Großer Allrad-Vergleichstest in Finnland
Im Grip-Bereich auf Eis und Schnee

Inhalt von

Im großen Vergleichstest allradangetriebener Sportmodelle müssen Audi S4 und Audi TTS, Alpina B3 Biturbo Allrad Coupé, BMW 335i xDrive Coupé, Mitsubishi Lancer Evolution, Subaru Impreza WRX STi und der Opel Insignia 2.0 Turbo 4x4 ihr Können auf Eis und Schnee unter Beweis stellen.

Im Grip-Bereich auf Eis und Schnee
Foto: Rossen Gargolov

Die automobile Allrad-Landschaft ist vielfältig und interessant. Auf dem Geläuf des unweit der nordfinnischen Stadt Rovaniemi gelegenen Snow Rallye Rings durften die Sportwagen mit Allradantrieb in vier Test-Disziplinen ihr Können auf Eis und Schnee unter Beweis stellen. Die Kandidaten Audi S4 und Audi TTS, Alpina B3 Biturbo Allrad Coupé, BMW 335i xDrive Coupé, Mitsubishi Lancer Evolution, Subaru Impreza WRX STi und dem brandneuen Opel Insignia 2.0 Turbo 4x4.

Unsere Highlights

Klimaerwärmung, CO2-Diskussion, Weltwirtschaftskrise: Vor dem Hintergrund der das allgemeine Tagesgeschehen beherrschenden Themen mag der vorliegende Allradvergleich fast anachronistisch anmuten. Schließlich kostet der Vierradantrieb – in jeder Beziehung. Zuerst einmal rein monetär. Beim BMW Alpina B3 Biturbo zum Beispiel schlägt der Luxus des Antriebs an allen vier Rädern mit exakt 3.000 Euro Aufpreis zu Buche. Opel beziffert das Plus an Traktion im Falle des in der Basisversion frontgetriebenen Insignia 2.0 Turbo mit 3.180, BMW beim im Normalfall hinterradgetriebenen 335i Coupé mit 3.400 Euro. Alle anderen Teilnehmer des winterlichen Ausflugs an den Polarkreis sind ausschließlich mit Allradantrieb zu haben. 

Umweltjünger können allradgetriebene Autos für entbehrlich halten

Neben dem Bankkonto des Eigners belastet die bei niedrigen Reibwerten vortriebsfördernde Antriebsform auch das Gewichtskonto der Autos negativ. Bis zu 100 Kilo Hüftspeck muss verkraften, wer bei Wind und Wetter mit allzeit guter Bodenhaftung unterwegs sein will. Und last but not least geht mit diesem Mehrgewicht selbstredend auch ein gewisser Mehrverbrauch einher, der wiederum den CO2-Wert ansteigen lässt. Sparfüchse und kritiklose Umweltjünger könnten allradgetriebene Autos somit gut und gerne für entbehrlich halten. Allein: Wer – wie in diesem Winter häufiger geschehen – beim morgendlichen Blick aus dem Fenster von der rauen Wirklichkeit überrascht wird und seine Kinder trotz der kuschelig weißen Pracht auf den Straßen pünktlich in der Schule abliefern muss oder auf keinen Fall einen hoch wichtigen Termin versäumen darf, wird sich ausgesprochen glücklich schätzen, auf ein modernes Allradsystem vertrauen zu können.

Sportmodelle im finnischen Lappland getestet
 
Spätestens bei der Anfahrt am verschneiten oder vereisten Berg beruhigt die immer ausgefeiltere Allradtechnik nämlich ungemein. Haltloses Scharren mit den vorderen oder hinteren Antriebsrädern gehört damit der Vergangenheit an. Ein Plus an Sicherheit bei widrigen Witterungsbedingungen garantieren alle modernen Vierradsysteme. Im Detail gibt es jedoch erhebliche Unterschiede. Insbesondere sportlich orientierte Autofahrer befürchten im Falle allradgetriebener Autos nicht selten einen Verlust an Agilität und Fahrspaß. Grund genug für sport auto, keine Kosten und Mühen zu scheuen und den Qualitäten der seit dem letzten Allradvergleich neu auf den Markt gekommenen sportlichen Limousinen und Coupés näher auf den Grund zu gehen.
 
Dass Audi dabei mit gleich zwei Fahrzeugen an den Start geht, liegt zum einen an dem Umstand, dass die Ingolstädter auf dem deutschen Markt die Allradkompetenz schlechthin vertreten. Zum anderen kommen im Zeichen der Ringe aber auch verschiedene Systeme zum Einsatz – abhängig davon, ob der Motor längs oder quer eingebaut ist. Erstgenanntes ist im Falle des neuen S4 der Fall. Der mit 333 Pferdestärken und 440 Newtonmeter maximalem Drehmoment gesegnete Sechszylinder-Kompressor mit Benzindirekteinspritzung hat längs vor und über der Vorderachse Platz gefunden und ist in der Folge an ein momentenfühlendes Mittendifferenzial (Torsendifferenzial) gekoppelt, das die Kraftverteilung variabel und frei von Verzögerungen an die jeweiligen Fahrbahnverhältnisse anpasst. In der Grundauslegung gehen 40 Prozent der Antriebskräfte an die Vorder- und 60 Prozent an die Hinterachse. Das ist seit dem Marktstart des letzten RS4 anno 2005 so.
 
Neu ist das von Audi Sportdifferenzial getaufte Hinterachsgetriebe modifizierter Bauart. Um dem sich schneller drehenden kurvenäußeren Rad binnen Bruchteilen von Sekunden mehr Drehmoment zuweisen zu können, bekam das klassische Hinterachsdifferenzial rechts und links je eine Überlagerungsstufe nebst im Ölbad laufender Lamellenkupplung spendiert. Jene rotiert stets zehn Prozent schneller als die Antriebswelle des dazugehörigen Rades. Wird die der jeweiligen Überlagerungsstufe zugeordnete, von einem elektrohydraulischen Aktuator betätigte Lamellenkupplung geschlossen, so beschleunigt die einem mechanischen Getriebe gleichende Überlagerungsstufe das jeweilige Antriebsrad und beaufschlagt es in der Folge mit einem zusätzlichen Antriebsmoment.
 
Mittels drei verschiedener im neuen Fahrdynamiksystem Audi Drive Select hinterlegter Kennfelder kann der Fahrer situationsbedingt entscheiden, ob ihm der Sinn gerade nach einem Maximum an Sicherheit oder Fahrspaß steht. Ersteres garantiert der Komfort-, Letzteres der Dynamic-Modus. Der Auto-Modus markiert den goldenen Mittelweg. Tatsächlich liefert der mit Dynamiklenkung und elektronischer Dämpferregelung versehene Testwagen auf dem 1,1 Kilometer langen, eigens für sport auto angelegten Handlingkurs in Finnland eine makellose Vorstellung ab.

Reifenwahl als Tuning-Maßnahme
 
Noch agiler als der mit einem passgenau mitlenkenden Heck gesegnete Audi kann sich nur der Mitsubishi Lancer Evolution in Szene setzen. Das passt auch deshalb ins Bild, weil das Allradsystem des Rallye-Basisautos in den Grundzügen eine ähnliche Arbeitsweise aufweist wie das des S4. Die Verteilung des Antriebsmoments zwischen Vorder- und Hinterachse übernimmt hier ein ACD genanntes aktives Mittendifferenzial mit elektronisch geregelter Lamellenkupplung. Für die Drehmomentverteilung zwischen dem rechten und linken Hinterrad zeichnet im Falle des Evo ein gleichfalls elektronisch gesteuertes Planetenraddifferenzial verantwortlich. Auch hier wird der größere Teil des Antriebsdrehmoments dem kurvenäußeren Rad zugewiesen, was eine etwaige Tendenz des Japaners zum Untersteuern ebenso zielsicher unterbindet wie bei der Ingolstädter Limousine.
 
Beide Autos umrunden den aus rhythmischen Wechselkurven, schnellen, aufmachenden Ecken und einem sich zuziehenden 180-Grad-Turn bestehenden Handlingkurs in der Folge auf höchst unterhaltsame Art und Weise. Dass der Mitsubishi Evo die ihm gestellte Aufgabe dabei mit beispielhaft flinken 1.10,8 Minuten absolviert, ist der überaus cleveren Reifenwahl der deutschen Pressewerkstatt geschuldet. Eine ähnliche Blöße wie im Jahr 2007, als man sein bestes Pferd im Stall auf völlig verglasten (da zuvor einem Highspeed-Zyklus unterworfenen) Winterpneus ins Rennen schickte, wollten sich die Hessen nicht wieder geben und zogen dem 295 PS starken Turbosportler extrem weiche, ein Maximum an Grip bei niedrigen Temperaturen garantierende Winterreifen in Arktic-Spezifikation auf. Ohne diese Tuning-Maßnahme wäre der in allen vier Disziplinen vorn platzierte Evo wahrscheinlich etwas weniger dominant gewesen.

Ruhmreiche Rallye-Historie nützt nichts
 
Umgekehrt sind vor dem Hintergrund des Reifenthemas auch die erstaunlich schlechten Leistungen des in allen Prüfungen ebenso treffsicher am Ende des Teilnehmerfeldes positionierten Subaru Impreza WRX STi zu relativieren. Die Profilblöcke der hier aufgezogenen Dunlop SP Winter Sport gaben sich schon beim händischen Beweglichkeitstest extrem unnachgiebig. Entsprechend schlecht gelang wohl die Verzahnung mit dem trotz der zum Testzeitpunkt nicht wirklich arktischen Temperaturen von minus acht Grad Celsius doch recht kalten Untergrund. So gerüstet konnte der mit einem 2,5-Liter-Turbo-Triebwerk von alten Schlag gerüstete Top-Impreza in keiner Wertungsprüfung eine vordere Platzierung herausfahren. Bei der Sprintprüfung auf 100 km/h litt die Kompakt-Limousine unter der Ganz-oder-gar-nicht-Attitüde ihres mit sehr großen Lader versehenen Vierzylinder-Boxermotors, im Slalom an ihrer Empfindlichkeit gegenüber Lastwechseln. Spielereien am Gaspedal im Verbund mit kurz aufeinanderfolgenden Richtungswechseln nimmt der bei gleichmäßiger Fahrweise vorbildlich gelassene Japaner nämlich durchaus krumm. Dann hängt der 1,5-Tonner schon mal nachdrücklich das Heck heraus.
 
Doch während der Subaru im 18-Meter-Slalom mit dem Audi S4, der in dieser Disziplin gleichfalls durch sein überagiles Heck limitiert wird, noch einen kaum schnelleren Leidensgenossen an seiner Seite hat, trägt er auf dem die Fahrdynamikprüfungen beschließenden Handlingkurs allein die rote Laterne. Mit 1.16,9 Sekunden ist der WRX STi das mit Abstand langsamste Auto auf dem 1,1 Kilometer langen Rundkurs. Hauptgrund hierfür ist das für diese Prüfung wenig stimmige Gesamtpaket aus vergleichsweise harten Gummis mit niedrigem Gripniveau, unharmonisch ansprechendem Turbomotor und nur mäßig zupackender Bremsanlage. In Anbetracht des mit je einem drehmomentfühlenden Sperrdifferenzial an der Vorder- und Hinterachse sowie einer zentralen Lamellenkupplung versehenen Allradantriebs des Subaru hätte man sich hier mehr erhofft.
 
Der ruhmreichen Rallye-Historie der Marke wird der aktuelle Impreza WRX STi auf Eis und Schnee nicht gerecht. Der Fünftürer verlangt extrem viel Arbeit am Volant, ohne diese unterm Strich mit einem ordentlichen Ergebnis zu belohnen. Ergo fällt der Spaßfaktor gering aus.

Die Ergebnisse lesen Sie auf Seite 2 und in der Fotoshow.

Auch der gleichfalls mit Dunlop-Winterreifen ausgerüstete Audi TTS kann seinem Piloten auf dem Handlingkurs nur selten ein wonniges Grinsen aufs Gesicht zaubern. Im Gegensatz zu seinem quicklebendigen großen Bruder, dem die launigen Heckschwenks quasi in die Wiege gelegt worden sind, gibt sich das 272 PS starke Sportcoupé eher zahnlos und unentschlossen. Ein bisschen Driften – okay. Aber einem allzu wilden Treiben setzt das hier nicht zur Gänze deaktivierbare ESP dann doch ein baldiges Ende.
 
Insgesamt markiert das mit einem quer eingebauten Vierzylinder-Turbomotor und dem bei Audi dazugehörenden Allradsystem mit am Ende der Kardanwelle vor dem Hinterachsdifferenzial sitzender Haldex-Lamellenkupplung versehene 2+2-Sitzer also die eher vernunftorientierte Variante der Ingolstädter Vierrad-Fraktion – stabil und leicht untersteuernd ausgelegt und im Falle eines Falles vom ESP wieder an die sichernde elektronische Leine gelegt. Dies stand nach dem hervorragenden Testergebnis des Audi TTS in Hockenheim nicht unbedingt zu erwarten. Dass in der Ruhe zuweilen jedoch auch die Kraft liegen kann, führt das auf Eis und Schnee eher gutmütig-gelassen agierende TT-Modell im Slalom vor.
 
Hier hat der kleine Audi die rundliche Nase mit den großen Nüstern nämlich ein gutes Stück vor dem in der Wechselgasse doch recht nervös agierenden S4. Mit 40,5 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit markiert der TTS in dieser Disziplin exakt die goldene Mitte. Einzig beim halbherzigen Umgang mit dem Gaspedal gibt sich der kleine Ingolstädter schon mal etwas unentschlossen, ohne deshalb jedoch gleich fahnen- oder besser: pylonenflüchtig zu werden. Derlei Verhaltensweisen sind auch den beiden den TTS in dieser Prüfung liebevoll umarmenden BMW-Modellen fremd.

Große Unterschiede beim Bremsen
 
Sowohl das BMW 335i xDrive Coupé als auch das Alpina B3 Biturbo Allrad Coupé geben sich im Slalom narrensicher und spurstabil. Dass der Alpina BMW trotz grundsätzlich gleicher Allradtechnik (elektronisch geregelte Lamellensperre im Verteilergetriebe, Drehmomentzuweisung zwischen den Rädern einer Achse mittels selektiver Bremseingriffe des DSC) im Slalom wie auch auf dem Handlingkurs jeweils knapp beziehungsweise deutlich hinter seinem weitgehend baugleichen Bruder rangiert, erklärt sich zum Teil durch die modifizierte Abstimmung.
 
Da in Buchloe traditionell mehr Wert auf Komfort gelegt wird als in München, fällt die Fahrwerksauslegung hier etwas moderater aus. In der Folge tendiert der Alpina B3 Biturbo Allrad ebenso wie das hinterradgetriebene Schwestermodell im Supertest einen Tick mehr zum Untersteuern als das Biturbo-Coupé des Werks. Bei niedrigen Reibwerten ist das Heck des Allgäuers derart stabil, dass der Zweitürer ab einer gewissen Geschwindigkeit fast zwangsläufig über die Vorderachse schiebt und dadurch am flotten Vorankommen gehindert wird. So geschehen im Slalom. Auf dem Handlingkurs deutet das Alpina Coupé anfangs gleichfalls Untersteuern an, um dann bei Lastwechseln recht spürbar mit dem Heck zu drücken. Verhaltensweisen, die auch im 306 PS starken Serien-335i mit xDrive ein Thema sind, hier jedoch aufgrund der verhalteneren Reifenwahl – Pirelli Sottozero RSC im Format 225/45 R 17 rundum – etwas weniger zum Tragen kommen. Mit dem dank Handschaltung vorhandenen Kupplungspedal lässt sich das BMW Coupé zudem etwas leichter dirigieren als der serienmäßig mit Switchtronic versehene und auf Michelin Pilot Alpin der Dimension 235/40 R 18 angetretene Allradler von Alpina.
 
Ungeteiltes Lob gebührt dem Allgäuer für seine exzellent verzögernde Bremsanlage und die hervorragenden Sprinterqualitäten. Beim Spurt von null auf 100 km/h muss der mit einem bärigen Drehmoment von 500 Newtonmeter und einer Leistung von strammen 360 PS gesegnete B3 mit 9,5 Sekunden nur dem Mitsubishi Lancer Evolution (8,9 Sekunden) den Vortritt lassen. Alle anderen, auch der BMW 335i xDrive (10,0 Sekunden) dürfen sich hinten anstellen. Bei der anschließenden Bremsprüfung war der Buchloer dann endgültig Herr des gefrorenen finnischen Sees: Auf einem geschichteten Untergrund aus rauem Eis, angetautem und wieder überfrorenem Schnee und dünner, loser Neuschneeauflage sicherte sich der Alpina mit einem Bremsweg von 118,1 Meter aus 100 km/h und einer mittleren Verzögerung von 3,27 m/s² unangefochten den ersten Platz.
 
Einzig der mit im Grip optimierten Arktic-Reifen ausgestattete Mitsubishi und der Opel Insignia schossen mit 122,5 respektive 122,8 Meter nicht allzu weit über das vom B3 gesetzte Ziel hinaus. Die vom Subaru und vom BMW erbrachten Verzögerungsleistungen fallen dagegen unterdurchschnittlich aus. Der Japaner kommt aus 100 km/h nach 130,8, der Münchner gar erst nach 135,7 Meter zum Stehen. Während sich die mangelhafte Verzögerungsleistung im Falle des Impreza vielleicht noch mit den wenig Grip bietenden Reifen erklären lässt, kann ein solches Argument im Falle des 335i xDrive nicht herhalten. Zum einen, weil die Pirelli Sottozero RSC des BMW in allen anderen Disziplinen ebenso tadellos funktionierten wie auf den gleichfalls Pirelli Sottozero-bereiften Audi S4 und Opel Insignia. Zum anderen, weil das anno 2007 in Rovaniemi angetretene BMW 330 xi Coupé sich einen ähnlichen Fauxpas erlaubte: Auch damals markierte der ansonsten rundum überzeugende Viersitzer aus Bayern das Schlusslicht in der Bremsprüfung – auf identisch dimensionierten Goodyear Eagle Ultra Grip.
 
Die Annahme, dass die Ursache der langen Bremswege in der ABS-Applizierung des BMW zu suchen ist, scheint somit zulässig und wird durch den Vergleich der Verzögerungsverläufe von Alpina B3 und 335i xDrive gestützt. Während das ABS des Allgäuer Coupés sich nur zu Beginn der Vollbremsung eine kurze Bedenksekunde gönnt, kann sich das Antiblockiersystem des Münchner Viersitzers lange Zeit nicht zwischen Zu- und Aufmachen entscheiden. In der Folge packt die ordentlich dimensionierte Bremsanlage des BMW bis 60, 70 km/h höchst unentschlossen zu. Anschließend verzögern beide Dreier auf identischem Niveau – wie es sich in Anbetracht der baugleichen Bremsanlagen eigentlich auch gehören würde. Vor diesem Hintergrund erstaunt das anfängliche Zögern des BMW bei vollem Bremspedaldruck doppelt.

Überraschendes Ergebnis des Opel Insignia
 
Nicht minder erstaunlich – wenngleich in gänzlich positiver Hinsicht – ist das hervorragende Abschneiden des neuen Allradlers von Opel. Das in Rüsselsheim 4x4 genannte variable Antriebssystem vertraut ebenso wie jenes des Audi TTS auf eine vor der Hinterachse montierte Haldex-Kupplung, die für die situationsgerechte Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse verantwortlich zeichnet. Im Normalfall werden beim Insignia 90 Prozent der Antriebskräfte mit Hilfe der Vorderräder zu Boden gebracht. Erst wenn das auf die Signale von ESP, Lenkwinkelsensor und Gaspedalstellung hörende System hier zu viel Schlupf registriert, wird ein größerer Teil des Antriebsmoments nach hinten umgeleitet. Wer den Insignia in Sport-Ausstattung ordert, kommt – dadurch unterscheidet sich der Opel dann von dem Audi Coupé – zudem in den Genuss eines in diesem Ausstattungspaket enthaltenen elektronischen Sperrdifferenzials an der Hinterachse. Dieses besitzt zwar keine Überlagerungsstufe, ist aber in der Lage, bis zu 50 Prozent des anliegenden Drehmoments an das kurvenäußere Rad umzuleiten. Zu diesem Zweck wurde eine mit den Radgeschwindigkeitssensoren vernetzte hydraulische Mehrscheibenkupplung montiert.
 
Im Groben ähnelt die Arbeitsweise des Opel-Allrads somit jener des beim Audi S4 eingesetzten Systems. Ein Umstand, der bei den Fahrdynamikprüfungen deutlich zu spüren ist. Subjektiv kommt der mit einem quer eingebauten Vierzylindermotor bestückte Insignia 2.0 Turbo 4x4 in der Agilitätswertung gleich hinter dem Mitsubishi Lancer Evolution und dem Audi S4. Dass der extrem leichtfüßig und dabei stets narrensicher agierende Vectra-Nachfolger sich auf dem Handlingkurs dennoch hinter dem weit mehr Arbeit am Volant erfordernden BMW 335i xDrive einreihen muss, ist seinem mit 220 PS vergleichsweise leistungsschwachen Turbomotor geschuldet. Dies erklärt auch das eher mäßige Abschneiden des Hessen in der Beschleunigungsprüfung. Hier fehlt es der Limousine schlicht an Lendenkraft. Abhilfe verspricht das zum Testzeitpunkt noch nicht verfügbare Insignia-Topmodell mit 2,8-Liter-V6 und 260 PS, dem im kommenden Jahr auf den Zahn zu fühlen sein wird.
 
Der Spaßfaktor an Bord des Turbo-Opel ist dennoch nicht zu unterschätzen. Schließlich ist der Umstand, dass man ungestraft spielen und toben darf, ohne unangenehme Konsequenzen fürchten zu müssen, ungemein beruhigend. Wie narrensicher der Insignia selbst bei schnell aufeinanderfolgenden Richtungswechseln auf rutschigem Untergrund ist, beweist das Ergebnis des 18-Meter-Slaloms. Schneller und souveräner als der Hessen- Express durcheilte kein anderes Auto die 180 Meter lange Pylonengasse. Mit 41,3 km/h kann der Opel hier sogar dem Fahrdynamikwunder von Mitsubishi den Schneid abkaufen. Jenes leidet in dieser Disziplin insofern unter seiner extrem ausgeprägten Agilität, als das Heck nicht zuletzt aufgrund der exzellent führenden Vorderachse recht stark zum Aufschaukeln neigt.
 
Die jeweils sehr stabil ausgelegten Sportcoupés von BMW, Audi und Alpina passieren den Slalomparcours kaum langsamer als der Evo und stellen damit das breite Mittelfeld. Der auf dem Handlingkurs als Folge seines sehr aufwendigen Allradsystems Zweitplatzierte Audi S4 muss sich bei gleichmäßigen Richtungswechseln hingegen hinten anstellen, weil das hier doch sehr leichte Heck wiederholt den Ausbruch probt. Beim in dieser Disziplin letztplatzierten Subaru Impreza fällt das Urteil differenzierter aus: Solange der STi mit konstanter Gaspedalstellung um die Pylonen bewegt wird, ist er die Gelassenheit in Person. Soll das Tempo zwischendrin erhöht oder vermindert werden, weil sich die Eingangsgeschwindigkeit unterwegs als wenig ideal erweist, bekommt der Fahrer jedoch alle Hände voll zu tun. Dann erweist sich auch im Subaru die Flucht aus dem Pylonendschungel nicht selten als die bessere Wahl. Dass die sich denkbar schlecht mit dem Untergrund verzahnenden Dunlop-Pneus hierbei eine ebenso unglückliche Rolle gespielt haben mögen wie bei der das Traktionsvermögen eines Autos beschreibenden Beschleunigungsprüfung von null auf 100 km/h, in der der Top-Impreza gleichfalls keine Schnitte macht, sei an dieser Stelle noch einmal explizit erwähnt.

Sicherer voran geht es auf allen Vieren
 
Womit wir, nachdem die objektiven Kriterien in den drei Schwerpunktthemen Traktion, Bremse und Fahrdynamik abgehakt sind, auch schon beim Fazit des Allradvergleiches 2009 angelangt wären. Eine wesentliche Erkenntnis des Finnland-Ausflugs ist die, dass den Reifen hier wie in allen anderen sport auto-Tests ein überdurchschnittlich hoher Stellenwert zukommt. Wer seine diesbezüglichen Hausaufgaben gemacht hat, kann – ein ansonsten stimmiges Gesamtpaket vorausgesetzt – davon ausgehen, überall vorn mit dabei zu sein. Einzige Ausnahmen: der BMW 335i xDrive, der sich – obwohl in allen anderen Disziplinen weit vorn platziert – auf der Bremse einen Ausrutscher erlaubt und der Opel Insignia 2.0 Turbo 4x4, der in der Beschleunigungsprüfung seiner geringeren Motorkraft Tribut zollen muss.
 
Auch nicht zur Gänze deaktivierbare Fahrstabilitätssysteme werden auf rutschigem Untergrund mit Abzügen in der A- und B-Note bestraft – so geschehen im Fall des Audi TTS. Den Ingolstädter bremst sein ESP nicht nur bei der Rundenzeitenhatz ein: Der Fun-Faktor fällt an Bord des kleinen Audi gleichfalls geringer aus als im frei aufspielenden S4. Leicht zu händeln und in der Folge ausgesprochen launig im Umgang sind vor allem jene Autos, die über ein aufwendigeres Allradsystem mit dynamischer Drehmomentverteilung auf die kurvenäußeren Antriebsräder verfügen – so zum Beispiel der Mitsubishi Evo, der Audi S4 und der Opel Insignia. Doch auch wenn dem freien Spiel der Kräfte durch selektive Bremseingriffe Einhalt geboten wird, wie im Falle der beiden BMW Coupés, muten moderne Allradantriebe weder anachronistisch noch Spaß tötend an. Und schneller und sicherer voran geht es auf allen Vieren allemal.

Technische Daten
Audi S4 3.0 TFSI
Grundpreis52.100 €
Außenmaße4717 x 1826 x 1406 mm
Kofferraumvolumen480 bis 962 l
Hubraum / Motor2995 cm³ / 6-Zylinder
Leistung245 kW / 333 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h5,2 s
Verbrauch10,0 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten