Corvette C7 gegen Porsche 911 Carrera S und Jaguar XKR-S
Der raubeinige Wild-West-Ami

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Wir werfen die neue Corvette C7 Stingray gleich ins kalte Wasser: In Hockenheim muss der US-Sportler mit 466-PS-V8 sofort gegen Porsche 911 Carrera S und Jaguar XKR-S kämpfen. Behält die Vette auch am Ende die Nase vorn?

Corvette C7 Stingray, Porsche 911 Carrera S, Jaguar XKR-S, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Über die Mischung von Vergleichtests lässt sich immer wieder streiten. Mancher wird sich fragen, warum wir neben dem Porsche 911 Carrera S auch noch einen deutlich leistungsstärkeren, aber auch viel schwereren Jaguar XKR-S gegen die neue Corvette C7 Stingray antreten lassen. Der ehemalige General Motors-Chefdesigner Harley Earl hätte uns sofort verstanden, schließlich war es ein Jaguar, der ihn im September 1951 während eines Sportwagenrennens in Watkins Glen zur Entwicklung der Corvette inspirierte.

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Corvette C7 Stingray: Generation 7 des Klassikers

Was danach kam, ist heute legendär. Am 17. Januar 1953 wurde in New York die erste Corvette-Generation (C1) vorgestellt. Die Corvette wurde rund um den Globus so beliebt wie Cheeseburger und Coca-Cola. Nach mittlerweile fast zwei Millionen produzierten Corvette stehen wir heute nun endlich vor der lang erwarteten, brandneuen siebten Generation.

Klack, die Motorhaube der Corvette C7 Stingray aus leichtem Karbon-Werkstoff springt auf. Unter der unscheinbaren Kunststoffabdeckung sitzt der aktuelle LT1-Achtzylinder-V-Motor mit 466 PS. Auch die neueste Version des berühmten V8-Small-Block bleibt zwar der bewährten Stoßstangen-Technik mit einer Nockenwelle und zwei Ventilen pro Zylinder treu, verfügt jedoch erstmals in einer Corvette über Benzindirekteinspritzung und Zylinderabschaltung.

Ach du Schande, eine Öko-Vette also. Keine Panik, nach dem Motorstart ist sofort klar, dass hier weiterhin ein emotionaler V8 durch den vierflutigen Klappenauspuff röchelt und brabbelt. Unterhalb von 4.000 Touren ist die Drehmomententwicklung subjektiv fast mit dem 512 PS starken LS7-Siebenliter aus der Z06 vergleichbar. Mit 630 Newtonmeter maximalem Drehmoment packt die Corvette C7 Stingray einen ähnlichen Drehmoment-Hammer wie der 512 PS starke LS7 aus (max. 637 Newtonmeter).

Sprintvorgabe der Corvette nicht gepackt

Ganz so bestialisch geht die C7 dann allerdings doch nicht, wie ein Abgleich der Elastizitätswerte zeigt. Die 437 PS starke C6 Grand Sport (0 - 100 km/h: 4,9 s, 0 - 200 km/h: 15,9 s) übertrumpft die Corvette C7 Stingray in puncto Elastizität und Beschleunigung. Ob mit Launch Control oder ohne Anfahrhilfe - die Werksangabe für den Sprint auf 100 km/h lässt sich nach sport auto-Messkriterien (voller Tank, zwei Personen) nicht erreichen.

Mit 4,5 Sekunden verfehlt die C7 also die Werksangabe um drei Zehntelsekunden. Nur aus Interesse haben wir den Beifahrer einmal aussteigen lassen und einen Beschleunigungsversuch mit relativ leerem Tank gemacht. Das Ergebnis (0 - 100 km/h: 4,3 s, 0 - 200 km/h: 14,2 s) geht natürlich nicht in die sport auto-Wertung ein. Zum Zeitpunkt der Beschleunigungsversuche kränkelte unser Vorserien-Testwagen zudem noch mit einem etwas hakeligen Getriebe.

Zusammen mit dem Porsche 911 ist die Corvette C7 Stingray eines von zwei Serienfahrzeugen, die mit manuellem Siebenganggetriebe erhältlich sind. Wer ultraschnell von Gang vier in Gang fünf hochschalten will, muss aufpassen, versehentlich nicht die Gasse von Gang sieben zu erwischen. Um so etwas zu verhindern, wurde beim manuellen Siebengang-Schaltgetriebe von Porsche eine Schaltsperre von Fahrstufe vier nach sieben installiert.

Hartplastik-Höhle der Corvette ist Geschichte

Während wir die für die schnelle Rundenzeit in Hockenheim aufgezogenen, flammneuen Michelin Pilot Super Sport-Reifen behutsam anfahren, haben wir Zeit, das neue Cockpit ein wenig unter die Lupe zu nehmen. Aus den sesselähnlichen Sitzen ohne Seitenhalt in den vergangenen Corvette-Modellen sind nun gute Sportsitze mit passablem Seitenhalt geworden. Die sogenannten "Sportschalensitze Competition" kosten 1.850 Euro Aufpreis.

Beim Anbremsen der Corvette C7 Stingray erliegt die Lehne des Beifahrersitzes nicht mehr wie in der C6 den G-Kräften und schlackert deshalb keine fünf Zentimeter nach vorn und beim Beschleunigen wieder zurück. Insgesamt ist die Schaltzentrale erstaunlich erwachsen geworden. Wertiger Kunststoff, akkurat vernähtes Leder und attraktive Karbon-Applikationen (Aufpreis 950 Euro) bestimmen den Auftritt - die Hartplastik-Höhle vergangener Tage ist Geschichte.

Porsche 911 Carrera S greift an

Doch bevor die neue Corvette C7 Stingray auf den Kleinen Kurs rausjagen kann, drängeln sich mit Porsche 911 Carrera S und Jaguar XKR-S zwei Konkurrenten vor. Nachdem der mit Siebengang-PDK ausgestattete Carrera S mit einem sauberen Launch-Control-Start schon bei der Beschleunigung die Nase leicht vor dem Ami hatte, will der schwäbische Renner jetzt sein Revier in Hockenheim verteidigen.

Sehr neutral, tolles Einlenkverhalten, kein spürbares Unter- oder Übersteuern, standfeste Stahl-Bremsanlage mit bissigem Druckpunkt und toll abgestimmtem ABS, Lenkung leichtgängig, aber sehr präzise - die Notizen auf der Testwagen-Karte des Porsche sprechen nach der schnellen Runde in Hockenheim eine eindeutige Sprache. Mit 1.11,8 Minuten legt er die Messlatte auf dem Kleinen Kurs für die Corvette C7 Stingray sehr hoch. Doch genügt das?

Verwunderlich, dass Porsche den Carrera S nicht anders konfiguriert in den Test geschickt hat. Kein 20 Millimeter tieferes Sportfahrwerk, keine leichtere PCCB-Keramikbremsanlage und kein 20-Zoll-Sport-Techno-Rad - derart ausgestattet sägte der Carrera S schon einmal in 1.10,4 Minuten um den Kleinen Kurs. In Stuttgart-Zuffenhausen sind sie sich wohl sehr sicher, den amerikanischen V8-Haudegen im Griff zu haben. Auch wenn der Elfer nicht in der sportlichsten aller Konfigurationen antritt, an die Lieblingsoption des Autors im Carrera S haben sie gedacht: "Typ 176, Sportabgasanlage". Wer Elfer fahren will, sollte dieses 2.606 Euro teure Extra stets einplanen, es lohnt sich.

550-PS-Powerplay im Jaguar XKR-S

Wem sechs Zylinder zu wenig sind und wer auf V8-Sound steht, könnte sich nicht nur mit der neuen Corvette C7 Stingray, sondern auch mit dem Jaguar XKR-S anfreunden. Vor allem mit AJ133. Als AJ133 wird der 90-Grad-Achtzylinder mit Roots-Kompressor, 550 PS sowie fünf Liter Hubraum Jaguar-intern bezeichnet.

Einmal den rot pulsierenden Startknopf drücken, schon bricht ein emotionales V8-Gewitter los. Auch ohne Launch Control tobt der Stärkste des heutigen Trios mit den schnellsten Beschleunigungswerten über die Piste und überzeugt trotz seiner immensen Muskelkraft mit ordentlicher Traktion beim Anfahren. Vorausgesetzt man provoziert die Raubkatze nicht mutwillig - ein 550-PS Hecktriebler kann bei abgeschalteten Fahrhilfen natürlich auch Nebelmaschine spielen.

Im Grenzbereich definiert sich der XKR-S beim Einlenken auf dem Kleinen Kurs zunächst über die Vorderachse. Durch sein hohes Gewicht von 1.841 Kilogramm kann er seine Tendenz zum Einlenkuntersteuern nicht verheimlichen. Den weiteren Kurvenverlauf prägt dann ein sattes, aber gut beherrschbares Leistungsübersteuern. Wer über einen digitalen Gasfuß verfügt, für den ist der Jaguar zumindest mit abgeschalteten Fahrhilfen nichts. Anspruchsvolle Sportfahrer nehmen das Duell mit dem Jag gerne auf und freuen sich, den XKR-S auf der Ideallinie fein zu dirigieren.

Jaguar kämpft mit Gewicht und Traktion

Sowohl im Alltag als auch auf der Rennstrecke überzeugt die ZF-Sechsstufen-Automatik mit schnellen Schaltzeiten und, anders als beim Porsche-PDK, ohne autonomes Hochschalten im manuellen Modus unter Volllast. Ohne mechanische oder elektronische Sperrdifferenziale kämpft das Jaguar-Coupé jedoch speziell beim Herausbeschleunigen aus engen Kurven mit starken Traktionsproblemen.

Daher liegt die Jaguar-Rundenzeit deutlich hinter dem Porsche-Wert. Mit einer Rundenzeit von 1.14,2 Minuten unterbietet der aktuelle Testwagen zumindest aber den zuletzt im Supertest (3/2012) gefahrenen XKR-S noch einmal um zwei Zehntelsekunden. Trotz des Gewichts übersteht die Bremsanlage die Belastung von vier schnellen Runden auf dem Kleinen Kurs ohne Fading.

Dank bequemen Sportsitzen, eines ruhigen Geradeauslaufs und eines sehr angenehmen Federungskomforts eignet sich der Jaguar als Mitglied im 300-km/h-Club perfekt für Langstreckenfahrten - wenn da nur nicht der hohe Verbrauch von 19,7 Liter Super Plus pro 100 Kilometer wäre.

Corvette C7 Stingray beginnt zu röhren

Raus aus dem gediegenen Brit-Sportler, rein in den hemdsärmeligen Ami-V8. Tour, Weather, Sport oder Track? Wir wählen über den Drehknopf auf der Corvette-Mittelkonsole mit dem Track-Modus das rennmäßigste aller Fahrprogramme aus. Damit wird nicht nur automatisch das ESP abgeschaltet, sondern auch die Lenkungskennlinie und die Dämpferabstimmung der Corvette C7 Stingray nachgeschärft. Zudem wird ein anderes Kennfeld der elektronischen Differenzialsperre aktiviert, und die Abgasanlage reißt nun die beiden Klappen in den äußeren Endrohren auf - aus verhaltendem V8-Brodeln wird jetzt ein inbrünstiges Röhren.

Das unterschiedlich konfigurierbare Tachometerdisplay zeigt neben Öldruck, Öltemperatur und Voltmeter jetzt auch Schaltlampen an. Wer das ESP nicht vollständig abschalten will, dem bietet die neue Basis-Vette erstmals auch die aus Z06 Performance und ZR1 bekannte, fünfstufige Traktionskontrolle namens "Performance Traction" an. ESP off, wir wollen das Fahrverhalten der Corvette C7 Stingray in seiner reinsten Form erleben. Auch wenn die neue Corvette-Generation deutlich erwachsener wirkt, ist sie im Vergleich mit Porsche und Jaguar immer noch herrlich raubeinig.

Elektromechanische Lenkung in der Corvette

Das dumpfe Anfahrbrabbeln schwillt bei einer Höchstdrehzahl von 6.600 Touren zu einem aggressiven V8-Hämmern an. Ähnlich wie in der 991-Generation bei Porsche nutzt die Corvette C7 Stingray nun auch zum ersten Mal eine elektromechanische Lenkung. Im Vergleich zu den Vorgängermodellen fallen die spürbar gesunkenen Lenkkräfte auf. Außerdem reagiert die Lenkung nicht mehr ganz so stößig wie der knochentrockene Vorgänger.

Doch gerade diese robuste Lenkarbeit hat auch ein bisschen den Charme der C6 ausgemacht. Was jetzt nicht heißen soll, die Corvette C7 Stingray ginge mit einer weichgespülten Lenkung an den Start. Anders als im Elfer und XKR-S geht es in der Vette immer noch kernig, aber mit präziser Rückmeldung zu Sache.

Neben der neuen Lenkung arbeitet in der C7 außerdem statt eines mechanischen erstmals ein elektronisches Sperrdifferenzial. Ruhig bleiben, das sorgt für gute Traktion und fühlt sich ebenso wie die Lenkung zu keinem Zeitpunkt synthetisch an.

Porsche neutral, Corvette in Wild-West-Manier

Im Vergleich zum sehr neutralen Elfer spielt die Corvette C7 Stingray noch den kantigen Wild-West-Darsteller, wenn auch nicht mehr so extrem wie in vergangenen Jahren. Nach dem präzisen Einlenkverhalten schmiert die C7 stärker als der Elfer beim Herausbeschleunigen mit dem Heck. Vom Tellerwäscher zum Millionär - dieses Motto gilt auch noch in der Corvette. Wer hier kräftig arbeitet, wird mit einer schnellen Rundenzeit belohnt. Im Elfer gelingt die schnelle Runde müheloser und erfordert weniger Lenkkorrekturen.

Wer erstmals das Cockpit der Corvette C7 Stingray entert, erblickt am Lenkrad zwei Wippen. Lenkradschaltung und manuelle Schaltung auf einmal? Nein, über die Wippen lässt sich das sogenannte "Active Rev Matching" aktivieren. Ähnlich wie beim Nissan 370Z verfügt das Corvette-Getriebe über eine automatische Zwischengasfunktion, die beim Zurückschalten vor dem Einlegen des niedrigeren Gangs einen exakt dosierten Zwischengasstoß abgibt.

Perfektes Zwischengas und Bestzeit mit der C7

Das klingt nicht nur klasse, sondern funktioniert auch perfekt. Wer sonst ohne Zwischengas fährt, den stört nun kein Bremsmoment mehr. Und die Fahrstabilität erhöht sich beim Anbremsen. Bei denjenigen, die auch sonst immer mit Zwischengas gefahren sind, werden die zwei Wippen wohl ungenutzt bleiben. Kritikpunkte handelt sich die Corvette C7 Stingray im Grenzbereich nur wenige ein. Lediglich die ABS-Regelfrequenz der Bremsanlage kommt nicht an das hohe Niveau des Porsche heran. Speziell in den welligen Anbremszonen des Kleinen Kurses kann das C7-ABS die Bodenwellen nicht gut verarbeiten.

Und wie schnell schwimmt jetzt der Stachelrochen über den Parcours? Mit einer Rundenzeit von 1.11,5 Minuten ergattert die Corvette C7 Stingray nicht nur die Bestzeit am heutigen Tag, sondern dreht ihre Runden zwei Zehntelsekunden schneller als die Z06-Version der C6-Baureihe mit Goodyear Eagle F1 Supercar-Bereifung. Corvette-Erfinder Harley Earl wäre sicherlich sehr stolz auf die C7 Stingray gewesen.

Technische Daten
Chevrolet Corvette Stingray Coupé 6.2 V8 StingrayPorsche 911 Carrera S Jaguar XKR-S R-S
Grundpreis74.500 €105.946 €129.500 €
Außenmaße4493 x 1877 x 1239 mm4491 x 1808 x 1295 mm4804 x 1892 x 1312 mm
Kofferraumvolumen287 l145 l330 l
Hubraum / Motor6162 cm³ / 8-Zylinder3800 cm³ / 6-Zylinder5000 cm³ / 8-Zylinder
Leistung343 kW / 466 PS bei 6000 U/min294 kW / 400 PS bei 7400 U/min405 kW / 550 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit290 km/h302 km/h300 km/h
0-100 km/h4,5 s4,4 s4,3 s
Verbrauch12,0 l/100 km8,7 l/100 km12,3 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten