgen

Das sollte reichen als einstimmende Rückbesinnung für den Test des CLS 450 4Matic. Der trage nun eine Haifischnase draußen, informiert Mercedes, den Innenraum wiederum charakterisiere wellenförmiges Design, es sorge für einen „schwungvollen Gesamteindruck“. Ja nun, jedenfalls schwingt sich der CLS zu besserem Alltagsnutzen auf. Trotz 1,7 Zentimetern weniger Höhe und flacher Dachlinie gelingt der Einstieg vorn und hinten jetzt bequemer. Sechs Zentimeter mehr Radstand schaffen größere Raumopulenz auf der dreiteilig umklappbaren Rückbank. Die beherbergt zwei Erwachsene mit kuscheligem Halt. Pilot und Co integriert der CLS tiefer, inniger und mit mehr Kopffreiheit. Neben Wellenförmigkeit kennzeichnet der aktuelle Stil des Hauses die Bedienung das Cockpit.

Verschachtelte Infotainment-Menüs und die Verlagerung vieler Funktionen auf die zwei berührsensiblen Tästchen auf dem Lenkrad fordern Konzentration. Und es gibt viel zu organisieren: Wichtiges wie die umfassende Assistenzarmada oder eher Abseitiges wie die Auswahl einer von 64 Farben für die Beleuchtung der überaus zahlreichen Lüftungsdüsen. Wenn nun jemand meint, darin gipfele der Fortschritt des CLS: stimmt exakt. Denn es ist tatsächlich nur der Gipfel dessen, was Mercedes an Innovationen auffährt, und zeigt, wie tief die ins Detail reichen.

Die Aktivierung des Passivs

Es wird derzeit ja von vielen viel davon geredet, dass wir alle ganz sicher 2020 vollautonom durch die Gegend mobilisiert würden. Wie jedes andere Serienauto ist der CLS davon weit entfernt. Aber er verbindet seine Assistenzsysteme so umfassend, dass der Fahrer das, nun, das Fahren, zeitweise nur noch beaufsichtigen muss. Bei aktivierter Spurführung und Abstandstempomat genügt es, die Hand aufs Lenkrad zu legen. Derweil hält der CLS Abstand und Spur. Die kann er auf der Autobahn bis 180 km/h auch selbstständig wechseln.Der aktive Tempolimitassistent passt die Geschwindigkeit Begrenzungen an. Der CLS bremst zudem vor Kreisverkehren, Kreuzungen, Kurven oder – ist eine Route ins Navi einprogrammiert – vor Autobahnausfahrten. Das klingt noch nicht so futuristisch. Bis man es erlebt. Etwa auf dieser kleinen, verschlungenen Straße hoch in den Wald und wieder runter, von der wir nie erzählen werden, wo sie liegt.

Ein paar Hundert Mal sind wir hier schon gefahren. Aber nie gefahren worden. Ja, wir müssen uns an das Passiv erst gewöhnen hinter dem Lenkrad. Die Straße windet sich zwischen dunklen Tannen. Da sie auf einen Mittelstreifen verzichtet, hält der CLS sie für eine Einbahnstraße. Dann geht es los, den Tempomat auf die erlaubten 100 km/h, die Hand aufs Lenkrad und im Fuß ein unterdrücktes Zucken in Richtung Bremspedal.

Das Radarsystem des CLS hat 250 Meter Reichweite, die Stereokamera gar 500 Meter, davon 90 in 3D. Zudem liefert das Navi Streckendaten: Kurven, Höhenunterschiede. Etwas zögerlich fährt der CLS den Berg empor, zeigt vor Kurven im Tacho an, wie weit er herunterbremsen wird.

Bei verschmutzter Seitenmarkierung verliert der Mercedes etwas die Orientierung, also beim Lenken in der Spitzkehre nachhelfen. Dann beschleunigt er sanft die lange Rechts hinauf, die zumacht. Hat der CLS schon eingerechnet, bremst früh. Das fühlt sich an, wie mit einem Fahranfänger unterwegs zu sein – was er ja ist. Es ist erst der Anfang einer Entwicklung – einer, bei der es sich anbietet, sich dem Limit von unten zu nähern. Und wenn man so schaut, wie unaufmerksam andere Autofahrer hier herumgondeln, macht der Mercedes das wirklich klasse.

Auf Autobahnen und ausgebauten Landstraßen gelingt dem CLS das Fahren besser. Allerdings bremst er mitunter unvermittelt und grundlos oder tändelt kurz auf seiner Spur, bis er eine saubere Linie findet. Doch im Stau oder auf vollen Autobahnen entlastet die Teilautonomie den Fahrer.

Mercedes CLS 450 4Matic, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Der CLS fährt ausdauernd selbstständig, will aber nur ab und an wissen, dass ihn ein Fahrer beaufsichtigt.

Zudem vernetzt Mercedes die Fähigkeiten verschiedener Systeme. Fährt dem CLS ein Auto vor den Bug, erkennt das das Abstandsradar und reguliert den Abstand automatisch per Rekuperationsverzögern statt mit Bremsen. So fließt Energie zurück in den Akku des 48-Volt-Systems. Die nutzt es zur Stromversorgung, wenn die Elektronik den Motor im Schiebebetrieb ausknipst. Oder als Boost. Mit 22 PS/250 Nm unterstützt der Startergenerator den Dreiliter-Reihensechszylinder. Nicht dass der solcher Unterstützung bedürfte, bringt er doch 367 PS und 500 Nm mit – und eine Laufkultur, die eben nur Reihensechsern eigen ist. Der Boost verschafft dem Triebwerk sanften Zusatzschub. Dass man den nur dezent wahrnimmt, liegt auch an der Geräuschdämmung. Der CLS wird sehr schnell schneller, aber nur langsam lauter.

Daran hat auch die weite Übersetzung der Automatik Anteil. Sie wandlert eilig, treffsicher und geschmeidig durch ihre neun Stufen, lässt den Motor mit seiner Biturbo-Wucht aus niedrigen Drehzahlen drücken. Mit der Teilelektrifizierung sorgt das für erstaunliche Effizienz. Im Testschnitt verbraucht der mit Partikelfilter ausgestattete CLS 10,2 l/100 km, auf der Eco-Runde genügen 7,5 l/ 100 km.

Es sind kurzweilige und komfortable Kilometer. Und schnelle, denn eigentlich ist so ein CLS ja ein Langstreckenverkürzer. Aber nun hat er sich auch zu einem Landstraßenbezirzer entwickelt. Mit der geschmeidig-präzisen Lenkung samt variabler Übersetzung kurvt der CLS neutral, agil, behände und sehr sicher um Biegungen. Der Allradantrieb mit sachtem Momentenüberhang an der Hinterachse (55 Prozent) sichert makellose Traktion und dynamisierendes Heckdrücken beim Rausbeschleunigen. Im Sport-Modus legt die Lenkung ein wenig Präzision nach, die Mehrkammerluftfederung etwas von der überragenden Flauschigkeit ab. Selbst mit dem angestrafften Set-up bewahrt der Mercedes geschmeidigen Komfort. Die hochwertige Material- und Verarbeitungsgüte gilt es noch zu würdigen, starke Bremsen und brillantes Matrixlicht. Bei dem werden 84 LED pro Scheinwerfer einzeln gesteuert, sie schlagen eine Lichtschneise in die sternklare Nacht.

Was einen schönen Übergang zu den fünf Sternen für den CLS ergibt. So modern, wie der schon heute ist, muss die Zukunft erst mal werden.

Vor- und Nachteile
Karosserie
Mercedes CLS 450 4Matic
trotz flacher Dachlinie klar verbesserte Kopffreiheit vorn und hinten
auch sonst reichliches Platzangebot für vier
für Coupé hohe Variabilität
gut nutzbarer Kofferraum
hohe Material- und Verarbeitungsgüte
verbesserter Einstieg
schlechte Rundumsicht
teils komplizierte Bedienung
Fahrkomfort
Mercedes CLS 450 4Matic
hervorragende Luftfederung mit gut gestuften Kennlinien
niedriges Geräuschniveau
bequeme Sitze
Infotainment mit Frische-/ Entspannungs-Training
Antrieb
Mercedes CLS 450 4Matic
sehr kultivierter und druckvoller Sechszylinder mit dezentem Hybridboost
souveräne Automatik
Fahreigenschaften
Mercedes CLS 450 4Matic
sehr hohe Fahrsicherheit
makellose Traktion
unaufgeregt-präzises Handling
geschmeidige Lenkung
Sicherheit
Mercedes CLS 450 4Matic
viele Assistenzsysteme, dazu aktive Spurführungs- und teilautonome Fahrfunktion
teils zu kurzfristige Warnung, wenn Systeme aussteigen
Umwelt
Mercedes CLS 450 4Matic
für die Fahrleistungen angemessener Testverbrauch
Partikelfilter Serie
absolut gesehen hoher Verbrauch und C02-Ausstoß
Kosten
Mercedes CLS 450 4Matic
akzeptable Serienausstattung
hoher Grundpreis
teure Extras
nur zwei Jahre Garantie
jährliche Inspektion

Fazit

Die Zukunft hat sich schön gemacht: Der Mercedes CLS 450 4Matic zeigt, wie sicher, komfortabel, autonom und – angesichts von über 360 PS – effizient ein konventionelles Auto sein kann. Fünf von fünf Sternen für Mercedes' neuen Star.

Technische Daten
Mercedes CLS 450 4Matic
Grundpreis70.906 €
Außenmaße4988 x 1890 x 1435 mm
Kofferraumvolumen480 l
Hubraum / Motor2999 cm³ / 6-Zylinder
Leistung270 kW / 367 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h4,9 s
Verbrauch10,0 l/100 km
Testverbrauch10,2 l/100 km
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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