BMW M235i gegen Mercedes CLA 45 AMG
Zwei Premium-Sportler im Vergleichstest

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Mercedes stülpt über die A-Klasse ein Coupé-Kleid mit vier Türen, BMW über den 1er eine zweitürige Stufenheck-Hülle – und schraubt im M235i eine mechanische Sperre zwischen die Hinterräder. Grund genug für ein knallhartes Duell der 320-PS-plus-Sportler.

BMW M235i, Mercedes CLA 45 AMG, Frontansicht
Foto: Achim Hartmann

Bei der Vorstellung neuer Modelle sonnen sich die Hersteller gerne in der eigenen Tradition, vor allem dann, wenn sie über reichlich davon verfügen. BMW schob daher zum M235i den bei seiner Präsentation im Jahr 1973 unerhörten 2002 mit ins Fotostudio.

Die harte Realität sieht jedoch anders aus, denn hier schiebt sich statt des weißen Klassikers ein weißer Mercedes CLA 45 AMG neben den BMW M235i, böse und metallisch grollend – ein ungewohnter Vierzylinderklang, der selbst nach der x-ten Begegnung mit dem aufgedonnerten Zweiliter-Triebwerk noch rockt.

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BMW M235i 1.528 kg schwer

Mercedes spart sich beim CLA den Griff in die Mottenkiste der Geschichte, das viertürige Coupé (Sinn und Unsinn dieses Konzepts stehen an dieser Stelle nicht zur Diskussion) soll als Teil des Neuanfangs der Marke in der Kompaktklasse verstanden werden. Die Technik der beiden entspricht ihren Brüdern mit großer Heckklappe, zumindest in weiten Teilen, der Radstand ebenfalls. Die übrigen Abmessungen weichen speziell in der Länge nach oben ab. Und das Gewicht? Der BMW M235i wiegt gegenüber dem zweitürigen M135i mit Automatik fünf Kilogramm weniger, der CLA muss allerdings gegenüber der A-Klasse nochmals 40 Kilogramm mit sich herumfahren – insgesamt 1.602 Kilogramm.

Der BMW M235i kommt auf 1.528 kg, was ein – Achtung, Kalauer – leichtes Spiel für ihn verheißt. Tatsächlich zelebriert er die Freude am Fahren mit größter Hingabe, ganz gleich, ob von ihm nun verlangt wird, aus niedrigen Drehzahlen hochzubeschleunigen, oder ob er sich bis 7.000 Umdrehungen ausmosten lässt. Wieso sollte sich der packende Dreiliter-Sechszylinder im Coupé-Kleid auch anders gebärden als im 1er? Ach ja, die Mehrleistung von sechs PS gegenüber dem M135i spielt noch nicht einmal eine untergeordnete Rolle.

Wie meistens fehlt auch dieses Mal die Achtstufenautomatik auf der BMW-Party nicht. Sie serviert punktgenau die passende Übersetzung, lädt im Sport-Modus die Gänge mit noch mehr Nachdruck durch und überlässt bei manueller Gangwahl über die haptisch und ergonomisch optimalen Schaltpaddel dem Fahrer das letzte Wort. Einzig die neue Launch-Control-Funktion des BMW M235i hilft nicht viel, sie findet offenbar nicht die passende Anfahrdrehzahl. Die beste Beschleunigung erzielt der BMW M235i ohne dieses Hilfsmittel – und bleibt dennoch knapp hinter dem schweren Mercedes zurück.

Mercedes CLA 45 AMG weiß seine Vorzüge zu nutzen

Der 360 PS starke CLA weiß sowohl seine Mehrleistung als auch den Allradantrieb zu nutzen, zudem funktioniert seine Launch-Control prima. Ein bisschen gibt der Viertürer dabei den WRC-Flieger, wenn er zunächst recht hoch drehend und etwas blechbüchsig klingend auf die Freigabe wartet, dann aber wild trompetend und mit knallenden Gangwechseln der 100-km/h-Marke entgegenstürmt.

Doch der Mercedes CLA 45 AMG klingt nicht nur nach Rallye-Sport, sondern fühlt sich hinterm Lenkrad auch ein bisschen so an, was hier auf das Konto der hervorragenden Sportsitze geht. Sie ändern zwar nichts an der etwas zu hohen Sitzposition – der BMW M235i hat dasselbe Problem –, stützen den Körper aber bestens. Der Haken: Mercedes zuppelt für diesen Komfort dem Käufer 2.142 Euro extra aus dem Geldbeutel.

Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe des Mercedes CLA 45 AMG zählt wiederum zum festen Bestandteil des Antriebsstrangs, erntet für die zackigen Gangwechsel mit lautem Schnalzen beim Hochschalten Jubel, gehorcht aber in bestimmten Situationen noch immer nicht zuverlässig dem Fahrer. Speziell beim Herunterschalten während des Anbremsens vor Kurven fehlt es an Reaktionszeit. Hinzu kommt, dass der lange siebte Gang die Elektronik häufiger zu Schaltwechseln zwingt.

Hang zur Dramatik im CLA 45 AMG

Auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim stört das Getriebe jedoch weniger, der bärbeißige Motor ohnehin nicht. Hier muss das 892 Euro teure Performance-Fahrwerk (mit rund 20 Prozent härteren Federraten und einer Tieferlegung der Karosserie um 15 Millimeter) beweisen, dass es dem allradgetriebenen Mercedes CLA 45 AMG zu einer guten Rundenzeit verhelfen kann. Bereits beim Einlenken legt der CLA eine gewisse Dramatik an den Tag, denn wer einen Tick zu lange auf der Bremse steht, darf gleich das Heck wieder einfangen.

Großer Sport? Klar, das kann schon Spaß machen, kann Unerfahrene aber auch erschrecken. Doch Unerfahrene sollten ja auch nicht das ESP abschalten. Über die Rennstrecke feuert der Mercedes CLA 45 AMG natürlich mit deaktivierter Elektronik, lenkt gierig ein, vermittelt gute Rückmeldung, allein die Haltekräfte der Lenkung wirken etwas übertrieben. Hinzu kommt eine bestens verzögernde und vor allem standfeste Bremse, was ja bekanntlich bei AMG nicht immer der Fall war. Zudem ist ihr Druckpunkt klar definiert, beim BMW M235i hingegen tendiert das Pedalgefühl ins matschige.

Klingt danach, als habe AMG alles richtig gemacht? Vermutlich schon, doch die Basis lässt zu wünschen übrig, denn über 60 Prozent des Gesamtgewichts lasten auf der Vorderachse. Das führt dazu, dass die Vorderreifen bereits nach einer schnellen Runde zu warm werden und in der Folge an Grip verlieren. Dem daraus resultierenden Untersteuern lässt sich mit provozierten Lastwechseln noch entgegenwirken, doch beim Herausbeschleunigen schiebt der Mercedes CLA  45 AMG unnachgiebig über die Vorderräder – zumal der elektronisch geregelte Allradantrieb bei diesen Reibungsverhältnissen maximal 50 Prozent der Antriebskraft an die Hinterachse schickt.

Aufgrund dieses etwas unausgewogenen Fahrverhaltens schafft es der Viertürer auch nicht, an die Rundenzeit des A45 aus dem Supertest (Heft 3/2014) heranzukommen, er bleibt sechs Zehntel dahinter.

BMW M235i 0,2 Sekunden schneller

Auf den 326 PS starken BMW M235i fehlen dem CLA dagegen lediglich 0,2 Sekunden, und das, obwohl sich der BMW wesentlich neutraler bewegen lässt. Während die Bremse eben etwas Gewöhnung braucht, gibt die Lenkung sofort den guten Kumpel, verdrahtet den Fahrer optimal mit den Vorderrädern. Sie bauen über eine längere Distanz wesentlich mehr Haftung auf, der BMW M235i untersteuert nur minimal.

Gekonntes Spiel mit dem Gaspedal verschiebt das Fahrverhalten nochmals mehr in Richtung Neutralität, weniger gekonntes in Richtung Übersteuern. Ach, das gehört sich so? Na bitte, für einen lässigen Drift ist sich der BMW M235i nie zu schade, zumal zwischen den Hinterrädern das mechanische Sperrdifferenzial aus dem Werkszubehörprogramm steckt.

Ja, richtig gelesen: BMW erinnert sich an das Leben vor dem Kreuzzug der Informatiker. Das Diff verfügt über einen Sperrgrad von 30 Prozent, präzisiert das Fahrverhalten des BMW M235i deutlich, ohne dass die Elektronik die hinteren Bremsscheiben mit ihren Eingriffen zum Glühen bringt – und kostet satte 2.980 Euro plus Einbau. Obwohl nun auch der 2er den Leichtbau nicht erfunden hat, bedampft er seinen Fahrer mit selbstverständlicher Agilität, vermittelt ihm das Gefühl, dass sein Auto immer genau das umsetzt, was er sich vorstellt. Spielerisches Einlenken, wackere Traktion und unbedingte Leistung – egal ob im Drehzahlkeller oder jenseits der 6.500/min – schreien nach mehr, gedanklich sind schon alle Trackdays hiesiger Rennstrecken gebucht.

Zwei Sieger

Zugegeben, für diese Art der Freizeitbeschäftigung müssten schon noch ein paar ordentliche Schalensitze inklusive tiefer montierter Schienen her. Andererseits würde der BMW M235i damit einen Teil jenes Vergnügens verlieren, das er seinem Eigner jeden Tag bereitet, und sei es nur auf dem Weg zum Elternabend oder zum Steuerberater. Zumindest wenn die aufpreispflichtigen Adaptivdämpfer (760 Euro) unterm Blech stecken, kommt der 18-Zoll-bereifte 2er gut mit Bodenwellen aller Art zurecht, spricht selbst auf heftige Unebenheiten ordentlich an. Bei AMG stand Federungskomfort offenbar überhaupt nicht im Lastenheft, denn der CLA rumpelt polternd über alles hinweg, was sich vor seinen 19-Zoll-Rädern auftut – was ein Glück, dass das nicht in die Punktewertung einfließt.

So schafft es der Mercedes, mit der standfesten Bremse, dem leistungsstarken Triebwerk und dem damit einhergehenden besseren Leistungsgewicht mit dem BMW gleichzuziehen. Und der BMW M235i? Dessen klassische Coupé-Hülle ist vollgestopft mit authentischem Fahrspaß, kostet zudem deutlich weniger. Ein tolles Paket also, das auch prima ohne den Glanz der Geschichte auskommt.

Technische Daten
Mercedes CLA 45 AMG 4Matic AMGBMW M235i Coupé
Grundpreis56.674 €47.150 €
Außenmaße4630 x 1777 x 1432 mm4454 x 1774 x 1408 mm
Kofferraumvolumen470 l390 l
Hubraum / Motor1991 cm³ / 4-Zylinder2979 cm³ / 6-Zylinder
Leistung265 kW / 360 PS bei 6000 U/min240 kW / 326 PS bei 5800 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
0-100 km/h4,7 s4,8 s
Verbrauch6,9 l/100 km7,6 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten