Audi S1 Sportback und Citroën DS3 Racing
Zwei Rennzwerge im Vergleichstest

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Audi mischt das Kleinwagen-Segment auf, steckt dem A1 einen 231-PS-Motor unter die Haube und sichert ihn mit Allradantrieb ab. Bleibt gegen den großspurig S1 getauften Kraftwürfel ein Frontantriebs-Kracher wie der Citroën DS3 Racing nun chancenlos?

Audi S1 Sportback, Citroën DS3 Racing, Seitenansicht
Foto: Rossen Gargolov

Ob es wohl die permanente Nörgelei unsererseits war? Man soll sich ja nicht zu wichtig nehmen, aber ein 3,98 Meter kurzer Kleinwagen mit einem 231 PS starken Turbo-Vierzylinder, der seine Leistung an alle vier Räder abgibt, klingt nach der idealen sport auto-Mischung. In diesem Segment tummeln sich vorwiegend mit den Vorderrädern scharrende Helden, meist ohne sinnvolle (und teure) Differenzialsperre ausgerüstet, aber dennoch mit einem herrlich aufgekratzten Fahrverhalten - so wie der Citroën DS3 Racing, der sich als Einziger aus dieser Riege zum ersten Kräftemessen mit dem Audi S1 traut.

Audi S1 im Test mit optionalen Sportsitzen ausgerüstet

Damit sie auch ja nicht im leasingsilbernen Straßenbild untergehen, treten beide so bescheiden auf wie Mode-Pfau Harald Glööckler - oder für die Älteren unter uns: die junge Gloria von Thurn und Taxis -, doch das zählt zu den Nebensächlichkeiten. Falls nicht: Zumindest Audi liefert für den S1 bescheidenere Outfits. Innen geht die große Show weiter, denn Audi schickt den S1 mit den optionalen S-Sportsitzen für 575 Euro Aufpreis zum Vergleichstest, deren Rückenlehnen in Wagenfarbe leuchten.

Und die mächtigen Schalensitze des Citroën DS3 Racing scheinen dessen Interieur geradezu sprengen zu wollen. Blöd nur, dass in beiden der Komfort zu wünschen übrig lässt. Im Audi S1 stören die hohe Sitzposition und die wulstig geformte Rückenlehne, im Citroën DS3 dagegen die nachgiebigen Seitenwangen, die nach Schraubstock aussehen, sich allerdings nach Brioche anfühlen. Dennoch passt der DS3 etwas besser, einzig das Lenkrad könnte einen um wenige Millimeter größeren Verstellbereich vertragen, aber egal, los geht's.

Der 1,6-Liter-Vierzylinder des Citroën leistete mal 155 PS, die Racing-Variante kommt auf 207 PS, was unter anderem am um 0,2 auf 1,2 Bar erhöhten relativen Ladedruck sowie an der modifizierten Auspuffanlage liegt. Letztere stößt gleich beim Anlassen in ein ziemlich tiefes Horn, will so ziemlich in allen Drehzahllagen die Akustik dominieren, den Insassen allerdings nie wirklich auf den Geist gehen.

Turbo-Kracher aus Frankreich

Deutlich ungestümer tritt dagegen der Motor mit seinen 1,6 Litern auf; Leistungsentfaltung wäre in diesem Zusammenhang nicht das passende Wort, Leistungsexplosion trifft es besser. Obwohl laut Datenblatt das üppige Drehmoment von 275 Newtonmetern bereits bei 2.000 Umdrehungen anliegen soll, schlägt die Turbo-Abrissbirne im Citroën DS3 Racing erst so richtig bei 2.600/min ein, reißt fast die gesamte Traktion mit und lässt den Fahrer ihre Gewalt bis ins Lenkrad spüren.

Lustig? Durchaus, aber eben ein bisschen schwer zu dosieren, da der Krawall in einem relevanten Drehzahlbereich stattfindet. Beim Ausflug auf die Rennstrecke wirken sich eher saugmotortypisch hohe Drehzahlen positiv auf das Fahrverhalten aus, da sich jenseits von 4.000/min die Leistung besser portionieren und in Vortrieb umwandeln lässt. Denn ganz nebenbei schnappt der Vierventiler bereits bei der kleinsten Bewegung im rechten großen Zeh zu und lässt nicht so schnell locker. Übrigens: Das exakt, vielleicht etwas zu knochig schaltbare Sechsganggetriebe macht es aufgrund der passenden Übersetzungen leicht, den richtigen Gang zu finden.

Wer um diese Eigenheit weiß, erlebt großes Fronttriebler-Kino, genießt es in vollen Zügen, wenn sich der Franzose per Lastwechsel in die Kurven prügeln lässt. Dabei kommt er nicht brutalstmöglich quer, vielmehr zeigt das mit 20 Millimeter breiterer Spur ausgerüstete Fahrwerk, dass ein Heck nicht allein zum Bepacken und Hübsch-Aussehen da ist. Die Hinterachse lenkt fleißig mit, ermöglicht es den 18-Zoll-Rädern allerdings, schnell selbst wieder mechanischen Grip aufzubauen, ohne dass der Fahrer schon wieder voll auf dem Stempel stehen muss.

Audi S1 mit besserer Lenkung

Das ist auch gut so, denn obwohl die Franzosen beteuern, die Lenkung umfangreich überarbeitet zu haben, scheiterten sie daran, ihr optimale Präzision mitzugeben. Hier erledigte die Audi-Truppe die Aufgabe gewissenhafter, denn die mit 14,8 : 1 übersetzte elektromechanische Konstruktion bietet deutlich mehr Rückmeldung bei akzeptablen Haltekräften. Auf der Bremse macht der Citroën DS3 Racing dagegen wieder Boden gut, wenngleich die Optik etwas seltsam wirkt: Die von Brembo zugelieferte mächtige Vierkolben-Anlage an der Vorderachse lässt die 249-Millimeter-Scheiben hinten geradezu lächerlich erscheinen.

Macht nichts, denn ihr Druckpunkt ist klar definiert, das Pedalgefühl verbindlich und die Verzögerung konstant und auf gutem Niveau - daran hat der Audi S1 durchaus zu knabbern. Seine Bremse weicht bei starker Beanspruchung früher auf, der Rest des Audi S1 allerdings zieht eine kontinuierliche Flammenspur nach sich. Okay, das Zweiliter-Aggregat grollt trotz der klappengesteuerten und mit zusätzlichem Resonanz-Spritzwand-Trick ausgerüsteter Vierrohr-Auspuffanlage nicht ganz so brünftig wie das Citroën-Triebwerk, auch dessen vorwitziges Turbo-Zischeln bleibt aus.

Dafür spielt der Audi S1 den Franzosen mit einer wesentlich homogeneren Leistungsentfaltung an die Wand, der Audi-Motor packt bereits ab rund 1.800/min die Drehmoment-Keule aus und dreht gleichmäßig bis gen 6.000 Umdrehungen hoch. Dabei muss er ordentlich was schleppen, denn der als Sportback angetretene Audi S1 wiegt mal eben 202 Kilogramm mehr als der Citroën DS3 Racing.

Audi S1 spurtet eine Sekunde schneller auf 100 km/h

Umso mehr verblüffen die Fahrleistungen: Die Werksangabe beim Sprint von null auf 100 km/h von 5,8 Sekunden verfehlt der Audi S1 noch um vier Zehntel, knöpft dem Franzosen aber eine ganze Sekunde ab. Um die knapp 1,4 Tonnen des Audi S1 Sportback in Schwung zu bringen, wirft der aus dem Golf GTI Performance entliehene Zweiliter-Direkteinspritzer der EA888-Generation mit einem maximalen Drehmoment von 370 Newtonmetern um sich - ein Wert, mit dem selbst ausgewachsene Vertreter der Oberklasse ziemlich gut klarkämen.

Damit nun bei den Fahrleistungen aber auch wirklich nichts verrutscht, nutzt das leicht und präzise zu schaltende Sechsganggetriebe mit dem massiven Alu-Schaltknauf eine vergleichsweise kurze Übersetzung. Dadurch lässt der Audi S1 Sportback dem Citroën DS3 im Vergleichstest bei der Elastizitätsmessung keine Chance, zeigt ihm praktisch in jedem Geschwindigkeitsbereich, dass er zwei Auspuffendrohre mehr zu bieten hat. Und der Allradantrieb? Unter diesen Voraussetzungen ist es gut, dass Audi den Aufwand betreibt und statt der Verbundlenkerachse eine Vierlenker-Konstruktion inklusive elektronisch geregelter Lamellenkupplung zwischen die 18-Zoll-Räder hängt.

Maximal 50 Prozent der Kraft des Vierzylinders fließen nach hinten, sollen so das Gripniveau oben halten und das Fahrverhalten stabilisieren. Doch bislang schubberten die S-Modelle meist brav untersteuernd durch Kurven, der Audi S1 ebenfalls, zumindest bei der ersten Kontaktaufnahme im schneefreien Schweden. Aber irgendetwas Mysteriöses muss seitdem vorgefallen sein, irgendetwas, das das Fahrverhalten von Klemmer in Richtung Draufgänger verschob. An der im Gegensatz zum Citroën ausgeglicheneren Gewichtsverteilung allein kann es jedenfalls kaum liegen, dass der Audi schon bei leichtem Lupfen quer ins Motodrom einbiegt. Ja, richtig gelesen, der S1 lastwechselt wie ein Wilder, zeigt endlich mal Ecken und Kanten - oder Charakter, wie man es nimmt.

Lustiger Große-Jungs-Unfug

Klar, ein derartiger Große-Jungs-Unfug funktioniert nur mit deaktiviertem Stabilitätsprogramm, allerdings simuliert die Elektronik weiterhin per Bremseingriff das Differenzialsperren. Beim DS3 lässt sich der Rettungsanker komplett ohne Kette über Bord werfen, er simuliert dann überhaupt nichts mehr. Weiter geht's Richtung Start und Ziel, in der Senke schwenkt das Audi S1-Heck wieder aus, beim Einbiegen auf die Gerade ebenfalls - jetzt müsste man den Königsjodler beherrschen.

Mit derartigen Lastwechselreaktionen brüstete sich bislang kein S-Modell, keines bereitete zunächst derart feuchte Hände, keines lieferte derart heldenhaften Fahrspaß. Klar, ganz abgewöhnt haben sie ihm das Untersteuern noch nicht, doch kurz weg vom Gas, und schon reißt der Audi sein kurzes Heck herum. Und jetzt? Schnell wieder auf den Stempel, sofort und voll. Dann zieht sich der Audi S1 Sportback gerade, nutzt die angetriebene Hinterachse, um seine üppige Leistung selbst in der Spitzkehre des Hockenheimer GP-Kurses optimal zu nutzen.

Ach so: Dank diverser Veranstaltungen war eine Standortbestimmung des Audi auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim nicht möglich - in der Querspange parkten einige Lkw-Auflieger. Daher lassen sich auch die Punkte dieses Vergleichstests nicht hundertprozentig in den Kontext des Konkurrenzumfelds setzen.Dass der DS3 auf der längeren Strecke um rund drei Sekunden an den S1 herankommt, liegt vor allem am prinzipiell verlässlicheren Fahrverhalten des Franzosen und der besser dosierbaren Bremse. Und so ganz nebenbei kostet er ja bestimmt auch ... – nein, tut er nicht.

Der Citroën durchbricht sogar die 31.000-Euro-Schallmauer, wenngleich mit etwas besserer Ausstattung. Der Audi kontert mit zwei hinteren Türen (850 Euro Aufpreis), Qualität und einer Materialauswahl, die die Franzosen sofort gegen das Elsass eintauschen würden, sowie dem im Alltag bekömmlicheren, wenngleich herben Federungskomfort. Und dann wäre da ja noch das wohl krachledernste Fahrverhalten, das sich jemals eine S-Variante erlaubte, ja, der S1 zieht in Sachen Agilität und Leistung regelrecht blank - viel mehr geht nicht. Ob es an unserer Nörgelei lag? Ach, eigentlich ist das doch wurscht!

VW Golf GTI

Da ist er mal wieder, der Konjunktiv: Der VW Golf GTI in Performance-Ausführung hätte prima in diesen Vergleichstest gepasst, entspricht er doch in Gewicht, Leistung und Preis dem Audi S1 Sportback. Einzig den Allradantrieb kann der Golf nicht bieten, dafür aber immerhin eine Differenzialsperre. Ihre Sperrwirkung liegt bei bis zu 100 Prozent, den exakten Sperrgrad gibt die Regelelektronik situationsbedingt vor. Nun ja, der GTI hätte gepasst. Doch VW konnte oder wollte zum gewünschten Zeitpunkt keinen Testwagen bereitstellen, der zusammen mit den Kontrahenten gemessen werden darf. Einzig ein Fotofahrzeug rollte als Referenz aus Wolfsburg nach Stuttgart.

Der Grund bleibt schleierhaft, denn ein Blick auf die letzten Messwerte eines GTI zeigt: alles gut. Beim Standardsprint vergingen 6,2 Sekunden, der Bremsweg aus 100 km/h lag bei ordentlichen 35,9 Metern, durch den 18-Meter-Slalom wedelte der Golf mit 69,2 km/h. Im direkten Fahrvergleich auf dem Grand-Prix-Kurs in Hockenheim wirkt der 230 PS starke GTI deutlich braver als der S1, verkneift sich jegliche Lastwechselreaktionen, lässt sich stattdessen leicht untersteuernd an der Ideallinie entlang über die Strecke peitschen.
Und so ganz nebenbei bietet er serienmäßig großartige Sportsitze, deutlich mehr Platz als die Kleinwagen, natürlich einen kultivierten, kräftigen Antrieb sowie ein präzises Schaltgetriebe - und das ganz ohne Konjunktiv.


Technische Daten
Citroën DS3 THP 200 RacingAudi S1 Sportback 2.0 TFSI Quattro
Grundpreis31.460 €30.800 €
Außenmaße3962 x 1717 x 1443 mm3975 x 1746 x 1423 mm
Kofferraumvolumen285 bis 980 l210 bis 860 l
Hubraum / Motor1598 cm³ / 4-Zylinder1984 cm³ / 4-Zylinder
Leistung152 kW / 207 PS bei 6000 U/min170 kW / 231 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit235 km/h250 km/h
0-100 km/h7,2 s6,2 s
Verbrauch6,4 l/100 km7,1 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten