Audi RS4 Avant gegen Mercedes C63 AMG T
Die schnellsten V8-Kombis im Vergleichstest

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Vernunft trifft Sportlichkeit. Wo üblicherweise Vierzylinder-Diesel Sprit sparend vor sich hinknurren, wüten bei diesen Mittelklasse-Kombis mächtige V8-Saugmotoren. Ein packendes Test-Duell mit Audi RS4 Avant und Mercedes C63 AMG T weit jenseits der Leasingsilbernen Wirklichkeit.

Audi RS4 Avant, Mercedes C 63 AMG T, Seitenansicht
Foto: Rossen Gargolov

Es hilft ja nichts, also los geht‘s: Der Audi RS4 Avant schluckt bis zu 1.430, der Mercedes C 63 T AMG bis zu 1.500 Liter Gepäck. In den Audi passt sperriges Ladegut mit den Maßen 1.410 x 845 x 660 Millimeter (L x B x H), im Mercedes darf die Waschmaschine/Heimkinoanlage/Damenhandtasche sogar 1.495 x 860 x 685 Millimeter messen. Gut, damit wäre das abgehakt, der Pflicht eines Vergleichstest zwischen zwei Kombi-Limousinen Genüge getan.

Mittelklasse-Kombis mit Achtzylinderherz

Viel wichtiger sind die Abmessungen unter der Haube der Testwagen. Jeder der acht  Zylinder des Audi-Triebwerks verfügt über 84,5 Millimeter Bohrung und 92,8 Millimeter Hub, Mercedes-AMG gönnt seinem Motor 102,2 x 94,6 Millimeter. Dessen Hubraum von 6,2 Liter – aufgrund der Historie schummeln die Schwaben gern und pappen großzügig 6.3-Schriftzüge an den Wagen – verhilft der C-Klasse zu einem Sonderstatus: Ein großvolumigeres Saug-Triebwerk stopfen noch nicht einmal die Amerikaner in eine Mittelklasse-Karosserie. Nein, der Cadillac CTS-V gilt nicht, denn er ist rund 22 Zentimeter länger als der Benz und verfügt obendrein über einen Kompressor.

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Zurück zum Mercedes C63 AMG: Der Testwagen leistet sich einen recht eigenständigen Auftritt, kommt ausnahmsweise ohne die außen-silber-innen-schwarz-Langeweile aus. Die wuchtigen Sportsitze ziehen sich sattelbraunes Leder über, was natürlich ohne Auswirkungen auf den oberklassigen Sitzkomfort bleibt – wenngleich der freche, 2.800 Euro teure Schalensitz des Konkurrenten nochmals mehr Verstellmöglichkeiten bietet. Beide teilen sich allerdings das Manko der zu niedrigen, integrierten Kopfstütze.

Weitere Eigenheiten im Interieur? Abgesehen davon, dass beide bei der Infotainment-Bedienung noch etwas Nachhilfe benötigen, eigentlich nicht. Einzig wer bei der Bestellung seines Audi RS4 Avant großzügig gekreuzelt hat, muss nun den für ihn passenden Cocktail aus Gas-, Lenkungs-, Sportdifferenzial- und Dämpfungskennlinien sowie Auspuff-Klang mixen.

Lastesel in 4,3 Sekunden auf Tempo 100

Dagegen wirkt der Mercedes C63 AMG beinahe wie eine Art automobiler Plattenspieler, ein sehr hochwertiger natürlich. Ja, und? Ungeachtet seines vergleichsweise distinguierten Auftritts – selbst auf übergroße Räder verzichtet er – stellt das T-Modell bereits bei der Beschleunigungs-Messung klar, dass der zweite Platz keine Option sein kann. Mit geschickt dosiertem Schlupf schickt die Race Start-Funktion den Kombi in 4,3 Sekunden von null auf Tempo 100 und lässt den ebenfalls mit einer Launch-Control ausgerüsteten Audi RS4 Avant um zwei Zehntel hinter sich.
 
Wer jetzt bis 200 km/h hart am Gas bleibt, fährt für den Mercedes sogar einen Zeitvorteil von 1,9 Sekunden heraus – Kunststück, schließlich geht AMG auf Nummer sicher und stattet den C63 Testwagen mit dem 6.461,70 Euro teuren Performance Paket aus. Darin sind eine 30 PS-Leistungsspritze und eine Verbund-Bremsanlage enthalten. Die Drehmoment-und Drehzahlwerte bleiben davon allerdings unberührt. Mit seinem Maximum von 600 Newtonmeter fällt es dem intern M 156 genannten Aggregat ohnehin leicht, den Audi RS4 (430 Nm) auch bei der Elastizität zu ärgern.

Sieben Gänge verwalten den Kraftfluss

Moment mal – Zwischenspurt trotz Automatikgetriebe? Das geht, weil beide Getriebe im manuellen Modus jeden ihrer sieben Gänge bis in den Begrenzer halten. Eine prima Eigenschaft für die Rennstrecke obendrein, zumal Mercedes-AMG verspricht, durch den Verzicht auf den Drehmoment-Wandler mit besonders flotten Schaltzeiten punkten zu können. Nur: Von der Vokabel „flott“ existiert ein Komparativ – „flotter“. Damit darf sich das Doppelkupplungsgetriebe des Audi RS4 Avant schmücken, das vermutlich bereits dann mit seinen Zahnrädern jongliert, wenn nur die Klimaanlage die Schaltpaddel am Lenkrad anpustet.
 
Die Mercedes C-Klasse beeindruckt zwar mit den qualitativ hochwertigeren Paddeln, doch die Elektronik scheint immer erst noch abzuwägen, ob sie die Idee des Fahrers, genau jetzt zu schalten, wirklich gut finden soll. Der Audi pflegt generell einen unverblümteren Dialog mit seinem Fahrer. So leistet die Bremse etwas definierter Widerstand, auch das Einlenken erfolgt etwas zackiger – trotz elektromechanischer Servolenkung. Speziell im Sport-Modus gelingt es ihr jedoch, Lenkwinkel etwas präziser zu vermitteln als die hydraulische Konstruktion des Mercedes.
 
Weniger überzeugend agiert der teils planlos wirkende „auto“-Modus der Audi-Lenkung – am besten ignorieren. Vom glasklaren Fahrverhalten des RS4 Avant nimmt man dagegen gerne noch einen Nachschlag, denn die Kombination aus 20-Zoll-Rädern, Sport-Differenzial und Wankreduzierung gipfelt überdies in einem tendenziell übersteuernden Eigenlenkverhalten, was ja bei Audi bekanntlich eher selten zu beobachten ist. Und wenn das Heck dann mal kommt, einfach etwas mehr Gas geben. Dann zwirbelt sich der Kombi mit packendem V8-Grölen aus der Misere.

Hecktriebler contra Allradler

Beim Mercedes C63 AMG T würde diese Reaktion in einer Pirouette enden, klar, fehlt ihm doch der Allradantrieb. Dafür lässt er sich konsequenter quertreiben, belohnt sensible Fahrer andererseits mit ordentlichen Rundenzeiten auf dem Niveau des stoischen Audi. Und der Sound? Na, es wäre wohl kaum ein AMG, würde nicht auch das T-Modell tief, roh und massig aus seinen acht Zylindern und vier Endrohren wummern – fast als ob Protein-Shakes statt Super Plus die Brennräume fluten.

Beide Triebwerke verstehen es zudem, mit jedem gefahrenen Meter die Vorteile und Reize großvolumiger Sauger auf dem Silbertablett zu servieren. Noch schafft es kein aufgeladenes Aggregat, den rechten Fuß praktisch bis in die Brennkammern zu verlängern, die Grenzen zwischen Actio und Reactio nahezu völlig zu verwischen. Und wenn dann noch entfesselte Drehfreude hinzu kommt, schlägt die Motorsport-Seele eine Serie Flic-Flacs. Dass im Audi sozusagen das Downsizing-Triebwerk dieses Vergleichstests arbeitet, stört insofern nicht, als es bis knapp 8.300/min drehen darf.
 
Und falls es einmal gute Gründe gibt, die gegen eine ausufernde Positiv-Beschleunigung sprechen – Wildwechsel auf der Landstraße, Bremszonen auf der Rennstrecke zum Beispiel -, punkten beide Kombis mit einer standfesten Bremsanlage, wenngleich die absolute Verzögerung im Test beim Audi RS4 Avant aufgrund der Keramik-Bremse und der üppigeren Bereifung besser ausfällt. Beide eint wiederum der dreiste Aufpreis für dieses nicht gerade irrelevante Detail.

Testwagen kosten über 100.000 Euro

Grundsätzlich ist das Preisniveau wohl mit den wenigsten Gehältern kompatibel, denn selbst die Basistarife von deutlich über 70.000 Euro bilden längst nicht die ganze Wahrheit ab. Allein in fahrdynamisch relevante Extras lassen sich locker weitere 10.000 Euro versenken – und dann haben beide noch keinen Tropfen Sprit verbraucht. Immerhin zählt sowohl beim Mercedes C63 AMG T als auch beim Audi RS4 Avant ein hohes Maß an Alltagstauglichkeit zur Serienausstattung, inklusive geräumigem Ladeabteil. Nur ein Extra steht in keiner Aufpreisliste: eine Anhängerkupplung.

Technische Daten
Audi RS 4 Avant Mercedes C 63 AMG T Performance-Package
Grundpreis77.900 €80.777 €
Außenmaße4719 x 1850 x 1416 mm4701 x 1795 x 1448 mm
Kofferraumvolumen490 bis 1430 l485 bis 1500 l
Hubraum / Motor4163 cm³ / 8-Zylinder6208 cm³ / 8-Zylinder
Leistung331 kW / 450 PS bei 8250 U/min358 kW / 487 PS bei 6800 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h280 km/h
0-100 km/h4,5 s4,5 s
Verbrauch10,7 l/100 km12,3 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten