Toyota Mirai im Test
Fahrspaß oder doch nur heiße Luft?

Ihnen sind die alternativen Antriebe nicht alternativ genug? Okay, wie wäre es dann mit dem Toyota Mirai samt Brennstoffzelle? Bei dem blubbert aus dem Auspuff nur heiße Luft, oder genauer: Wasserdampf.

Toyota Mirai, Wasserstoff, Tankstelle
Foto: Hans-Dieter Seufert

Fahrer eines Ferrari, Lamborghini oder Aston Martin kennen das Gefühl: Ihr Auto wird regelmäßig bestaunt, ja manchmal sogar begafft. Doch maximale Aufmerksamkeit generiert derzeit ein anderes Modell: die Brennstoffzellen-Limousine Toyota Mirai. Mirai ist japanisch und bedeutet so viel wie Zukunft. Und der Mirai scheint tatsächlich nicht ganz aus dieser Zeit – er ist schon sehr andersartig.

Toyota Mirai, Frontansicht, Slalom
Hans-Dieter Seufert
Der Mirai macht Laune. Trotz Neigung bleibt er stabil in der Spur und schiebt vollmundig an.

Ähnlich wie bei der Hybrid-Limousine Prius ist seine Andersartigkeit Teil des Konzepts. Der Mirai kehrt sein Inneres nach außen, nutzt das eigenwillige Design, um auf seinen eigenwilligen Antrieb hinzuweisen, der naturgemäß unter der Karosserie nicht auf sich aufmerksam machen kann – zumal er als Verbrennungsgeräusch nur ein verrauschtes Summen von sich gibt und nichts als Wasserdampf ausatmet.

Wasserdampf statt CO2

Wasserdampf als Verbrennungsrückstand? Da dämmert es dem einen oder anderen Technik-Nerd: Richtig, der Mirai ist ein Brennstoffzellen-Hybridfahrzeug. Das Wort klingt sperrig, doch im Grunde ist der Toyota ein Elektroauto. Eines, das seine Energie aus dem mitgeführten Wasserstoff bezieht und eine Batterie nur als Zwischenspeicher nutzt.

Die Brennstoffzelle gewinnt Elektrizität aus der chemischen Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff. Dabei entstehen Strom, Wärme und Wasser – aber kein Kohlenstoffdioxid, weshalb diese Art des Antriebs als wenig umweltschädlich gilt. Die Bezeichnung Brennstoffzelle führt dabei etwas in die Irre, denn sie verbrennt nichts, wandelt lediglich Energie um. Wie das chemisch funktioniert, wollen wir hier nicht erörtern, sonst bleibt kein Platz mehr für den Fahreindruck. Und das wäre jammerschade, denn der Mirai ist mehr als ein rollender Chemiebaukasten.

Löchriges Tankstellennetz für die Brennstoffzelle

Aus Sicht von Toyota manifestiert er den maximal möglichen Fortschritt. „Mit dem neuen Antriebskonzept bringen wir nun ein nochmals wesentlich innovativeres Fahrzeug auf den Markt, als es der erste Prius zu seiner Zeit war.“ Dieses vollmundige Zitat stammt von Mirai-Entwickler Yoshikazu Tanaka. Laut der Strategie des japanischen Herstellers sollen batteriebetriebene Elektroautos künftig die Kurzstrecke abdecken, wohingegen Wasserstoffautos besser für die Langstrecke geeignet seien.

Bei den Brennstoffzellern ist nicht die Reichweite der limitierende Faktor, sondern das löchrige Tankstellennetz. Am Stammsitz von auto motor und sport gehören wir in dieser Hinsicht zu den Privilegierten: Wir haben die Wahl zwischen drei Wasserstoffspendern, wovon eine Zapfanlage von einem echten Enthusiasten betrieben wird: Dieser hält sie technisch so gut in Schuss, dass sie nur selten ausfällt. Brennstoff steht für die Zellen also (fast) immer zur Verfügung.

Für längere Reisen eher ungeeignet

Anders sieht es aus, wenn man den Mirai als das nutzen möchte, was er ungeachtet seines außergewöhnlichen Antriebs ist: eine Limousine für vier Personen mit einer durchschnittlichen Reichweite von 454 Kilometern, aber beschränktem Kofferraum (361 Liter) und grenzwertiger Zuladung (329 Kilogramm). Ohnehin müsste sich ein Urlaub praktisch aufs Heimatland beschränken, und auch hier wäre die Mitte Deutschlands fürs ziellose Umhergondeln tabu – mangels passender Tankstelle.

Das Wissen um Einschränkungen fährt in Gedanken natürlich immer mit. Nicht nur beim Mirai, sondern bei allen Elektroautos. Und so zuckt der Blick alle paar Kilometer reflexartig zur Vergewisserung auf die Reichweitenanzeige.

Viel Rauschen, viel Vortrieb

Mit zunehmender Wegstrecke wird der Kontrollblick seltener. Die Gedanken wandern stattdessen zurück zum Prius der vierten Generation, der Anfang des Jahres zum Test kam und sich dabei mehr als wacker schlug. Die Parallele liegt deshalb nahe, da das Hybridmodell dem Mirai in seiner Machart durchaus ähnelt. Gleichwohl bestehen nach Angaben von Toyota keine Plattform-Gemeinsamkeiten – immerhin übernahmen die Ingenieure Teile des Batteriesystems. Auch im Innenraum finden sich Elemente aus dem Prius.

Die Position des Startknopfs etwa. Auf seinen Druck meldet sich der Mirai ... nicht. Oder zumindest fast nicht. Er piept kurz, was übersetzt heißt: Ich bin bereit. Also stellen wir die Drehrichtung des Elektromotors auf vorwärts und zwar mittels des knubbeligen Wählhebels in der Mittelkonsole – auch dieser stammt aus dem Prius.

Mit einem Tritt aufs Fahrpedal (bitte, bitte, liebe Pedanten, erlaubt uns auch bei E-Autos, Gaspedal zu schreiben) säuselt der Mirai los – oder er rauscht los – je nachdem, wie fest man sein Gaspedal niederdrückt. Das Rauschen stammt übrigens von der in die Brennstoffzelle einströmenden Luft und gibt so dem Ohr zumindest ein wenig Eindruck vom Lastzustand. Viel Rauschen heißt viel Vortrieb, so einfach.

Und es geht bei Vollgas wirklich erstaunlich gut vorwärts. Die läppisch klingenden 113 kW fühlen sich eher wie stramme 154 PS an, was heißen soll: Der Mirai läuft nicht in der Magerfettstufe, schiebt stattdessen dank 335 Nm vollmundig an. Das Drehmoment kommt mit den 1,8 Tonnen gut zurecht.

Toyota Mirai, Motor
Hans-Dieter Seufert
Unter der Haube des Toyota schlummert die komplizierte Antriebstechnik.

Kein schneller Reichweitenverlust im Mirai

Wer möchte, klinkt sich auf der Autobahn in den Strom der linken Spur ein, hält bis knapp 180 km/h mit – ohne dass die Reichweite wie bei vielen reinen Elektroautos sofort dramatisch in sich zusammenbricht. Man muss also nicht im Schleicher-Modus vor sich hin dümpeln, um eine ordentliche Distanz mit einer Tankfüllung zu erreichen. Nein, man kann den Mirai ganz normal fahren.

Das muss man deshalb so betonen, weil elektrisches Fahren jenseits von Ballungszentren fast unweigerlich leichte Beklemmung auslöst. Was, wenn mir der Strom ausgeht? Nur, dass diese existenzielle Frage im Mirai eben heißt: Was, wenn mir der Wasserstoff ausgeht? Dann müsste die mobile Wasserstofftankstelle von Linde herbeirollen. Oder der Abschleppdienst. Nennen wir es E-Angst; sie verhält sich umgekehrt proportional zur Reichweite und ist unter diesem Aspekt im Toyota nicht sehr ausgeprägt.

Wir surren also relaxed über die A 8 Richtung Schwäbische Alb, freuen uns über die geringe Lautstärke im Innenraum. Fahrtwind und Fahrwerk bleiben zurückhaltend, obwohl es keinen Motor gibt, der die Störgeräusche kaschieren könnte. Bodenwellen macht die Federung nicht ganz so virtuos den Garaus, wie es adaptive Fahrwerke können, doch der Reisekomfort ist mehr als ordentlich. Die Abfahrt naht, Blinker rechts, Fuß vom Gaspedal.

Normalo unter den Sonderlingen

Zunächst reicht es aus, den Getriebewählhebel auf „Br“ zu ziehen und eine Art simulierte Motorbremse zu nutzen. Dabei rekuperiert der Mirai, lädt Strom in die Batterie. Das geht ebenso ruckfrei wie das deutlich stärkere Verzögern über das Bremspedal. Auch hier verhält sich der Toyota völlig normal, spielt nicht den Sonderling, den nur Wissende gekonnt bedienen können.

Zügig nehmen wir die Ausfahrt in der Erwartung, das Fahrwerk an seine Grenzen zu bringen. Weit gefehlt: Der Mirai neigt sich etwas, bleibt aber präzise auf Kurs. Das nötigt respektvolles Kopfnicken ab. Es verstärkt sich auf der Landstraße: Selbst steile Serpentinen erklimmt der Toyota mit so viel Elan, dass es einfach Laune macht.

Fahrspaß flammt auf

Der Druck des E-Motors reicht jederzeit aus, um am Berg die Sonntagsfahrer zu überholen. Weil sich alles so normal anfühlt – Sie merken, das Wort normal fiel bereits erstaunlich häufig –, fährt man auch so. Will heißen: Man verfällt nicht zwangsläufig in den Schleicher-Modus wie etwa im Prius oder in den meisten E-Autos. Ja, es flammt sogar so etwas wie Fahrspaß auf.

Umso erstaunlicher, dass der Mirai dennoch so effizient mit der getankten Energie umgeht. Im Schnitt wandelt er auf 100 Kilometern 1,1 Kilogramm Wasserstoff in Strom um. Das entspräche dem Energiegehalt von drei Litern Benzin – für ein Auto von der Größe einer Mercedes E-Klasse ein sensationeller Wert. Wer im Toyota nur umherzockelt, der kommt sogar mit 0,9 Kilogramm aus (oder 2,5 Litern Benzin).

Hoher Preis für das gute Umweltgewissen

Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere zeigt die tatsächlichen Tankkosten auf; diese sind nicht überschwänglich niedrig. Ein Kilogramm Wasserstoff kostet derzeit 9,50 Euro – dafür gäbe es an der Tankstelle auch 7,8 Liter Benzin. Das erdet den abgehobenen Jubel um die Energieeffizienz wieder. Generell muss man sich den Mirai leisten können: Toyota verlangt eine monatliche Leasingrate von 1.458 Euro (inklusive Wartung und Versicherung); hochgerechnet ergäbe sich ein Bruttopreis von 78.540 Euro.

Ähnlich wie bei den ersten Hybridmodellen und E-Autos kommuniziert der Fahrer eines Mirai nach außen: Ich bin wohlhabend genug für ein gutes Umweltgewissen.

Toyota Mirai, Wasserstoff, Tankstelle
Hans-Dieter Seufert
Der Mirai bleibt wohl ein Kurzstrecken-Auto. Gerade einmal 20 Tankstellen sind deutschlandweit zu finden.

Das Netz ist löchrig

Es gibt derzeit gerade mal 20 öffentlich zugängliche Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland – die meisten in Städten.

Die Hersteller sagen, es gebe zu wenig Tankstellen (20), deshalb verkauften sie so wenig Wasserstoffautos. Und die Tankstellenbetreiber entgegnen, es gebe viel zu wenig Wasserstoffautos, deshalb rentierten sich keine weiteren Zapfanlagen. In Japan ist man bei der Henne-Ei-Problematik weiter: Auf immerhin 78 Tankstellen kommen im Inselstaat alleine 730 Mirai. Im Heimatland promotet Toyota das Wasserstoffmodell stärker, und die Käufer sind der Technik gegenüber aufgeschlossener. Kunststück: Im Mega-Ballungszentrum Tokio dürfte die Versorgung kaum ein Problem darstellen. Etwa wie in der deutschen Hauptstadt und einzigen echten Metropole Berlin; dort gibt es inklusive Schönefeld fünf Wasserstoff- Tankstellen. Neben dem Toyota Mirai ist der Hyundai iX35 Fuel Cell übrigens derzeit das einzige Serien-Wasserstofffahrzeug auf dem deutschen Markt. Beide sind allerdings nur über Leasing erhältlich.

Vor- und Nachteile
Karosserie
Toyota Mirai
gutes Platzangebot vorn
geringe Bedienkräfte
ordentliche Verarbeitung
hohe Sitzposition (vorn)
angesichts der Außenlänge (4,9 Meter) mäßiges Raumangebot im Fond
kleiner Kofferraum
schlechte Übersichtlichkeit nach hinten
geringe Zuladung
schwer erkennbare Symbole auf dem Navi-Monitor
Fahrkomfort
insgesamt guter Federungskomfort
leise Windgeräusche
kurze Tankzeit
Klimatisierung an heißen Tagen am Limit
Antrieb
ruhig laufender Antrieb
kräftiger Antritt
ordentliche Beschleunigung
hohe Reichweite
löchriges Tankstellennetz
Fahreigenschaften
hohe Fahrstabilität
ruhiger Geradeauslauf
unerwartet gute Agilität
präzise Lenkung
überraschend natürliches Bremsgefühl
Sicherheit
zahlreiche Assistenzsysteme und Airbags
gute Bremswirkung
keine weiteren optionalen Assistenzsysteme
Umwelt
keine lokale Emission von Kohlendioxid
hohe Energieeffizienz im Betrieb
Wasserstoffgewinnung erfordert enormen Energieeinsatz
Kosten
sinnvolle Serienausstattung
keine Steuerlast
sehr hohe Anschaffungskosten (ausschließlich Leasing)
hohe Betriebskosten

Fazit

Das Fahren selbst ist nicht nur problemlos, sondern macht sogar Spaß. Demgegenüber stehen die eingeschränkten Platzverhältnisse, die hohe Leasingrate und die Problematik der Energiebeschaffung: Wasserstoff ist aufwendig zu erzeugen, dadurch teuer und es gibt wenige Tankstellen.

Technische Daten
Toyota Mirai
Grundpreis78.600 €
Außenmaße4890 x 1810 x 1535 mm
Kofferraumvolumen361 l
Höchstgeschwindigkeit175 km/h
0-100 km/h10,1 s
Verbrauch0,7 kg/100 km
Testverbrauch1,1 kg/100 km