Mrs. Dalloway sagte, sie wolle die Blumen selbst kaufen." Sie kennen das nicht? Nichts verpasst. Es ist der erste Satz aus "Mrs. Dalloway", einem Roman von Virginia Woolf, von solch unfassbarer Langeweile, wie sie die britische Literatur nur zu Zeiten hervorbringen konnte, als Mylord sein Lebtag mit Wichtigtuerei beschäftigt war - und Mylady mit Umkleiden vor dem Dinner. Ganz ohne Beschwören der alten Zeiten ging es lange nicht bei Jaguar. Nun folgen auf die guten alten endlich gute neue Zeiten. Nach dem Start des XE im Sommer und dem Debüt des SUV F-Pace auf der IAA kommt nun das dritte Modell auf der Modular-Plattform - der Jaguar XF. Der legt sich gleich mit A6 und 5er an.
XF und die Tradition der Tradition
Castle Bromwich, das wollten wir noch klären, heißt das Werk, in dem der Jaguar XF zusammengenietet und -geklebt wird - auf der modularen Alu-Architektur, durch die er 190 Kilo leichter sein soll als sein Vorgänger. Na ja, soll. Der letzte Jaguar XF S V6 3.0 Diesel, der bei uns war, wog 1.951 Kilo - nur 86 mehr als der neue. Der verschiebt seine Proportionen, kürzt den vorderen Überhang um 6,6, reckt den Radstand um 5,1 Zentimeter. So rangiert er beim Raumangebot nun auf dem Niveau des Fünfer. Fahrer und Beifahrer integriert der Jaguar XF tief auf kuschligen Sesseln, wirkt dabei nicht eng, sondern kompakt - bis es gilt, ihn in enge Parklücken zu rangieren.
Das kann er nun auch allein, weil Jaguar die Assistenzabteilung aufgerüstet hat. Alles dabei nun, was in dieser Klasse dabei sein sollte. Wie beim Infotainment. Dessen Beschreibung zieht sich im Pressetext über Seiten - ähnlich packenden Inhalts wie "Mrs. Dalloway". Beschränken wir uns darauf, dass es das gleiche umständliche System ist wie im XE.
Jaguar XF mit V6 und 300 PS
Also lieber mal: Startknopf, Drehwähler erscheint, D, Gas. Der Diesel büffelt los, ein paar Hundert Umdrehungen Laderzögern überwandlert die Achtstufenautomatik. Da kommt der kleine Turbo in Schwung. Prustet der große mit, wuchten sie den Jaguar XF mit 700 Nm voran. Doch er erreicht nicht die Eile und Antriebsharmonie von Audi und BMW. Das Getriebe wählt die Gänge nicht ganz so treffsicher, ruckt, wenn du dich mit den Schaltpaddeln durch die Gänge zappst. Zudem selbstzündet der sparsame (8,3 l/100 km) V6 herber als die anderen. Dass sich der Wind an der Fahrertür verheddert, mag an der frühen Produktion des Testwagens liegen. Die Einrichtung könnte aber liebevoller sein, Schaumstoffpolster an der Lenksäule und lieblose Plastikschalter passen nicht zur Preisklasse.
Der Komfort schon. Zwar rempelt der Jaguar XF mit optionalen 19-Zoll-Rädern harsch über kurze Unebenheiten, steckt lange aber beflissen weg - leer wie beladen. Doppelquerlenker-Vorderachse und Lenkung stammen vom F-Type. Das klappte beim XE gut, vor allem wegen der gefühlvoll-direktpräzisen Lenkung. In Sachen Gefühl und Präzision gibt es an ihr im Jaguar XF nichts auszusetzen, doch reagiert sie für eine Limousine der oberen Mittelklasse fast zu direkt - auf der Autobahn bringt das sachte Hibbeligkeit in den Fahrfluss. Stöbert man über Landstraßen, passt es besser, da grippt sich die Vorderachse fest in die Ideallinie. Der Jaguar XF lässt das Untersteuern bleiben, nicht aber harmloses, unterhaltsames Heckdrängeln. Also eigentlich alles gut. Aber gut genug für die Besten?
Audi A6 und der Überfluss der Perfektion
Denn der A6 3.0 TDI Competition zählt dazu: Mit vollendeter Verarbeitung, viel Platz, brillant-wuchtigem, nur etwas weniger sparsamem (8,9 l/ 100 km) Biturbodiesel, Automatik, Allradantrieb, Adaptivdämpfern. Und dem MMI-Infotainment, das nicht mehr so kompliziert erscheint, wenn man vom Jaguar XF umsteigt.
All das macht den A6 zu einem hoch kompetenten Auto. Trotz 20- Zoll-Reifen federt er leer und beladen bekömmlich, verhaspelt sich nur auf kurzen Unebenheiten. Die zwei Turbos plustern den V6 auf 650 Nm, boosten auf die 326 PS noch 20 weitere, keineswegs unentbehrliche drauf. Derweil sänftelt die Automatik - mitunter zu - gelassen durch ihre acht Stufen. Dabei ist der A6 immens schnell, bleibt kultiviert. Außer im Dynamic-Modus, da generiert der Soundaktuator: Sound - nicht Klang.
Das deutet an, was dem A6 fehlt: Das Unmittelbare. Schon beim Ausparken merkst du, dass die Lenkung synthetisch anspricht, dass sie schwach rückmeldet. Sie mag präzise sein, aber die Lenkkräfte passen nie - im "Comfort“-Modus sind sie künstlich niedrig, auf "Dynamic“ künstlich hoch. So fühlt sich der A6 entkoppelt an, wenn er mit enormem Tempo über Landstraßen und durch Kurven stürmt. Er bleibt dabei unerschütterlich sicher, lange neutral, aber, tja, immer seltsam steril. Daran ändert das Sportdifferenzial nichts, obgleich es die viele Kraft nicht nur traktions-, sondern auch fahrspaßfördernd verteilen soll. So ist der A6 ein brillanter Wagen für die große Distanz - doch die hält er auch zum Fahrer.
BMW 5er und die Jugend des Alters
Drei Kilometer im BMW, und du verstehst das. Er umschlingt dich mit bequemen Komfortsitzen, integriert dich enger ins Cockpit, ohne dass es an Platz mangelte. Die iDrive-Bedienung bleibt unerreicht; wozu es das Gestengehampel im Siebener braucht? Keine Ahnung. Unter der Haube nuschelt der Diesel los. Anders als Audi und Jaguar sortiert BMW die sechs Zylinder in Reihe. Der Biturbo säuselt leiser, legt auch wegen der perfekten Automatik homogener los, dreht gierig und geschmeidig. Fahrleistungen? Och: Ausgeprägt - im Gegensatz zum Verbrauch (8,5 l/100 km). Seit 2010 hat sich der 5er beim Handling eine Unbekümmertheit bewahrt, die dem Audi abgeht. Der BMW mag in der Fahrdynamik langsamer sein, fühlt sich aber agiler an. Was auch an der klaren Arbeitsaufteilung liegt: Hinterräder sind zum Antreiben da, Vorderräder für Richtungsänderungen. So fegt der 5er über verschlungene Landstraßen, mit brillanter Rückmeldung und Präzision in der direkten Lenkung, bleibt neutral, drückt endlich mit dem Heck, angestachelt von der Wucht der 630 Nm und: Weil er es kann. Auch den Komfort hat er drauf. Mit Adaptivdämpfern überschmeichelt er leer schlechte Straßen, neigt beladen aber zum Durchschlagen.
Der BMW siegt trotz ungewohnt mäßiger Bremsen. Dass Jaguar aber enorm aufgeholt hat, müssen wir nicht mal durch die selbst gekaufte Blume sagen.
Fazit
Der grandiose Antrieb – Reihensechszylinder und die Achtgangautomatik – sichert den Sieg des agilen und gleichzeitig komfortablen BMW. Allerdings schwächelt er dieses Mal bei der Bremsprüfung.
Man kann es mit dem weniger umfassenden Sicherheitsarsenal oder dem Infotainment erklären, dass er nicht gewinnt. Aber bei aller Brillanz in Verarbeitung, Traktion, Motor: Das Handling wirkt synthetisch.
Bei Federung, Infotainment und Laufkultur liegt er Nuancen hinter dem Besten. Und Nuancen entscheiden in dieser Klasse. Aber allein wegen Lenkung und Handling kann man den Jaguar XF gern mögen – und kaufen.
Audi A6 3.0 TDI Quattro competition | Jaguar XF 30d Prestige | BMW 535d Luxury Line | |
Grundpreis | 68.950 € | 61.560 € | 61.600 € |
Außenmaße | 4933 x 1874 x 1455 mm | 4954 x 1880 x 1457 mm | 4907 x 1860 x 1475 mm |
Kofferraumvolumen | 530 l | 540 bis 885 l | 520 l |
Hubraum / Motor | 2967 cm³ / 6-Zylinder | 2993 cm³ / 6-Zylinder | 2993 cm³ / 6-Zylinder |
Leistung | 240 kW / 326 PS bei 4000 U/min | 221 kW / 300 PS bei 4000 U/min | 230 kW / 313 PS bei 4500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h | 250 km/h | 250 km/h |
0-100 km/h | 5,4 s | 6,1 s | 5,6 s |
Verbrauch | 6,2 l/100 km | 5,5 l/100 km | 5,4 l/100 km |
Testverbrauch | 8,9 l/100 km | 8,3 l/100 km | 8,5 l/100 km |