Vergleichstest Mercedes V 250 vs. VW Multivan 2.0 BiTDI
Erobert die V-Klasse den Thron?

Diesseits von heiler Werbefilm-Welt und Surfer-Romantik müssen sich Mercedes V-Klasse und VW Multivan im harten Testduell messen. Und um sich vom Verdacht eines rationalen Familientransporters frei zu machen, schicken beide Hersteller ihre Vans mit kräftigem Diesel und edler Ausstattung. Eines steht also jetzt schon fest: Es wird kein billiger Sieg – für wen auch immer.

Mercedes V 250 Bluetec, VW Multivan 2.0 BiTDI BMT, Impression
Foto: Achim Hartmann

Voll und klar perlt jedes Lied des letzten Biffy-Clyro-Albums aus den Burmester-Lautsprechern. Leise pusten Ventilatoren durch das weiche braune Leder mit den hellen Kontrastnähten Luft in den Rücken, die Klimaanlage fächelt Frischluft durch massive edle Ausströmer. Die großen 19-Zoll-Räder rollen überraschend sanft ab, der Abstandsregeltempomat hält die Geschwindigkeit bei 170 km/h – klingt nach einer gemütlichen Ausfahrt mit einer Oberklasse-Limousine.

Spätestens als eine Windböe auf der Autobahnbrücke Jagsttal den hohen Aufbau spürbar ins Wanken bringt, plumpst die wahre Identität des Testwagens ins Bewusstsein: Es ist eine Mercedes V-Klasse. Im Rückspiegel blinzelt der VW Multivan mit seinen LED-Tagfahrleuchten. Hohe Reisegeschwindigkeiten stellen für beide keine besondere Herausforderung dar, denn der Mercedes tritt als 190 PS starker V 250 Bluetec zum Test an, der VW als 2.0 Biturbo-TDI mit 180 PS. Und doch wird es im Multivan gerade etwas ungemütlich, denn die höhere Karosserie und die etwas weicher ausgelegte Fahrwerksabstimmung sorgen für ein – nun ja – bewegteres Fahrverhalten. Zudem fehlt ihm die Seitenwinderkennung, wie sie das Mercedes-ESP programmiert bekam.

Kerniger VW-Selbstzünder

Hinzu kommt, dass der doppelt aufgeladene Vierzylinder deutlich lauter vor sich hin nagelt und den Fahrer mit Vibrationen in den Fingerspitzen kitzelt. Dabei arbeitet in der Mercedes V-Klasse mit dem 2,1-Liter-Vierzylinder – ebenfalls mit zwei Ladern ausgerüstet – jener leistungsstarke Vertreter der OM-651-Familie, der für alles Mögliche berühmt wurde, nur nicht für seine ausgeprägte Kultiviertheit. Doch sie haben ihn gut gedämmt, ihm die Vibrationen fast völlig aberzogen, darüber hinaus noch die Siebenstufen-Automatik komfortabler ausgelegt. Und mit seinem kurzzeitig abrufbaren maximalen Drehmoment von 480 Newtonmetern, das bereits bei 1.400/min den Antriebsstrang traktiert, sticht er den nicht gerade waschlappigen VW-TDI (400 Nm bei 1.500/min) lässig aus.

Selbst ohne den Überlastzuschlag bleiben noch wackere 440 Newtonmeter. Da beide Vans mit rund rund 2,4 Tonnen auf die Waage moppeln – der eine mehr (Mercedes), der andere weniger (VW) – dürfte die Tatsache, dass die Mercedes V-Klasse flotter lossprintet, kaum jemanden aus den Socken hauen. Einzig die optimistische Werksangabe von 9,8 Sekunden für den Sprint von null auf 100 km/h verfehlt sie mit 11,0 Sekunden deutlich. Mit einer Zeit von 12,4 Sekunden liegt der Multivan lediglich um sechs Zehntel daneben.

Sie finden, das sei so bedeutend wie eine neue Kochshow im TV? Vielleicht. Erschreckender erscheint vor allem, dass beide Modelle mit den starken Selbstzündern ausreichend, jedoch sicher nicht übermotorisiert wirken. Immerhin rackern sich Vierzylinder-Motoren mit rund zwei Liter Hubraum gegen die erhebliche Masse ab, trickreiche Aufladung hin oder her. Zu ihren Vorzügen zählt dagegen der niedrige Kraftstoffkonsum, denn auf der auto motor sport-Verbrauchsrunde kommen Mercedes und VW auf deutlich unter 8 l/100km, der Testverbrauch pendelt sich jeweils auf um 10 l/100 km ein. Die Mercedes V-Klasse knausert etwas effizienter, der Multivan bleibt unter anderem dank Doppelkupplungsgetriebe mit Freilauffunktion dicht dran.

Beim Raumangebot lässt sich der Großmeister aus Niedersachsen ebenso wenig etwas vormachen, obwohl er ganze 25 Zentimeter kürzer baut als die 5,14 Meter lange Mercedes V-Klasse. Aufgrund der effizienteren Architektur mit Quermotor und Frontantrieb bietet der Multivan allen sieben Passagieren viel Bewegungsfreiheit auf bequemen, in der Highline-Variante serienmäßig mit Alcantara bezogenen Sitzen. Klar, die hintere Dreierbank stützt Mitreisende in Kurven nicht so kräftig wie die Einzelsitze des V 250 (alternativ liefern die Schwaben auch eine Bank), dafür lässt sie sich zur Liegefläche umfunktionieren. Um nach ganz hinten zu gelangen, fordern die Einzelsitze in Reihe zwei des VW etwas mehr Faltarbeit, während die des Konkurrenten mit einem Griff komplett nach vorn schwingen. Und wo hat nun der Mercedes seine üppige Außenlänge versteckt? Zunächst im Bug, dort sitzt der Motor längs und treibt die Hinterachse an. Das bringt dem Käufer nicht unbedingt einen entscheidenden Vorteil – der üppige Laderaum schon, denn dort stecken die restlichen Zentimeter.

Mercedes V-Klasse mit riesigem Laderaum

Bei voller Bestuhlung bleiben 1.030 Liter Volumen, bis zu 4.630 Liter sind möglich (VW: 657/4.300 Liter). Dafür müssen allerdings alle Möbel raus, was bei der Mercedes V-Klasse deutliche weniger Mühe bereitet als beim Multivan. Und dann, ja dann kann die Euro-Palette kommen. Beide Vans können mit knapp über 600 Kilogramm beladen werden, was angesichts des Raumangebots und bei entsprechend unvorsichtiger Auswahl der Mitreisenden knapp werden kann, in den meisten Fällen aber ausreichend sein dürfte.

Besetzt mit sechs Personen jedenfalls zeigt das Fahrwerk der Mercedes V-Klasse erste Schwächen auf schlechter Piste. Starke Anregungen durch kurze Bodenwellen lässt es schnell in die Progression gehen, die Passagiere in der dritten Reihe sehen sich harten Schlägen ausgesetzt. Wo bleibt jene Souveränität, die den unbeladenen V 250 auszeichnet? Obwohl sich die Dämpfer den Amplituden über ein entsprechend sensibles Ventil anpassen sollen, findet unter diesen Bedingungen kein Federungskomfort statt – vielleicht sollte Mercedes die Abstimmung des im Edition 1 serienmäßigen Sportfahrwerks noch einmal justieren.

Den Multivan lassen üble Bodenwellen dagegen recht kalt, sein Fahrwerk federt zwar nicht sensibler, absorbiert die Stöße aber eine ganze Klasse besser, lässt deutlich weniger davon zu den Insassen durch. Um ihn an die Grenzen des Schluckvermögens zu bringen, braucht es schon ordentliche Krater in der Fahrbahndecke. Allerdings deckt welliger Untergrund eine andere Schwäche auf: Der VW knarzt deutlich, wirkt weniger steif und solide als die Mercedes V-Klasse, fühlt sich eher nach gealtertem Regionalexpress als nach neuem ICE an.

Das gilt gleichermaßen für die Agilität, denn der erfreuliche Federungskomfort knabbert an der Dynamik. Kurven hält der VW für eine überschätzte Laune der Straßenplaner, neigt sich beim Durchfahren stark zur Seite und flüchtet sich früh ins sichere Untersteuern. In schnell gefahrenen Wechselkurven muss er sich dann vom strengen ESP einbremsen lassen. Also sollte der Multivan-Pilot Tempo herausnehmen, die prächtige Rundumsicht genießen und das schnell schaltende Doppelkupplungsgetriebe vorwiegend in Gang sieben arbeiten lassen. Auf einen aufwendigen Parkassistenten, wie ihn die unübersichtliche Mercedes V-Klasse benötigt, kann der T5 verzichten, er lässt sich auch so in die Lücke zirkeln.

Der Mercedes kurvt dagegen freudiger über Landstraßen, lenkt gieriger ein, bleibt länger neutral, bevor auch er über die Vorderräder schubbert. Jetzt sind sie also vorbei, die Zeiten, in denen sich der Multivan mit dem Pkw-ähnlichsten Fahrverhalten unter den großen Vans rühmen durfte. Wo der VW schon schiebt, legt die Mercedes V-Klasse noch mal eine Schippe drauf, wirkt trotz der Größe handlicher, vertrauenerweckender. Und die Lenkung? Sie arbeitet mit guter Rückmeldung, übertreibt es jedoch ein wenig mit den Haltekräften – die des VW leistet sich etwas zu viel Servounterstützung.

Abgesehen von dem Patzer beim Federungskomfort mit Beladung hamstert der V 250 also Punkt um Punkt, selbst bei der Variabilität zieht der Multivan kein Ass aus dem Ärmel. Zwar verfügen die mittleren Sitze über eine Drehkonsole, dafür lässt sich im Mercedes die Heckscheibe für leichteres Beladen separat öffnen. Ablagemöglichkeiten? Hier wie dort reichlich. Hinzu kommt die umfangreichere Sicherheitsausstattung der Mercedes V-Klasse sowie das modernere Infotainment. Ach ja, ausstattungsbereinigt kostet sie zudem erheblich weniger als der VW. Nur wer den Mercedes zur S-Klasse unter den Vans aufrüstet – so wie der Testwagen etwa – weint ob der aufgerufenen Summe. Also darf die Burmester-Anlage zum Trost noch ein wenig lauter tönen.

Fazit

1. Mercedes V 250 Bluetec
480 von 1000 Punkte

Im dritten Anlauf klappt es: Die sichere, geräumigere, agilere und sparsamere Mercedes V-Klasse stößt den Multivan vom Thron.

2. VW Multivan 2.0 BiTDI BMT
464 von 1000 Punkte

Obwohl er sich mit gutem Federungskomfort und der übersichtlichen Karosserie wehrt, zieht der Mercedes am VW vorbei.

Technische Daten
VW Multivan 2.0 BiTDI HighlineMercedes V 250 Bluetec lang Edition 1
Grundpreis59.024 €67.283 €
Außenmaße4892 x 1904 x 1970 mm5140 x 1928 x 1880 mm
Kofferraumvolumen657 bis 4300 l1030 bis 4630 l
Hubraum / Motor1968 cm³ / 4-Zylinder2143 cm³ / 4-Zylinder
Leistung132 kW / 180 PS bei 4000 U/min140 kW / 190 PS bei 3800 U/min
Höchstgeschwindigkeit191 km/h206 km/h
0-100 km/h12,4 s11,0 s
Verbrauch8,1 l/100 km6,0 l/100 km
Testverbrauch10,1 l/100 km9,8 l/100 km