Mercedes S 500 Lang im Test
Neue S-Klasse gegen alle

Mercedes sagt: Die neue S-Klasse ist das beste Auto der Welt. Wir sagen: Das muss sie uns erst beweisen – und zwar im härtesten Testduell gegen die bislang Besten in fünf verschiedenen Disziplinen. Was folgt: ein besonderer Test mit Überraschungen.

Mercedes S 500 L, Herausforderer
Foto: Hans-Dieter Seufert

Kann das Mercedes-Dickschiff selbst dem Sportwagen der Luxusklasse, dem Porsche Panamera Turbo S, Paroli bieten? Die S-Klasse will ihre Passagiere auf Wolke sieben schweben lassen – in einem maximal hochwertigen Umfeld. Wie schneidet sie hier gegen den VW Phaeton ab? Der Mercedes-Achtzylinder hat einen exzellenten Ruf zu verteidigen. Kann er den etwas kleineren und schwächeren BMW-V8 im Schach halten? Sie sollen Unfälle verhindern und den Fahrer entlasten: Keiner setzt derzeit so stark auf Assistenzsysteme wie Mercedes und Volvo. Doch wer hat diesmal die Nase vorn? Der BMW i-Drive hat es in einer Generation vom Ärgernis zur Bedienreferenz geschafft. Setzt die neue S-Klasse da noch einen drauf?

Es gibt kaum eine Frage, die ein Auto-Journalist in seinem Leben häufiger gestellt bekommt als die nach dem besten Automobil der Welt. Die Antwort fällt nie eindeutig aus, sondern ist immer von einem „kommt auf die Ansprüche an“ begleitet. Doch dieses Mal ließ uns Mercedes keine Chance. Wer mit dem vollmundigen Slogan auftritt, das beste Auto der Welt zu bauen, den nimmt die auto motor und sport-Crew besonders hart in die Mangel. In vier Disziplinen muss die Mercedes S-Klasse gegen die jeweiligen Referenzen in der Oberklasse antreten und beim Thema Assistenzsysteme gegen das derzeit am vielfältigsten ausgestattete Auto, den Volvo V40. Warum kein Audi A8 dabei ist? Der wird gerade facegeliftet, ist noch nicht verfügbar.

In Zahlen: fünf Redakteure, vier Referenz-Autos und zwei Wochen Testzeitraum, in dem die Mercedes S-Klasse fast 4.000 Kilometer absolvierte. Wir haben den großen Schwaben wahrlich nicht geschont: Auf unserem Testgelände in Lahr musste er sich fahrdynamisch beweisen, und auf vergessenen Straßen im Schwarzwald sowie auf dem Bosch-Prüfgelände in Boxberg wurde er über fieseste Marterstrecken geschickt. Ob er trotz allem Luxus auch zeitgemäß sparsam ist, durfte er auf unserer 280 Kilometer langen Normrunde beweisen.

Von Stuttgart nach Berlin ging sein Langstreckentest, und jedes verfügbare Smartphone-Modell durfte sich mit dem Luxus-Liner paaren. Nur Kollegen, die sich freiwillig als lebende Dummys für die Notbremsung auf Fußgänger bereiterklärten, haben wir nicht gefunden.

Die Mercedes S-Klasse machte dabei viel Eindruck, hat oft begeistert, war in einigen Punkten jedoch enttäuschend. Wie sich Deutschlands fahrende Luxus-Ikone gegen ihre Konkurrenten im direkten Vergleich schlägt, lesen Sie im Anschluss.

Mercedes S-Klasse muss sich bei der Fahrdynamik unterwerfen

Nur damit kein Missverständnis aufkommt: Mercedes hat nie behauptet, dass die neue S-Klasse zum Fahrdynamik-Maßstab der Luxusklasse werden soll. Trotzdem: Wer generell der Beste sein will, muss sich auf allen Gebieten beweisen. Die Frage ist also, wie gut der Komfort-König beim Fahrdynamik-Regenten Porsche Panamera Turbo Executive mithalten kann.

Dass die Zeiten der behäbig um Kurven wankenden Stern-Schiffe längst vorbei sind, sollte mittlerweile selbst der größte Mercedes-Kritiker erkannt haben – dank Active Body Control, kurz ABC, dem Wankausgleich der Luxuslimousine. Es reduziert Aufbaubewegungen in Kurven um etwa die Hälfte des Wankwinkels und wirkt auch dem Nicken beim Bremsen entgegen. Hydraulisch betriebene Stellzylinder in den Federbeinen regeln hierfür rechnergesteuert die Federvorspannung kontinuierlich.

Schon auf der Landstraße nimmt die Mercedes S-Klasse mit aktiviertem ABC Kurven sehr präzise und vermittelt mangels Karosserie-Schieflage sogar ein sportliches Gefühl – man spürt allerdings das hohe Gewicht von 2.191 Kilogramm. Bei den Fahrdynamiktests spiegelt sich die Lenkpräzision wider, und die Luxuslimousine neigt sich kaum. Um gute Zeiten zu erzielen, muss man allerdings knapp unterhalb der Regelungsgrenze des ESP bleiben; sobald die Stabilitätskontrolle aktiviert wird, langen die Bremsen stark zu.

Dann steigt man in den langen Panamera um und merkt sofort, dass er der Sportwagen unter den Luxuslinern ist. Er reagiert deutlich zackiger auf Lenkkommandos – angesichts der direkteren Übersetzung von 1:14,4 statt 1:15,5 auch kein Wunder. Außerdem wirkt der Panamera schon deshalb leichtfüßiger, weil er 111 Kilogramm weniger wiegt als die Mercedes S-Klasse.

Die Porsche-Ingenieure stimmten das ESP fahraktiver ab: Mit zarten, kaum spürbaren Eingriffen verbessert es sogar die Agilität im Grenzbereich noch. Aktiviert man das Sport-ESP, dann erhält das Heck spürbar mehr Freiraum, und der Fahrer muss leicht gegenlenken. In Stellung Sport plus lässt sich der Allradler gar zum leichten Drift bewegen.

Dass die Mercedes S-Klasse den Panamera vom Fahrdynamik-Thron stoßen könnte, war nicht wirklich zu erwarten. Dennoch ist die hohe Präzision des Mercedes erstaunlich.

Mercedes S-Klasse holt sich die Komfort-Krone

Wenn sich die Luxusliga auf drei wichtige Eigenschaften reduzieren lassen müsste, so wären das Komfort, Komfort und Komfort – denn in keiner anderen Klasse dürfen die Ansprüche so weit über das Gewohnte hinausgehen. Deshalb will Mercedes beim Flaggschiff mit dem Magic Body Control genannten Fahrwerk einen neuen Maßstab setzen. Doch auch der VW Phaeton bettet seine Passagiere quasi auf Watte.

Kaum zu glauben, dass der 2002 erschienene Luxusliner aus Wolfsburg bislang immer noch Benchmark in Sachen Federung ist. Er wurde eben völlig frei von Dynamik-Fantasien rein auf Komfort getrimmt und tastet die Straße wie auf Katzenpfoten ab – schwer zu schlagen.

Aber es geht: Der Mercedes S-Klasse gelingt es noch besser, vor allem auf langen Bodenwellen. Dann, wenn die Kamera am Innenspiegel Unebenheiten auf der Straße erkennt, die Daten an einen Rechner übermittelt und dieser blitzschnell Anweisungen an hydraulisch betätigte Stellzylinder in den Federbeinen gibt, der Bodenwelle entgegenzuwirken. Das funktioniert nur bis Tempo 130 und bei genügend Helligkeit, doch selbst jenseits der Idealbedingungen federt der Mercedes immer noch auf dem Niveau des VW.

Das Gefühl, in einer abgeschotteten Welt zu reisen, vermitteln übrigens beide – sie sind im Innenraum nahezu gleich leise. Große Unterschiede gibt es allerdings bei den Sitzgelegenheiten. In der Mercedes S-Klasse versinkt man fast in der flauschig weichen Polsterung, erfährt trotzdem genügend Unterstützung und kann sich in diversen Techniken massieren lassen. Die spektakulärste ist sicherlich die Hot-Stone-Massage, die den Rücken wärmt und durchknetet.

Das bietet der Phaeton ebensowenig wie den optionalen Liegesitz hinten rechts. Auf Knopfdruck rutscht der Beifahrersitz in der Mercedes S-Klasse nach vorn und neigt seine Lehne bis ans Armaturenbrett. Das schafft hinten rechts so viel Platz, dass sich ein 1,80-Meter-Mann bequem ausstrecken kann.

VW Phaeton bleibt Verarbeitungsmaßstab

Okay, beim Komfort hat es nicht ganz gereicht, aber es bleibt dem Phaeton ja noch die Verarbeitung, um die Mercedes S-Klasse zu schlagen. Seit elf Jahren gleiten die Oberklasse-Karossen in der Gläsernen Manufaktur Dresden über Böden aus kanadischem Ahorn und Eichenparkett, entstehen mittels dreier Roboter und jeder Menge Handarbeit.

Dieser Geist ist im Phaeton fühlbar. Ob an den verchromten Scharnieren der Mittelarmlehnen, den makellosen Flächen des Armaturenbretts, den akkurat gesetzten Nähten der Lederpolster oder an Verkleidungen und Sitzen. Selbst im Kofferraum ziehen die beiden Parallelogrammscharniere aus Aluminiumguss Blicke und Finger an. Der Mercedes S-Klasse genügen normale Bügel, die allerdings auch ordentlich funktionieren. Überdies bietet sie einfache Plastikösen zum Verzurren, während der Phaeton mit verchromten ausklappbaren gefällt.

Im Innenraum regieren beim Phaeton Massivität und ein klassisch gestaltetes Ambiente mit analogen Rundinstrumenten, während die Mercedes S-Klasse per Bildschirmen informiert, zeitgenössisch den Weltmarkt ins Visier nimmt. Grundsätzlich sauber verarbeitet und mit hochwertigen Oberflächen versehen, finden sich bei ihr dennoch ungleichmäßige Spaltmaße – etwa an den Türinnenverkleidungen –, sowie lediglich lackierte Kunststoffteile, wo VW auf massives Metall setzt. Hinzu kommen – wenn auch leise – Knarzgeräusche, verursacht vom Handschuhfachdeckel. Zudem klingt der Phaeton beim Klopftest auf den Holzpaneelen des Armaturenträgers satter als der heller tönende Mercedes.

Gleiches gilt für die durchgehende Mittelkonsole. Beim Phaeton wie aus dem Vollen geschnitzt, besitzt der Aufsatz mit den Lüftungsdüsen bei der Mercedes S-Klasse leichtes Spiel. Weitere Differenzierungsmerkmale: der fette Automatikwählhebel beim VW im Vergleich zum Kunststoffhebel des Mercedes, der aussieht wie der in der A-Klasse.

Doch auch wenn der Phaeton sich mit intensiver Detailliebe wehrt, hat die Mercedes S-Klasse am Ende in diesem Doppelkapitel den Kühler vorn.

Mercedes S-Klasse siegt beim Antriebskapitel

Die Wucht von 700 Nm schon ab 1.800 Touren drückt den Mercedes S 500 souverän nach vorne und macht den Fahrer glücklich. Dass nach den nüchternen Messwerten 0,4 Sekunden zum BMW und sogar 0,7 zur Werksangabe von 4,8 Sekunden von null auf 100 km/h fehlen, wird fast zweitrangig. Die Schuld an der leichten Verspätung tragen die Zusatzkilos. Mercedes packt in den Testwagen verständlicherweise alles rein, was die Optionsliste zu bieten hat, und erhöht damit das Gewicht von der Werksangabe 1.940 auf 2.191 kg. Man muss ja nicht alles bestellen.

Wer den großen Sternenträger scheucht, wird sogar von einem sportlicheren Ton als im BMW begleitet. Beim Cruisen verfällt die Mercedes S-Klasse aber sofort wieder in den kuscheligen Flüstermodus. Der Antriebskomfort des Mercedes S 500 ist schlicht Weltklasse. Die Kraft in allen Drehzahllagen wird von der Siebengang-Automatik majestätisch und weich verwaltet. Bis auf einen kleinen Patzer: Der letzte Gangwechsel unter Volllast vom sechsten in den siebten Gang ruckelt leicht.

Können 455 PS und damit 20 PS mehr als der ebenfalls 4,7 Liter große, direkteinspritzende Biturbo-Vorgänger-V8 noch einigermaßen sparsam sein? Die Testdaten bestätigen es: Nur 8,9 Liter pro 100 Kilometer auf der auto motor und sport-Sparrunde sind zwar höher als die Werksangabe von 8,6 Liter, aber trotzdem eine kleine Sensation. Wer spürbar dynamischer fährt, muss mit elf bis 15 Liter/100 km rechnen.

Den geringeren Spritkonsum verdankt die neue S-Klasse auch der verbesserten Aerodynamik. Der fünf PS schwächere BMW 750Li spritzt deutlich mehr durch seine Düsen und zeigt auch nicht die ultragepflegten Start-Stopp-Manieren der Mercedes S-Klasse.

Bei den Assistenten hat die S-Klasse die Nase vorn

Ein kleiner V40 als Mercedes S-Klasse-Herausforderer? Und ob, schließlich bietet Sicherheitsvorreiter Volvo derzeit im Kompaktmodell seine umfangreichste Assitstenten-Auswahl an – mit einer ähnlichen Funktionsvielfalt wie in der Mercedes S-Klasse.

Doch so sehr sich die Sicherheitssysteme auf dem Papier auch ähneln, in der Praxis ergaben sich größere Unterschiede: Während der Spurhalteassistent des Mercedes selbst verblasste Fahrbahnmarkierungen registrierte und die Limousine mit feinen Lenkeingriffen in der Spur hielt, übersahen die Kameras im Volvo teils sogar frische Streifen und schalteten das System ab. Und in den Fällen, in denen der Spurhalter funktionierte, fuhr der V40 Zickzack zwischen rechtem und linkem Seitenstreifen.

Auch die Abstimmung des radarbasierten Notbremsassistenten konnte im Volvo nicht voll überzeugen. Ging der Vordermann abrupt in die Eisen, erfolgte nur ein zaghafter Bremseingriff. Der Mercedes hinterließ hier mit konsequenterem Bremsen einen sichereren Eindruck. Dafür spiegelt der V40 in solchen Notsituationen frühzeitig einen roten Warnbalken ins Sichtfeld des Fahrers, während die Mercedes S-Klasse dezenter im Kombiinstrument warnt.

Überzeugen konnten beide Kandidaten hingegen beim Spurwechsel. Während Volvo früher auf eine Kamera setzte, um den rückwärtigen Verkehr zu beobachten, kommen jetzt wie im Mercedes Radarsensoren zum Einsatz, die im Test zuverlässig vor Fahrzeugen warnten, die sich schnell im toten Winkel näherten. Allerdings behält der V40 Querverkehr nur beim Ausparken im Auge, während der Mercedes auch vor Autos, die sich an einer Kreuzung nähern, warnt und beim Bremsen nachhilft.

Bei Bedienung und Multimedia hat die Mercedes S-Klasse das Nachsehen

Wow! Wenn die gestochen scharfen Grafiken über den Zwölf-Zoll-Monitor wirbeln, der Drehdrück-Steller elektronisch geregelte Gegenkraft entwickelt und die Sprachsteuerung lässig mit dem Fahrer parliert, ist der – nennen wir ihn ruhig passend – User begeistert. Die Mercedes S-Klasse surft per Handykopplung durchs Internet, spielt alle modernen Musik- und Video-Medien ab (vier USB-Buchsen in der Langversion) und entwickelt mit dem 7.497 Euro teuren Soundsystem des deutschen High-End-Labels Burmester nicht nur gewaltige Bässe, sondern auch tollen 3D-Surround-Klang: Als erster Autohersteller setzt die Mercedes S-Klasse Überkopf-Lautsprecher ein, die das Klangbild noch natürlicher und luftiger wirken lassen.

Doch der gute erste Eindruck bekommt Risse, als die Multimedia-Elektronik beim Laden der Sprachdaten abstürzt und nur ein „Neustart“ des Autos sie wieder zurückholt. Auch beim Versuch, die neuen Live-Traffic-Dienste für Echtzeit-Verkehrsdaten – endlich! – zu aktivieren, kämpfen die Redakteure mit den Menüs.

Das Entscheidende ist aber, dass Mercedes kein wirklich neues Bediensystem entwickelt, sondern das alte nur erweitert hat. Bei der zum Teil verwirrenden Bedienlogik fehlt die Leichtigkeit und Intuitivität des i-Drive, der im Test deutlich problemloser Online-Dienste lieferte. Manche Bediendetails wirken übermotiviert, andere fehlen: kein Head-up-Display, dafür ein elektronischer Drehdrück-Steller, den BMW schon vor Jahren abgeschafft hat. Die Grafiken sind wunderschön, aber oft scheint die Optik wichtiger als die Funktion. Ablenkungssicherheit sollte gerade für Mercedes oberste Priorität haben und nicht der Showeffekt.

Vor- und Nachteile
Karosserie
sehr gute Verarbeitung
exzellentes Raumangebot (vor allem Fond)
tolle Sitze
viele Ablagen
zum Teil komplizierte Menüs
Multimedia-Elektronik nicht stabil
Antrieb
druckvoll und kultiviert
Fahreigenschaften
sicher und ausreichend agil
angenehme Lenkung
Fahrkomfort
hervorragender Federungskomfort
sehr geringe Innengeräusche
Sicherheit
zahlreiche, harmonisch funktionierende Assistenzsysteme
gute Bremsen
fleckiges LED-Licht
Umwelt
für die Fahrzeuggröße angemessener Verbrauch
erfüllt Euro 6-Norm
hoher CO2-Ausstoß
Kosten
teuer in Anschaffung wie Unterhalt
Technische Daten
Mercedes S 500 lang
Grundpreis109.778 €
Außenmaße5246 x 1899 x 1494 mm
Kofferraumvolumen530 l
Hubraum / Motor4663 cm³ / 8-Zylinder
Leistung335 kW / 455 PS bei 5250 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h5,5 s
Verbrauch8,5 l/100 km
Testverbrauch12,7 l/100 km