Test: Maserati Gran Turismo S vs. Mercedes E 500 Coupé
Achtzylinder-Duell zwischen GT und Coupé

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Mercedes und Maserati im Test - Der eine mag‘s gern etwas flippig und extrovertiert wie im Maserati Gran Turismo S, der andere doch eher bodenständig und gesittet, wie beim Mercedes E 500 Coupé. Jedoch gehen die Unterschiede der beiden V8-Prachtstücke weit über ihre Optik hinaus.

Mercedes-Benz E 500 Coupé, Maserati Gran Turismo S
Foto: Rossen Gargolov

Auf großer Fahrt im feinen Zwirn. Zwar nicht gleich der ganzen Welt entrückt, aber sicherlich doch ein gutes Stück dem lästigen Alltag. Test im automobilen Hochadel mit sportlicher Note und komfortablem Charme. Sicherlich kein gerade billiges Vergnügen. Aber das ist das Ende der Geschichte. Der Anfang ist ein anderer: Maserati Gran Turismo S und Mercedes E 500 Coupé - dem Anschein nach zwei wohl situierte Gleiter einerseits, mit nicht zu unterschätzendem sportlichen Anspruch andererseits.

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GT kontra Coupé mit Achtzylinder
 
Hier ein GT, dort ein Coupé - lange Zeit eine Glaubensfrage. Nun verschwimmen diese Definitionen irgendwo zwischen Emilia Romagna und Schwäbischer Alb. Dies- und jenseits der Alpen treiben voluminöse V8-Herzen fließende Silhouetten voran. Je zwei wuchtige Portale der Testkandidaten öffnen den Zutritt in die großzügig verglasten, maßvoll knapp geschnittenen Hallen. wobei sich der Maserati Gran Turismo S wie auch das Mercedes E 500 Coupé die erfreuliche Ehre geben, den im Fond sitzenden Passagieren doch tatsächlich ein ausreichendes Maß an Platz zu bieten.
 
In beiden Fällen laden zwei vollwertige Rücksitze zur Fahrfreude für vier. Wer sich demnach erstmal nach hinten durchgefädelt hat, kann sich mit den Gegebenheiten durchaus praktikabel arrangieren. Und zwar ohne den Beigeschmack, dass sich das vordere Führungsduo die Knie im Cockpit wund wetzt. Dann scheint es mit den Gemeinsamkeiten allerdings auch schon vorbei zu sein.
 
Deutsche Wertarbeit kontra italienischem Chic
 
Solide, klar strukturiert und gleichsam wertig konstruiert reckt das Mercedes E 500 Coupé seinem Test-Fahrer einen stämmigen Instrumententräger in den Blick. Kein überzogener Firlefanz und ergonomisch perfekt umgesetzt wird im Mercedes die Bedienung keinesfalls zum Zufallstreffer. Der Maserati Gran Turismo hingegen legt schon deutlich mehr Wert auf italienischen Chic. Manch ein Knöpfchen ist ganz gut versteckt. Große Rätsel gibt der Innenraum letztlich aber auch nicht auf.
 
Allerdings geht bezüglich der Ergonomie der Spagat zwischen GT und Coupé schon deutlich auseinander. Ob sich beim gefühlten Sitzkomfort die Farbe Rot wohlwollend auf die Psyche auswirkt, ist nicht erwiesen. Jedenfalls schmiegt sich das farbkräftige Mercedes-Gestühl auch bei geschlossenen Augen vorzüglich um die Statur des Fahrers. Maßvoll gepolstert, mit einer angenehm langen Schenkelauflage gesegnet und einer wohl dosierten Seitenführung ausgestattet, verdienen sich die Mercedes-Sitze absolute Bestnoten. Und dies gilt nicht nur bezüglich des Langstreckenkomforts, sondern auch unter sportlichen Gesichtspunkten. Dem Italiener fehlen hier etwas die Mittel. So grau wie die Innenausstattung, so trist wirkt im direkten Vergleich auch der Sitzkomfort. Straff gepolstert und mit deutlich weniger Seitenführung ausstaffiert gibt sich der Maserati Gran Turismo S zunächst bei weitem nicht so einladend wie das Mercedes E500 Coupé.
 
Ein Sportler wie er im Buche steht
 
Die Welt des Maserati ist schlichtweg eine andere. Rauer, puristischer und vehementer geht der Italo-Schönling ans Werk. Allein seine Anwesenheit ist in der Lage, Jubelstürme zu entfachen. Der Ausdruckskraft des gefräßigen Kühlermauls, der schlanken Taille und der rubenshaften Kotflügel kann sich keiner entziehen. Ebenso wenig wie dem großzügig ausgebreiteten Klangteppich des 4,7 Liter großen V8-Triebwerks. Der in seinen Ursprüngen von Ferrari stammende Vierventiler macht bereits akustisch keinen Hehl aus seiner Stoßrichtung: Ein Sportler wie er im Buche steht, der große Töne spuckt und die hohe Trittfrequenz liebt. Zwischen 4.000 und 7.000 Touren kommt nachhaltig Leben in die Bude - standesgemäßer Vortrieb für nicht wirklich standesgemäße 1.960 Kilogramm. Gekoppelt sind die lebensbejahenden 440 PS mit einem Sechsgang-Wandlergetriebe, das auch via Paddelshift befehligt werden kann. Allerdings trübt die mäßig glatte Schaltarbeit den sonst so sportlichen Eindruck. Erst mit Verzug schreiten die Schaltstufen zur Tat, und dann unelegant zuschnappend.
 
Ein Gebaren, von dem sich der Mercedes gänzlich distanziert. Er wirkt wie eine Festung. Grundsolide. Über alle Zweifel erhaben. Keine kurze Querfuge bringt seine Karosserie zum Erzittern. Dabei wiegt er mit 1.742 Kilogramm auch noch über 200 Kilo weniger als der Maserati. Unaufgeregt, lässig und geschmeidig stellt er sich jeder alltäglichen Aufgabe. Die Siebengang-Automatik geht ebenso verschliffen wie zügig zu Werke. Überdies sind die gebotenen 5,5 Liter Hubraum dazu geeignet, auf manuellen Betrieb umzustellen, da sie auch im vermeintlich zu hohen Gang noch ordentlich Vortrieb zu generieren. Womit erklärt wäre, warum das E Coupé trotz seines nominellen Leistungsdefizits den schwereren Maserati längsdynamisch nicht zu fürchten braucht.
 
Der Mercedes ist Herr der Lage
 
Sowohl bei den Elastizitätsmessungen als auch beim Beschleunigungsduell aus dem Stand ist der Mercedes Herr der Lage. Lediglich beim Sprint auf 200 km/h herrscht zwischen Coupé und GT dann Gleichstand. Subjektiv allerdings wähnt man sich im Maserati dennoch jederzeit als der Schnellere in diesem Duett. Sein grundsätzliches Verhaltensmuster gleicht mehr dem eines überzüchteten Rennpferds, denn eines eleganten Trabes. Im gestreckten Galopp sensibel, fast schon nervös. Als synthetischer Gleiter ist der Maserati nicht zu werten. Die Lenkung agiert zu feinfühlig, um in voller Fahrt schnurgerade der Bahn zu ziehen. Das Fahrwerk filtert kurze Stöße nur bedingt aus, um in Seelenruhe Strecke zu machen. Während das E Coupé die tatsächliche Geschwindigkeit nur auf dem Tacho reflektiert, macht der Gran Turismo gleiches weitaus plakativer spür- und erlebbar.
 
Auf gemeinsamer großer Tour zeigt der E-Klasse-Abkömmling also unweigerlich, wo es langgeht. Auch ein weiteres Indiz spricht dafür, dass hier das Coupé den eigentlichen GT abgibt - der Kofferraum. Während das Gepäckabteil im Maserati eher dazu taugt, das Kleine Schwarze beziehungsweise den maßgeschneiderten Einreiher für die Spritztour an den Lago einzupacken, fasst der Mercedes locker auch das kräftigere Marschgepäck für die ausgedehnte Wandertour. Letztlich füttert aber auch dies den gewonnenen Gesamteindruck nur noch weiter an. Hier der schneidige Schönling für die schnelle Nummer zwischendurch. Dort der gesittete und verlässliche Durchschnittstyp mit bodenständigen Wertvorstellungen. Denn wenn es fahrdynamisch zur Sache geht, kauft der Italiener dem Teutonen dann doch den Schneid ab.
 
Auf dem Hockenheimring dominiert der Maserati
 
Beim Ausflug auf die Rennstrecke beispielsweise kehren sich die leichten Malaisen im Alltag zum Heilsbringer pro Agilität. Jetzt kann die direkte und sensible Lenkung glänzen. Der Gran Turismo S geht postwendend auf die Wünsche bezüglich Richtungswechsel ein. Jedoch zeigt sich das zuvor noch so straff anmutende Fahrwerk alsbald mit der Last des Wagens überfordert. Tief knickt der Maserati in die Federn, schlägt zuweilen bis auf die Anschlaggummis durch. Kein Wunder, dass dem Untersteuern so schwerlich zu entgehen ist. Allenfalls mit beherzten Gaseinsätzen. Dann jedoch droht das Heck angesichts der eher durchschnittlichen Traktion aus dem Ruder zu laufen. An Fahrspaß mangelt es freilich nicht. Und Bösartigkeiten sind dem Gran Turismo auch nicht zu unterstellen. Etwas mehr Feinschliff am Fahrwerk wäre dennoch wünschenswert.
 
Das Mercedes E-Coupé nimmt die Anforderungen des Tests auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim mit Gleichmut hin. Im Grenzbereich ist ihm ein dezentes Untersteuern anerzogen. Das ESP greift notfalls immer ein. Auch im manuellen Modus waltet die Automatik letztlich eigenmächtig. Dennoch ist dem Mercedes E 500 Coupé aus fahrdynamischer Sicht Talent zu unterstellen - obwohl es bezüglich der Rundenzeit über eine Sekunde hinter dem Maserati Gran Turismo S herhinkt. Sowohl als auch scheint es bei diesem charakterlich so unterschiedlichem Duo also nicht zu geben. Kleidsam sind beide Autos, unterhaltsam erst recht - jeder Typ auf seine ureigene Weise. Wobei sich die extrovertiertere Variante aus Bologna den gebotenen Unterhaltungswert auch recht ordentlich bezahlen lässt.

Technische Daten
Maserati GranTurismo S Mercedes E 500 Coupé
Grundpreis121.240 €67.562 €
Außenmaße4881 x 1915 x 1353 mm4698 x 1786 x 1398 mm
Kofferraumvolumen260 l450 l
Hubraum / Motor4691 cm³ / 8-Zylinder5461 cm³ / 8-Zylinder
Leistung323 kW / 440 PS bei 7000 U/min285 kW / 388 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit295 km/h250 km/h
0-100 km/h5,6 s5,3 s
Verbrauch15,2 l/100 km10,9 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten