Corvette C6 Grand Sport, Z06, ZR1 im Vergleichstest
US-Trio hängt Europas Sportwagenelite ab

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Sie sind amerikanisch, sie sind scharf wie Chili-Barbecue-Sauce und sie heißen Corvette Grand Sport, Z06 und ZR1. Mit neuem Performance Package will das US-Trio die europäische Sportwagenelite stehen lassen. Ob ihnen dies gelingt verrät der Vergleichstest aller C6-Modellvarianten auf der Rennstrecke.

Corvette Grand Sport, Z06, ZR1, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Das breite Lächeln der Herren Harley Earl und Ed Cole übernehmen wir stellvertretend. Für die geistigen Väter der ersten Corvette-Generation von 1953 wäre heute wohl ein Feiertag gewesen, als ob Independence Day, Super Bowl und Christmas auf einen Tag fallen würden. Ähnlich wie Anfang der fünfziger Jahre rauschen die Stars des Corvette-Jahrgangs 2012 mit dem Ziel auf die Bühne, die europäischen Sportwagen-Helden das Fürchten zu lehren: Welcome Grand Sport, Z06 und ZR1.

Unsere Highlights

Männlich, ehrlich, Corvette

Der Tag geht, 24 Zylinder, 19.335 Kubikzentimeter und 1.596 PS kommen. Wirklich neu ist keiner der drei aus der C6-Generation mehr. Zum Modelljahr 2012 sollen die Small-Block-Kämpfer vor allem querdynamisch von kleinen, aber feinen Modifikationen profitieren.

Doch zunächst steht die Show für den Lichtbildner im Vordergrund. Mannheimer Industriehafen statt Münchener Edelviertel, echte Kerle statt Abziehbildchen – männlich, ehrlich, Corvette. Missbilligung oder Smartphone-Schnappschuss – die bulligen US-Sportler treffen hierzulande noch immer auf unterschiedliche Meinungen. Das frühere Corvette-Image als Luden-Schleuder ist aber längst nicht mehr gerechtfertigt. Vorbei sind auch die Zeiten, als sich die US-Kisten so gut lenken ließen, wie ein 40-Tonner und Chassis-Qualitäten einer durchgelegenen Matratze mitbrachten. Daher steht heute auch nicht mehr die Show, sondern die Rennstrecken-Kür im Vordergrund. Ein letztes Gummi-Autogramm im Morgengrauen auf den Mannheimer Asphalt – Hockenheim ruft.

Preis-Leistungs-Knüller Corvette Grand Sport

Nur der Name des Kleinsten im heutigen PS-Dreigestirn erinnert an frühere Corvette-Zeiten. Als Reminiszenz an den 1963er Cobra-Schreck trägt die aktuelle Corvette Grand Sport den Namen der damaligen Rennsport-Legende über den drei seitlichen Entlüftungskiemen in den vorderen Kotflügeln. Ein abnehmbares Targadach, breitere Radläufe, der Z06-Frontsplitter vorn sowie die Z06-Lufthutze in der Motorhaube unterscheiden die Grand Sport optisch von der C6-Basis.

Trotzdem vertraut die Grand Sport auf den LS3-Sauger aus der C6-Basisversion, allerdings hier mit der Option Z52, der Trockensumpfschmierung aus der Z06/ZR1. Basis bedeutet bei Corvette immer noch ein Triple-Whopper-Menü im Vergleich zu Startangeboten anderer Sportwagenhersteller. Wo gibt‘s mehr Coolness und Sportwagengene zum Preis-Leistungs-Knüller von 81.634 Euro? Porsche offeriert dafür nicht mal einen nackten Basis-911 Carrera (Grundpreis 88.037 Euro).

Kerniges V8-Brodeln

6,2 Liter Hubraum, 437 PS und 575 Newtonmeter – mit spontanem Ansprechverhalten trabt die Corvette Grand Sport aus der Boxengasse auf den Kleinen Kurs von Hockenheim. Genüssliches Blubbern im Teillastbereich schwillt zu kernigem V8-Brodeln. Ein knorriges, manchmal bei schnellen Schaltvorgängen hakelndes Tremec-Sechsganggetriebe mit knackig-kurzen Schaltwegen, begleitet den Auftritt. Hier wünscht man sich nichts anderes – die Corvette Grand Sport ist zwar auch mit Sechsstufen-Automatik erhältlich, die manuelle Schaltbox ist aber ein Muss für Sportfans.

Serienmäßig rollt die Corvette Grand Sport mit Z16-Performance Package inklusive einer strafferen Feder-Dämpfer-Abstimmung sowie größeren Stabis und breiterer Spurweite an den Start. Die Bremsanlage entspricht der Z06-Basisbremsanlage mit Sechs-Kolben-Sätteln vorn und Vier-Kolben-Sätteln an der Hinterachse. Leicht untersteuernd, aber insgesamt mit hohem Gripniveau legt die mit Goodyear Eagle F1 Supercar-Pneus der zweiten Generation besohlte Corvette Grand Sport los. Mit willigem Einlenkverhalten folgt die GS der Ideallinie und schmiert mit gut beherrschbarem Power-Oversteer aus den Kurven raus. Bösartige Lastwechselreaktionen mit Konterschwüngen gehören nicht zum Kurventanz.

Corvette ZR06 mit sieben Litern Hubraum

Mit 1.11,9 Minuten unterbietet das Coupé nicht nur die Hockenheim-Rundenzeit des Corvette Grand Sport Cabriolet mit Automatik um 1,2 Sekunden im Test 2010, sondern wedelt auf Corvette Z06-Niveau aus dem Supertest 2007 um den Kurs (1.11,7 min). Das sitzt! 427 fühlt sich bei der Ehre gepackt. Wem die Zahl nichts sagt, hier ein wenig Nachhilfe. 427 steht für 427 cubic inches, also sieben Liter Hubraum. Hubraum-Helden wie Shelby Cobra, Ford GT oder die Stingray genannte C3-Generation ab 1967 trugen einst die großvolumigen 427er-Herzen.

Rein in die neuen Sitze der Corvette Z06, die zwar im Prospekt mehr Seitenführung versprechen, aber immer noch den Halt eines Fernsehsessels bieten. Egal, wir jammern jetzt auch nicht wieder über Plastik und Lederqualität. Startknopf drücken und die Zündfolge 1-8-7-2-6-5-4-3 brandet auf. ESP aus und raus. Mit Sieben-Liter-LS7 donnert die Corvette Z06 im Tiefflug auf den Kleinen Kurs. Der bis 7.000 Umdrehungen galoppierende 90-Grad-V8 ist mit zackiger Gasannahme Quell der Fahrfreude und akustischer Brandstifter zugleich. So emotional hat selten ein Triebwerk seine überschüssigen Restgase abgefeuert.

Schwarzes elegantes Lackkleid

Optisch präsentiert sich die Corvette Z06 so lässig wie Snoop Dog. Zum 100-jährigen Unternehmensjubiläum bietet Chevrolet das 2012er Centennial Edition Paket für alle Corvette-Modelle an. Die Corvette trägt dann ausschließlich ein schwarzes Lackkleid in Carbon Flash Metallic und schwarze Räder aus Aluminiumguss sowie rote Bremssättel. Mit schwarz getönten Front- und Seitenscheiben wäre der Batmobil-Auftritt perfekt. Antriebsseitig blieben trotz rustikalem Stoßstangen-Konzept mit geschmiedeten Aluminiumkolben, Pleuel und Einlassventilen aus Titan, einer Trockensumpfschmierung sowie vier Ölkühlern für Motor, Getriebe, Achsantrieb und Lenkung keine Wünsche offen.

Dank Aluminiumrahmen mit Verstärkungen aus Karbonfasermatten sowie den nur 1.400 Gramm schweren CFK-Kotflügeln präsentierte sich die Corvette Z06 bereits vor dem Modelljahr 2012 als austrainierter Leistungssportler. Karosserieseitig sind nun erstmals die Dachhaut sowie eine Motorhaube aus Kohlefaser optional erhältlich. Im Modelljahr 2012 würzt das Z07-Ultimate Performance Package den 1.480 Kilo schweren Ami noch schärfer nach. Neben den Brembo-Karbon-Keramikbremsen aus der  Corvette ZR1 beinhaltet das 9.189 Euro teure Paket auch Michelin Pilot Sport PS Cupreifen sowie das adaptive Fahrwerk Magnetic Selective Ride Control mit den Modi Tour und Sport.

Corvette Z06 mit 1.08,7 Minuten in Hockenheim

Das Resultat der Modifikationen mündet auf der Rennstrecke in der Frage: Hab ich etwa Slicks drauf? So verwandelt das Performance Pack die Corvette Z06 in einen Racer mit Straßenzulassung. Für die Traktion, die Rückmeldung der Lenkung und das Einlenkverhalten sowie die Bremse mit Verzögerungswerten von bis zu 13,6 m/s² gibt‘s die Schulnote 1. In Worten: Absolut neutral und sicher beherrschbar. Klar, angesichts von 512 PS darf der Gasfuß nicht Hackebeil spielen, sonst übertreibt es das unter Last leicht drückende Heck mit seinen Ausfallschritten. Nach der zweiten fliegenden Runde glaubt der Testredakteur dieser Geschichte seinen Augen nicht, als auf dem 2D-Messgerät eine Rundenzeit von 1.08,7 Minuten aufflammt.

Des einen Freud ist des anderen Leid – in Woking bei McLaren stehen die Zeichen auf Schnappatmung. Die Corvette Z06 hat die Rundenzeit des McLaren MP4-12C mit 600 PS eingestellt. Reicht das? „Ja, wir müssen der ZR1 ja auch noch ein bisschen Luft lassen“, sagt Patrick Hermann von Chevrolet Europe, der den sport auto-Vergleichstest begleitet.
Das 647 PS starke Topmodell zittert. Läuft die Z06 mit Performance Package der größeren Schwesterversion etwa den Rang ab? Die Corvette ZR1 Supertest-Rundenzeit mit Michelin Pilot Sport ZP-Bereifung von 1.09,7 Minuten überflügelte der Sieben-Liter-Bomber nämlich deutlich.

1.526 Kilogramm wiegt die Corvette ZR1

Ein PDE-ZR1 genanntes High Performance Package (Aufpreis 1.375 Euro) soll nun auch der Corvette ZR1 noch schnellere Beine machen. Neben leichteren Cup-Felgen zählen zu dem Upgrade auch Michelin Pilot Sport PS Cupreifen und eine kürzere Getriebeübersetzung.

Trotz der serienmäßigen Leichtbaukomponenten wie Kotflügel, Dach, Motorhaube, Front- und Heckspoiler aus CFK wiegt die Corvette ZR1 mit 1.526 vollbetankt genau 46 Kilogramm mehr als die Corvette Z06. Für die zusätzlichen Pfunde ist hauptsächlich der LS9-Kompressormotor verantwortlich, der inklusive aller Nebenaggregate 251 Kilogramm auf die Waage bringt (Z06-LS7: ca. 208 Kilo). Insgesamt wiegt die Corvette ZR1 auf der Vorderachse 795 Kilo, während die Corvette Z06 nur 750 Kilo vorn ums Eck peitschen muss. Das kleine Gewichtsmanko wird dann auf dem Kleinen Kurs von Hockenheim mit seinen engen Ecken auch durch ein minimales Untersteuern sowie eine leichte Tendenz zum Schieben über die Vorderachse beim Anbremsen spürbar. Doch über diesen klitzekleinen Nachteil zu jammern ist so, als ob ein Scheich über ein leichtes Tropfen an seiner Ölpipeline klagen würde.

Corvette ZR1 mit Rekord-Rundenzeit

Querdynamisch übertrifft die Corvette ZR1 mit High Performance Pack die getrimmte Z06, sofern der Fahrer fähig ist, 647 PS an der Hinterachse wohl zu dosieren. Mit einer Hockenheim-Rundenzeit von 1.08,3 Minuten krönt sich die Corvette ZR1 zum zweitschnellsten auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim von sport auto in den letzten drei Jahren gemessenen Sportler. Auch in Stuttgart-Zuffenhausen und Sant’Agata Bolognese dürften jetzt die Drähte glühen (Porsche 911 GT2 RS: 1.08,4 min, Lamborghini Aventador: 1.08,6 min) – die Hockenheim-Rundenzeiten aller Testkandidaten.

Klingt das alles nicht zu perfekt? Muss ein Muscle-Sportscar aus Amerika nicht auch mal, wie beim Rodeo in Texas, mit dem Heck bocken? Die gestärkten Z06 und ZR1-Brüder mit Performance Pack keilen zwar nicht hinterhältig aus, verlangen aber zuweilen abseits der Rennstrecke nach echten Mannsbildern. Bei schnell gefahrenen Autobahnkurven über 260 km/h schlagen die rennstreckenoptimierten Vetten Haken, als gäbe es für jede erwischte Spurrille Pluspunkte.

Corvette ZR1 mit großem Durst

Ach ja, bevor ich es vergesse: ZR1-Kutscher sollten außerdem ein guten Draht zur US-Airforce haben. Bei übertriebenen 369 km/h laut Headup-Display, aber GPS-gemessenem Tempo 331 schluckt die Corvette ZR1 laut momentaner Verbrauchsanzeige 74 Liter Super Plus auf 100 Kilometern. Da muss man sich schon mal Gedanken über eine mögliche Betankung aus der Luft machen.

Technische Daten
Chevrolet Corvette Grand Sport Coupé 6.2 V8 Grand SportChevrolet Corvette ZR 1 ZR1Chevrolet Corvette Z06 Coupé 6.2 V8 Performance Package
Grundpreis82.257 €139.800 €104.002 €
Außenmaße4459 x 1927 x 1246 mm4459 x 1927 x 1246 mm4459 x 1927 x 1246 mm
Kofferraumvolumen295 l634 l634 l
Hubraum / Motor6162 cm³ / 8-Zylinder6162 cm³ / 8-Zylinder7011 cm³ / 8-Zylinder
Leistung321 kW / 437 PS bei 5900 U/min476 kW / 647 PS bei 6500 U/min377 kW / 512 PS bei 6300 U/min
Höchstgeschwindigkeit300 km/h330 km/h320 km/h
0-100 km/h4,9 s4,1 s4,4 s
Verbrauch13,8 l/100 km15,0 l/100 km14,7 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten