Volvo XC90 D5 im Test
So gut ist der Diesel-SUV

Mit dem neuen XC90 will Volvo wieder Flagge zeigen. Der SUV ist zu 99 Prozent neu, bleibt aber vollkommen Volvo und anders als die Rivalen. Der Diesel mit Allrad im Test.

Volvo XC90 D5, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Die Weibchen, lesen wir, treffen sich gern in Gruppen und zeigen sich den Männchen gegenüber zunächst desinteressiert bis ablehnend. Je näher jedoch der Zeitpunkt der Empfängnisbereitschaft kommt, desto eher reagieren sie auf Annäherungsversuche. Bevor Sie fürchten, Sie hätten sich in einen Beziehungsratgeber unserer Verlagskollegen von „Men's Health“ verirrt: Es geht um einen Internet-Lexikoneintrag über Elche. Den klickten wir an, um zu sehen, ob im Kapitelthema „Natürliche Feinde“ schon der Volvo XC90 erwähnt ist.

Volvo XC90 ein sehr harter SUV

Dessen Karosseriestruktur besteht zu 40 Prozent aus Borstahl, dem härtesten derzeit im Automobilbau verwendeten Stahl. So schüchtert der Volvo XC90 Elche und EuroNCAP-Crashbarrieren ein. Doch er fährt nicht nur alles an Knautschoptimierung auf, was die Volvo-Sicherheitsforschung in den letzten 87 Jahren herausge- und erfunden hat. Vielmehr geht es darum, die aktive Teilnahme an Unfällen erheblich zu erschweren. Dafür sorgt eine der umfassendsten Assistenzausstattungen, die es derzeit gibt.

Also, da gibt es das bei Tag und Nacht sowie bei jedem Tempo einsatzbereite City-Safety-Notbremssystem mit Fußgänger-, Radfahrer- und wohl bald auch Elcherkennung (doch, wirklich), Spurhalteassistent mit Lenkeingriff, Totwinkelalarm, Head-up-Display mit Gefahrenmeldung, Adaptivtempomat mit Staufolgeassistent, Auspark- und Kreuzungsnotbremsassistent, Müdigkeitswarner, Heckaufprallalarm, LED-Scheinwerfer mit maskiertem Dauerfernlicht und den präventiven Gurtstraffer. Der fixiert die Passagiere in den Sitzen, sobald die Sensorik erkennt, dass der Volvo XC90 die Straße verlässt. Und wenn er dabei in einen Graben rumst, dämpfen Deformationselemente in den Sitzgestellen die Wucht des Aufpralls.

Neue Produktarchitektur durch 11-Milliarden-Dollar-Investition

Der XC90 ist der sicherste aller je gebauten Volvo – und der revolutionärste. 99 Prozent aller Teile haben die Ingenieure innerhalb von vier Jahren neu entwickelt – dazu die skalierbare Produktarchitektur (SPA). Auf der basieren bald alle Volvo oberhalb des V40. Um sie zu realisieren, legte Volvo ein Elf-Milliarden-Dollar-Investitionsprogramm auf. Das unterstützen die chinesischen Eigentümer von Geely übrigens vollauf, allerdings nur moralisch, nicht finanziell. Warum der Volvo XC90 als Erster auf der neuen Basis steht? Es war dringend an der Zeit.

Es gibt einfachere Erben anzutreten als das des ersten Volvo XC90. 2002 erweiterte er nicht nur das Portfolio der Marke, sondern auch die moralische Bandbreite seiner Kunden. Kein anderer Geländewagen hat es je seinen Besitzern ermöglicht, sich ebenso tatkräftig an Bürgerinitiativen zum Umweltschutz wie an der Verknappung weltweiter Ölreserven zu engagieren. Denn in der allgemeinen Wahrnehmung war selbst ein XC90 T6 mit dem trinkwütigen Sechszylinder-Turbobenziner nie ein trummiger SUV, sondern ein schwedisches Familienauto, ein Småland auf Rädern, bei dem es um Raum, Komfort und Sicherheit ging.

Und weiterhin geht – am Konzept des Volvo XC90 hat sich nichts verändert, es wurde gar intensiviert. So bietet die um 13 Zentimeter auf 4,95 Meter gewachsene Karosserie solch verschwenderisches Raumvorkommen, dass der Erwerb der dritten Sitzreihe für 1.550 Euro geboten scheint. Andernfalls fährt man wie beim fünfsitzigen Testwagen ständig eine Kofferhalle herum, im Standardladevolumen auf Niveau des VW Multivan.

Die drei knautschig-bequemen Rücksitze lassen sich separat umklappen, im mittleren steckt mit dem aufklappbaren Kindersitzkissen übrigens die einzige Konstruktion, welche die Techniker vom Vorgänger übernommen haben. Vorn ist alles komplett neu, von den mit weichem Leder bezogenen, kuscheligen und enorm bequemen Sitzen, die stolz kleine Schwedenflaggen an den Flanken tragen, bis hin zur Bedienung.

Volvo XC90 mit 225 Diesel-PS

Die Eleganz des Reduzierten gelingt im Cockpit des Volvo XC90 durch den Verzicht auf Tasten. Nur acht gibt es auf der Mittelkonsole. Alles andere (Klima, Navi, Musik, Telefon, Assistenz) soll über den 9,2 Zoll großen Hochkant- Touchscreen funktionieren. Funktioniert aber nicht. Dabei müssen wir gar nicht in die Tiefen des Infotainments eintauchen. Schon einfache Radio- und Navigationsfunktionen sind umständlich und lenken enorm ab. Das erinnert an die Anfänge von BMWs iDrive. Womöglich hat Volvos System ein ähnliches Entwicklungspotenzial. Freunde der Marke werden sich jedenfalls damit arrangieren müssen – es kommt in alle neue Modelle.

Wie der Motor. Wobei der Singular darauf hinweist, dass es nur noch einen Grundmotor gibt, von dem später ein Dreizylinder abgeleitet wird. Schon jetzt gibt es den 1.969 cm³ kleinen Vierzylinder als Benziner und Diesel. Der Benziner stärkt sich mit Turbo und Kompressor, der Hybrid zusätzlich mit E-Motor. Als Diesel schaufeln ihn zwei sequenziell geschaltete Turbos mit variabler Ladegeometrie auf 225 PS und 470 Nm.

Bedenken, ob das nicht ein paar Zylinder und einige Liter Hubraum zu wenig sein könnten für den zwei Tonnen schweren Volvo XC90, pustet der Diesel mit 2,5 bar Ladedruck davon. Nullhundert schafft der gut gedämmte, aber wegen der maximal 2.500 bar Einspritzdruck leicht nagelige Diesel im Test in 8,6 Sekunden. Dass nie das Gefühl aufkommt, er sei zu klein oder übermäßig aufgeladen, liegt auch an der serienmäßigen Aisin-Achtstufenautomatik. Wählhebel auf D, und alles ist gut. Beim Start überschlupft die Box das Anfahrzaudern des Motors, schaltet immer sanft und treffsicher. Paddel zum Selbstschalten bereicherten da das Fahrvergnügen in etwa so sehr wie eine Funktion zum Selbstschleudern die Freude an einer Waschmaschine. Also gibt es keine.

Guter Testverbrauch für den Volvo XC90

Die Spannbreite des Antriebs ist erstaunlich. Im Eco-Modus reduziert die Elektronik die Leistung des Motors, zudem legt die Automatik im Schiebebetrieb den Leerlauf ein. Trödelig ist man im Volvo XC90 so nicht unterwegs, aber mit nur 6,9 l/100 km. Auch in Eile werden es kaum zwölf. Und mit den 8,5 l/100 km im Schnitt ist man engagierter unterwegs als das bisher mit einem Volvo XC90 gelang.

Das liegt am neuen Fahrwerk mit Doppelquerlenkern vorn und der Integralachse hinten. Diese Form der Einzelradaufhängung hatte schon 1990 die 960 Limousine. Damit fährt der Volvo XC90 unerschütterlich sicher und neutral, präzise und agil – also im Vergleich zu anderen großen Volvo, bei denen man in Kurven dauernd gegen Untersteuern und Antriebszerren in der Lenkung anraufen muss (ja, wir meinen dich, V70).

Dagegen hat der Volvo XC90 nun so etwas wie Rückmeldung und Präzision in der Lenkung – zumindest im servoreduzierten Dynamik- Modus. Im Vergleich zu einem Cayenne oder X5 bleibt das natürlich ein beschauliches Kaffeekränzchen – dafür aber auch so gemütlich. Nur kurze Unebenheiten überpoltert der XC90 im Test trotz adaptiver Luftfederung (2.560 Euro) etwas harsch. Ansonsten steckt er üble Wellen sacht weg, lässt im Dynamik- Modus das Wanken sein.

So ergänzt der XC90 traditionelle Stärken der Marke mit neuen. Er ist nicht einfach ein weiterer SUV, sondern sicher, geräumig, sicher, individuell, sicher, komfortabel, übrigens auch sicher und dazu sicher der beste Volvo, den es je gab. Kurz: Elch ein Volvo!

Tablet-PC mit umfangreicher Vernetzung

Nicht nur das Auto, auch sein Sensus-Navigationssystem (1.170 Euro) hat Volvo komplett umgepflügt. So bildet ein 9,2-Zoll großes Touchpad die Basis, über die fast alle Funktionen gesteuert werden. Das hochauflösende Display reagiert dabei sehr sensibel auf Berührungen und setzt Befehle ohne erkennbare Verzögerung um. Adresseingaben gehen daher schnell von der Hand, auch das Zoomen in der Karte klappt mit der vom Smartphone gewohnten Zweifinger-Methode. Der Fahrer kann zudem zwischen einer großen Navi-Karte oder einer reduzierten Pfeil-Darstellung wählen, wodurch Platz für Audio-, Telefon- und Fahrzeug-Informationen bleibt.

Wer sich für Volvo On Call entscheidet (850 Euro), bekommt ein zusätzliches Datenmodem samt eigener SIM-Karte, das bei Unfällen selbstständig Hilfe ruft, als WLAN-Hotspot dient und das Navi mit Online-Inhalten versorgt. Im Volvo-App-Store lassen sich hierüber Internetdienste installieren. Im Testwagen funktionierten jedoch nur Wettervorhersagen und die Sonderzielsuche, weitere Funktionen sollen im Laufe der nächsten Monate hinzukommen – unter anderem Echtzeit-Verkehrsinfos und Musik-Streaming-Dienste. Apple Carplay soll im November freigeschalten werden, die Vorrüstung kann jedoch schon bestellt werden. Bleibt zu hoffen, dass auch die Bedienung optimiert wird, manche Menüs wirken überladen und lenken während der Fahrt ab. Auf ganzer Linie enttäuschte die Sprachsteuerung mit ihrer geringen Erkennungsquote und starrer Eingabestruktur.

Vor- und Nachteile
Karosserie
üppiges Platzangebot für
fünf Passagiere
großer Kofferraum
hohe Variabilität
optional sieben Sitze
hochwertige Material- und Verarbeitungsqualität
gute Rundumsicht
umständliche Bedienung (Lenkradtasten, Touchscreen)
geringe Stehhöhe unter geöffneter Heckklappe
Fahrkomfort
sehr bequeme Sitze
hoher Federungskomfort
niedriges Geräuschniveau
Poltergeräusche und
mäßiges Ansprechen auf kurzen Unebenheiten
Antrieb
temperamentvoller Diesel
sanft und treffsicher
schaltende Automatik
durchschnittliche Laufkultur
Fahreigenschaften
hohe Fahrsicherheit
geringe Wankneigung
ausreichende Lenkpräzision
gemächliches Handling
früh eingreifendes ESP
Sicherheit
sehr umfangreiche aktive und passive Sicherheitsausstattung
gute, standfeste Bremsen
Umwelt
günstiger Testverbrauch
niedriger Norm-CO2-Ausstoß
wirksamer Effizienzmodus
für Getriebe und Motor
hohes absolutes Leergewicht
Kosten
lassenüblicher Grundpreis
umfangreiche Ausstattung
in Vollkasko sechs Klassen höher eingestuft als bisher
jährliche Inspektion

Fazit

Das Update-fähige System hat großes Potenzial. Derzeit fehlen jedoch noch sinnvolle Onlinefunktionen sowie eine entschlackte Bedienung samt verbesserter Sprachsteuerung. Nach der Neuerfindung bewahrt Volvo traditionelle Stärken. Der Volvo XC90 D5 zählt zu den sichersten Autos, die es derzeit gibt, ist geräumig, sparsam und komfortabel. Doch die Bedienung ist sehr gewöhnungsbedürftig.

Technische Daten
Volvo XC90 D5 AWD Momentum
Grundpreis58.430 €
Außenmaße4950 x 2008 x 1776 mm
Kofferraumvolumen721 bis 1886 l
Hubraum / Motor1969 cm³ / 4-Zylinder
Leistung165 kW / 225 PS bei 4250 U/min
Höchstgeschwindigkeit220 km/h
0-100 km/h8,6 s
Verbrauch5,8 l/100 km
Testverbrauch8,5 l/100 km