VW Golf IV im Gebrauchtwagen-Check
Günstiger geht's nicht!

Ende der 1990er-Jahre sollte er der beste Golf aller Zeiten werden – wie steht’s rund 20 Jahre danach um den Golf IV, den es mittlerweile ab 1.500 Euro gibt? Die Frage kann uns Meister Wünsch beantworten, der den VW gut kennt.

VW Golf IV, Exterieur
Foto: Dani Heyne

Wie schnell die Uhr sich dreht, zeigen einem jene Automodelle, die man kürzlich noch als Neuwagen bestaunte – und die jetzt auf einmal schon Ü20 sind. „So wie der Golf IV“, scherzt Meister Wünsch. Wobei etwas Wehmut seine Stimme umhüllt. „Das liegt am Autotyp – der Golf IV startete 1997 ja mit dem Versprechen, der Beste seiner Art zu sein. Große Worte.“

Ja – die kamen damals quasi direkt von Ferdinand Piëch, der ab Mitte der 1990er-Jahre bei VW ordentlich aufräumte. Sein Ansatz: die Qualität steigern und die Kosten senken. Dass sich Piëch damit nicht nur Freunde machte, war ihm herzlich egal. Er ließ Verträge mit den Zulieferern neu verhandeln und stachelte die Ingenieure an, kleine Wunder zu vollbringen. Eins davon sollte der Golf IV sein. Mit vollverzinkter Karosserie (zwölf Jahre Garantie gegen Durchrostungen) und schmalen Spaltmaßen wollte Piëch den Käufern das Gefühl vermitteln, der Golf sei robust und perfekt wie nie zuvor. Erste Vergleichstests bestätigten: Der Wagen war der Konkurrenz überlegen.

Unsere Highlights

„Ich erinnere mich noch gut an das Aha-Erlebnis beim Erstkontakt mit dem Golf IV. Wie viel Platz der innen bot und wie hochwertig sein Innenraum rüberkam. Da gab’s aufgeschäumte Kunststoffteile, Softlacke und penibel eingefasste Schalter. Die Sicherheit erhöhten Sidebags, eine Klimaautomatik kühlte, und ein Navigationssystem wusste den Weg“, schwärmt Meister Wünsch.

Komplett mängelfrei? Von wegen!

VW Golf IV, Motor
Dani Heyne
Der 1.6 SR ist keine Rakete, aber besser als der 1.4er. Mehr Freude machen die Zweiliter. Oder der V5.

„Und doch gab’s einige Kinderkrankheiten an den ersten Fahrzeugen“, erinnert sich unser Checker. „Da brachen Scheibenführungen, da wackelten Armlehnen, da fielen sogar Schalter aus ihren Halterungen. Der Qualitätsanspruch und die Wirklichkeit waren anfangs nicht auf demselben Level. Daher würde ich einen Bogen um frühe Golf IV machen – und erst ab Baujahr 1999 zuschlagen.“

Meister Wünsch öffnet die Motorhaube und murmelt: „Zum Glück nicht der 1,4-Liter-Vierventiler, der neigt zu Öldurst und Kolbenkippern – und kann keinen Frost ab. Die Kurbelgehäuse-Entlüftung funktioniert bei dem kleinen Benziner nicht richtig, dadurch kann sich Eis im Motoröl bilden – was den Vierzylinder zerstört. VW reagierte erst im Jahr 2000 und rüstete alle 1,4-Liter mit einer beheizbaren Kurbelgehäuse-Entlüftung aus – und auf Wunsch kostenlos nach“, erklärt der Meister ausführlich. „Der hier verbaute 1,6-Liter-Benziner mit 101 PS zählt zwar nicht zu den temperamentvollen Antrieben, lässt sich aber vergleichsweise sparsam bewegen. Defekte Zündspulen können bei ihm vorkommen, da sie nah am Motor verbaut sind und viel Hitze abbekommen.“

Der Meister lässt die Motorhaube zufallen, überprüft die Spaltmaße zu den Kotflügeln und fügt hinzu: „Empfehlenswert sind der 1.6 16V – nicht als FSI – und der rau laufende Zweiliter mit 115 PS. Bei den Dieseln sollte der Zahnriemenwechsel peinlich genau eingehalten werden. Abgesehen von der Pumpe-Düse-Einheit halten die beliebten 1.9 TDI lange durch. Ihr größter Feind sind aktuell drohende Fahrverbote in Innenstädten.“

Während der Meister das Blechkleid des Zweitürers in Augenschein nimmt, kramen wir eine preisintensive Krankheit hervor. Die betrifft alle Schaltgetriebe bis Baujahr 2001 – hier kann sich die Verbindung zwischen Differenzial und Tellerrad lockern. Der Grund? VW verbaute bis 2001 unterdimensionierte Nieten (elf statt neun Millimeter).

Rost? Kann vorkommen, vor allem am Heck

VW Golf IV, Unterboden
Dani Heyne
Rost nagt an der vollverzinkten Karosse nur, wenn ein Unfall schlecht repariert wurde.

„An der Heckklappe, um genau zu sein“, ruft Meister Wünsch. „Da löst sich gern mal der Schlauch der Heckscheibenwaschanlage – wodurch immer wieder Wasser unbemerkt in die Heckklappe läuft.“

Nach dem Karosserie-Check, der überraschend positiv verläuft – der Meister findet weder Beulen noch Rost –, geht’s auf die Hebebühne. Der erste Blick gehört wie immer den Bremsen. Die Scheiben der Vorderachse sind minimal eingelaufen, die Beläge haben noch reichlich Fleisch. „Bei der Hinterachse hängt manchmal die Verstellung der Feststellbremse“, erklärt der Meister – um nun die Aufhängungen der Vorderachse und den Antrieb zu begutachten.

„Nach rund 15 Jahren können die Kugelbolzen und Achsmanschetten ausgedient haben – was hier nicht der Fall ist. Auch der Motor sieht trocken aus, nur das Getriebe schwitzt etwas.“ Rost lässt sich am gesamten Unterboden nicht ausmachen, der Golf ist technisch tadellos in Schuss. „Der Endschalldämpfer wird nicht mehr ewig durchhalten, erkennt man hier am Übergang zum Rohr.“ Meister Wünsch zeigt auf die besagte Stelle, an der sich der Rost schon ziemlich tief nagt. „Aber das ist keine kostspielige Sache. Die meisten Verschleißteile für den Golf IV sind günstig zu haben.“ Nun noch ein Blick ins Serviceheft, denn: „Nicht selten wird ein alter Golf mehr gefahren als gepflegt.“ Am Ende ist Meister Wünsch zufrieden: „Ein gepflegter, solider Golf mit wenig Fehlerteufeln an Bord – der hält noch lange durch. Wer so einen für 1.500 bis 2.500 Euro findet, wird viel Freude haben.“

Fazit

So ein Golf IV ist Ihr Typ, wenn Sie einen kompakten Alleskönner zum kleinen Kurs suchen – und zwar einen, der zu seiner Zeit der Konkurrenz voraus war. Aktueller Status: Youngtimer mit der Lizenz zum Daily-Driver. Wer vor allem günstig unterwegs sein will, nimmt einen kleinen Benziner – oder einen TDI (drohen Fahrverbote in Ihrer Gegend, dann lieber nicht). Wer Fahrspaß will, findet ihn – muss ja nicht unbedingt ein R32 sein. Ein V5 unterhält auch schon prima – vorausgesetzt die Steuerketten rasseln nicht. Beste Info: Die Verschleißteilpreise sind mittlerweile schön klein.

Das gefällt uns:

Diese grundsolide und zeitlose Art des Golf IV. Er war nie ein Modetyp – und steht rund 20 Jahre nach seinem Start nicht wirklich altbacken da. Bereits am Plopp der Tür erahnt man, wie sehr der damalige VW-Chef Ferdinand Piëch auf hohe Verarbeitungsqualität geachtet hat. Und: Die Elektronik steuert in diesem Golf noch nicht alles, weshalb er lange leben wird.

Das stört uns:

Thema Softlacke – gemeint sind die glatten Kunststoffüberzüge um die Fensterheber in den Armlehnen und in der Mittelkonsole. Genau die! Sie halten nicht lange und pellen einfach ab. Das sieht dann meist so aus, als hätte jemand lange in einem Golf IV gelebt. Dabei ist es schlicht ein Materialfehler. Schade, denn es passt so gar nicht zum soliden Golf IV.

So ist die Marktlage:

Allen Abwrackprämien zum Trotz werden in den gängigen Gebrauchtwagenbörsen noch immer reichlich VW Golf IV angeboten – auch mit wenig Kilometern (unter 100 000 km) und mit abgestempeltem Serviceheft. Die Preise starten ab unglaublichen 1.500 Euro – für Zwei- und Viertürer mit 1,4- oder 1,6-Liter-Benziner unter der Haube.