Nissan Pulsar gegen Civic, Astra und 308 im Vergleich
Kann der neue Pulsar vorne mitmischen?

Nach drei Jahren Pause bringt Nissan wieder einen konventionellen Kompakten zu uns: den Pulsar. Im Vergleich mit Honda Civic, Opel Astra und Peugeot 308 – alle mit 110 bis 120 PS starken Spardieseln – muss er beweisen, ob er wieder ein Sunny-Boy ist.

Honda Civic, Nissan Pulsar, Opel Astra, Peugeot 308
Foto: Arturo Rivas

Es gibt schwerere Nachfolgen anzutreten als die des Nissan Tiida. Wobei diese Feststellung keine Unverschämtheit ist, sondern ein Kompliment für Nissans Strategie, die wir heute als mutig adeln. Wobei man ja immer erst im Nachhinein, wenn alles gut ging, für mutig und nicht für bescheuert erklärt wird. Jedenfalls war es der Erfolg des Qashqai, der den Tiida – letzter Nachkomme einer stolzen Dynastie Kompakter von Sunny bis Almera – 2011 zum Rückzug aus Europa zwang.

Drei Jahre später sieht Nissan nun wieder Chancen für einen konventionellen Kompakten und bringt den Pulsar. Der will sich diesseits der Premiumklasse einsortieren, mit innerer Größe, Sparsamkeit, Sicherheit, sparsamen Motoren und günstigen Preisen überzeugen. Mal sehen, ob ihm das auch gegen Honda Civic, Opel Astra und Peugeot 308 gelingt. Vorglühen – und los.

Nissan Pulsar bietet Oberklassen-Raumangebot

Der Nissan Pulsar sei, so informiert die Pressemappe, ein Familienauto, das auch dann noch ausreiche, wenn "Kinder groß wie Erwachsene werden". Danach ist noch vom "kühnen Design" die Rede, was doch etwas übertrieben wirkt, wenn neben dem Pulsar etwa der Honda Civic gelandet ist. Wie erfrischend wäre es, hätte Nissan geschrieben, man habe nun wieder einen eher unauffälligen, aber sehr praktischen Kompakten entwickelt, der richtig viel Platz biete. Denn darin liegt der größte Vorteil des Pulsar. Mit 2,70 Metern Radstand schafft er ein Raumangebot im Fond, mit dem er in der Oberklasse auftreten könnte.

Auf der etwas konturarmen Rückbank des Nissan Pulsar kommen zwei Passagiere sehr raumreich unter, Pilot und Co. sitzen hoch und mit wenig Halt, was natürlich auch an den rutschigen Lederbezügen liegt. Die gehören ebenso zur umfassenden Topausstattung Tekna wie ein komplettes Infotainment samt Navi, LED-Scheinwerfer oder das Assistenzarsenal vom Spurhalte- und Spurwechselhelfer über die 360-Grad-Kamera bis zum Kollisionswarner.

All das gibt es bei Nissan auch für den Juke, auf dem der Pulsar basiert. So übernimmt er das Fahrwerks-Layout mit McPhersons vorn und Verbundlenker-Hinterachse. Doch anders als den beschwingten Juke stimmten die Techniker den Nissan Pulsar betulich ab. So fährt er weich gedämpft um Kurven, mit viel Seitenneigung, wenig Präzision und Rückmeldung in der Lenkung. Dabei regelt das ESP früh und kräftig gegen das Untersteuern an. Positiv: Im Gegensatz zu den zuletzt getesteten Modellen Juke und Note bremst dieser Nissan vehement.

Komfort und Dynamik fehlen

So wirklich dynamisch wird es mit diesem Set-up also nicht. Und komfortabel? Auch nicht. Zwar spricht die Federung auf kleine Unebenheiten sacht an, nicht jedoch auf stärkere. Und sie stuckert bei Querfugen. Mit voller Zuladung sind die Reserven an der Hinterachse aufgebraucht, dort droht die Federung auf schlechten Strecken durchzuschlagen.

Richtig durchschlagend – damit holterdipoltern wir ins Antriebskapitel – motorisiert der 1,5-Liter-Diesel den Nissan Pulsar nicht. Es ist die aktuelle Version von Renaults seit 2001 gebautem K9K-Turbodiesel. Der überzeugt auch im Pulsar in Kombination mit der ordentlich schaltbaren Sechserbox eher mit Effizienz als mit Drehfreude, Durchzugskraft oder Laufkultur.

Also, was haben wir? Einen sparsamen, reich ausgestatteten, schlicht möblierten, aber solide verarbeiteten, sehr geräumigen Kompakten. Erinnert an Nissans Erfolgsrezept zu Zeiten von Sunny und Almera. Reicht das heute noch?

Zwei Etagen-Cockpit im Honda Civic

Doch nicht nur der Nissan Pulsar wirkt konservativ neben dem Honda. Der schaut auch nach drei Jahren noch futuristisch aus, ist so unübersichtlich, dass Captain Picard beim Supermarkt die Enterprise schneller rückwärts in eine Parklücke bugsiert hätte. Raumfähren dürften auch leichter bedienbar sein als der Honda Civic, der die Cockpit-Anzeigen auf zwei Etagen gruppiert. Dazu gibt es ein Infotainment, das zu benutzen einer Kollegin wegen der kleinen Tasten "zu riskant war, jedenfalls während der Fahrt". Ein Civic-Fan erklärte, man gewöhne sich daran. An die Bedienung oder an das Risiko?

An andere Errungenschaften des Honda Civic gewöhnt man sich schnell und sehr gern, etwa den beeindruckend großen Kofferraum, unter dem noch ein tiefes Untergeschoss liegt. Dazu klappen die Rücksitze zu einer großen Ladeebene – oder nur die Sitzflächen wie im Kino nach oben. Dann kann ein Fahrrad hinter den Vordersitzen mitreisen.

Die ganze Sorgfalt in der Unterbringung sperrigen Gepäcks vernachlässigt allerdings die sperriger Personen etwas. Weil der Tank unter den seitenhaltarmen Vordersitzen positioniert ist, hocken Fahrer und Beifahrer hoch und dicht unterm Dach. Auch im Fond fehlt Kopffreiheit, dazu lassen sich die Füße nicht unter die Vordersitze schieben.

Temperamentvoll, trotz sparsamen Antriebs

Das mit dem Schieben hat dafür der Turbodiesel drauf. Aus tiefen Touren zieht der 1.600er homogen und kraftvoll, dreht mit 1,5 bar Ladedruck richtig auf und hoch bis fünffünf. Schnell den nächsten der sechs Gänge rein – aber Obacht, die Ebenen 3/4 und 5/6 liegen so nahe beieinander, dass man leicht im Vierten statt im Sechsten landet.

Das mindert kaum die Brillanz dieses sparsamen Antriebs, der viel temperamentvoller ist als das Handling. Mit der wenig exakten, rückmeldungsschwachen Servolenkung kurvt der Honda Civic trotz strammer, wenig komfortabler Abstimmung unambitioniert um Biegungen. Anflüge von Lastwechseldrücken regelt das ESP locker weg. Weil er ausstattungsbereinigt 3.500 Euro teurer ist als der Nissan Pulsar, fährt der Civic nicht so locker nach vorn. Wie weit kommt er?

Opel Astra und die Last des Gewichts

Der Opel Astra jedenfalls hat es auch nicht leicht. Was übrigens viel mehr an seinem moppeligen Gewicht liegt als an seinem Alter. Obwohl schon fast fünf Jahre auf dem Markt, haben ihn die Techniker immer modern gehalten. Mit der umfassenden, allerdings optionalen Assistenzausrüstung oder hervorragendem Adaptivlicht. Und kürzlich kam noch der neue 1,6-Liter-Turbodiesel.

Der mag nun kultivierter selbstzünden als der alte 1.700er. Was ja so schwer nicht ist, immerhin basierte dieser noch auf einer Isuzu-Konstruktion aus den 90ern. Im Vergleich zu den Maschinen von Honda oder Peugeot läuft der nach Euro 6 abgasreine Motor rau, überwindet sein Anfahrhadern auch wegen des hakeligen, lang übersetzten Sechsganggetriebes erst oberhalb von 1.500 Touren. Dann geht es ordentlich voran, doch das hohe Gewicht drückt aufs Temperament und steigert den Verbrauch (6,4 l/100 km).

Tastenwahn im Cockpit

Das Fahrwerk lässt sich davon nicht beeindrucken. Mit den optionalen Adaptivdämpfern (980 Euro) beherrscht der Opel Astra leer wie beladen beflissenen Komfort, zu dem auch die bequemen Sitze beitragen. Dazu verschafft ihm der Sport-Modus mit der strafferen Lenkungskennlinie mehr Rückmeldung am Lenkrad. So biegt der Astra entschlossen ein, bleibt selbst mit seinen milden Lastwechsel stets fahrsicher und leicht-präzise beherrschbar.

Dass er bei den üppigsten Außenmaßen für Passagiere und Gepäck nur wenig Platz bietet, viele Tasten den Bediener verwirren, erzählen wir seit Dezember 2009. Und so gut der karg ausgestattete Opel Astra noch sein mag – ihn in der nächsten Generation zu verbessern, sollte nicht so schwerfallen.

Peugeot 308 mit 1,6-Liter-Turbodiesel

Bei Peugeot haben sie den großen Generationswechsel dagegen schon geschafft. Wie der kleinere 208 ist auch der Peugeot 308 außen kürzer, innen geräumiger als sein Vorgänger. So bietet er genügend Platz für vier Passagiere, dazu die bequemsten Sitze. Zu den größten Verbesserungen zählt die viel solidere Verarbeitung im nett und reduziert eingerichteten Cockpit. Es lagert fast alle Funktionen auf den Touchscreen aus. Weil man sich nun durch seltsam strukturierte Menüs tatschen muss, nur um die Klimaanlage ein Grad kühler zu stellen, lässt sich der 308 noch schlechter bedienen als der Honda Civic – was auch eine Leistung ist.

Mehr stört aber das kleine Lenkrad, dessen Kranz je nach Fahrerstatur die schlecht ablesbaren Instrumente verdeckt. Und nein, es agilisiert das Handling nicht. Das wirkt wie inszeniert aufgedreht. So lenkt der Peugeot 308 fast giftig ein, man droht ihn zu überlenken – beides passierte mit größerem Steuer wohl nicht. Immerhin bleibt das ohne Einfluss auf den guten Komfort (leer; beladen schlägt er durch) und die hohe Fahrsicherheit – wobei der Peugeot durchaus etwas energischer bremsen könnte.

Energisch voran treibt ihn der 1,6-Liter-Turbodiesel. Der ist auch schon seit 2001 im Geschäft, wird im Peugeot 308 endlich mit einer präzisen Sechsgangbox verkuppelt. Zwar zieht er den Messwerten nach nicht so wuchtig, wie es sich anfühlt, läuft aber geschmeidig, bleibt ebenso sparsam wie Honda und Nissan. Die unterbietet der 308 beim Preis knapp, bei ebenfalls reichhaltiger Ausstattung, und gewinnt so den Vergleich. Und vielleicht ist der 308 deshalb so eine große Nummer, weil die das Einzige ist, was Peugeot beim Modellwechsel nicht geändert hat.

Guldes Connectivity-Check im Nissan Pulsar

Kleines Display, großer Funktionsumfang. Digitalradio, Rückfahrkamera, Navigationssystem, USB-Schnittstelle, CD-Player und Bluetooth- Audio: Für nur 800 Euro Aufpreis bietet das Infotainment-System im Pulsar viele Funktionen und überzeugt mit einfacher Bedienung per Touchscreen und Festtasten. Zudem klappte die Bluetooth-Koppelung sowohl beim Samsung Galaxy S5 als auch beim iPhone 6 Plus auf Anhieb. Ein langer Druck auf die Telefontaste am Lenkrad aktiviert Siri, worauf das Apple-Handy Sprachbefehle entgegennimmt. Dass der Monitor mit 5,8 Zoll klein ausfällt, lässt sich da verschmerzen, ebenso dass die Nissan Connect App für Android und iOS derzeit erst zwei Apps (Google und Facebook) unterstützt. Nicht mehr zeitgemäß ist jedoch der Staumelder TMC. Viele Nachrüstgeräte und Handy-Navis lotsen inzwischen besser informiert um Staus.

Angesichts des geringen Preises überzeugt das Nissan-Navi mit leichter Bedienung und reichhaltiger Ausstattung. Zum vollen Infotainment-Glück fehlt jedoch ein Online-Staumelder.

Fazit

1. Peugeot 308 e-HDI 115
483 von 1000 Punkte

Große Nummer: Zwar siegt der Peugeot 308 erst durch die gute Ausstattung, überzeugt aber vorher mit gutem Komfort, Platz und dem sparsam-kultivierten Diesel.

2. Opel Astra 1.6 CDTI
476 von 1000 Punkte

Eine Nummer leichter, und er hätte gewonnen. Doch der neue Motor hadert mit dem schweren Opel Astra. Die Bedienung ist angejahrt, das Fahrwerk keineswegs.

3. Honda Civic 1.6i-DTEC
469 von 1000 Punkte

Eine Nummer mehr als nur viel Platz, Variabilität und ein motivierter Motor muss es in dieser Klasse sein. Mit wirrer Bedienung und herbem Komfort ist der Honda Civic nur Dritter.

4. Nissan Pulsar 1.5 dCi
466 von 1000 Punkte

Nummer sicher beim Nissan Pulsar: Viel Platz und die Sicherheitsausstattung reichen nicht, um hier vorn dabei zu sein. Der sparsame Motor ist so träge wie das Handling.

Technische Daten
Opel Astra 1.6 CDTI ecoFLEX EnergyPeugeot 308 e-HDI 115 AllureHonda Civic 1.6 i-DTEC LifestyleNissan Pulsar 1.5 dCi Tekna
Grundpreis23.000 €25.350 €26.790 €25.670 €
Außenmaße4419 x 1814 x 1510 mm4253 x 1804 x 1457 mm4300 x 1770 x 1470 mm4387 x 1768 x 1520 mm
Kofferraumvolumen370 bis 1235 l420 bis 1228 l477 bis 1378 l385 bis 1395 l
Hubraum / Motor1598 cm³ / 4-Zylinder1560 cm³ / 4-Zylinder1597 cm³ / 4-Zylinder1461 cm³ / 4-Zylinder
Leistung81 kW / 110 PS bei 3500 U/min85 kW / 115 PS bei 3600 U/min88 kW / 120 PS bei 4000 U/min81 kW / 110 PS bei 4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit184 km/h196 km/h207 km/h185 km/h
0-100 km/h12,0 s11,4 s11,0 s12,0 s
Verbrauch3,7 l/100 km3,8 l/100 km3,7 l/100 km3,6 l/100 km
Testverbrauch6,0 l/100 km5,9 l/100 km5,9 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten