Mercedes EQE 500 4Matic SUV gegen Nio EL7
Macht der Nio mit mehr Power den Mercedes platt?

"Nio und nimmer lass ich den Neuling vorbei", wird sich der EQE 500 4Matic SUV im Duell gedacht haben. Aber der Sprint belehrt den Deutschen eines besseren – da hat er keine Chance gegen den kräftigen Chinesen. Kann der Mercedes diese Niederlage auf anderen Feldern ausbügeln? Hier der ausführliche Vergleich.

Nio EL7, Mercedes EQE SUV
Foto: Achim Hartmann

Nio EL7 versus Mercedes EQE 500 4Matic SUV: Das bringt mindestens zwei Ungleichgewichte mit sich. Klar, der eine Hersteller wurde 2014 gegründet, um das zu entwickeln, was der andere mal erfunden hat. Spezifischer geht’s aber um die Antriebe: Zwar sind beide mit einem Motor pro Achse Allradler, jedoch gibt Nio 653 System-PS an, Mercedes nur 408. Dafür liegen die SUV zumindest im Basispreis fast gleichauf: Mercedes verlangt theoretisch ab 99.841 Euro für einen 500, doch die Baureihe wird vorerst nur in vorkonfigurierten Varianten verkauft. Nio nimmt für einen EL7 mit dem 100-kWh-Akku 4.941 Euro weniger. Der hier gezeigte EQE SUV kostet mit üppiger Ausstattung gut 130.000 Euro, was ungefähr den günstigsten Angeboten entspricht, die Mercedes auf seiner Webseite für Fünfhunderter listet. Abseits der Lackfarbe sind am Nio nur die 2.500 Euro teuren 21-Zoll-Räder eine Aufpreisoption, der Rest gehört zum großen Serienumfang, der auch eine von Mercedes popularisierte Innenraumbeduftung und reichlich Leder beinhaltet.

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Hochwertig gemacht sind beide Wohnzimmer, allerdings gibt es hier wie dort auch Verkleidungsteile, die nicht zum Preis passen. Beim Nio wird auch etwa die Fronthaube manuell mit einer Stange aufgestellt. Weder er noch der EQE haben darunter Stauraum, nur musst du die EL7-Haube öffnen, um direkt unterhalb der Windschutzscheibe irgendwie mit einem Trichter Wischwasser nachzufüllen. Da ist die EQE-Lösung mit Füllstutzenklappe am Kotflügel vorne links viel eleganter, was wir bei der Funktionalitätsbewertung berücksichtigen. Qualitätspunkte verliert er hingegen mit hoffentlich Testwagen-spezifischen Mängeln: Vereinzelt knarzt es innen, und das Head-up-Display zeigt manche Inhalte nur dann scharf an, wenn man schräg draufschaut.

Mehr Komfortextras im EQE

Mercedes EQE SUV
Achim Hartmann
Der EQE federt geschmeidiger und bleibt innen auch objektiv leiser.

Die Preisunterschiede spiegeln sich abseits der Qualität auch in den Oberklassefunktionen wider: Der EL7 hat für den Beifahrer eine ausfahrbare Fußablage, die die Beinauflage des Sitzes erweitert. Vermutlich sollte man sie aus Sicherheitsgründen nur im Stand nutzen, zudem fehlt deshalb ein Handschuhfach. Der Mercedes übertrumpft hier ganz locker: Hinterachslenkung, Adaptivscheinwerfer, Beifahrerdisplay, TV-Tuner plus 22-kW-Wechselstromlader (Nio: 11 kW). Mit ihm durchfährst du Wendehammer in einem Zug, die manch ein Kompakter nur in zweien packt. Zusätzlich sind die Lenkwinkel beim Abbiegen angenehm klein (Wendekreis: 10,4 m; Nio: 12,7 m, VW Golf: 10,9 m).

Was noch? Die Digital-Light-Scheinwerfer schneiden andere Verkehrsteilnehmer im Dauerfernlichtmodus visuell beeindruckend aus und fahren die Lichtstärke auf Verkehrsschildern zurück. Weitere Komfortvorteile des EQE sind die deutlich geringeren Windgeräusche auf der Autobahn und der feinere Federungskomfort: Zwar rollt der nicht laute EL7 ebenso auf einem höhenverstellbaren Luftfahrwerk und rollt angenehm über Unebenheiten, aber der Mercedes bleibt überall ein bis zwei Nummern entspannter und hält die Karosserie ruhiger. Die Motorhaube sieht man vom superbequemen Fahrerplatz aus jedoch gar nicht, und die unten dicken A-Säulen erschweren die Sicht weiter.

Unterlegen ist der Nio wieder mit wenigen, überschaubar unterschiedlichen Rekuperationsstufen, die nur per Touchscreen anwählbar sind. Im EQE suchst du eine der drei Stufen (plus Auto-Modus) per Lenkradwippen aus, ein echter Ein-Pedal-Modus fehlt ihm ebenfalls. Wie bei anderen EQ-Modellen sinkt das Bremspedal teilweise automatisch ab, wenn die Energierückgewinnung greift, was das Pedalgefühl ruiniert. Im Erinnerungsabgleich mit der EQE-Limousine zieht die mittlere Reku-Stufe das Pedal nun seltener weg. Viel besser: die solide Pedalabstimmung des EL7.

Und das doppelte AC-Ladetempo? Das wissen Sie spätestens dann zu schätzen, wenn es keinen Schnelllader in Reichweite gibt oder sich eine AC-Säule am Supermarkt oder sonstwo einfach anbietet. Am DC-Lader vergehen 32 Minuten für eine 10-auf-80-Prozent-Ladung: Länger, als man sich (für so viel Geld) wünschen würde, angesichts derzeit üblicher Ladetempi ist das jedoch ein ganz guter Wert – speziell im Vergleich zum EL7, der dafür 42 Minuten vertrödelt und trotz des etwas größeren Akkus nur 296 statt 338 km weit kommt. Stromsparer sind sie nicht: 33,7 kWh/100 km der Nio, 30,1 der EQE.

Akku tauschen statt laden

Nio EL7
Achim Hartmann
Akkutausch in einer Power-Swap-Station.

Richtig Zeit vergeudet, wer der Nio-Routenplanung folgt, da sie teilweise stundenlange Ladestopps einbaut, obwohl es passende Schnelllader gäbe – und die Software weiß es eigentlich besser, zumindest findet man via Suchfunktion inklusive Ladetempofilter viel bessere Optionen entlang der Strecke. Der Mercedes hat ebenso Filter und eine sinnvolle Ladestopp-Planung.

Nio-exklusiv wird es, wenn man den Akku mietet statt kauft: Dann kann er an einer Power-Swap-Station gegen einen zu 90 Prozent geladenen ausgetauscht werden. Das haben wir auch diesmal wieder in Zusmarshausen probiert: Akku per Navi buchen, in die Parkbox vor der Station fahren, dann lenkt der EL7 sich in das Gebäude und die Anlage tauscht den Stromspeicher. Das dauert gut fünf Minuten und hat bis auf kleine Neustartschwierigkeiten vor dem Ausfahren problemlos geklappt.

Aktuell sind die Stationen von 07:00 bis 21:00 Uhr geöffnet und von Mitarbeitern betreut, bis sie später vollautomatisch laufen sollen. Wie viele Nio dort so hinkommen? Der Techniker spricht von acht bis zehn Autos pro Tag. Da wird das Konzept gut funktionieren, aber sofort an Charme verlieren, wenn zwei, drei Autos vor einem dran sind – oder nur eins, das ein Problem hat. Noch dazu gibt es lediglich in NRW eine weitere Station (13 Akkus pro Standort, 75/ 100 kWh gemischt). Laut Nio stehen in China 1.300 solcher Anlagen, was die Technik zu einem Proargument macht, während sie hier nicht über die maue Ladeleistung hinwegtäuscht.

EL7 schießt in 3,8 auf 100

Nio EL7
Achim Hartmann
Viel besser als beim Mercedes ist die solide Pedalabstimmung des EL7.

Ein eindeutigeres Argument: Die Antriebsleistung. In der sportlichsten Stellung zieht der 2.442 kg schwere EL7 (EQE: 2.585 kg) in nur 12,2 Sekunden auf 180 km/h: Darüber baut er ab, doch bis dahin liegt er nur gut eine Sekunde hinter einem AMG GLE 63s mit 612-PS-V8. Der EQE braucht für diesen Sprint 3,1 Sekunden länger, erreicht aber 210 km/h, die er auf der Vergleichsfahrt hielt, als der 200-km/h-Nio nicht mehr über 170 hinauskam. Möglicherweise lag das am Akkufüllstand von rund 30 Prozent (wie EQE) oder an heiß gelaufenen Komponenten, was wir ohne Akkutemperaturanzeige nicht prüfen konnten.

Über Land geht’s hingegen immer kraftvoll vorwärts, und dort fühlt sich der Vortrieb des EL7 speziell an Kurvenausgängen viel mächtiger an: Der Benz hält die Power selbst im Sport-ESP-Modus stark zurück, bis das Lenkrad wieder gerade steht – der Nio haut sie ziemlich freizügig raus. Wenngleich weder noch den Fahrspaß sonderlich priorisiert, erreicht der EQE dabei die gleiche Punktzahl, denn querdynamisch bewegt er sich mit erheblich größerer Aufbaukontrolle spürbar präziser und spielt wenigstens etwas Rückmeldung in seine viel direktere Lenkung. Im Alltag funktioniert aber auch die Lenkung des Nio weitestgehend unauffällig.

Da stört eher, dass jeder Neustart den Komfortmodus aktiviert, der den Vortrieb derart stark drosselt, dass du kaum mal kurz noch über eine Ampel kommst oder locker in eine Lücke hüpfst. Wegen des enormen Kraftpotenzials ist diese Auslegung prinzipiell nachvollziehbar, schließlich enden Pedalverwechslungen ja schon mit moderat starken Verbrennern gerne mal in Schaufenstern oder Hecken. Nur könnte Nio die Sportmodi ja auch so programmieren, dass der SUV nicht gleich beim Antippen des Fahrpedals losspringt. Nun gut, im Individualmodus stellst du eh die zweitstärkste Antriebseinstellung ein, weil die kraftvollste nicht mit der weichen Stoßdämpferabstimmung kombinierbar ist.

Langwierige Startprozedur

Nio EL7
Achim Hartmann
Bis man im Nio erstmal unterwegs ist, kann einige Zeit vergehen.

Den Modus wählst du dann vor jeder Fahrt an und deaktivierst noch die jetzt von der EU vorgeschriebene Tempolimitwarnung, was am unteren Ende eines Untermenüs geht. Einfach eingeschaltet lassen? Das Gebimmel geht bei kleinsten Überschreitungen los und wegen der schlechten Verkehrszeichenerkennung oft auch fälschlicherweise.

Trotz der Sensorenarmada oberhalb der Windschutzscheibe gehören Assistenzsysteme ohnehin nicht zu den Stärken des Nio. Beispielsweise lenkt der Spurhalter regelmäßig gegen, wenn du mit gesetztem Blinker über gestrichelte Linien fährst. Gefährlich wurde es, als der Nio wegen am Straßenrand geparkten Fahrzeugen eine Vollbremsung hingelegt hat, die dem Hintermann große Reaktionsstärke abverlangte. Anders als beim Einzeltest des hier nicht erhältlichen ES8 hält die aktive Spurführung des EL7 in spitzeren Autobahnkurven ein angemessenes Tempo statt auf unter Lkw-Geschwindigkeit zu bremsen. Außerdem fordert das System vor Baustellen zum Selbstlenken auf, statt sich in die Überforderung zu stürzen – eine gute Lösung.

Die feinfühlige Lenk-Software im EQE macht’s trotzdem besser, da sie mit den gelben Fahrspuren zumindest oft gut zurechtkommt. Übergriffige Assistenzsysteme gibt’s auch keine zu beklagen, und die Verkehrszeichenerkennung funktioniert deutlich besser, arbeitet aber lange nicht fehlerfrei, und komplexe Situationen fehlinterpretiert sie ebenfalls. Weil sie dennoch zu den besseren Systemen gehört, haben wir hier die richtige Stelle erreicht, um die EU-Vorschrift allein schon wegen des Stands der Technik als schwachsinnig zu kritisieren. Wenigstens klappt das Abschalten im EQE zügig: Erst auf die Tastenfläche vor der Mittelarmlehne drücken, dann die akustische Warnung per Grafikbutton deaktivieren.

Fummelige Touch-Bedienung

Mercedes EQE SUV
Achim Hartmann
Unkomfortabel ist die Touchbedienung am Lenkrad, der eine klare Lied-vor-zurück-Steuerung fehlt.

Zum ziemlich niedrig positionierten Zentralmonitor der Hyperscreen-Landschaft und dem sehr touchlastigen Mercedes-Bedienkonzept folgen die üblichen Zeilen: Die fummeligen Lenkrad-Touchpads, die Klimasteuerung über kleine Grafiktasten und die beschwerliche Lied-vor-zurück-Anwahl stören gewaltig, zudem ist die Tempomatsteuerung über Touchflächen dem bedientechnisch vorzüglichen Wippschalter älterer Modelle drastisch unterlegen. Top sind hingegen die Home- und Favoritentaste auf dem Lenkrad, die große Direktwahl-Buttons auf dem Touchscreen öffnen.

Nio orientiert sich mit ihrem ordentlichen Infotainment-Layout an Tesla, gleichermaßen gibt’s etwa kein Apple CarPlay oder Android Auto, und die Lüftungsdüseneinstellung läuft über den Touchscreen. Die Justierung von Lenksäule und Seitenspiegel hat Nio auch bei Tesla abgeguckt: Zunächst wählt man die entsprechende Einstellung am Monitor aus und verändert sie dann über die Lenkradtasten. Wenn Sie beispielsweise vor dem Parallelparken den Spiegel auf den Bordstein richten möchten, halten Sie erst mal den Verkehr auf.

Auch erreicht die Nomi genannte Spracheingabe-Assistentin nicht ansatzweise das gute Niveau der Mercedes-Spracheingabe, obwohl sie mit der hörbar motorisierten Displaykugel auf der Armaturentafel ja sogar ein Gesicht hat. Sonderlich populär ist sie in der Redaktion nicht, jedenfalls wird sie oft abgeschaltet, weil sie beim Fahren gerne grundlos zu mehr Konzentration ermahnt.

Am Ende kann die Kugel sich in der stark gewachsenen Liste an Ungleichgewichten verstecken. Aber Kopf hoch, Nomi: Insgesamt gibt’s schon einiges Positives im EL7 – nur lange nicht genug für den EQE SUV.

Umfrage
Nio bringt seine Power Swap Stations nach Europa. Glauben Sie, dass sich die Akku-Tauschboxen durchsetzen?
16319 Mal abgestimmt
Ja, das Konzept ist auch für Europa vielversprechend.Nein, durch den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur wird das Ganze sowieso überflüssig.
Technische Daten
Mercedes EQE SUV 500 4Matic Nio EL7 100 kWh
Grundpreis99.841 €94.900 €
Außenmaße4863 x 1931 x 1685 mm4912 x 1987 x 1720 mm
Kofferraumvolumen520 bis 1675 l570 bis 1545 l
Höchstgeschwindigkeit210 km/h200 km/h
0-100 km/h4,8 s3,8 s
Verbrauch18,9 kWh/100 km23,0 kWh/100 km
Testverbrauch30,1 kWh/100 km33,7 kWh/100 km