Ford Focus RS trifft auf den Ford 17M RS
Ford-Bildungs-Werk: 1969er trifft auf 2009er

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Der rattenscharfe Ford Focus RS mit 305 Turbo-PS besitzt eine lange Ahnenreihe. Schon im sport auto-Geburtsjahr 1969 standen die Lettern R und S für ein Plus an Sportlichkeit. Dass diese vor 40 Jahren ganz anders definiert wurde, beweist die Begegnung mit dem Ford 17 M RS.

Ford Focus RS, Ford 17M RS
Foto: Rossen Gargolov

Laubfroschgrün-Metallic und ockergelb mit schwarzen Dekorstreifen und ebensolchem Dach: Einen mangelnden Mut zur Farbe kann man Ford wahrlich nicht unterstellen - gestern so wenig wie heute.

Ein selbstbewusster Auftritt gehört dazu

Wenn die Kölner einem Automodell die Lettern RS spendieren, gehört ein selbstbewusster Auftritt scheinbar wie selbstverständlich dazu. Frei nach dem Motto: Wer hat, der darf. Recht so. Wölfe im Schafspelz gibt‘s genug.

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Kritiker könnten nun einwerfen, dass die Relation aus Extrovertiertheit und Leistungsfähigkeit allenfalls beim aktuellen Ford Focus RS stimmig ist. Wer 305 Turbo-PS aus 2,5, auf fünf Zylinder verteilten Litern Hubraum sein Eigen nennt, darf völlig zu Recht glänzen und strahlen. Aber 90 PS aus zwei Liter Hubraum? Da hatte die Konkurrenz in Sachen Literleistung schon anno 1969 nicht selten mehr zu bieten.
 
1969er Ford 17M mit 90 PS
 
Stimmt. Aber mit sechs Brennräumen konnte jene nicht unbedingt aufwarten - der Ford 17 M RS hingegen schon. Und das ist nun wieder ein klarer numerischer Vorteil. Dennoch mag man dem schlanken Zweitürer mit den langen Überhängen vorn und hinten keine überbordenden sportlichen Anlagen zutrauen. Aber weil die Definition von Sportlichkeit in den vergangenen vier Jahrzehnten fraglos eine nicht minder rasante Wandlung erfahren hat wie der Fahrzeugbau selbst, dürfte die Sache so wohl in Ordnung gehen. Der zuvor gefahrene BMW 2000 tii - einst Traum vieler schlafloser Nächte - ist aus heutiger Sicht auch nicht wirklich ein Ausbund an Temperament.
 
Wenngleich - wie bemerkte unser einstiges Schwesterblatt mot in Ausgabe 13/1968: "Für ihren Hubraum sind die (Ford-) Motoren nicht die stärksten, und über der sehr zivilen Drehzahl von zirka 5.800 U/min bieten sie keine nutzbaren Drehzahlreserven mehr." Vielleicht hat das Werk dem historischen Boliden deshalb nachträglich ein wenig auf die Sprünge geholfen. Der 17 M RS mit der Kennung K-FK 81 H darf inzwischen nämlich auf ein nicht näher beziffertes Plus an Hubraum und in der Folge rund 110 PS zugreifen.
 
So gerüstet hinterlässt das fünfsitzige Coupé einen durchaus munteren Eindruck. Sicher - die hintere, blattgefederte Starrachse, die den Kollegen schon 1968 nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein schien, mutet aus heutiger Sicht schon sehr betagt an. Aufgrund der beim 17 M RS serienmäßigen härteren Feder-/Dämpferabstimmung geht das Fahrverhalten insgesamt jedoch absolut in Ordnung.
 
Ein zackig-agiles Einlenken, wie es der anno 2009 präsentierte frontgetriebene Focus RS vorexerziert, war vor 40 Jahren noch nicht einmal bei Sportwagen der absoluten Top-Kategorie selbstverständlich. Das Einmaleins der Fahrwerkstechnik, wie sie im aktuellen RS-Modell mit Revo-Vorderachse zum Einsatz kommt, wollte eben erst einmal entwickelt und gelernt sein. Nicht ohne Grund gingen Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre die Mehrzahl der Autos mit Hinterradantrieb an den Start. Die gleichzeitige Übertragung von Lenk- und Antriebskräften mochten die Ingenieure einer Achse damals nur ungern zumuten.
 
Zur Gänze ein Kind seiner Zeit
 
Ergo leitete auch der Ford 17 M RS seine maximal möglichen 155 Newtonmeter Drehmoment via manuellem Vierganggetriebe an die Hinterachse weiter. Diesbezüglich war er zur Gänze ein Kind seiner Zeit. Für seine heute erfrischend anders anmutende Formensprache erntete der 17 M einst hingegen unverhohlene Kritik: "nicht überzeugend im Stil" und "größer als das Vormodell, in einer Zeit, in der wieder mal der Wunsch nach kompakten Wagen viel diskutiert wird", lauteten die damaligen Negativschlagzeilen. Wie sich die Zeiten doch gleichen.
 
Derlei Schimpf und Schande wurde dem aktuellen RS-Modell bei seinem Debüt nicht zuteil - im Gegenteil. Der Run auf die limitierte Kleinserie war groß. Inzwischen gilt der 305 PS starke mit einer mechanischen Differenzialsperre versehene Kompakt-Sportler als ausverkauft. Angesichts des vergleichsweise moderaten Grundpreises von 34.900 Euro erstaunt das nicht wirklich. Hat doch der Focus RS sowohl im sport auto-Test (Hier geht es zum Einzeltest Ford Focus RS) als auch im Supertest (Hier geht es zum Supertest Ford Focus RS) seine exzellenten sportlichen Anlagen unter Beweis gestellt. Im Verlauf der Entwicklung von 22 RS-Modellen in 40 Jahren scheinen die Kölner ihre Lektion gründlich gelernt zu haben.
 
Komfort ging 69 klar vor Sportlichkeit
 
Dabei ist der Ford Focus RS kein Stück weniger emotional als der 17 M RS der späten sechziger Jahre. Wahrscheinlich ist gar das Gegenteil der Fall. Ohne die Befindlichkeiten und Ansprüche der damaligen sportlich orientierten Fahrerklientel wirklich einschätzen zu können, scheint die Behauptung erlaubt, dass die frühen RS-Modelle eher der optischen Differenzierung denn der Hardcore- Zeitenhatz verpflichtet waren. Komfort ging anno 69 im Limousinen-Segment klar vor Sportlichkeit. Beim aktuellen Focus RS ist das nicht der Fall.
 
Wer sich für das Topmodell der Kölner Kompaktbaureihe entscheidet, muss wissen, dass er ein gewisses Maß an Komforteinbußen im Alltag und einen gesunden Durst des Sparringpartners in Kauf zu nehmen hat. Von nichts kommt eben nichts. Dafür lenkt das Heck des 4,40 Meter langen Zweitürers willig mit, und die Traktion geht trotz des mit 305 PS und 440 Newtonmeter Drehmoment an der Vorderachse zerrenden Turbo-Triebwerks voll in Ordnung.
 
Einen Ausflug auf die Nürburgring Nordschleife, der dem Focus RS maßgerecht aufs froschgrüne Kleid geschneidert ist, hat man im Ford 17 M RS demnach eher nicht auf der Platte. Das genussvolle Cruisen auf Eifeler Landstraßen im ockergelben RS-Erstlingswerk von ‘69 macht aber kaum weniger Laune.

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Technische Daten
Ford Focus RS
Grundpreis35.900 €
Außenmaße4402 x 1842 x 1497 mm
Kofferraumvolumen385 l
Hubraum / Motor2521 cm³ / 5-Zylinder
Leistung224 kW / 305 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit263 km/h
0-100 km/h6,1 s
Verbrauch9,4 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten