Preiswerte Luxus-Youngtimer
Heute ein König - ab 1.999 €

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Der enorme Wertverlust spielt uns Luxus-Limos günstig in die Hände. Ob Mercedes S-Klasse, BMW 7er-BMW oder Audi A8, die Preise sind auf Golf-IV-Niveau. Sogar 10 Jahre junge VW Phaeton gibt es für unter 6.000 €.

BMW 728i Typ E38, Heckansicht
Foto: Karl-Heinz Augustin

Heute lassen wir die ganz schlimmen Grotten mal beiseite. Die unter tausend Euro mit fiesen Baumarkt-Rädern, dunkel abgeklebten Scheiben und nachgerüstetem Tagfahrlicht. Mercedes S-Klasse, 7er- BMW und Audi A8 sind preislich im Sinkflug. Schlechte Autos zum Schlachten oder für den Export nach Kasachstan, Libyen oder Nigeria kosten nur noch so viel wie ein besseres Mountain-Bike, weil sie älter sind als 15 Jahre und mit astronomischen Laufleistungen um die 300.000 Kilometer prahlen.

Günstige Einstiegspreise und hohe Unterhaltskosten

Hohe Unterhaltskosten und ein risikobehafteter Wartungsstau treffen vor allem die vollausgestatteten und mit einer Vielzahl von elektronischen Steuergeräten gespickten Luxuslimousinen hart. Wir konzentrieren uns nur auf brauchbares Material, Autos von 1.400 bis 6.000 Euro, vom Audi A8 bis zum VW Phaeton 3.2 V6 reicht das Spektrum.

Unser erster Kandidat, ein BMW 728i in attraktivem Lavendelmetallic, steht für nur 1.390 Euro in der Auto-Welt Augsburg. Dieser bunte Blechkosmos sieht aus wie ein riesiger Parkplatz, eingerahmt von einem Containerdorf. Es ist ein strahlend blauer, heißer Sommertag, Lack und Glas funkeln gleißend in der Sonne.

Es herrscht eine aufgeheizte Atmosphäre, in der Fantasien bestens gedeihen. Geflügelte Worte wie "Heute ein König", "Einmal im Leben" oder "Was kostet die Welt" geistern mir durch den Kopf. Ein Tag, wie geschaffen für das Entdecken von Autos, die man zwar nicht braucht, die einem aber das Glücksgefühl sanfter Mühelosigkeit bescheren. Souveräne Sechs- und Achtzylindermotoren sind in der viertürigen Oberklasse am Start, notfalls auch in Form drehmomentstarker Turbodiesel.

Die Ex-100.000 Mark-Liga

Ein Interieur wie eine Business-Lounge empfängt einen, egal ob im A8 3.3 TDI oder im S 350 Turbodiesel, nobel tapeziert mit edlen Hölzern und feinem Leder, dazu jede Menge Komfortextras, die lange Strecken zum Vergnügen machen. Prickelnd ist der Gedanke an den Neupreis der rollenden Statussymbole. Fast alle hier gezeigten Exemplare lagen bei 100.000 Mark.

Der BMW 728i mit dem leichten Violettstich im silbernen Lack trägt zwar auch Ronal-Zubehörräder, die aber nicht peinlich wirken. Für 1.390 Euro bietet er unschlagbar viel Auto fürs Geld, 238.000 km schrecken mich nicht ab. Natürlich hat er Gebrauchsspuren, innen wie außen, aber der Rost an den Türunterkanten hält sich in Grenzen und das Interieur wirkt beim prüfenden Blick durch die Scheiben gepflegt. TÜV gibt es noch für ein knappes halbes Jahr.

Das 192-PS-starke Einsteigermodell in die dritte 7er-Baureihe verheißt eine gewisse Problemlosigkeit, schließlich ist es kein V12. Der DOHC-Vierventil-Sechszylinder vom Typ M52 gilt vor allem in seiner hubraumstärksten Version als geschmeidiges und enorm haltbares Triebwerk, dessen einzige Schwachpunkte die Wasserpumpe und die sechs Einzel-Zündmodule sind.

Luxus – auch für nur einen Sommer?

Eine Probefahrt wäre jetzt ganz nett, aber der zuständige Container bleibt geschlossen. Wir ziehen weiter, der billige Wagen taugt sicherlich nur für die kleine Fahrfreude zwischendurch, für ein flüchtiges Abenteuer namens Luxusauto, das nur einen Sommer währt, bis die Herbststürme kommen und mit ihnen der nächste TÜV-Termin droht. Rund 3.000 Euro sollte man für eine längere Bindung schon anlegen, um das Risiko zu mindern.

Wir bleiben zunächst bei BMW, so ein 7er der Baureihe E38, gebaut von 1994 bis 2002, ist die preiswerteste Möglichkeit, eine Youngtimer-Luxus-Limousine zu fahren. Mercedes-S-Klassen, ob die Übergröße W140 oder sein fast zierlicher Nachfolger W220, sind deutlich teurer, ebenso der Audi A8, dessen hoher Dieselanteil die Preise wenigstens etwas stabilisiert.

Autohaus Hillmaier in Fürstenfeldbruck offeriert gleich zwei BMW-Flaggschiffe mit lückenlosem Wartungslebenslauf. Der Kenner verfällt gleich dem Schlüsselreiz des Teuren, der 4.444 Euro kostet, erst 173.000 km gelaufen ist, so gut wie alle Extras bietet, aber links hinten am Radlauf eine kleine Rostkolonie züchtet. Es ist ein Achtzylinder Typ 735i in Lapisblau mit vanillefarbenem Executive-Leder, einer vorzüglichen Premiumqualität, die farblich zum tiefen Dunkelblau des Lacks einen schönen Kontrast setzt.

Nachfrage nach Luxus-Limousinen schwach

Josef Hillmaier, ein hagerer Fünfziger mit Bart und Baseball-Cap, zögert nicht lange und reicht mir den mächtigen Infrarot-Fernbedienungsschlüssel. "Fahren Sie mal damit, der gehört längst bewegt, die Nachfrage nach alten Luxuslimousinen hält sich gerade arg in Grenzen. Die einen sprechen bei dem Typ schon vom Youngtimer, für die anderen ist er nur ein Gebrauchtwagen."

Bislang stand ich dem 7er E38 eher kritisch gegenüber, ich finde den Vorgänger, den E32 aus der Feder der BMW-Designer Claus Luthe und Ercole Spada, charismatischer und stilistisch prägnanter. Aber der ist wie sein Mercedes-Pendant W126 von den Kiesplätzen fast verschwunden. Wenn ich den schweren, heiser fauchenden 735i die ersten vorsichtigen Kennenlern-Kilometer auf mich wirken lasse, erkenne ich viel Vertrautes vom traditionellen BMW-Stil. Er wirkt wie ein geglättetes E32-Facelift mit unverändertem Interieur. Der Bruch kam erst mit Bangle.

BMW E38 mit moderner Integralachse

Dabei hat sich unter dem Blech viel getan. Die in Ehren ergraute Schräglenkerkonstruktion des Vorgängers wich der Integralachse aus dem BMW-Supersportwagen 850. Es handelt sich um eine aufwendige Doppel-Querlenkerkonstruktion, die der Mercedes- Raumlenkerachse sehr nahe kommt. Außerdem wurde das Motorenprogramm beim E38 anders gestaffelt und um einen Turbodiesel erweitert. Der 735i hat keinen schweren Antik-Sechszylinder mehr unter der Haube wie früher, sondern einen hochmodernen Viernockenwellen-Leichtmetall-V8 mit einer Leistung von 238 PS. Das sollte genügen, die ZF-Fünfstufenautomatik harmoniert bestens mit dem drehmomentstarken Triebwerk.

Der 735i begeistert mich, das komplette Wellness- und Infotainment-Programm an Bord ignoriere ich vorerst trotzig. Die Klimaautomatik bleibt aus, das Schiebedach offen, Radiohören würde nur vom grollenden Stakkato des herrlichen Achtzylinders ablenken. Das opulente Raumgefühl entspannt dich tief, ein großer Wagen wirkt gerade bei hoher Verkehrsdichte sehr beruhigend. Hillmaier überredet mich, zum Vergleich noch den Sechszylinder 728i auszuprobieren. "Sie werden sehen, der ist zwar weniger üppig, weniger satt in der Leistung, aber vom Zustand ist es das ehrlichere, bessere Autos für nur 3.000 Euro."

Der Achtzylinder lockt

Der einzige Otto-Sechszylinder in der E38-Palette überzeugt mit genügend Leistung und einem makellosen Interieur im Jahreswagenzustand. Nur das nachgerüstete Kenwood-Radio Modell "Tasteless" und die stets vulgär wirkenden weißen Blinker wollen mir als Originalitätsfanatiker nicht gefallen. Dem sterlingsilbernen 7er merkt man die 233.000 km nicht im Geringsten an. Von Rost keine Spur, TÜV wird beim Kauf neu gemacht. Nur den Sound des Achtzylinders vermisse ich, nicht die Leistung.

Auffallend ist das spielerisch leichte Handling des großen BMW 7er, im Vergleich wirkt ein frontgetriebener Kleinwagen schwerfällig. Hätte ich mir nicht kürzlich den Audi 100 CS und den Mercedes 230 CE gekauft, würde ich mit diesem Einsteiger-Nobelauto glücklich von Hillmaiers Hof fahren. Die Hinterräder würden dabei übermütig auf dem Kies durchdrehen.

S-Klasse mit LPG-Anlage für 3.999 Euro

Szenenwechsel zur Mercedes-S-Klasse. Im Auto-Paradies Rosenheim, einem vielseitig aufgestellten Gemischtwarenhändler, der alles Rollbare anbietet vom neuwertigen Audi TT bis zum Oldtimer Lkw-Mercedes L 608, strahlt uns durch den Maschendrahtzaun ein tadelloser S 320 für nur 3.990 Euro an. Superelegant schon sein Auftritt aus der Ferne, geradezu zierlich wirkt er im Vergleich zum klobigen weißen W140, der ein paar Reihen weiter parkt.

Auto-Paradies-Inhaber Joachim Landauer wippt entspannt in seinem 70er-Jahre-Chefsessel Marke "Stoll Giroflex" und sucht zielsicher nach dem Mercedes-Schlüssel. Mit den erleichterten Worten "Endlich mal einer, der richtig Deutsch spricht", reagiert er gleich auf meinen Wunsch, "den praktisch neuwertigen" und mit 3.990 Euro überraschend günstigen S 320 für eine Probefahrt ausfassen zu dürfen. "Aber der hat eine LPG-Gasanlage nachgerüstet, wie das funktioniert mit Starten, Umschalten auf Benzin und so weiter, weiß ich nicht. Passen Sie auf, dass Sie nicht mit Spritmangel liegen bleiben." Die S-Klasse startet ganz normal, schon nach der ersten Schlüsseldrehung.

Raus mit dem Gas – und für 1.000 € verticken

Mehr Mühe bereitet es, den nur optisch zierlich wirkenden Wagen zwischen dem patinierten L 608, dem vorn links beschädigtem W210 und dem verbrauchten Chrysler Voyager rauszuzirkeln. Echte Millimeterarbeit, die mich schweißtreibend fordert, obwohl die Klimaautomatik funktioniert. Am W220 hat mich schon immer gestört, dass das Kombi-Instrument erst nach dem Schlüsseldreh zum Leben erwacht, vorher ist es eine mattgraue Fläche. Die Tankanzeige verharrt im Nichts hinter der Skala. Einen Umschalter suche ich vergeblich. Innen deutet kein gebastelter Schalter auf alternativen LPG-Betrieb hin, den ich sowieso unsinnig finde. Da ist das Auto schon so billig und dann noch am Treibstoff sparen. Ich würde die Gasfabrik vorsichtig rausoperieren und bei Ebay verticken, dann kostet mich der Wagen nur noch 2.990 Euro.

Die erste Fahrt führt uns zur Shell-Tankstelle sechshundert Meter weiter, für 20 Euro lasse ich Benzin reinglucksen, welch fernes, schwaches Echo für einen 88-Liter-Tank. Die Nadel bleibt immer noch im Nichts, egal, wenn ich liegenbleibe, kann ich immer noch handeln und die LPG-Hartog-Anleitung im prall gefüllten ledernen S-Klasse-Bordbuch studieren.

Der 224 PS-V6 säuselt leise

Der große Daimler hat zwar nur Stoffpolster, und für Vortrieb sorgt lediglich ein zierlicher Doppelnockenwellen Dreiventil-V6, trotzdem entsteht beim sanften Ausfallstraßen-Dahinrollen auf grüner Ampelwelle der Eindruck großer Behaglichkeit, satten Fahrkomforts und gediegener Motorleistung. Immerhin offeriert der im Gegensatz zu seinem hochbrillanten Reihenmotor-Vorgänger mit nur einer Nockenwelle pro Zylinderbank operierende 90-Grad-V6 224 PS und ein beachtliches Drehmoment von 315 Nm bei nur 3.000/min. Das lässt den Achtzylinder nur wegen seines ausgeprägten Wohlklangs vermissen.

Der Sechszylinder säuselt nur leise, man hört fast nichts, aber eben auch nichts Typisches, nichts Aufregendes. Rost ist bei dem relativ jungen Wagen kaum ein Thema, nur die untere Fahrertür zeigt sich geringfügig befallen. Fast alle W220-S-Klassen sehen schlimmer aus. Der Lack platzt häufig an den unteren Karosseriekanten ab. Die Form des Wagen gefällt dank ihrer ausgeprägten Eleganz, die paar Schwächen im Detail wie die zu schmale Kühlerattrappe und die ungeschickt aufgelöste Partie zwischen Frontscheibe, Vordertüren und Außenspiegeln stören kaum.

Weiß geduschter W140 ist Mischung aus Rat-Car und Blues-Mobil

Für 4.000 Euro kriege ich sonst nur einen gut erhaltenen, üppig motorisierten VW Golf IV. Hier in der S-Klasse bin ich heute ein König. Und ich habe bei diesem durchweg guten und gepflegten Exemplar keine Angst vor irgendwelchen Ausfällen oder der nächsten TÜV-Hürde. Der S 320 fühlt sich so anschmiegsam-sympathisch an wie zuvor Hillmaiers BMW 728i. Welchen ich nehmen würde? Vielleicht doch den Mercedes ohne Gas, er wirkt stilistisch zeitloser und typischer, nicht so baukastig wie der 7er-BMW, der auch ein großer 5er oder ein überdimensionaler 3er sein könnte.

Das Auto-Paradies verführt mich in der flirrenden Hitze zwischen Bahngleisen und einer Garnitur rostiger Kesselwagen mit einem W140 für nur 1.999 Euro. Auch noch in der Fehlfarbe Arcticweiß, die seine körperliche Fülle noch mehr betont. Landauer holt schon mal den Schlüssel vom weißen Elefanten, dabei erklärt er den Wagen wortreich: "Technisch ist der einwandfrei, der bei sogenannten Fachleuten verrufene Dreieinhalbliter-Sechszylinder-Turbodiesel läuft Spitze, die alte Viergangautomatik schaltet weich. Nur hat den irgendein Depp weiß geduscht, vorher war der silbern."

Zusammen mit den übel mattschwarz- lackierten Original-Neunloch-Rädern wirkt der angezählte Dieselkreuzer wie eine Mischung aus Rat-Car und Blues-Mobil. Das hat durchaus seinen Reiz. Eine abgerockte Karre wie aus Mad Max sollte auch vor trostlosen Kulissen fotografiert werden, entscheiden der Fotograf und ich. Wir fanden in der verblichenen Montevideo- Videothek-Fassade die entsprechende Kulisse zum Auto. Gleichwohl entpuppt sich der in seinem trashigen Look auf Böse getrimmte Turbodiesel als braves Gefährt. Das milde Temperament von 150 PS im üppigen Zweitonner passt zum stoischen, unbelehrbaren Charakter des W140, der einst nicht glauben wollte, dass er bei allem Ehrgeiz früh gescheitert ist, weil ihm die Selbstkritik fehlte.

Lowtech-Selbstzünder mit nur 241.000 km

Der 100-Liter-Tank reicht im Diesel locker 1.300 Kilometer weit. Die 310 Nm bei nur 2.000/min sorgen für nachdrücklichen Vortrieb, nicht vehement, aber unaufhaltsam – so wie ein Zug aus dem Bahnhof fährt. Die 241.000 km sind für den optisch eindrucksvollen Lowtech-Sechszylinder mit dem leisen Turbolader-Pfeifen keine wirkliche Herausforderung, solange man hohe Dauerdrehzahlen vermeidet. Der weiße Cellulite-Lack ist natürlich übel, am liebsten würde ich ihn mit Nitro-Verdünnung abspülen, aber das würde das Silbermetallic drunter nicht überleben.

Innen ist er erstaunlich schön, der alte Diesel-Riese, schwarzes Leder, wohnlich, akkurat, gediegen. Er hätte etwas Besseres verdient, als so entstellt zu enden. Verdammt, jetzt fahre ich schon seit einer Stunde mit der Karre durch die Gegend, abgesprochen waren 20 Minuten. Ich könnte mich an sie gewöhnen.