Beschleunigungs- und Bremsentest 0-300-0 km/h
Serien-Sportwagen beim Highspeed-Test

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Sieben Serien- und acht Tuning-Autos traten beim Beschleunigungs- und Bremsentest 0-300-0 km/h auf dem Hochgeschwindigkeitsoval in Papenburg an. Das Prozedere: Sprint aus dem Stand auf 300 km/h auf der einen und Vollbremsung aus derselben Geschwindigkeit auf der anderen Geraden. Hier berichten wir über das Abschneiden der Serien-Sportwagen.

Beschleunigungs-und Bremsduell, Geschwindigkeitsoval Papenburg
Foto: Rossen Gargolov

Beim sport auto/Dunlop-Speedevent 0-300-0 in Papenburg liefen in diesem Jahr die Dinge von Beginn an alles andere als rund. Zum einen, weil die insbesondere seit dem tödlichen Unfall eines Testfahrers im vergangenen Jahr stark gestiegenen Sicherheitsauflagen und die damit einhergehende Zunahme der Bürokratie auf dem ATP-Testcenter sich nur schwer mit der zwangsweise von grenzenloser Spontanität und Flexibilität geprägten Arbeitsweise der sport auto-Crew verträgt. Zum anderen und vor allem aber auch, weil die norddeutschen Wettergötter höchst unberechenbare Gesellen sind.
 
Ob Schnee Ende März oder extreme Regengüsse im Sommer – im nahe der niederländischen Grenze gelegenen niedersächsischen Emsland gibt es nichts, was es nicht gibt. Diesmal sorgte die zum Testtag neuerlich denkbar schlechte Wetterprognose gar schon im Vorfeld für Unruhe. Insbesondere die geladenen Tuner waren ob der über dem Atlantik lauernden Tiefdruckgebiete mehr als skeptisch, ob sich die Anreise in den hohen Norden auch wirklich lohnen würde. Spurt und Vollbremsung auf beziehungsweise aus Tempo 300? Bei stehendem Wasser und Sturmböen wohl kaum.
 
Die sport auto-Redakteure blieben cool (oder taten zumindest so) und wiegelten ab: „Doch, doch wir fahren – hat bisher ja auch immer geklappt.“ Blinder Zweckoptimismus (Hotel, Strecke und Abendessen waren gebucht), der beim morgendlichen Blick am 0-300-0-Testtag aus dem Fenster erste Schrammen bekam: Düstere Wolkengebirge türmten sich auf. Schwer zu glauben, dass das bis 17 Uhr halten soll. Gut nur, dass die Sache diesmal so früh angesetzt worden war. Mit etwas Glück ist die Katze gegen Mittag schon im Sack und die vierte Auflage des Hochgeschwindigkeits-Tests abgeschlossen. Dann die Ernüchterung: Einige Gäste verspäten sich. Die jedes Jahr aufs Neue erforderliche Strecken-Benimm-Schulung verschiebt sich nach hinten. Dabei frischt der Wind schon auf.
 
Als Kind des norddeutschen Flachlandes weiß man: Das ist kein gutes Zeichen. Sei’s drum. Gegen elf sind die Autos voll getankt (wichtig für die Chancengleichheit), gewaschen (wichtig für den Fotografen) und gewogen (wichtig für die Einordnung der ermittelten Ergebnisse). Zehn Minuten später haben die ersten beiden Autos der 0-300-0-kandidaten je eines der von 2D bereitgestellten Messgeräte an Bord.

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Britischer Newcomer überzeugt bei der 0-300-0-Premiere

Beim Hochgeschwindigkeitstest 0-300-0 macht der McLaren MP4-12C in diesem Jahr den Auftakt. Das orange-farbene Sportcoupé ist bereits seit zehn Tagen in Sachen Supertest in Deutschland unterwegs und muss nun zügig zurück auf die Insel. In dem hinterradgetriebenen Zweisitzer mit dem zierlichen (3,8 Liter Hubraum), aber leistungsstarken (600 PS) Biturbo-V8 im Rücken der Passagiere geht der Ampelstart als eine der leichteren Übungen durch. Dass der McLaren sich sowohl in der Sprint- als auch in der sich aus Antrittsvermögen und Verzögerungsleistung zusammensetzenden Gesamtwertung als Zweiter durchs Ziel geht, ist angesichts des in der nach vorn gerichteten Längsbewegung alles dominierenden Siegers aller Ehren wert.
 
Am 1.200 PS starken, mit Allradantrieb, vierfach aufgeladenem 16-Zylinder und 1.500 Newtonmeter maximalem Drehmoment gesegneten Bugatti Veyron 16.4 Super Sport führte in diesem Jahr beim 0-300-0-Event nämlich auch bei bestem Willen und Vermögen kein Weg vorbei.

Porsche 911 GT3 RS ist der beste Bremser

Angesichts dieser überragenden Dominanz könnten die Konkurrenten nun schlicht die Ohren hängen lassen. Oder sie können tun, was der Porsche 911 GT3 RS 4.0 tut: erhobenen Hauptes den Kampf aufnehmen. Nicht beim Sprint – da muss der gerade einmal 500 PS starke und mit einem Vierliter-Saugmotor gerüstete Kultsportler naturgemäß die Segel streichen und sich mit Platz drei hinter dem Bugatti und dem McLaren begnügen. Wohl aber auf der Bremse. Mit rekordverdächtigen Verzögerungswerten von mittleren 12,89 m/s² sichert sich der Sportwagen einen prestigeträchtigen Einzelsieg in der Bremswertung. Das stärkste GT3-Modell kommt als einziger der 0-300-0-Probanden aus 300 km/h nach weniger als 270 Metern zum Stehen. Besser geht‘s nicht.
 
Auf der Bremse klar verbessert hat sich auch das neue Jaguar Sportmodell auf XKR-Basis. Das mit S-Kennung versehene hinterradgetriebene V8-Kompressor-Coupé absolviert den 0-300-Sprint mit 43,4 Sekunden trotz Automatik-Getriebe und 1.842 Kilo Gewicht kaum langsamer als der als einziger Handschalter über eine perfekt funktionierende Launch Control verfügende 1.376 Kilo leichte Porsche GT3 RS 4.0 (41.0 Sekunden), und erweist sich im Gegensatz zu vielen bisher gemessenen Jaguar-Modellen auch auf der Bremse als standhaft.
 
Zu den wahrhaft dicken Dingern des diesjährigen Beschleunigungs-/Bremsduells 0-300-0 gehören die von Cadillac und Bentley abgeordneten Coupés CTS-V und Continental GT sowie der von Alpina ins Rennen geschickte B5 Biturbo, die einzige viertürige Limousine des Tests, sein. Schließlich sind 564 Kompressor-V8-PS (Cadillac), 507 Biturbo-V8-Pferde (Alpina) oder 575 aus einem doppelt aufgeladenen V12 mobilisierte Pferdestärken stets nur so viel wert, wie das Gewicht und die Karosserieform, die ihnen entgegensteht, erlauben. Ergo laufen alle drei Kontrahenten ein Stück weit außer Konkurrenz und sind bestenfalls untereinander zu vergleichen. Beim abrupten Haltemanöver aus 300 km/h kommen die spürbar kommod konfigurierten Gran Turismos von Alpina und Bentley sogar an ihre Belastungsgrenze.

Details zu den Kandidaten beim Beschleunigungs- und Bremsduell 0-300-0 km/h lesen Sie bei den einzelnen Fahrzeugen (Klick in der Tabelle):

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten