Mercedes E 200 T Avantgarde im Test
Ausgewogenheit im Kombi-Kleid

Bei der großen Modellpflege geht Mercedes seiner E-Klasse massiv ans, aber auch kräftig unters Blech. Neu an Bord: der Zweiliter-Turbobenziner mit 184 PS im Mercedes E 200 T-Modell.

Mercedes E 200 T, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Skandal: ein dramatischer Muskelschwund bei der Mercedes E-Klasse. Chefdesigner Wagener unter dringendem Tatverdacht. So oder ähnlich könnte man eine boulevardeske Schlagzeile zum Facelift der oberen Mercedes-Mittelklasse dichten. Dann was sich Menschen entweder durch Training oder trickreiche Spezialwäsche aneignen, haben die Mercedes-Leute der E-Klasse einfach wegoperiert. Die Rede ist von den ausladenden hinteren Kotflügeln, vulgo Gesäßmuskeln.

Auch das Gesicht der Mercedes E-Klasse kam unters Messer, genauer die Blechpresse. Heraus kommen veränderter Kühlergrill und Spoiler, für die Versionen Elegance und Avantgarde eigenständig geformt. Um die modifizierten Rückleuchten zu erkennen, benötigt es allerdings Markenexpertise.

184 PS im Mercedes E 200 sind ausreichend

Spätestens nach dem Einsteigen, sobald die Tür mit sattem Plopp ins Schloss fällt, ist es ohnehin da, das vertraute Mercedes-Gefühl. Sofort registrieren wir den breiteren Dekorstreifen, die feinen Metallapplikationen, die Analoguhr sowie den präzise laufenden Regler des Infotainmentsystems. Und wir haben Glück bei unserer Testfahrt: Draußen ist es ungemütlich nasskalt, vereinzelte Schauer prasseln aufs Blech. Umso behaglicher scheint die Mercedes E-Klasse, deren Klimaanlage zügig, aber zugfrei die gewünschte Temperatur einpegelt. Die Befürchtung, der neue Zweiliter-Basisbenziner im Mercedes E 200 – er löst den 1,8 Liter großen Vorgänger ab – könnte wegen seiner Effizienz zu wenig Wärme abgeben, erweist sich als unbegründet. Dank strahlgeführter Direkteinspritzung, Piezo-Injektoren für Mehrfacheinspritzung sowie Mehrfunkenzündung beherrscht er den sparsamen Magerschichtbetrieb, ohne beim Drehmoment zu schwächeln oder beim Abgas (erfüllt Euro 6) zu schmutzen.

So schiebt der leicht langhubig ausgelegte Turbo-Vierzylinder den 1.823 Kilogramm schweren Kombi gelassen an, wird bei wenig Last von der optionalen Siebenstufenautomatik konsequent zu niedrigen Drehzahlen verdonnert. Vom Massenausgleich beruhigt, zeigt er dabei feine Laufkultur, verzichtet allerdings auf feuriges Ansprechen und williges Ausdrehen, klingt bei höheren Drehzahlen angestrengt. Immerhin: bei Bedarf spült es das Mercedes E 200 T-Modell in neun Sekunden auf Tempo 100, maximal sind 225 km/h drin. Entspannte Fahrer drücken ihren E 200 T dennoch auf 7,4 L/100 km, im Schnitt rauschen knapp zehn Liter durch die Piezos.

Mercedes E-Klasse mit Ausgeglichenheit und vielen Helfern

Seis drum: Das Credo der Mercedes E-Klasse bleibt ihre Ausgeglichenheit, ob auf Kurzstrecke, Landstraße oder Autobahn. Leise war sie schon immer, komfortabel sowieso. Da gab es wenig zu ändern – außer vielleicht beim jetzt sanfter abgestimmten Avantgarde-Fahrwerk sowie den Adaptivdämpfern, deren zwei Positionen nun stärker unterscheidbar sind – gekonnt komfortabel auf der einen, spürbar straff auf der anderen Seite.

Sensibles Abtasten der Fahrbahn, sanftes Anfedern – das beherrscht die obere Mittelklasse von Mercedes wie kaum ein anderer Wagen, ohne sich im Schunkeligen zu verlieren. Passend dazu stimmten sie die neue elektromechanische Lenkung in der Mercedes E-Klasse gefühlsechter, jedoch immer noch mercedestypisch ab. Sie reagiert hellwach aus der Mittellage, ohne nervös zu werden, behält während der gesamten Lenkbewegung ihre passende Unterstützung und Übersetzung bei. Hier zahlt sich unter anderem die je nach Lenkwinkel unterschiedlich verzahnte Lenkstange aus.

Genug der Mechanik, kommen wir zur Elektronik, die allerhand Neues bietet – wenn auch nicht auf den ersten Blick sichtbar. So kann die aktuelle Mercedes E-Klasse dank ihrer Stereokamera, deren 3D-Bilder mit den Radarsensoren paktieren, ihre Umgebung viel genauer scannen als bisher. Sie registriert Fußgänger und Querverkehr ebenso wie Autos auf der Nebenspur, verhindert damit Rechtsüberholen bei aktiviertem Abstandsregeltempomat. Dieser arbeitet inzwischen ähnlich feinfühlig wie ein echter Fahrer, dokumentiert seine Erkenntnisse per hochauflösender Grafik im Tachometer. Hinzu kommen exakte Tempowarnungen über die Verkehrsschilderkennung.

Übers Ziel hinaus geht jedoch die aktive Spurhalteunterstützung, die dem Fahrer selbst bei sauberer Fahrweise mit ständigen Korrekturen quasi ins Lenkrad greift – und das bis zu einer Geschwindigkeit von 200 km/h. Immerhin lässt sich der Spuk im etwas fitzeligen Assistenzmenü über die Lenkradtasten abschalten. Noch nicht zugeschaltet ist bei der Mercedes E-Klasse die handybasierte Stauinformation, dafür jedoch vorbildliches Fahrlicht.

Mercedes E-Klasse weiter verbessert

Während LED anderswo primär als Tagfahrlichtgirlanden prangen oder statisch strahlen, leuchtet die Mercedes E-Klasse serienmäßig mit den tageslichtähnlichen Dioden. Gegen Aufpreis macht sie mit adaptiven Voll-LED die Nacht – so gut es geht – zum Tag. Schwenkende, intelligent gesteuerte Module blicken in die Kurve, erleuchten die Fahrbahn und blenden bei Dauerfernlicht andere Verkehrsteilnehmer aus dem gleißenden Lichtkegel aus. Das klappt selbst bei widrigen Wetterverhältnissen hervorragend – einmal einschalten, und es ist und bleibt hell, ohne durch übertriebene Adaption hektisch zu wirken.

Hektisch – wenn der runderneuerte Mercedes eines nicht ist, dann das. Wer immer schon eine E-Klasse wollte, wird sie weiter mögen, für alle anderen gibt es – neben der modifizierten Optik – nun ein paar frische Argumente, die für sie sprechen. Findet auch unser Test-Kombi E 200 T und entlässt uns beim Weggehen mit einem tiefenentspannten Seufzer seiner Airmatic-Luftpolster.

Vor- und Nachteile
Karosserie
Mercedes E 200 T Avantgarde
gutes Raumangebot vorn und hinten
üppiger Laderaum
einfache Bedienung
sehr solide Verarbeitung
gute Übersichtlichkeit
feine Grafiken
Menübedienung über Lenkradtasten umständlich
keine handybasierten Staudienste
Fahrkomfort
sehr komfortable Federung
niedriges Innengeräuschniveau
angenehme Klimatisierung
bequeme Sitze
Antrieb
ausreichende Fahrleistungen
befriedigende Laufkultur
gut abgestimmte Automatik
wirkt bei höheren Drehzahlen angestrengt
Fahreigenschaften
präzise Lenkung
neutrales Eigenlenkverhalten
stabiler Geradeauslauf
fein abgestimmtes ESP
wirkt bei sehr engagierter Fahrweise etwas träge
Sicherheit
zahlreiche Assistenzsysteme
kräftige, standfeste Bremsen
helles LED-Licht
Umwelt
angemessener Testverbrauch
erfüllt Euro 6-Norm
Kosten
günstige Haftpflicht
voraussichtlich geringer Wertverlust
hoher Anschaffungspreis
jährliche Inspektion nötig
nur zwei Jahre Garantie

Fazit

Die E-Klasse bleibt sich auch nach dem Facelift treu, die präzisere Lenkung, feinere Assistenzen sowie das famose LED-Licht werten sie spürbar auf. Der Zweiliter-Turbobenziner bleibt jedoch etwas blass.

Technische Daten
Mercedes E 200 T Avantgarde
Grundpreis49.974 €
Außenmaße4905 x 1854 x 1507 mm
Kofferraumvolumen695 bis 1950 l
Hubraum / Motor1991 cm³ / 4-Zylinder
Leistung135 kW / 184 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit225 km/h
0-100 km/h9,0 s
Verbrauch6,0 l/100 km
Testverbrauch9,8 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten