Opel Grandland Hybrid4 oder VW Tiguan eHybrid?
Familien-SUV mit Stecker im Test

Sind der frisch geliftete Opel Grandland Hybrid4 und der VW Tiguan eHybrid die cleversten Antriebsstrategen überhaupt? Oder ist die Plug-in-Technologie nur eine überkandidelte Zwischenlösung mit absehbarem Ende? Nun, beides stimmt, wie der Vergleichstest gleich zeigen wird.

Opel Grandland Hybrid4, VW Tiguan eHybrid, Exterieur
Foto: Achim Hartmann

Gute Ideen hätten es leichter, käme es nur darauf an, dass sie gut sind. Ob sie sich durchsetzen, entscheidet sich aber daran, ob sie gut gefunden werden. Man kann großen Unfug zusammenerfinden (Selbstkochgeräte mit Internetanschluss, elektrische Draufstehroller zur Bewältigung fußläufiger Distanzen, Selfiesticks oder – unser Favorit im Bereich des Automobilbaus – Kameras statt Außenspiegel) – wenn die Leute nur beschließen, das sei eine dolle Sache, wird es ein Erfolg.

Unsere Highlights

Und dann gibt es Erfindungen wie die Plug-in-Hybride, bei denen man sich schon immer die Frage stellen konnte, ob nur jemand beschlossen hat, sie seien eine geniale Idee, oder ob sie das tatsächlich sind. Wir antworten darauf mit einem "Kommt drauf an", das wir im Vergleichstest zwischen dem modellgepflegten Grandland Hybrid4 und dem Tiguan eHybrid vertiefen. Das aber gleich hier: Für die Plug-ins haben sich die Marketing-Abteilungen auf das Schönreden als "Brückentechnologie" zur Elektro-/Wasserstoff-/E-Fuel-/Was-auch-immer-Zukunft verabredet. Nur verliert so eine Technik doch mit jedem weiteren Stück des Weges, für den sie die Brücke bildet, stetig an Bedeutung für ebendiese Zukunft, die doch ganz ohne sie auskommen soll.

49 Kilometer Zweisamkeit

Der beste Weg, sich nichts verbieten zu lassen? Sich selbst etwas verbieten. Derzeit ist es ja bei Autoherstellern sehr in Mode, sich gegenseitig in ambitionierten Vorgaben zum Ende des Verbrennungsmotors zu übertreffen. Will VW sich ab 2035 in Europa den Verkauf von Diesel und Benziner verbieten, so sagt sich Opel schon ab 2028 eine Zukunft als reine Elektromarke voraus. Was bedeutet, dass der Grandland Hybrid4 spätestens dann ein Auto der Vergangenheit ist.

Opel Grandland Hybrid4, Exterieur
Achim Hartmann
Opel Grandland Hybrid4: Gesamt 300 PS, 520 Nm, zwei E-Motoren (vorn/hinten), 54 km E-Reichweite, ab 50.440 Euro.

Und eines, das sich für seine absehbare Zukunft im Juni auffrischte. Nun bauen sie ihm im Werk Eisenach grundsätzlich Digitalinstrumente ein. Ein infrarotbasiertes Nachtsichtsystem erweitert die Assistenzabteilung. Dazu führt der Opel den Fahrer aktiv auf der Spur, und die Elektronik des Matrixlichts steuert 84 LEDs pro Scheinwerfer an. Am Bug drapiert er sich nun mit dem Vizor-Kühlergrill, am Heck mit einem breiten Schriftzug.

Womit selbst die unbedeutsamen Neuerungen Erwähnung gefunden hätten, denn technisch änderte sich nichts. Weiterhin bietet Opel den Kompakt-SUV in zwei Plug-in-Varianten an – die erste mit 224 PS Systemleistung, für die ein 81 kW-Elektromotor und ein 1,6-Liter-Benziner mit 180 PS kooperieren. Zum Test schickte Opel das Topmodell Hybrid4. Bei ihm treibt ein zweiter E-Motor mit 83 kW die Hinterachse an, was die Gesamtleistung auf 300 PS steigert sowie den Grundpreis auf 50.440 Euro (Business Edition). Damit liegt er über der Grenze von 40.000 Euro netto, bis zu der es die volle E-Auto-Kaufprämie gibt. So sind es die 5.981 Euro der reduzierten Subvention, die den Opel die Chance auf einen Sieg in der Kostenwertung, nun, kosten.

Denn für den Tiguan eHybrid gibt es die vollen 7.178 Euro und ihn selbst nur in einer Version. Bei der kollaboriert der 1,4-Liter-Turbobenziner (150 PS) mit einem 85 kW starken E-Motor, der im Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe sitzt. Macht 245 PS Systemleistung für den vorderradgetriebenen VW. Für einen Antrieb, mit dem der SUV in die Zukunft reisen will, kann er schon eine Menge Vergangenheit vorweisen, denn diese Grundkonstellation startete vor genau sechs Jahren im Passat GTE. Bedeutendste Modernisierungsmaßnahme war im Jahr 2019 der von 9,9 auf 13 kWh vergrößerte Lithium-Ionen-Akku. Er reicht im Test für 49 rein elektrisch gefahrene Kilometer.

Fünf Kilometer Einsamkeit

Der Grandland kommt zehn Prozent weiter – ebenfalls mit 13 kWh. Wobei unsere Messung zeigt, dass er sich für die Vollladung 12 kWh aus der 22-kW-Wallbox einphasig durchs Kabel zieht (im Testwagen mit optionalem 7,4-kW-Bordlader in gut zwei Stunden). Was entweder bedeutet, dass der Opel-Akku etwas größer ist als angegeben oder mit geringerem Restpuffer betrieben wird. Der Tiguan hat in seinem Akku mit 11,1 kWh nach gut dreieinhalb Stunden die volle Strommenge gespeichert.

Dass er so lange braucht, liegt an den matten 3,6 kW Ladeleistung. Die hindert bei den kurzen Ladestopps zwischendrin, die bei Plug-ins wichtig sind: Mal schnell beim Einkaufen an eine 22-kW-Säule hängen bringt nur beim Opel einen Vorteil. Zudem kann er sich per Universalkabel (720 Euro) flexibel von 230-V-Haushalts- über Starkstrom bis Wallboxen an alles stecken. Und der Sinn der Plug-ins besteht doch darin, möglichst all die kurzen Strecken rein elektrisch zu fahren. Das gelingt im Grandland viel öfter, weil er mit dem 7,4-kW-Lader schon nach 48 Minuten Stromziehen wieder Energie für 20 km E-Reichweite erlangt. Beim Tiguan dauert das an unserer 22-kW-Säule mit 88 Minuten fast doppelt so lange.

VW Tiguan eHybrid, Interieur
Achim Hartmann
Fahrdynamisch liegt er hinter dem Opel, doch auf der Landstraße fühlt sich der VW insgesamt verlässlicher an.

Auch bei den Fahrleistungen hängt der Tiguan hinterher. Wenn schon nicht der Eile, so fühlt sich sein Antrieb doch der Kultiviertheit verpflichtet. So gelingt das Hin- und Herschalten zwischen den Antriebsmodi weich und fugenlos. Die Doppelkupplungsbox sortiert ihre sechs Gänge allerdings nicht so weich und ruckfrei wie die Wandlerautomatik des Opel ihre acht Stufen. Legen beim Grandland zudem die zwei E-Maschinen und der 1600er-Turbo im Sport-Modus zusammen, geht es mit dem fast 1,9 Tonnen schweren SUV in einer Vehemenz voran, mit welcher er vor einem Jahrzehnt noch bei den Sportwagen hätte auftreten können, durchaus auch wegen des, sagen wir, Ereignisreichtums der Inszenierung.

Wenn der eine Motor hinten drückt, die zwei anderen vorn zerren, drängt der Grandland in Kurven mit dem Heck, schubbert gleichzeitig lenkungszerrend über die Vorderräder. Dem munteren Treiben lässt das ESP weiteren Freiraum, greift aber entschlossen ein, bevor es ungemütlich werden könnte. Auf der Messstrecke erfährt sich der Opel damit bei den Fahrdynamik-Tests einen Vorteil, den er wegen des stärkeren Wankens sowie der rückmeldungs- und präzisionsdiskreteren Lenkung nicht auf die Landstraße bringt.

Opel Grandland Hybrid4, Exterieur
Achim Hartmann
Beim Verbrauch sind beide SUV praktisch gleichauf. Rein elektrisch kommt der Grandland fünf Kilometer weiter.

Recht genau das Gegenteil lässt sich vom Tiguan vermelden. Ihn bremst das ESP bei Slalom und Spurwechsel sehr früh, geradezu harsch ein. Auf der Landstraße merkt man zwar, dass er wegen der schweren Batterie hinter der Hinterachse nicht ganz so in der Balance ist wie die anderen Tiguäne. Aber er wankt weniger, lässt sich exakter und gefühlvoller lenken, fühlt sich so verlässlicher an als der Opel. Dem verschafft der zusätzliche, per Tastendruck zuschaltbare Heckmotor griffige Traktion. Dieser Allradantrieb funktioniert bis Tempo 135 – bei beiden das Maximaltempo im reinen E-Betrieb –, darüber schaltet sich der Heck­motor des Opel immer aus dem Antriebsgeschehen aus.

Was da noch geschieht? Der Opel bringt trotz besserer Fahrleistungen eine ebenso hohe Effizienz zusammen. Nach dem ams-Profil (15.000 km/Jahr, davon 10.000 km rein elektrisch) liegt er mit 2,1 l Super + 16,5 kWh Strom beim CO2-Ausstoß (115 g/km) im Test praktisch gleichauf mit dem Tiguan, der 2,1 l Super + 16,6 kWh Strom braucht (116 g/km). Auch bei leeren Batterien im reinen Hybridbetrieb sind die Verbrauchsunterschiede minimal: Im Testschnitt liegt der Opel dann bei 8,0, der VW bei 7,9 l/100 km. Den unerheblichen Nachteil gleicht der Grandland schließlich auf der ebenso mit leerem Akku hy­bridisch gefahrenen Eco-Runde mit 6,1 zu 6,3 l/100 km direkt wieder aus.

Ist besser gut genug?

Womit wir am Ende wären. Aber erst dem ersten. Geht es nur darum, welcher der beiden der bessere Plug-in-Hybrid ist, liegt der Opel vorn. Aber es geht eben nicht nur um den Antrieb, sondern auch um das Auto drunter, drüber und drumrum. Da setzt der VW an. Wir können gar festhalten, dass er nicht siegt, weil, sondern obwohl er als eHybrid antritt.

VW Tiguan eHybrid, Interieur
Achim Hartmann
Trotz geringerer Ausmaße können sich Tiguan-Passagiere über mehr Sitzraum und Variabilität freuen.

Wie beim nicht so ausbalancierten Handling bringt das Mehrgewicht auch die Federungsgeschicke des Tiguan leicht ins Straucheln. Doch noch immer und trotz 20-Zoll-Rädern (1.255 Euro) spricht er mit dem adaptivgedämpften Fahrwerk (1.045 Euro) sensibler auf kurze wie lange Unebenheiten an, hat trotz milder Wankneigung die Karosseriebewegung besser unter Kontrolle als der Opel mit seinem herberen Ansprechen und ausgeprägten Vertikalbewegungen.

Eher unausgeprägt und eine ganze Klasse enger als beim Tiguan fällt das Platzangebot des Grandland aus. Zudem variiert der VW den Raum trickreicher: Die Rückbank lässt sich in der Lehnenneigung verstellen, rückt zwei-, klappt dreiteilig, der Beifahrersitz legt sich flach (für Surfbretter, Tannenbäume oder die Rotoren der eigenen Kleinkraft-Windanlage).

Darin ist der Tiguan gut wie immer, bei der Bedienung seit dem Facelift dagegen verworren wie nie zuvor. Mit dem vertrackten Touchscreen-Infotainment und unpräzisen Berührfeldern für die Klimaregelung haben ihn die Techniker auf das Umstandsniveau des Opel herunterentwickelt. Der muss die Grundstruktur des Peugeot-/Citroën-Bedienwirrwarrs übernehmen. Immerhin gelang es, dem Touchscreen die alleinige Bedienhoheit über Klimaregelung sowie die Spurassistenz zu entreißen und auf richtige Tasten auszulagern. An Assistenz bringen beide ein breit aufgestelltes, routiniertes Ensemble mit – bis auf die Verkehrszeichenerkennung, die sich bei beiden manchmal mit Mutmaßungen durchschlägt.

Opel Grandland Hybrid4, VW Tiguan eHybrid, Exterieur
Achim Hartmann
Der Grandland ist mit höherer Reichweite, gleicher Effizienz und mehr Vehemenz der bessere Plug-in, den Sieg holt der Tiguan trotzdem mit viel Platz, Komfort, hoher Variabilität und dem günstigeren Preis.

Durchschlagend – und damit kommen wir zum zweiten Ende – sind schließlich die Kosten. Schon beim Tiguan, erst recht beim Grandland, der – Mehrausstattung und Minderprämie einberechnet – rund 6.400 Euro mehr kostet. Wegen des höheren Preises ist bei ihm zudem ein noch intensiverer Wertverlust zu erwarten. Doch auch beim Tiguan eHybrid stellt sich die Frage, wer ihn in ein paar Jahren gebraucht kaufen wird mit seinen zwei unterschied­lichen Antrieben, dem Akku und all dem womöglich anfälligen Aufwand für wenig elektrische Reichweite.

Dennoch können Opel wie VW die idealen Wagen sein. Für jene, die ein Auto für alles haben wollen – für viele Kurzstrecken, die sie durchstromern möchten, und für wenige weite Reisen, die sie ohne Reichweiten- und Aufladesorge fahren können. Aber ja, um ganz zu überzeugen, klingt das eine gute Idee zu kompliziert.

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Fazit

1. VW Tiguan eHybrid
638 von 1000 Punkte

Dennoch: Den Sieg holt der Tiguan mit viel Platz, Komfort, hoher Variabilität und dem günstigeren Preis, nicht aber wegen des Antriebs mit knapperer E-Reichweite und trägem Laden.

2. Opel Grandland Hybrid4
613 von 1000 Punkte

Trotzdem: Obwohl er mit höherer Reichweite, gleicher Effizienz und mehr Vehemenz der bessere Plug-in ist, nur Platz zwei – wegen weniger Platz und Komfort bei mehr Kosten.

Technische Daten
Opel Grandland 1.6 Hybrid4 UltimateVW Tiguan eHybrid Elegance
Grundpreis54.460 €46.100 €
Außenmaße4477 x 1856 x 1609 mm4509 x 1839 x 1675 mm
Kofferraumvolumen390 bis 1528 l615 bis 1655 l
Hubraum / Motor1598 cm³ / 4-Zylinder1395 cm³ / 4-Zylinder
Leistung147 kW / 200 PS bei 6000 U/min110 kW / 150 PS bei 5000 U/min
Höchstgeschwindigkeit235 km/h205 km/h
0-100 km/h5,6 s7,3 s
Verbrauch1,3 kWh/100 km1,6 kWh/100 km
Testverbrauch8,0 kWh/100 km7,9 kWh/100 km