Großer Allrad-Vergleichstest bei Schnee und Nässe
Zehn Autos mit 3609 PS im Test

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Es gibt schlimmeres als mit 3.609 PS im Schnee spielen zu dürfen. Sinn oder Unsinn? Wahrscheinlich eher Letzteres. In jedem Fall aber ein höchst wirksames Mittel gegen jede Art von Winter-Depression - der große Allradvergleichstest. 

Gruppenbild, Seitenansicht
Foto: Rossen Gargolov

Pulver, Kälte, prickelnde Champagner-Luft? Von wegen. Nicht hier, nicht heute. Die Berge in und um St. Michael im Lungau verhüllen ihre runden Häupter. Die Luft ist feucht, schwer und für die Jahreszeit eigentlich viel zu warm. Ideale Bedingungen für einen Allradvergleichstest sehen anders aus.

Aber - die verlässlich eisigen Weiten Finnlands sind fern und das Teilnehmerfeld ebenso wie die Mannschaft vollzählig angetreten. Da gibt es kein zurück - Wasser-Wannen und patziger Schnee hin oder her. Unterm Strich sind die Bedingungen ja auch ohnehin wieder für alle gleich. Da müssen wir nun durch, alle miteinander und im wahrsten Sinne des Wortes. Alle - das sind das sport auto-Test-Team, etliche Fahrer, der Fotograf und zehn verschiedene Allradmodelle neun verschiedener Hersteller.

Unsere Highlights

Mini Cooper S Countryman ist Schnellster

Die von 184 bis 575 PS reichende Leistungsskala führt von unten betrachtet der Mini Cooper S Countryman an. Der erste Mini mit Allradantrieb, der - von seinem 1,6-Liter-Turbo-Motörchen einmal abgesehen - anders als der Name vermuten lässt, alles andere als klein ist. Mit über vier Metern Länge, knapp 1,80 Meter Breite und einer stattlichen Höhe von 1,56 Meter geht er fraglos als eher stattliche Interpretation der Mini-Idee durch. Eine manuelle Sperre hat der mit immerhin 260 Newtonmeter Drehmoment gesegnete Allradler deutsch-britischer Herkunft nicht an Bord. Der Aufbau seines Vierradantriebs entspricht eins zu eins dem des heute gleichfalls angetretenen größeren Bruders mit der Niere im Kühlergrill, dem BMW 650i xDrive.
 
Die Kräfte werden hier wie da permanent und variabel an alle vier Räder abgegeben. Für die Kraftverteilung zeichnet ein Mittendifferenzial mit elektronisch geregelter Lamellenkupplung verantwortlich. Der Vierzylinder-Turbo des Countryman ist an ein manuelles Sechsganggetriebe, der 407 PS starke Biturbo-V8 des BMW an eine Achtgang-Automatik gekoppelt. DSC ist in beiden Fällen an Bord, auf Knopfdruck jedoch abschaltbar.

Allradvergleichstest auf Schnee und Nässe

Aber beginnen wir mit dem Zwerg, der keiner ist. Die Zeit ist reif, der 1,5 Kilometer lange, von engen Kehren und zwei schnelleren Passagen gekennzeichnete Kurs präpariert. DSC darf nicht mitspielen. Dass der 184-PS-Motor den immerhin 1.455 Kilogramm schweren Viersitzer etwas weniger zügig auf Touren bringt als den rund 250 Kilo leichteren frontgetriebenen Standard-Mini, spielt auf diesem Terrain keine nennenswerte Rolle. Hier zählt Traktion. Und die hat der Countryman All4 im Übermaß.
 
Den Allradler aus Oxford bringt auf winterlichem Untergrund so schnell nichts aus der Ruhe. Eisplatten ebenso wenig wie wässrig-weicher Schnee. Der Viertürer mit den weit aufgerissenen, Chrom-umrundeten Kulleraugen ist denkbar leicht zu fahren, reagiert gut auf Lenkbefehle und ist schlussendlich - man höre und staune - mit einer Zeit von schlanken 1.53,1 Minuten auf diesem Kurs das schnellste Auto. So relativ kann Leistung sein. Erst beim einige Tage später im auf dem Dunlop-Test-Center in Wittlich angesetzten Nass-Handling muss er seinem mit 7,9 Kilogramm pro PS vergleichsweise stattlichem Leistungsgewicht Tribut zollen. Mit 1.37,3 Minuten sichert sich der sehr stabile und über eine gut führende Vorderachse sowie eine auch auf Nässe exzellent verzögernde Bremse verfügende Mini in dieser Disziplin nurmehr den sechsten Rang.

BMW 650i xDrive mit losem Heck

Und der große Bruder aus dem Hause BMW? Wie ist es um das Traktionsvermögen des schicken 1,93-Tonnen-Coupés bestellt? Nicht schlecht, aber auch nicht ganz so gut wie beim Mini Countryman. In dem gediegenen, mit 407 PS gesegneten Umfeld ist eine gewisse Zurückhaltung am Gaspedal gefragt, wenn das etwas lose Heck nicht zur Unzeit den Ausbruch proben soll. Zudem geht die Lenkung des 650i xDrive deutlich indirekter zu Werke als jene des Mini Countryman. Unterm Strich notiert das Messprotokoll für das BMW Coupé eine Zeit von 1.57,9 Minuten auf dem verschneiten Rundkurs. Platz sechs im Gesamtklassement. Auf dem Nasshandlingkurs kann sich der Dunlop SP Winter Sport-bereifte Bajuware mit einer Zeit von 1.36,6 Minuten hingegen etwas besser in Szene setzen als sein mit Pirelli Sottozero-Pneus angetretener kleiner Bruder. Hier fehlen dem sich stark zur Weite neigenden Mini dann doch ein paar Pferdestärken.

Range Rover Evoque mit Diesel-Power

Die zweite auffallende und im direkten Vergleich eher untermotorisiert anmutende Erscheinung im Feld der leistungsstarken Limousinen ist der Range Rover Evoque 2.2 SD4. Die aufregend neue Interpretation des SUV-Gedankens tritt als einziger Kandidat im Feld mit Dieselmotor an. Das 2,2 Liter große Turbo-Triebwerk leistet 190 Pferdestärken und stemmt bei Bedarf bis zu 420 Newtonmeter Drehmoment auf die Kurbelwelle. Mit den sich nach und nach bildenden Wasserpfützen hat der kleine Range aufgrund seiner Bauhöhe naturgemäß am wenigsten Mühe. Und 1.670 Kilo Gewicht gehen in dieser Wagenklasse auch in Ordnung.
 
Tatsächlich sichert sich das zweitschwächste Auto des Vergleichs dann auch den zweiten Platz auf dem Schnee-Oval: Mit 1.55,4 Minuten ist der überaus smarte Range sogar zwei Zehntelsekunden schneller unterwegs als der gleichfalls mit makelloser Traktion und einer vergleichsweise indirekten Lenkung aufwartende Audi RS3 Sportback, der auf Schnee Drittplatzierte der munteren Allradriege.

Audi RS3 Sportback fordert Lenkarbeit

Bis die vom Audi dank quattro-Antrieb erzielte Rundenzeit von 1.55,6 Minuten im Kasten ist, ist jedoch ein gerüttelt Maß an Lenkarbeit gefragt. Zum einen reagiert der Viertürer nicht wirklich direkt auf Lenkbefehle, zum anderen will die schlichte Kompaktkarossere in Bewegung gehalten werden, wenn präzises Umsetzen gefragt ist. Ohne vorheriges Anpendeln geht der Audi nur äußerst unwillig ums Eck. Eine gewisse Bockigkeit bei harmonisch-runder Fahrweise ist dem bayerischen Kompakten, dessen Vorderachse bevorzugt geradeaus will, demnach nicht abzusprechen. Die interessante Wahl des Reifenformats mag daran nicht ganz unschuldig sein: Vorn messen die Laufflächen der auch über ein beeindruckend hohes Grip-Niveau verfügenden Dunlop SP Winter Sport-Pneus 235, hinten 225 Millimeter. Den Nasshandling-Kurs in Wittlich umrundet der auch hier leicht untersteuernd zu Werke gehende, hinten aber super stabile und mit einer sehr feinen ABS-Regelung ausgestattete Audi in 1.37,1 Minuten.

Mercedes CLS 500 mit guter Traktion

Nur der ebenfalls überaus verlässlich in der Spur bleibende, Conti Winter Contactbereifte Mercedes CLS 500 4Matic kam mit einer Rundenzeit von 1.35,9 Minuten auf Nässe bis auf eine Zehntelsekunde heran und mit einem grundsätzlich ähnlichen Fahrverhalten auf Schnee - super Traktion, leichte Untersteuerneigung, stabiles Heck - auch hier nur knapp hinter dem Audi ins Ziel.

Porsche Panamera GTS macht am meisten Spaß

Seine Rundenzeit von 1.56,5 Minuten teilt sich der 408 PS starke Mercedes mit einem Auto, das vom Fahrverhalten her unterschiedlicher nicht sein könnte - dem Porsche Panamera GTS. Der 430 PS starke Beinahe-Zweitonner hängt sein rundliches Heck schon beim Einlenken heraus und macht, da er sich gleichsam mit dem Gaspedal lenken lässt, mit Abstand am meisten Spaß im Schnee. Eine gewisse Expertise am Lenkrad sollten Porsche-Fahrer, die es bei niedrigen Reibwerten ohne PSM krachen lassen wollen, indes schon mitbringen. Das deutliche mitlenkende Heck war auch im Nasshandling ein Thema und erklärt die halbe Sekunde, die der Porsche auf diesem Terrain auf das deutlich stoischer zu Werke gehende Mercedes Coupé verliert. Dafür war der Panamera GTS als einziger Kandidat des Tests auf Nässe mit PSM schneller als ohne. Das spricht für die exzellente Regelgüte des Systems.

Subaru WRX STi kann nicht Herausstechen

Gänzlich anderen Charakters als der Heck-agile Porsche präsentiert sich der Subaru Impreza WRX STi. Mit überaus stabilem Heck, aber auch stark untersteuernd und trotz der auf anderen Autos klaglos funktionierenden Dunlop-Pneus mit überraschend geringer Führung an der Vorderachse versehen, kann der als einziges Auto im Test über ein manuell regelbares Visco-Mittendifferenzial verfügende Rallye-Basissportler sich weder auf Nässe noch auf Eis und Schnee beeindruckend in Szene setzen. Auf letztgenanntem Terrain rangiert er mit einer Rundenzeit von 1.58,5 Minuten gar noch knapp hinter dem zweiten Audi im Test, dem 1.58,1 Minuten schnellen Audi RS5.

Audi RS5 gibt die beste Rückmeldung

Das rund 106.000 Euro teure Coupé liefert seinem Fahrer hier wie auch auf dem Nasshandling-Parcours, wo es sich mit 1.35,8 Minuten die Bestzeit sichert, das mit Abstand beste Feedback über die Lenkung. Auch die Balance des 1,8-Tonners könnte besser nicht sein. Dass der hochdrehende 4,2-Liter-V8-Sauger perfekt am Gas hängt, scheint da fast müßig zu erwähnen.

Bentley Continental GTC drückt und schiebt

Und die beiden verbleibenden Autos im Test, der Opel Insignia OPC und der Bentley Continental GTC? Spielen - so leid es tut - zeitlich in einer anderen Liga. Beim dem 2,5 Tonnen schweren Luxus-Cabriolet war das vielleicht nicht anders zu erwarten. Zwar reagiert der Brite sehr feinfühlig auf Lenkbefehle, aber wenn das Heck vom 575 PS starken Biturbo-V12 inspiriert erst einmal ins Rutschen kommt, drückt es aufgrund der stattlichen Masse stärker, als einer präzisen Kursfindung gut tut. Das kostet Zeit. Auf Nässe ist der Bentley noch weniger einzuschätzen: Er drückt und schiebt, wie es ihm gefällt und nervt zudem mit nicht wirklich in das edle Umfeld passenden, hörbaren ABS-Eingriffen. Unterm Strich bleibt dem Edel-Cabrio mit einer Rundenzeit von 1.40,2 Minuten in Wittlich auf Nässe daher nur die rote Laterne.

Opel Insignia OPC ist der Schnee-Tänzer

Auf Schnee verdient sich jene der Opel Insignia OPC. Während der Rüsselsheimer auf dem Nasshandlingkurs stets die Flucht nach vorn antritt und beharrlich über die Vorderachse nach außen schiebt, gibt die über 1,8 Tonnen schwere Sechszylinder-Limo auf Eis und Schnee den Tänzer: Die Beweglichkeit um die Fahrzeughochachse ist nirgendwo ausgeprägter als in dem 325 PS starken OPC-Modell. Zwar lässt sich der Insignia aufgrund des sanft nach außen drängenden Hecks vorbildlich mit dem Gas dirigieren, wirklich schnell gerät die Fahrt auf dem verschneiten Oval mit 2.03,6 Minuten jedoch schon deshalb nicht, weil der Opel für seinen Fahrer weniger gut zu spüren ist als die Autos der Konkurrenz. Und ein gutes Gefühl - das lehrt das Leben - ist immer dann, wenn es eng zu werden droht, die halbe Miete.

Allrad-Test, Rundenzeiten im Vergleich
FahrzeugRundenzeit SchneeRundenzeit Nass
Audi RS3 Sportback 1.55,61.37,1
Audi RS5 Coupé1.58,11.35,8
Bentley Continental GTC2.02,71.40,2
BMW 650i Coupé xDrive 1.57,91.36,6
Land Rover Evoque 2.2 SD41.55,41.42,5
Mercedes CLS 500 4Matic1.56,51.35,9
Mini Cooper S Countryman All41.53,11.37,3
Opel Insignia OPC2.03,61.38,1
Porsche Panamera GTS1.56,51.36,4
Subaru Impreza WRX STi1.58,51.37,9
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten