BMW M4, Porsche 911 Carrera S Vergleichstest
Kann der M4 den Elfer abkochen?

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Mit seinem neuen, 550 Nm drückenden Biturbo-Sechszylinder will der BMW M4 den Porsche 911 Carrera S ausbeschleunigen. Doch kann er sich auch in den Kurven vorne behaupten?

BMW M4, Porsche 911 Carrera S, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Irgendwann träumt jeder Autofan von einem Porsche 911. Doch nur wenige können sich diesen Traum erfüllen. Das Verflixte dabei: Bezahlbare Alternativen sind rar. Aber es gibt sie. Etwa in Form des BMW M4. Klar, günstig ist der auch nicht; doch er kostet immerhin über 30.000 Euro weniger als ein Porsche Carrera S – das entspricht dem Gegenwert eines VW Golf GTI Performance.

BMW M4 bietet 431 PS

Und der BMW M4 bringt alle Voraussetzungen mit, einem 911 Paroli zu bieten: 431 PS Leistung, 550 Nm Drehmoment nebst selbst bei Porsche-Ingenieuren hochgeachteter Fahrwerkskompetenz der M GmbH. Und genau Letztere wollen wir nun erfahren.

Druck auf den Startknopf im BMW M4. Der Biturbo-Reihensechser bellt fast wie ein Rennmotor los – erstaunlich rau im Ton. Ursprünglich stammt der Dreiliter aus dem 435i, erhielt aber eine Generalüberholung: Zylinderkopf, Kurbelgehäuse, Pleuel, Kolben, Kurbelwelle – alles neu. Und natürlich zwei statt einem Turbolader. In Verbindung mit den geänderten Krümmern sowie der eigenständigen Auspuffanlage ergibt das einen nonkonformistischen Sechszylinder-Ton.

Schade, dass sich der Sound nur bedingt in den Innenraum des BMW M4 überträgt. Dagegen badet die Außenwelt geradezu in Schallwellen. Mal knurrt der Dreiliter wie ein Boxer, anschließend keift er wie ein 180-Grad-V8, dann wiederum lässt er Fanfarenstöße in den Himmel steigen. Nur sollte davon mehr das Ohr des Fahrers statt der Umwelt erreichen.

Der Dreiliter hat reichlich Druck. Natürlich müssen die beiden Lader des BMW M4 erst einmal in Fahrt kommen. Doch schon im Saugbereich legt der Reihensechser stämmig los, der Übergang verläuft weich und mündet im vehementen Vorwärtsdrang bis 7.300/min. Dazu hält das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe (3.900 Euro) die passende Fahrstufe bereit. Auf Stellung Sport plus spricht das Gaspedal schon zu heftig an – Ruckeln lässt sich gerade im Stadtverkehr nur mit viel Gefühl vermeiden. Und: Wer nicht in Stufe drei des Getriebe-Settings wechselt, muss mit eher gemächlichem Zurückschalten leben.

BMW M4 im M2-Modus in Hockenheim

Doch nun sind wir in Hockenheim auf dem Kleinen Kurs und haben uns den BMW M4 scharf konfiguriert. Auf dem Lenkrad befinden sich zwei sinnvolle Tasten, M1 und M2, die man frei belegen kann. Empfehlung des Autors für die Landstraße (M1): Stoßdämpfer auf Comfort für beste Traktion, ESP im Sportmodus für eine etwas längere Leine, Motor auf Sport und Lenkung ebenfalls.

M2 kommt im BMW M4 in Hockenheim zum Tragen: Stoßdämpfer und Motor auf Sport plus, Lenkung auf Sport, und ESP aus. Das erfordert einen sensiblen Gasfuß, führt aber zum besten Ergebnis – andernfalls sieht sich die Elektronik häufig genötigt, den 550 Nm Einhalt zu gebieten.

Der BMW M4 pumpt sich über die Zielgerade, hat am Ende knapp 200 km/h auf der Uhr. Hartes Anbremsen: Die ohnehin schon durch den Motor belastete Vorderachse erhält noch mehr Druck – und die hintere wird entlastet. Stark und lange greift das ABS ein, um die Längsstabilität zu gewährleisten. Das beeinträchtigt die Verzögerung, wie die Auswertung der Messungen zeigen wird.

BMW M4 fordert sensiblen Gasfuß

Nordkurve: Die Vorderreifen wimmern. Wer zu spät einlenkt, überfährt sie – Untersteuern bis zum Kurvenausgang ist die Folge. Also langsamer rein, schneller raus. Allerdings gilt es hier, 550 Nm wohldosiert einzusetzen, sonst keilt die Hinterachse aus. Geht man vom Gas, greift sie wieder relativ abrupt, was flinkes Gegensteuern erfordert – oder man stabilisiert einen leichten Drift per Gaspedal, was aber auf die Rundenzeit geht. Es dauert etwas, bis man sich in Hockenheim auf den BMW M4 eingegroovt und seine Eigenheiten gelernt hat. Nach einer optimalen Runde bleibt die Stoppuhr bei 1.13,6 stehen.

Ob das der Porsche unterbieten kann? Der Carrera S ist schnell, sehr schnell. Das durfte er bei sport auto bereits häufig beweisen. Doch er hat einen Ruf als der deutsche Sportwagen schlechthin zu verlieren. Ist das Ingenieursstück, bei dem ein an sich antiquiertes Antriebskonzept über Generationen immer weiter verfeinert wurde, noch immer konkurrenzfähig? Das Duell startet beim Beschleunigen. Seine Drehmomentwelle spült den 154 Kilogramm schwereren BMW M4 zwei Zehntel schneller auf Tempo 100. Revanche beim Fahrdynamiktest: Im 18-Meter-Slalom hat der leichtere Elfer Vorteile. Sein stärker mitlenkendes Heck schlenzt einen Hauch agiler um die Pylonen. Größer ist der Unterschied beim Bremsen. Hier erweist sich der schwere Boxermotor hinter der Hinterachse als Vorteil: Er drückt aufs Heck, und die Hinterräder können mehr Bremskraft übertragen.

Befehl und Ausführung

Die Entscheidung muss in Hockenheim fallen. Erste Überraschung auf dem Kleinen Kurs: Auf Anhieb fügt sich alles im Porsche 911 deutlich schneller. Man benötigt gerade eine Eingewöhnungsrunde, dann kann das Limit kommen. Zweite Überraschung: Der Porsche fühlt sich eine ganze Fahrzeugklasse kleiner als der BMW M4 an. Dabei ist er nur zwei Zentimeter schmaler – alles Gefühlssache. Der Carrera S kommuniziert direkter: Befehle setzt er schneller um und meldet genauer zurück. Dritte Überraschung: Anders als im M4 gibt es kein Untersteuern. Schon beim Einlenken auf der Bremse drückt der 911 sachte mit dem Heck, lässt sich perfekt platzieren.

Kein Untersteuern beim Porsche 911

Nun liegt es am persönlichen Fahrstil, wie es weitergeht. Wer sanft, aber stetig Gas gibt, carvt wunderbar neutral um den Scheitelpunkt und schafft eine Zeit von 1.11,8 min und ist damit schneller als der BMW M4. Wer lupft und anschließend kräftig Last anfordert, treibt den Hecktriebler im sämigen Drift ums Eck. Etwas langsamer zwar, dafür umso spaßiger – so einfach war noch kein 911 quer zu fahren.

Ob ein Carrera S im Basis-Trimm ähnlich zackig einlenken und selbst nach mehreren Runden noch so standfest verzögern würde, ist fraglich. Denn dem Testwagen helfen in Hockenheim fahrdynamische Optionen wie das Sportfahrwerk samt Wankausgleich (4.034 Euro) und die Keramikbremse (8.509 Euro). Das addiert sich zum Grundpreis von 105.173 Euro samt Doppelkupplungsgetriebe für 3.511 Euro. Doch selbst das deutlich schlechtere Preis-Leistungs-Verhältnis verhindert am Ende nicht den knappen Sieg vor dem BMW M4 mit einem Punkt.

Technische Daten
Porsche 911 Carrera S BMW M4 Coupé M4
Grundpreis105.946 €76.400 €
Außenmaße4491 x 1808 x 1295 mm4671 x 1870 x 1383 mm
Kofferraumvolumen145 l445 l
Hubraum / Motor3800 cm³ / 6-Zylinder2979 cm³ / 6-Zylinder
Leistung294 kW / 400 PS bei 7400 U/min317 kW / 431 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit302 km/h250 km/h
0-100 km/h4,4 s4,3 s
Verbrauch8,7 l/100 km8,3 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten