Mercedes V 250 d im Test
Bilanz nach 2 Jahren und 100.000 km

Es war immer was los auf den 100.000 km, die der Mercedes V 250 d bei uns verbrachte. War seine Zuverlässigkeit so groß wie die Aufgaben?

Mercedes V 250 d, Exterieur, Seite
Foto: Dino Eisele

Morgen endet die Gegenwart – also die des Mercedes V 250 d bei uns. Abschlussmessung, Wertgutachten, Wartungsnachprüfung? Planmäßig erledigt. Öl-, AdBlue- und Kraftstoffverbrauch? Penibel notiert. Reifenverschleiß und Mängelindex? Exakt aufgelistet. Einen Tag haben wir noch, dann muss er zurück. Also geht es los, als der Morgen noch Nacht ist.

Mercedes V 250 d, Exterieur, Heck
Jonas Greiner
Gut zwei Jahre und etwas über 100.000 km war der V 250 d in verschiedensten Funktionen unser treuer Begleiter. Größere Mängel blieben über den gesamten Zeitraum aus. Bis auf Kilometer 61.090 - Fehler elektrische Parkbremse.

Schlüsseldreh, und der 2,1-Liter-Biturbodiesel legt mit diesem Grundnageln los, das die Motorenbaureihe OM 651 seit ihrem Start im Oktober 2008 charakterisiert und uns über die ganze Distanz begleitet. Wählhebel auf „D“ drücken. Als der Van aus der Parklücke ablegt, schlagen die LED-Scheinwerfer eine Lichtschneise in die Dunkelheit. Der Mercedes grummelt los Richtung Autobahn. Denn die Stadt und die V-Klasse, sie stehen sich über all die Monate mit einer gewissen Grundskepsis gegenüber. Zwar passt der Van mit 1,88 Metern Höhe in niedrige Parkhäuser, doch droht er sich da auf engen Auffahrten zu verkanten oder an Säulen zu reiben. So eine V-Klasse in Lang braucht eben zehn Quadratmeter Grundfläche, hat einen Wendekreis von 12,3 Metern. Was aber einerseits nicht so wirklich überraschen kann und womit man andererseits nach etwas Gewöhnung gut zurechtkommt – auch wegen der erhabenen Sitzposition und der Rückfahrkamera hat man dieses und jenes Ende des 5,14- Meter-Sechssitzers im Blick.

Der Größte für große Reisen

Überhaupt kauft sich ja keiner so ein Auto, um sich damit in der Stadt zu verheddern. Dort, wo die V-Klasse meist unterwegs ist, stören die Abmessungen ohnehin nicht. So wie jetzt, als der Mercedes über die Landstraße rollt – und das gar nicht mal träge. Für seine Masse (leer 2,4 Tonnen) und Abmessungen fährt er mit guter Rückmeldung und Präzision in der Lenkung. Dazu lässt er das Wanken sein, federt beflissen – leer wie beladen, wozu die Selektivdämpfer an der Hinterachse beitragen. Anders als beim Vorgänger Viano gibt es bei der V-Klasse ja keine Luftfederung.

Trotzdem reisen auch die Fondpassagiere bequem – eben wie in einer sehr großen Limousine. Der Testwagen kommt in Sechssitzer-Konfiguration, also mit vier einzeln verschieb-, umklapp-, herausnehm- und umgruppierbaren Sitzen im Fahrgast-raum. Wobei das mit der Variabilität im Dauertest meist eine theoretische Möglichkeit bleibt. Zum einen weil die Sitze nur in einem kleinen Bereich längsverschoben werden dürfen – sonst passt es mit den Kopfairbags und dem Sicherheitsabstand zur Reihe davor nicht mehr. Zum anderen hat man die Sitze zwar schnell ausgebaut, aber irgendwann müssen sie ja wieder rein. Und vielleicht lässt die Tatsache, dass die V-Klasse ein Schienensystem im Stil des frühen Renault Espace IV verwendet, erahnen, dass es dann umständlich und anstrengend wird. Damit die je 30 Kilo schweren Sitze arretieren, müssen ihre Befestigungshaken in zwei exakt parallel auszurichtenden Haltegleitern punktlanden. Nein, das macht keiner mal so kurz für die Fahrt zum Baumarkt. Stattdessen richtest du den Fond einmal ein – alles in Fahrtrichtung oder vis-à-vis – und lässt es dann so für die nächsten, na, gern 60.000 km. Ach ja, ganz hinten steht ja noch diese große, 18 Kilo schwere Zwischenablage. Die wuchten wir gleich am Anfang raus.

Mercedes V 250 d, Kofferraum
Jürgen Decker
Immer am Ruder: E-Bikes, Boot und langjährige Damenbekanntschaften - passt alles rein in die V-Klasse. Elektrische Schiebetüre und Heckklappe arbeiten makellos. Einfach der perfekte Begleiter für einen Wochenendausflug!

Das schafft mehr Platz im Laderaum – also noch mehr. Im Test bedarf es in der Familienplanung schon weit vorangekommener Kollegen oder der Kombination aus einem geselligen Freundeskreis und Skiausrüstungen, um das Transport- und Ladepotenzial der V-Klasse wirklich voll auszunutzen.

Ein Trennnetz zum Fahrgastraum aber wäre hilfreich, dann ließe sich das Gepäck stabiler stapeln. So droht der ganze Plunder herumzupurzeln und auch hinauszufallen, wenn die elektrische Heckklappe hochfährt. Immerhin lässt sich kleines Gepäck durch die separat öffnende Heckscheibe einsortieren.

Mein Freund, der Raum

Alle an Bord? Dann sorgt das umständlich bedienbare Infotainment samt Soundsystem für Unterhaltung – oder eben eine Unterhaltung. Die wird über die Lautsprecher übertragen. So können alle Passagiere in normaler Lautstärke miteinander reden. Auch die kräftige Klimaanlage und die schnell ansprechende Heizung sorgen dafür, dass man im Fond so gut wie in der ersten Reihe sitzt.

An all diesen Qualitäten hat sich über die gesamte Dauertestdistanz nichts geändert. Überhaupt wirkt der V 250 d unverbraucht und unverändert solide. Nur in diesem robusten Wesen zeigt sich die Nutzfahrzeugabstammung des Vans, der auf der ganzen Strecke nur einmal schwächelt: Bei 61.078 km meldet der Bordcomputer einen Fehler der elektrischen Parkbremse. Den Defekt an der Betätigung repariert die Werkstatt auf Garantie, doch sonst sieht sie die V-Klasse nur beim Wechsel der Bremsscheiben vorn und Beläge rundum (67.148 km) und alle 40.000 km zur Inspektion. Dabei fällt der 80.000er-Stopp mit 1.546 Euro besonders teuer aus, weil da Bremsflüssigkeit und Automatik-Getriebeöl gewechselt wird.

Etwas intensiver ist der Reifenbedarf des Vans, der drei Sätze Sommer- und zwei Sätze Winterräder durchbringt. Dafür mangelt es selbst auf Schnee nicht an Traktion, obwohl der Biturbo die Kraft nur an die Hinterräder schickt. Und ja, der 190 PS und 440 Nm starke Diesel (mit Overboost kurzzeitig 204 PS/480 Nm) treibt den Wagen in Kombination mit der treffsicher und weich schaltenden Siebenstufenautomatik harmonisch und druckvoll an. Aber weniger Leistung und Drehmoment sollten es nicht sein. Ein V 220 d müht sich deutlich ab und verbraucht nicht weniger.

Mercedes V 250 d, Exterieur, Front
Peter Wolkenstein
Eine richtig große Hütte - und ein umranktes Häuserensemble. Die Stadt ist für die V-Klasse häufig zu eng.

9,9 Liter Diesel auf 100 Kilometer sind es beim nach Euro 6 zertifizierten V 250 im Dauertest. Dazu kommen 1,4 Liter AdBlue je 1.000 Kilometer für die Harnstoffeinspritzung. Das leicht auffüllbare Zehn-Liter-Reservoir reicht für 7.000 Kilometer, doch dann muss schnell nachgeschenkt werden: Bei leerem Behälter lässt sich der Wagen nicht mehr starten. Seit Februar 2016 bietet Mercedes einen auf 25 Liter vergrößerten AdBlue-Tank an – für 156 Euro.

Zu Hause? Ist überall

Darauf kommt es auch nicht mehr an. Wobei unser V 250 d Avantgarde Edition für 59.560 Euro eine praxisgerechte, reichhaltige Serienausstattung samt nimmermüden elektrischen Schiebetüren, LED-Licht, pflegeleichter Lederausstattung, Navi und umfangreichem Assistenzarsenal mitbringt. Auch weil die Kosten für Extras – neben dem früh abbremsenden Adaptivtempomaten und der kaum genutzten Anhängerkupplung nur Kleinigkeiten – mit 2.700 Euro niedrig ausfielen, liegt der Wertverlust lediglich bei 41,9 Prozent.

Überhaupt sind es ja wertvolle Monate mit der V-Klasse, die uns im Team zu Terminen shuttelt, Fotografen als Büro und Plattform dient oder bis unters Dach vollgepackt Mess-Equipment spediert. Und selbst wenn du wie jetzt auf der Abschiedstour mal alleine mit dem Mercedes fährst, gibt er deiner Rastlosigkeit ein Zuhause. Morgen dann wird der V 250 zum letzten Mal aus der Tiefgarage fahren, und wir werden feststellen: Eine so große Lücke hat hier lange kein Auto mehr hinterlassen.

Vor- und Nachteile
Mercedes V 250 d Avantgarde Edition
üppiges Raumangebot für sechs Passagiere
sehr großer Kofferraum
bequeme Sitze, alle Rücksitze mit gut nutzbarem Isofix
komfortable Federung
wirksame Klimatisierung
sehr gutes LED-Adaptivlicht
umfassendes Angebot an Sicherheits- und Assistenzsystemen
praktische, separat öffnende Heckscheibe, Gepäckraumunterteilung
harmonische Motor-Automatik -getriebe-Kombination
angemessener Verbrauch
gute Fahrleistungen
geringer Wertverlust
wirksame Heizung/Klimatisierung
einfacher Sitzausbau...
... aber kleiner Verschiebebereich und komplizierter Einbau
sperrige Abmessungen
umständliches Infotainment
wenige Ablagen
Drehrad für Lehnenverstellung vorn schwer erreichbar

Fazit

Die Mercedes V-Klasse ist der Großraum-Van für alle, die nie einen Großraum-Van fahren wollten. Denn bei aller Raumfülle ähnelt das Interieur dem einer großen Limousine, und auch der Fahrkomfort hat so gar nichts transporteriges an sich. Mit cleveren Variabilitäts-Ideen, hervorragender Sicherheits-, Assistenz- und Lichtausstattung sowie dem sparsamen, sauberen und kräftigen Turbodiesel ist der V 250 d nicht nur für vielfach Kindergeldberechtigte eine echte Großraum-Limousine.

Technische Daten
Mercedes V 250 d lang Avantgarde
Grundpreis58.358 €
Außenmaße5140 x 1928 x 1880 mm
Kofferraumvolumen1030 bis 4630 l
Hubraum / Motor2143 cm³ / 4-Zylinder
Leistung150 kW / 204 PS bei 3800 U/min
Höchstgeschwindigkeit206 km/h
Verbrauch6,0 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten