BMW M235i von Versus Performance und Dieselspeed
Knapp 800 PS im Vergleichstest

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Leistung trifft Heckantrieb: Die ersten getunten M235i von Versus Performance und Dieselspeed lassen die guten alten BMW-Tugenden eindrucksvoll hochleben.

Dieselspeed-BMW M235i, Versus-BMW M235i, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Seufz! Denken wir an BMW, trauern wir oft den guten alten Zeiten hinterher. Früher regierten in München göttliche Reihensechser-Sauger und Heckantrieb. Heute sind die Dinosauger ausgestorben, und unterm weiß-blauen Propeller herrschen längst Turbos. In den kommenden zehn Jahren soll sich in der Modellpalette unterhalb des 3er-BMW zudem der Vorderradantrieb breitmachen. Seufz, bloß nicht dran denken! Im Vergleichstest lassen wir es mit den ersten getunten BMW M235i von Dieselspeed und Versus Performance noch mal richtig krachen.

Getunte BMW M235i mit 390 und 401 PS

Das Duell hat kaum begonnen, da ist es eigentlich schon entschieden, zumindest was die Wertung "Best of Sound" betrifft. Rotzen, röhren, bollern - der Kaltstart im frisierten 2er von Versus BMW M235i klingt so euphorisch wie die Schalke-Fans bei einem Tor für Blau-Weiß. Dem BMW-Tuner aus Gelsenkirchen gelingt das akustische Feuerwerk dank einer Edelstahl-Abgasanlage (2.699 Euro) mit 200-Zellen-Metallkat und zweier 89er-Endrohre, die eine Carbon-Verkleidung tragen.

Wer seine lieben Nachbarn nicht wie mit einem donnernd explodierenden Kanonenschlag aus dem Bett schrecken will, dem sei der Bastuck-Auspuff des Dieselspeed (879 Euro) empfohlen. Hier weckt kein ungeniertes Startgebrüll, sondern ein kerniger, aber nicht aufdringlicher Basston. Einen Sportkat trägt dieser BMW M235i nicht, ein solcher soll aber mit TÜV-Gutachten bald auch bei Dieselspeed erhältlich sein. Statt 326 PS soll der N55-Reihensechszylinder-Monoturbo dank eines Zusatzsteuergeräts von Dieselspeed (1.249 Euro) nun 390 PS leisten.

Versus entlockt dem BMW M235i in Verbindung mit der Abgasanlage ebenfalls mehr Leistung. Verschiedene Angaben geisterten vorab durch Foren und Videoportale, bei unserem Test wurde die Leistung mit 401 PS beziffert. Während der BMW M235i von Dieselspeed etwas besser am Gas hängt und im unteren Drehzahlbereich kraftvoller antritt, schlägt die Stunde der Versus-Kreation erst bei höheren Touren.

Beide Tuning-Modelle gehen besser als das Serienfahrzeug

Im Vergleich zum Serienmodell, dessen Dreiliter-Aggregat keineswegs ein Kind von Traurigkeit ist, gehen beide Tuningmodelle wesentlich besser. Nüchtern gemessen heißt "wesentlich besser" 2,4 Sekunden (Dieselspeed) und 3,5 Sekunden (Versus) schneller beim Standardsprint von null auf 200 km/h (Serienmodell 0–200 km/h: 18,1 s). Abseits von Zahlenwerten ertappt man sich aus purer Lust öfters dabei, die getunten Dreiliter-Sechszylinder bis zur Drehzahlgrenze von 7.000 Touren zu jagen, obwohl ein früherer Schaltzeitpunkt um die 6.500 Touren bei der Beschleunigung effizienter ist. Herrlich, wie drehfreudig das BMW-Turbo-Aggregat im M235i ist. Insgesamt fühlt sich das in Gelsenkirchen modifizierte Modell motorseitig noch etwas frischer an.

Nicht nur die im Vorfeld variierenden Leistungsangaben, sondern auch die unterschiedliche Leistungsentfaltung der beiden Fahrzeuge waren Grund genug, eine Leistungsmessung auf dem von uns auch im Rahmen des Supertests genutzten Leistungsprüfstand durchzuführen. Während Leistung und Drehmoment im Dieselspeed-BMW M235i zwar früher anliegen, punktet das Versus-Modell dafür mit der etwas später einsetzenden, aber höheren Endleistung. Die gemessene Normleistung des Versus BMW M235i beträgt 401,2 PS bei 5.765/ min. Der Dieselspeed-2er kommt zwar "nur" auf 382,8 PS bei 5.395/min, überbietet aber mit 558,7 Nm das Versus-Modell (540,8 Nm) in seinem maximalen Drehmoment.

Zähneklappern auf Bodenwellen im Versus BMW M235i

Noch stärker als die Leistungsunterschiede fällt das ungleiche Fahrverhalten der beiden Kontrahenten im Alltag auf. Hart, härter, Versus - auf jeder Bodenwelle klappern die Zähne der Insassen wie bei Nacktschwimmern im sibirischen Winter. Der Federungskomfort tendiert gen null. Natürlich stimmte auch Dieselspeed den M235i straffer als in Serie ab, doch hier blieb ein im Alltag akzeptabler Restkomfort erhalten. Und der Geradeauslauf? Im Versus-BMW gleicht dieser einem Fußballfan nach 20 Stadionbieren, doch auch der Dieselspeed- Zweier läuft gerne Spurrillen nach.

Sowohl Versus als auch Dieselspeed tauschten das adaptive M-Fahrwerk gegen ein in Zug- und Druckstufe einstellbares Gewindefahrwerk KW Clubsport 3-way. An der Vorderachse tragen beide getunten BMW M235i zudem Uniballstützlager zur Sturzverstellung. Einheitliche Hardware, aber grundverschiedene Abstimmung - ein Motiv, nach der Motorleistung auch die Achsgeometrie-Werte zu ermitteln. Neben der unterschiedlichen Dämpfereinstellung zeigen sich auch hier signifikante Unterschiede. An der Vorderachse geht der Dieselspeed-M235i mit größerem Negativsturz an den Start (Versus: –3°27', Dieselspeed: –3°46'). An der Hinterachse gleichen sich die Sturzwerte (Versus: –2°35', Dieselspeed: –2°23').

Größere Gegensätze offenbaren die gemessenen Spurwerte an der Vorderachse (Gesamtspur: Versus –0°36', Dieselspeed: –0°05') sowie an der Hinterachse (Gesamtspur: Versus –0°46', Dieselspeed 1°44'). Wie fahren sich die unterschiedlichen Pakete auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim? Die Rundenzeit des Serienmodells mit Automatik und mechanischer Sperre (1.15,3 min) knackt der Versus-BMW M235i bereits in der Aufwärmrunde. Im Vergleich zu den serienmäßigen Michelin-Reifen Pilot Super Sport (225/40-18 vorn, 245/35-18 hinten) benötigen seine Michelin-Cup-Pneus etwas länger, bis sie die ideale Arbeitstemperatur erreicht haben. Doch das längere Vorspiel lohnt sich.

Versus-BMW M235i lenkt präzise ein

Auch wenn Untersteuern schon für das Serienmodell weitgehend ein Fremdwort ist, lenkt der Versus-BMW M235i mit 265er-Vorderreifen wesentlich präziser ein. Das für den Alltag zu kompromisslos abgestimmte Fahrwerks-Set-up glänzt auf der Rennstrecke. Ohne merkliche Karosseriebewegungen stürzt sich der M235i in die Kurvenjagd. Nach dem präzisen Einlenkverhalten folgt, bei Lastwechseln oder unter Last, immer ein leicht nachdrückendes Heck - verständlich angesichts der Nachspur an der Hinterachse. Durch das hohe Gripniveau der Cupreifen punktet der Versus auch ohne mechanische Sperre mit guter Traktion beim Herausbeschleunigen.

Während die Serienbremse auf der Rennstrecke durch einen etwas teigigen Pedaldruck auffiel, packt das Versus-Modell dank modifizierter Bremsanlage giftiger und noch standfester zu. Neben Stahlflexleitungen setzt der Tuner aus dem Ruhrpott auf geschlitzte und gelochte Bremsscheiben sowie Endless-Bremsbeläge. Mit warmen Cup-Reifen funktioniert diese Kombination auf der Rennstrecke problemlos. Bei der Standbremsung unter Alltagsbedingungen werden die Cup-Reifen jedoch niemals so warm, dass sie ihr optimales Gripniveau erreichen. Unharmonische ABS-Regeleingriffe und ein nur durchschnittlicher Bremsweg sind die Folge. Nicht nur mit seiner kompromisslosen Fahrwerksabstimmung, sondern spätestens auch mit der Rundenzeit von 1.12,8 Minuten verdient sich der getunte Versus-BMW M235i den Namen "Tracktool".

Damit ist der 2er kaum langsamer als das einst von Versus aufgebaute Einser M Coupé (1.12,2 min), das mit 439 PS nicht nur stärker, sondern auch 62 Kilo leichter als der aktuelle M235i aus Gelsenkirchen war. In puncto Gewicht gibt es beim Versus-M235i noch Optimierungspotenzial. Wenn schon ein so knackiges Fahrwerk, dann bitte schön auch Schalensitze, keine Rücksitzbank und weniger Verkleidungsteile im Innenraum. Einen noch größeren Widerspruch für Leichtbaujünger und Rennstreckenfans offenbart der Dieselspeed-M235i unter seiner martialischen Racing-Beklebung - wer hat das Coupé bloß mit Schiebedach konfiguriert? Im Vergleich zum Versus-Renner ist er mit 1.579 Kilo nochmals 26 Kilo schwerer. BMW konfigurierte übrigens den Serien-Testwagen trotz Automatikgetriebe so clever, dass er nur 1.528 Kilo auf die Waage brachte. Apropos Automatik.

Dieselspeed-BMW M235i fährt knappe Bestzeit

Auch der Dieselspeed-BMW geht mit Achtgangautomat an den Start - ein guter Kompromiss. Bei Stop-and-go-Fahrten im Alltag lässt der automatische Modus den Piloten in Ruhe, während das Getriebe auf der Rennstrecke mit schnellen Schaltzeiten, präzisen Paddle-Reaktionen und einem echten manuellen Modus auch Trackfans begeistern kann. Im Vergleich zum harten Set-up der Konkurrenz fällt die weichere Dieselspeed-Abstimmung mit spürbaren Rollbewegungen im Grenzbereich auf. Tendenziell verraten hier schon die Fahrwerks-Messwerte eine etwas konservativere Abstimmung.

Konservativ sollte angesichts von Querbeschleunigungswerten von bis zu 1,35 g nicht mit langweilig verwechselt werden. Während die Hinterachse bei Lastwechseln und unter Last sehr stabil die Spur hält, lenkt das Coupé im Rennwagenlook nicht ganz so unmittelbar ein. Ein leichtes Einlenkuntersteuern kann es nicht verheimlichen. Insgesamt knallt der Dieselspeed-M235i jedoch weitgehend neutral ums Eck. Bremsentechnisch vertraut Dieselspeed der Serie, deren ABS-Regelung sowohl auf der Rennstrecke als auch bei der Standbremsung gut mit den Dunlop-Semislicks harmoniert. Lediglich die Serien-Bremsflüssigkeit tauschte Dieselspeed gegen Castrol-Rennbremsflüssigkeit aus. Trotzdem sollte bei häufigen Rennstreckenbesuchen die Bremsanlage aufgerüstet werden.

Nach mehreren Runden auf dem Kleinen Kurs fiel der M235i durch leicht nachlassenden Bremspedaldruck auf. Kein Beinbruch für eine schnelle Runde, die dank der grandiosen Fahrbarkeit der beiden Zweier auch im Dieselspeed schnell im Kasten war. Mit 1.12,4 min schnappt sich dieser ebenfalls ohne Sperre agierende M235i dank des höheren Gripniveaus seiner Dunlop-Reifen knapp die Bestzeit. Doch es sind nicht nur die nackten Zahlen, die hier für Freude sorgen. Das optionale M-Performance Lenkrad im Dieselspeed-M235i begeistert nicht nur mit Schaltblitzen, sondern erinnert mit integrierter Wasser- und Öltemperaturanzeige auch an frühere Zeiten. Anzeigen, die mal in BMW-Sportmodellen Standard waren, gibt es im M235i nur noch gegen Aufpreis.

Technische Daten
Versus Performance M235i Dieselspeed BMW M235i
Grundpreis68.466 €65.646 €
Außenmaße4454 x 1774 x 1378 mm4454 x 1774 x 1382 mm
Kofferraumvolumen390 l390 l
Hubraum / Motor2979 cm³ / 6-Zylinder2979 cm³ / 6-Zylinder
Leistung295 kW / 401 PS bei 5970 U/min287 kW / 390 PS bei 6200 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
0-100 km/h4,5 s4,5 s
Verbrauch14,3 l/100 km14,3 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten