Audi S5 Cabrio, BMW 435i Cabrio, Mercedes E 400 Cabrio
Wer ist das sportlichste Cabrio?

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Hier hätten wir dann mal versammelt – von links nach rechts: Mercedes E 400 Cabrio, Audi S5 Cabrio, BMW 435i Cabrio. Addiert sich zu 18 Zylindern, drei Turboladern, einem Kompressor, 22 Gängen, 972 PS sowie 1.320 Newtonmetern. Da müsste es doch vorangehen. Ja, müsste.

Audi S5 Cabrio, BMW 435i Cabrio, Mercedes E 400 Cabrio, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Nehmen wir mal an, wir hätten nur jeweils 22 Sekunden mit diesen drei Autos. Dann gäbe es zwei Dinge, die wir in dieser Zeit anstellen könnten: bei jedem einmal das Dach öffnen oder von null auf 200 km/h beschleunigen. Überlegen Sie sich mal kurz, was Sie mit welchem Auto erleben möchten. Und wenn Sie dabei ebenso unentschlossen sind wie wir, ahnen Sie, dass auch wir uns die Frage stellen, ob das klappt, wenn sich drei offene viersitzige 1,9-Tonner als sportliche Cabrios verstehen.

Mit dem Mercedes-Benz E 400 Cabrio durch die Nordkurve

Im Mercedes E 400 Cabrio steigen die ersten Zweifel daran bei optimaler Beschleunigung übrigens schon nach 1,8 Sekunden auf – zusammen mit dem Luftabweiser am Frontscheibenrahmen. Er leitet den Fahrwind über das offene Auto. Zusammen mit dem Windschott, das hinter den Rücksitzen hochfährt, aktiviert sich das Aircap genannte System über die "Cabriobedieninsel" (auf solche Begriffe muss man erst mal kommen).

Das Ensemble stillt den Sturm bei hochgefahrenen Scheiben selbst für die Fondpassagiere. Die Lamelle auf dem Scheibenrahmen fährt seit dem Facelift im Juni 2013 bei Geschwindigkeiten unter 15 km/h wieder ein, um "das Cabrio bei langsamer Fahrt und im Stand in seiner reinsten Form zu präsentieren", wie Mercedes erklärt. Was eine sehr freundliche Umschreibung für die ästhetische Herausforderung ist, die das Mercedes-Benz E 400 Cabrio mit aufgetakeltem Windflügel darstellt.

Aber wir schweifen ab, was ja durchaus im Sinne des E 400 ist, einem Auto, das die große, gefühlvolle Reise als Kernkompetenz verinnerlicht hat und deswegen nun etwas bedröppelt ausschaut in der Hockenheimer Boxengasse. Doch dann dampft das Mercedes E 400 Cabrio los, getrieben von 333 PS, 480 Nm und dem Vergnügen, neben ein paar Kavalierstart-Radierungen noch einige Vorurteile zurückzulassen. Etwa das, wonach ein luftgefederter Mercedes untersteuernd um Kurven gautscht. Stattdessen strafft sich die Federung im Sport-Modus deutlich, trifft dabei aber exakt den Grad, in dem sich das Fahrwerk einen breiten Grenzbereich für das Leistungsübersteuern bewahrt.

Gut im Slalom, aber gemächliches Getriebe

Für ein wenig Querfahrerei ist auch das nicht komplett deaktivierbare ESP immer zu haben, und so drängt das Mercedes E 400 Cabrio in Kurven fröhlich mit dem Heck, anstatt untersteuernd zum Kiesbett zu schubbern. Dem kommen wir allerdings nach der ersten Runde auf dem Grand-Prix-Kurs nahe, weil die Bremse vor der Nordkurve schwächelt. Aber drüben beim Slalom kurvt das E-Cabrio bis auf drei Zehntel so schnell um die Kurven wie die Rivalen. Seit wann ist es so ein Dynamiker?

Ist es nicht, was du auf der Landstraße merkst. Da lässt es sich nicht von Drehgier oder Kurven-Ekstase, sondern vom Drehmoment vorantreiben. Aus dem Stand legt das Mercedes E 400 Cabrio im zweiten Gang ab, der neue 3,5-Liter-V6 hat bei 1.200/min ein Newtonmeter-Plateau gezimmert, das bis 4.000/min reicht. So kann auch die gemächliche Siebenstufenautomatik nichts am vehementen Temperament ändern. Ihr bleibt einzig die Aufgabe, stetig die Gänge nachzureichen – eine Aufgabe, in die sie sich ähnlich ungern reinreden lässt wie ältere Damen, wenn es darum geht, den Kaffeetisch zu decken.

So ignoriert das Getriebe manuelle Eingriffe über die Paddel gern, selbst wenn es dann schneller und geschmeidiger voranginge. Auch vor Kurven verhaspelt sich die Box mitunter. Doch wenn das Mercedes-Benz E 400 Cabrio da mit seiner trotz variabler Untersetzung etwas unpräzisen und rückmeldungsarmen Lenkung durch ist, richtet es beim Rausbeschleunigen eben wieder das Drehmoment. Dann stampft der 400 los, federt selbst im Sport-Modus beflissen. Sportcabrio? Nee. Aber: Muscle-Car!

BMW 435i Cabrio mit vielen Ansprüchen

Dann eben der BMW, denken wir, der sich nun ja Vierer nennt, aber immerhin das komplette, von Webasto zugelieferte Verdeck von seinem Vorgänger übernimmt. Wobei das vorerst letzte Dreier-Cabrio mit der gewichtigen Metallklapperei etwas verpummelte, viel von seinem unbeschwerten Talent verlor.

Das BMW 435i Cabrio, erfahren wir, sei nun funktionaler, geräumiger, erst- und einzigwagentauglicher als je zuvor. Und uns erschrickt, dass BMW bei ihm gern diesen Hecklift feiert, der das im Kofferraum verräumte Dach samt Heckklappe anhebt, damit der Amerikaner seine Golfbags leichter einpacken kann.

Nackenpuster und viel Gewicht

Dazu kommt das BMW 435i Cabrio hier in der Luxury-Linie, edelholzvertäfelt und mit Nackenpuster in den Integral-Sportsitzen. Steigern wir uns erst langsam. Also raus auf die Straße, das Dach besser zuvor öffnen, denn anders als bei Mercedes und Audi klappt es nur bis 18 km/h. Dann streicht der Wind sanft über die Lederpolster, die Adaptivdämpfer stecken auch fiese Unebenheiten sacht weg, und die Achtstufenautomatik perlt durch die Gänge.

Auf dieser einsamen Landstraße, die sich zur schroffen Alb hochschlängelt, schnipsen wir uns lieber mit den Schaltpaddeln durch die Stufen. Sobald der Reihensechszylinder genügend Druck auf seinen beiden Laderkanälen (Twin Scroll) hat, faucht er los, dreht, zieht. Doch wegen der 1.839 Kilo – rund zweieinhalb Zentner mehr als beim 435i Coupé – schiebt der Motor nicht gar so rauflustig und fährt sich das BMW 435i Cabrio nicht leichtfertig.

Lenkung und Handling prima, Temperament naja

Ja, die reinen Fahrleistungen passen schon, aber das BMW 435i Cabrio fühlt sich eben nie überragend motorisiert an. Und das will etwas heißen, bei 306 PS und 400 Nm – und überhaupt bei diesem verehrten Dreiliter-Turbo. Nach einer Fahrt mit ihm müssten wir zetern, dass es diesseits des M4 nur noch diesen Reihensechszylinder gibt. Aber ehrlich, das BMW 435i Cabrio ruiniert ihm die Show, und sollten wir hier eine Kaufberatung veranstalten, müssten wir Ihnen den 5.800 Euro günstigeren 428i mit Vierzylinder-Turbo empfehlen. Was eigentlich alles über den Vierer sagt. Immerhin vergnügt er auf der Landstraße immer wieder mit seiner präzisen, direkten variablen Sportlenkung und dem neutralen, fein ausbalancierten Handling, macht so das hohe Gewicht vergessen.

Nicht aber in Hockenheim, wo er sich fünf Zehntel Rückstand auf die E-Klasse einhandelt. Im Slalom ist er nur 0,3 km/h schneller, hat aus 200 km/h einen 14 Meter längeren Bremsweg. Wir können noch erwähnen, dass das BMW 435i Cabrio den geringsten Verbrauch und den niedrigsten Preis hat. Aber wen vermag das bei einem Traumwagen zu begeistern?

Audi S5 Cabrio - und keine Kompromisse

Und auch der Audi irritiert uns erst mal. Weil ihn jemand in den Efficiency-Modus gestellt hat. In dem legt das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe im Schiebebetrieb den Leerlauf ein, was das Marketing dann "Segeln" nennt, wobei es, verrückte Sache, doch mit "Rollen" schon einen erstaunlich treffenden Begriff dafür gegeben hätte. Egal, wir klicken uns durch das ziemlich angestaubte Infotainment des Audi S5 Cabrios in den Dynamic-Modus, und alles wird gut.

Also fast, denn natürlich ist auch dieser 1,9-Tonnen-Brummer kein reiner Sportwagen. Bei denen geht es um Gewicht und Leistung, das Audi S5 Cabrio überzeugt vor allem in der Division beider Werte – mit 5,8 kg/PS liegt er exakt zwischen E 400 (5,6) und 435i (6,0). Aber dazu versteht es der Audi, sein Temperament zu inszenieren. Mit der enormen Traktion seines Allradantriebs mit selbstsperrendem Mittendifferenzial und radselektiver Momentenverteilung stemmt er sich in 5,5 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Dabei doppelverkuppelt die S-tronic die Gänge schnell und fugenlos. Beim Zurückschalten gibt es einen automatischen Zwischengas-Tusch.

Ein Stürmer und Dränger für Hockenheim

Klingt ein bisschen halbstark, lässt sich aber ebenfalls per Drive Select anpassen. Wie die Kennlinie für den Dreiliter-V6, den ein Kompressor auf 440 Nm wuppt – allerdings erst bei 2.900 Touren. Was den mit kombinierter Saugrohr- und Direkteinspritzung ausgestatteten Alumotor kein bisschen daran hindert, von unten ungestüm loszulegen.

Massive Beschleunigung, makellose Traktion und die vehementesten Bremsen sichern dem Audi S5 Cabrio die schnellste Runde in Hockenheim. Aber da ist noch etwas: Nur er gehört wirklich hierher. In den Kurven gleicht er die diffuse Rückmeldung seiner in allen Modi synthetisch ansprechenden Dynamiklenkung mit sachtem Heckdrängen aus. Über die Momentenverteilung schmiegt er sich erst enger in die Kurve hinein, drückt sich danach heftiger heraus. Nur die Eigenart der S-tronic, selbst im manuellen Modus am Drehzahllimit selbstständig hochzuschalten, stört auf dem Kurs.

Audi S5 Cabrio auf Sportwagen-Kurs

Auf der verstruwwelten Landstraße muss man sich nach dem Umstieg vom flauschigen Mercedes erst an das stramme Fahrwerks-Setup gewöhnen, das ohne Adaptivdämpfer auskommt und sich eben für Dynamik und gegen Komfort entschieden hat. Passt schon, wie die haltstarken Sitze und überhaupt das ganze Ambiente. Auch für das Audi S5 Cabrio gibt es Chichi wie Nackenföhn, Akustikverdeck und kühlbare Sitze. Aber anders als E 400 Cabrio und 435i Cabrio wäre er wirklich gern ein Sportwagen.

Hier ist das Audi S5 Cabrio der Einzige, bei dem wir uns in 22 Sekunden lieber auf 200 beschleunigen als an die frische Luft setzen ließen.

Technische Daten
BMW 435i Cabrio Audi S5 Cabrio 3.0 TFSI Quattro Mercedes E 400 Cabrio
Grundpreis56.150 €65.200 €61.880 €
Außenmaße4638 x 1825 x 1384 mm4640 x 1854 x 1380 mm4703 x 1786 x 1398 mm
Kofferraumvolumen220 bis 370 l320 bis 750 l385 bis 390 l
Hubraum / Motor2979 cm³ / 6-Zylinder2995 cm³ / 6-Zylinder3498 cm³ / 6-Zylinder
Leistung225 kW / 306 PS bei 5800 U/min245 kW / 333 PS bei 5500 U/min245 kW / 333 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h250 km/h
0-100 km/h5,9 s5,5 s5,8 s
Verbrauch7,5 l/100 km7,9 l/100 km7,1 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten