Audi RS4 Avant vs. Alpina B3 Touring im Test
Traktionsstarke Karacho-Kombis unter sich

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Sie bedienen eine recht kleine Nische, das aber eindrucksvoll: Alpina B3 Biturbo Touring Allrad und Audi RS4 Avant bringen all jene zum Jubeln, die schon immer einen überschaubaren Karacho-Kombi mit unerschütterlicher Traktion suchten. Wir führen die beiden zum Vergleichstest aus.

Audi RS4 Avant, Alpina B3 Biturbo Touring Allrad, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Audi war ganz vorne dabei. Als die Marke noch als eine Truppe sympathischer Ingenieur-Underdogs in schlecht sitzenden Karohemden galt, schob sie den RS2 Avant ins Rampenlicht, der wie der spätere RS4 mit V6-Biturbo stetig daran arbeitet, dem Ur-Quattro den Legendenstatus zu entreißen – mit guten Erfolgsaussichten. Und heute?

Audi RS4 mit Alleinstellungsmerkmal V8-Saugmotor

Noch immer findet sich kein Wettbewerber, der einen Mittelklasse-Kombi mit einem 400-PS-plus-Triebwerk und Allradantrieb auf den Markt bringen möchte. Mehr noch: Audi, als Mitglied des VW-Konzerns dazu verdonnert, die TSI-Downsizing-Orgie mitzufeiern, quetscht sogar einen 4,2-Liter-V8-Saugmotor unters nutzwertige Kleid des RS4 Avant. Der 450 PS starke Direkteinspritzer darf nicht nur in unserem Test in Drehzahlregionen vordringen, in denen die Lader-Fraktion sämtliche Schaufelräder von sich strecken würde.

Unsere Highlights

Jenseits der 4.000/min lodert das Feuer stärker, ab 6.000/min züngeln Stichflammen hervor – und ab 8.000/min brennt der Baum, bis das Doppelkupplungsgetriebe des Audi RS4 Avant im Test mit dem gekonnten Schwung eines Berufsfeuerwehrlers den nächsten Gang zur kurzzeitigen Löschung darüberkippt. Konkurrenz? Wo denn? Okay, AMG leistet sich ein anderes Alleinstellungsmerkmal, presst einen mächtigen 6,2-Liter-V8 in das C-Klasse-T-Modell, der die Hinterräder antreibt. Und BMW? Ein M3 Touring? Gab es mal, es blieb bei einem Einzelstück auf E46-Basis.

Aber da wären ja noch die Kleinserien-Profis von Alpina, seit Jahren spezialisiert darauf, mit der Treffsicherheit eines Trüffelschweins kleine, aber lukrative Nischen im BMW-Angebot zu identifizieren – und zu besetzen. Also schiebt sich der charakteristische Frontspoiler in die Rückspiegel des Audi RS4 Avant, befestigt an einem Dreier Touring, der nun Alpina B3 Biturbo Touring Allrad heißt. Und wie er das macht.

Bereits als BMW-Triebwerk gilt der aufgeladene Reihensechser selbst in der N55-Monoturbo als eines der Paradebeispiele bester Turbotechnologie: antrittsstark, kräftig im Durchzug und absolut drehfreudig.

Erheblicher Aufwand beim Alpina-Triebwerk

Dementsprechend mussten die Alpina-Spezialisten den Motor umpflügen, um ihn in neue Leistungsregionen zu hieven. Im Schnelldurchlauf: zweiter Turbolader (1,2 bar Druck), geschmiedete Kurbelwelle, modifizierte Luftführung, angepasste Elektronik. Zugegeben, der Dreiliter spricht im Test nicht so spontan an wie der Sauger des Audi RS4 Avant, denn nur ein Sauger spricht so an wie ein Sauger: direkt mit dem Fahrerhirn vernervt, unmittelbar, sofort.

Doch der Alpina B3 Biturbo Touring Allrad ist davon nicht allzu weit entfernt, ganz nah dran sogar, selbst wenn er sein maximales Drehmoment nicht mehr gar so früh von der Kurbelwelle schüttelt wie die BMW-Basis (3.000 statt 1.200/min). Einzig: Der Direkteinspritzer verfügt über mal eben 600 statt 400 Nm – und dann ist es auch wieder egal, zumal die Kraftentfaltung im Vergleichstest in etwa jener kitschigen Harmonie entspricht, die seine Allgäuer Heimat gerne auf Postkarten zeichnet.

Dagegen erhebt der Sechszylinder allerdings früh und deutlich seine Stimme, BMW-typisch heiser, Alpina-typisch etwas tiefer, voller, bäriger, im oberen Drehzahlbereich rau und kehlig und niemals störend. Und das, obwohl die vier etwas dick aufgetragenen Endrohre anderes verheißen. Wer den Antrieb sich selbst überlässt, findet sich flugs in der höchstmöglichen Fahrstufe wieder, ähnlich wie beim Audi RS4 Avant ganz auf mäßigen Treibstoffkonsum ausgelegt. Wenn es sein muss, stoppen und starten beide ihre Verbrenner im Test brav, doch wer will das schon. Zu verlockend ist die Gaudi der Drehzahl-Treiberei beim einen und das Ausschöpfen des vollen Drehmoments beim anderen.

Alpina B3 Biturbo Touring als lässiger Landstraßen-Surfer

Klare Sache also: Alpina, der lässige aber schnelle Landstraßen-Surfer, und Audi, der schreiende Rennstrecken-Feger? Jep, stimmt, zumindest den Messwerten im Test nach. Beim Standardsprint von 0 auf 100 km/h knöpft der Alpina B3 Biturbo dem Audi RS4 zwar noch zwei Zehntel ab, doch dann schiebt sich der Herr der Ringe nach vorne. Mit unverhohlener Freude wirft er sich – mit knapp 1,9 Tonnen Gewicht nun wirklich nicht schlank – in die Kehren des kleinen Kurses in Hockenheim. Zunächst schiebt der Avant etwas auf der Bremse, setzt den Lenkbefehl schnell, aber etwas stumpf um, bleibt dann unter Last unerschütterlich stabil und drückt bei mutigem Gaseinsatz leicht mit dem Heck.

Wie die meisten Audi-Modelle krankt auch der RS4 Avant an einer etwas synthetischen Lenkung, die im Dynamic-Modus noch am besten Rückmeldung vortäuscht. Insgesamt erreicht die aktuelle Generation des Krawall-Kombis ein Agilitätsniveau, von dem die extrem frontlastigen Vorgänger derzeit in den langen Nächten im Museum träumen.

Einfach so abwatschen lässt sich der Alpina B3 Biturbo im Vergleichstest allerdings nicht, er bleibt dran. Natürlich bekam er eine spezifische Fahrwerksabstimmung mit adaptiven Dämpfern, angepasst an 20-Zoll-Räder mit Mischbereifung. Obwohl der Touring am Kurveneingang stärker untersteuert als der Audi, fühlt er sich leichter an (tatsächlich sind es überschaubare 40 Kilogramm), wirkt vor allem beim Einlenken deutlich agiler.

Audi RS4 mit mäßigem Langsamfahr-Komfort im Test

BMW gelang der Umstieg auf elektromechanische Lenkungen eindeutig besser als Audi, wovon der Alpina B3 Biturbo Touring profitiert. Doch dann die Überraschung: Trotz des üppigen Drehmoments und des variablen, aber eher hecklastig abgestimmten X-Drive übersteuert der Alpina weniger als der Audi RS4 Avant – und lässt sich sechs Zehntel abnehmen.

Und das Getriebe? Die Schalt- und Reaktionszeiten liegen in unserem Test beim Alpina B3-Wandlerautomaten und beim Audi RS4-Doppelkupplungsgetriebe auf identisch hohem Niveau, die Spreizung stimmt hier wie dort. Bei der S-Tronic stört im Alltag der mäßige Langsamfahrkomfort und beim Alpina B3-ZF-Automaten die fitzeligen Lenkradknöpfe zur manuellen Betätigung. In keinem Fall entscheidet das Getriebe aber über Sieg und Niederlage, ebenso wenig das detailverliebtere Interieur des Audi, die besser ausgeformten Sitze oder das pfiffigere Infotainment des Alpina B3 Biturbo Touring.

Es sind die Kapitelsiege in den klassischen sport auto-Test-Disziplinen Rundenzeit und Slalom, die dem Audi RS4 Avant den Sieg als Luxuslaster mit Speed bringen – seine Ahnen wären stolz auf ihn. Doch die Konkurrenz ist nicht nur vorhanden, sondern auch ziemlich dicht dran.

Technische Daten
Audi RS 4 Avant Alpina B3 Touring Allrad
Grundpreis77.900 €72.600 €
Außenmaße4719 x 1850 x 1416 mm4632 x 1811 x 1431 mm
Kofferraumvolumen490 bis 1430 l495 bis 1500 l
Hubraum / Motor4163 cm³ / 8-Zylinder2979 cm³ / 6-Zylinder
Leistung331 kW / 450 PS bei 8250 U/min301 kW / 410 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h295 km/h
0-100 km/h4,4 s4,2 s
Verbrauch10,7 l/100 km8,0 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten