Kompakte von BMW, Opel, Seat und VW im Test
Von wegen Diesel ist unsportlich

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Nach dem furiosen GTI-Debüt nun also die Diesel-Variante: Der VW Golf GTD steigt in den Ring der 180 PS-plus-Recken. Allerdings wissen sich BMW 120d, Opel Astra GTC Biturbo CDTI und Seat León FR 2.0 TDI durchaus zu wehren – und verstehen es zu faszinieren.

BMW 120d, Opel Astra GTC Biturbo CDTI, Seat Leon FR 2.0 TDI, VW Golf GTD, Front
Foto: Rossen Gargolov

Ob Audi, BMW oder sonst wer – so siegreich sie auch mit einem Diesel-Renner im Motorsport gewesen sein mögen, der Image-Durchbruch des Selbstzünders als Sportmotor lässt weiter auf sich warten. Doch da draußen ist ja sowieso mehr A 8 als Le Mans, mehr B 27 als Spa Francorchamps, mehr L 1212 als Nordschleife.

Opel Astra GTC Biturbo CDTI kratzt an der 200 PS-Marke

Genau dort öffnet sich der Vorhang für kompakte Dieselkracher wie den soeben aus der Entwicklungsabteilung ins Rampenlicht geschobenen VW Golf GTD, den Blutsbruder Seat León FR TDI, den frisch motorisierten Opel Astra GTC Biturbo CDTI sowie den etablierten BMW 120d.

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Unter 184 PS und einem maximalen Drehmoment von 380 Newtonmeter traut sich keiner der vier Kandidaten in den Ring, der Opel presst dank zwei Turboladern sogar 195 PS und 400 Nm aus den Brennräumen. Noch mal zur Erinnerung: Diese Kraftwerke stecken in handelsüblichen Kompaktwagen.

Im Falle des Golf muss der Zweiliter-Motor 1.421 Kilogramm wuppen, dem Testwagen quellen schließlich jede Menge Extras aus den Fugen. Serienmäßig dagegen sind die Sportsitze mit dem charakteristischen, karierten StoffÜberwurf. Wie schon im Benzin-befeuerten GTI bieten sie wohl jedem Fahrerrücken die bestmögliche Unterstützung, sei es durch die straffe Polsterung oder die kräftigen Flanken.

Na dann, auf geht's: Kupplung treten - kein DSG! -, Startknopf drücken, Stille. Fast zumindest, denn der Common-Rail-Motor arbeitet äußerst zurückhaltend, erhebt erst im Sport-Modus seine tief knurrende Stimme, die ihm allerdings ein Klanggenerator über die Windschutzscheibe einspielt.

VW-Motor ist kultivierter als der BMW-Diesel

Alles Lug und Trug also? Nein, denn das Fahrerlebnis selbst ist echt - echt gut. Bereits ab 1.500/min packt der Vierzylinder zu, erreicht bei 1.750/min seinen Drehmoment-Gipfel, verweilt dort bis über 3.000/min und dreht dann gerne noch weiter. Ab 4.000 Touren wird’s dann etwas zäh, der TDI predigt so den klassisch-niedrigtourigen Diesel-Fahrstil. Ja und? In gerade einmal 7,4 Sekunden - ein Zehntel schneller als die Werksangabe - sprintet der VW von null auf 100 km/h. Okay, langsamer beschleunigt eigentlich nur noch der Opel, und zwar deutlich (8,6 s).

Und als die Durchzugskraft verteilt wurde, hat der Golf wohl auch ein wenig getrödelt, denn hier muss er ebenfalls den Seat und den BMW ziehen lassen. Warum? Weil der Spanier immerhin 49 Kilo weniger wiegt und der BMW dank der Achtstufenautomatik die geschicktere Übersetzung verfügt. Dem Astra GTC nützt die geballte Kraft nichts, denn er wiegt stolze 1.574 Kilogramm – satte 202 kg mehr als der leichte León.

Erst beim morgendlichen Ausflug über den Kleinen Kurs von Hockenheim nimmt der Golf den Frühsport ernst. Er lenkt agil ein, die progressiv arbeitende Lenkung mit direkterer Übersetzung als im Standard-Golf (2,1 statt 2,75 Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag) vermittelt eine gute Rückmeldung bei alltagstauglichen Haltekräften. Sein leichtes Untersteuern lässt sich mit der milden Lastwechselreaktion kaschieren, das nicht komplett deaktivierbare ESP hält sich bei einem sauberen Strich weitgehend raus.

VW Golf GTD bräuchte eine Differenzialsperre

Einzig beim Herausbeschleunigen aus engen Ecken findet die Traktion ein pfeifendes Ende – wer bräuchte die mechanische Sperre des GTI, wenn nicht der bärige GTD? Dennoch fräst er sich in flotten 1.21,1 Minuten über die Rennstrecke.

Wie gesagt, das bedeutet noch längst nicht alles, deutet jedoch an, welche Freude der Golf im Alltag bietet. Denn neben dem dynamischen Handling lässt er sich jederzeit leicht beherrschen, gibt dem Fahrer nicht nur über die Lenkung, sondern auch mittels des leicht schaltbaren und passend gestuften Sechsganggetriebes jederzeit das Gefühl, der Chef im Ring zu sein. Und wenn mal nicht der Boss, sondern der Gentleman gefordert ist, federt der Volkswagen auch noch ganz ordentlich, ohne aber seine straffe Grundabstimmung je zu leugnen – dank des 1.000 Euro teuren Options-Fahrwerks.

Der erheblich günstigere Konzernbruder Seat León FR leistet sich bei der Verarbeitung ebenfalls keinen Ausrutscher, wirkt sehr steif und solide, aber eben nicht ganz so edel. Zudem packen seine Sportsitze nicht so innig zu. Doch die Ergonomie stimmt, die Instrumente lassen sich ordentlich ablesen.

Seat León FR und VW Golf GTD mit identischem Motor

Beim Antrieb unterscheiden sich die beiden dann wiederum in etwa so stark wie der Inhalt einer Packung Eier. Obwohl der stärkste Vertreter der EA288-TDI-Generation mit einem Einspritzdruck von 2.000 statt 1.800 bar arbeitet, läuft er sehr kultiviert. Einzig die Drehfreude hat er nicht erfunden, verhilft dennoch dem León zu Fahrleistungen, an denen sich die meisten zwischen A 8, B 27 und L 1212 die Zylinderkopfdichtung ausbeißen – speziell bei den Zwischenspurts.

Dort dürfte es auch weniger ins Gewicht fallen, dass der 17-Zoll bereifte Seat (Golf: 18 Zoll) spürbar stärker über die Vorderräder schiebt und sich deutlich früher vom ESP bevormunden lässt. Das insgesamt niedrigste Gripniveau mündet zudem in der langsamsten Geschwindigkeit im Slalom, woran die zwar direkte, aber auch synthetische Lenkung zumindest eine Mitschuld zugesprochen kommt.

Das bleibt alles natürlich nicht ohne Folgen beim Ausflug auf die Rennstrecke, wo der León keinen Nutzen aus seinem Gewichtsvorteil ziehen kann. Zu ausgeprägt das Untersteuern, zu müde die Reaktionen auf Lastwechsel, zu früh erfolgende Regeleingriffe – ein etwas überlegterer Griff in den Schuhschrank hätte ein anderes Ergebnis herbeiführen können. Dafür federt der Seat manierlich, auch ohne teure Adaptiv-Dämpfer. Dumm nur, dass es dafür eben keine Punkte gibt. Dennoch schürt der muntere und leichtfüßige Auftritt des Spaniers die Vorfreude auf einen etwas geschickter konfigurierten Testwagen.

Astra-Hülle scheint aus dem vollen Stahlblock gefräst

Opel jedenfalls schickt nicht ohne Grund die zweitürige GTC-Variante des Astra, denn im Gegensatz zum Viertürer stecken unter ihrem Vorderwagen eine sogenannte Hiperstrut-Aufhängung. Deren größerer Nachlaufwinkel und die verringerte Spreizung erlauben den Rädern, sich beim Einlenken oben weiter nach innen zu neigen. Zusätzlich sollen die Antriebseinflüsse minimiert werden.

Und tatsächlich: Ginge es nach dem Astra, wären ab sofort sämtliche Geraden aus den Straßenbauplänen dieser Welt gestrichen. Er lenkt herrlich präzise ein, bleibt lange neutral, bevor auch er sich in sicheres Untersteuern flüchtet. Dann hilft dem GTC jedoch ein Lupfer am Gas wieder auf Kurs, der sich wiederum mittels der linearen und direkten Lenkung sauber halten lässt.

In dieser Welt, die nur aus Kurven besteht, dürfte Opel dem Astra gerne die hervorragenden Sitze in die gute Stube stellen, die beispielsweise in den OPC-Varianten stecken. Den im Testwagen montierten Möbeln fehlte es jedenfalls an Seitenhalt und Oberschenkelauflage – und dem Motor an Biss und Emotionen. Der antrittstarke Vierzylinder mit Registeraufladung (ab 3.000/min arbeitet der größere Lader allein) klingt jedenfalls so prickelnd, wie ein lauwarmes Binding schmeckt. Und er müht sich redlich, jedoch vergebens mit der offenbar aus dem vollen Stahlblock gefrästen Astra-Hülle.

BMW 120d feiert Sex-Pistols-Konzert unter der langen Haube

Für den Klang wird zwar auch dem BMW-Zweiliter (1.800 bar Einspritzdruck) kein Emmy verliehen, schon gar nicht für das Kaltstartnageln, doch das 184-PS-Aggregat widerlegt das Vorurteil vom drehfaulen Selbstzünder. Okay, auch bei ihm fällt ab 5.000/min der Vorhang. Doch immerhin, bis dahin geht es unter der langen Haube zu wie weiland bei einem Sex-Pistols-Konzert – beste Beschleunigungs-und Elastizitätswerte im Vergleichstest.

Dem steht auch die Achtstufen-Automatik nicht im Weg, ganz im Gegenteil: Durch die enge Spreizung und die Fingerschnipp-artigen Gangwechsel im S-Modus trägt sie sogar entscheidend dazu bei. Selbst auf der Rennstrecke erweist sich die Übersetzung als treffsicher, hinzu kommt noch das auffallend agil abgestimmte Fahrwerk des estorilblauen Testwagens. Geradezu intuitives Einlenken, kein Eingangsuntersteuern, dafür unter Last und beim Anbremsen sogar leichte Heckschwenks – das hatte bislang noch kein Einser der F20-Generation drauf.

Und weil überdies der Fahrer nahezu perfekte Arbeitsbedingungen – mag sein, dass die Sportsitze für den einen oder anderen etwas zu schmal geschnitten sind – vorfindet, wundern die Bestzeiten auf dem Kleinen Kurs sowie beim Slalom nun wirklich niemanden mehr. Die konsequenteste Bremsleistung macht den Sieg perfekt.

Seat ist Verbrauchskönig mit 7,9 Liter pro 100 Kilometer im Schnitt

Ach ja, dann wäre da noch der Verbrauch, der ja durchaus ebenfalls zum Fahrspaß beitragen kann. Opel: 10,7 L/100 km, Seat: 7,9, VW: 8,6. Und der BMW? 8,3 L/100 km. Spätestens jetzt spielt das schale Diesel-Image überhaupt keine Rolle mehr.

Technische Daten
BMW 120d Opel Astra GTC 2.0 CDTI BiTurbo BiTurboSeat Leon SC 2.0 TDI FRVW Golf GTD GTD
Grundpreis31.500 €29.990 €27.870 €31.600 €
Außenmaße4324 x 1765 x 1421 mm4466 x 1840 x 1489 mm4236 x 1810 x 1431 mm4268 x 1799 x 1442 mm
Kofferraumvolumen360 bis 1200 l380 bis 1165 l380 bis 1150 l380 bis 1270 l
Hubraum / Motor1995 cm³ / 4-Zylinder1956 cm³ / 4-Zylinder1968 cm³ / 4-Zylinder1968 cm³ / 4-Zylinder
Leistung135 kW / 184 PS bei 4000 U/min143 kW / 195 PS bei 4000 U/min135 kW / 184 PS bei 4000 U/min135 kW / 184 PS bei 3500 U/min
Höchstgeschwindigkeit228 km/h225 km/h228 km/h230 km/h
0-100 km/h7,2 s8,6 s7,3 s7,5 s
Verbrauch4,4 l/100 km4,9 l/100 km4,5 l/100 km4,2 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten