Porsche 911 Carrera 4 gegen BMW M135i xDrive
Duell zweier Allrad-Konzepte

Inhalt von

Beide gehen mit Allradantrieb und über 300 PS an den Start. Wir haben den BMW M135i xDrive mit 320 PS gegen den Porsche 911 Carrera 4 mit 350 PS antreten lassen. Wer wird das Rennen machen? Ein Vergleichstest bei Nässe und bei Trockenheit.

Porsche 911 Carrera 4, BMW M135i xDrive,
Foto: Rossen Gargolov

"Ah joo, kannsch kumme, isch drogge." Wir bei sport auto hören auf die zumeist im badischen Dialekt vorgetragenen Wetterinfos des Hockenheimer-Streckenmeisters Klaus Schwenninger wie die Leibgarde auf die Befehle ihrer Majestät. Trockenheit ist das oberste Gebot für schnelle Runden – normalerweise. Heute ist alles anders. Wir stehen in der Boxengasse, über uns ziehen dunkle Regenwolken auf – es scheint, als ob Petrus gerade das Wasser aus seiner Badewanne ablässt: Regen flutet den Kleinen Kurs. Startschuss zum Allradvergleich zwischen Porsche 911 Carrera 4 und BMW M135i xDrive.

Unsere Highlights

Während wir die Testfahrzeuge mit GPS-Messequipment präparieren, bleibt kurz Zeit die beiden Allradvarianten vorzustellen. Das Allradsystem des Porsche 911 Carrera 4 basiert auf dem Allradantrieb des 911 Turbo der 997-Generation. Über eine Lamellenkupplung steuert das Porsche-Allradsystem PTM (Porsche Traction Management), die Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse variabel.

Porsche 911 Carrera 4 mit heckbetontem Allradantrieb

Die Abstimmung des PTM-Allradsystems ist grundsätzlich heckbetont ausgelegt. Je nach Fahrsituation und Reibwert soll jedoch das PTM "den in jeder Fahrsituation optimalen Anteil des Motormoments zusätzlich an die Vorderräder leiten." Zum Ermitteln des Reibwertes analysiert das System im Porsche 911 Carrera 4 Parameter wie Schlupf an den Rädern, Längs- und Querbeschleunigung, Lenkwinkel und Gaspedalstellung. Die Reaktionszeit des PTM-Systems soll höchstens 100 Millisekunden betragen. Außerdem verspricht Porsche "herausragende Traktion auf rutschigen Untergründen." Klingt auf dem Papier echt gut.

Während der Sportwagenbauer aus Stuttgart-Zuffenhausen bereits seit der Baureihe 964 (ab 1988) Elfer-Versionen mit Allrad anbietet, ist der Allradantrieb xDrive ein Novum im 1er, das erstmals mit der aktuellen Generation (F20) Einzug im BMW-Kompaktmodell hält. Eine elektronisch gesteuerte Lamellenkupplung soll für eine "variable und jederzeit bedarfsgerechte" Verteilung des Antriebsmoments zwischen Vorder- und Hinterachse sorgen. In normalen Fahrsituationen verteilt das permanente Allradsystem das Antriebsmoment im Verhältnis von 40 zu 60 Prozent an die Vorder- und Hinterräder. Die mit dem DSC-System vernetzte Steuerung des BMW M135i xDrive soll die Kraftverteilung "blitzschnell" an die jeweilige Fahrsituation anpassen.

BMW verspricht ein "vorausschauend agierendes System, das für Optimierung der Fahrstabilität und Traktion" sorgt. Durch variables Verteilen der Antriebskraft sollen Tendenzen zum Untersteuern und Übersteuern neutralisiert werden. Klingt logisch.

Tests bei Trockenheit und Nässe

In Pressetexten wird meist jedoch das perfekte Automobil suggeriert, doch wie verhalten sich die Allradsysteme von Porsche 911 Carrera 4 und BMW M135i xDrive im Test nun wirklich? Unser Testprogramm umfasst daher sowohl Beschleunigungs-, Brems- sowie Handlingtests (Rundenzeit Kleiner Kurs und 18-Meter-Slalom) nicht nur wie üblich bei Trockenheit, sondern auch bei Nässe. Bei Nässe herrschten Temperaturen von 8 Grad Celsius. Erste Nachtfröste haben die Asphalttemperatur gesenkt und lassen diese am Testtag kaum höher als die erwähnte Außentemperatur klettern.

Wir haben uns trotzdem entschieden den Test noch auf Sommerreifen zu absolvieren, weil dieses Temperaturfenster noch realistisch in die übliche Sommerreifen-Periode fällt. Neben der Suche nach den Vorteilen und Schwächen der Allradsysteme rückt auch die immer wieder viel diskutierte Frage in den Vordergrund, wie lange man die Sommerreifen fahren kann, und ab wann der Wechsel auf Winterreifen erfolgen sollte.

Ring frei zum ersten Nässe-Duell. Auf dem Programm steht zunächst die Beschleunigung aus dem Stand bis auf Tempo 100. Mit beeindruckender Traktion, kaum spürbarem Schlupf und gutem Gripniveau zieht der 320 PS starke BMW M135i xDrive als Erster los. Den Spurt bis 100 km/h auf regennasser Fahrbahn absolviert der Kompaktsportler in 4,9 Sekunden und bleibt dabei nur knapp über seiner eigenen Werksangabe von 4,7 Sekunden, die bekanntlich bei Trockenheit ermittelt wird.

BMW M135i xDrive setzt sich bei Nässe vor Porsche

Der Porsche 911 Carrera 4 fährt hingegen nicht ganz so mühelos vom Fleck. Während das Allradsystem PTM alle Register zieht um die Kräfte für eine bestmögliche Beschleunigung zu verteilen, zeigen die Pirelli-Sommerpneus mit Porsche-Kennung unter den gegebenen Temperaturen auf Nässe bereits Schwächen. Das Gripniveau ist schlechter als bei der Michelin Pilot Super Sport-Bereifung des BMW M135i xDrive. Ergebnis: Spürbar mehr Schlupf beim Launch-Control-Start des Carrera 4 im Vergleich zum problemlosen Nässe-Sprint des Einser. Mit 5,3 Sekunden muss der Porsche dem BMW in dieser Disziplin den Vortritt lassen.

Bei der anschließenden Nassbremsprüfung bewegen sich beide Fahrzeuge mit rund 47 Metern Bremsweg aus Tempo 100 auf ähnlichem Niveau. Die Porsche 911 Carrera 4-Kombination aus sehr gut abgestimmter ABS-Regelung, kraftvoller Bremsanlage, weniger zu verzögerndem Gewicht und der bauartbedingten besseren Bremsbalance (Gewichtsverteilung 40,0 zu 60,0) kann das temperaturbedingte, mäßigere Gripniveau der P Zero-Reifen mit Porsche Kennung gegenüber dem problemlosen Gripniveau des BMW M135i xDrive wiederum etwas neutralisieren.

Die unterschiedlichen Gripverhältnisse der beiden Reifentypen spielen auch beim 18-Meter- Slalom auf Nässe eine entscheidende Rolle. Mit 67,3 km/h wedelt der BMW M135i xDrive als klarer Sieger vor dem Porsche 911 Carrera 4 (62,3 km/h) durch die Pylonen-Gasse. Die Testnotizen zum Slalom bei Nässe spiegeln die Vorteile des BMW wider – super Einlenkverhalten, super neutral und sicher. Was will man mehr. Der Carrera 4 kommt hier nicht mit. Er fährt sich zwar ebenso sicher und fast frei von Lastwechselreaktionen, am Limit geht er jedoch im Slalom ins Untersteuern und verhindert schnellere Zeiten.

Porsche 911 Carrera 4 mit leichten Traktionsproblemen

Die abschließende Fahrdynamikprüfung auf Nässe steht bevor. Die Rundenzeiten der beiden Fahrzeuge wurden unmittelbar hintereinander ermittelt, weshalb von gleichen Bedingungen ausgegangen werden kann. Zunächst sägt der Allrad-Elfer auf den Kleinen Kurs, der bei Nässe extrem rutschig ist. Bei den herrschenden Außentemperaturen wollen die Pirelli-Reifen selbst nach mehreren Runden nicht auf eine passende Arbeitstemperatur kommen. Das dadurch mäßige Nassgripniveau macht die schnellen Runden im Porsche 911 Carrera 4 zu einer prickeligen Angelegenheit.

Zunächst fehlt es der Vorderachse an Seitenführung, und der 4 x 4-Elfer fällt speziell in engen Ecken mit einem ausgeprägten Einlenkuntersteuern bei Nässe auf. Beim Herausbeschleunigen und beispielsweise in lang gezogenen, schnellen Kurven wie der Querspange fehlt dann trotz optionalem PTV Plus mit elektronisch geregelter, vollvariabler Quersperre die Traktion auf der Hinterachse. Während die dadurch hervorgerufenen Quersteher beim Herausbeschleunigen noch gut beherrschbar sind, ist in den lang gezogenen schnellen Kurven mehr Aufmerksamkeit am Steuer des Porsche 911 Carrera 4 gefragt. Hier reißt die Seitenführung der Hinterachse eher schlagartig ab.

Durch das mäßige Gripniveau fährt sich der Allrad-Elfer unter diesen Bedingungen wie ein Hecktriebler. Der Vorderachsantrieb dürfte sich in dieser Hinsicht ruhig mehr ins Zeug legen. Außerdem reagiert der Porsche 911 Carrera 4 sensibler auf Lastwechsel, als wir es von ihm bisher gewohnt waren. Eine schnellere Rundenzeit als 1.30,6 Minuten auf Nässe war daher nicht möglich.

BMW M135i xDrive überzeugt mit gutem Nassgrip

Der BMW M135i xDrive wittert seine Chance. Wie schon bei den Beschleunigungstests auf Nässe überzeugt der mit Michelin Pilot Super Sport besohlte Kompakte mit der besseren Traktion. Er lenkt auch auf Nässe gefällig ein und verhält sich im weiteren Kurvenverlauf weitgehend neutral. Dies gilt sowohl für den Schiebebetrieb als auch unter Last. Lastwechsel-Gehabe ist ihm fremd.

Im Vergleich zum Porsche 911 Carrera 4 fällt die Allradauslegung im BMW M135i xDrive frontbetonter aus. Neben dem guten Nassgrip der Michelin-Pneus ist dies ein Grund, warum sich der Power-1er auch bei diesen widrigen Wetterbedingungen relativ einfach um den Kurs peitschen lässt. Mit einer Nass-Rundenzeit von 1.27,9 min knöpft er dem Carrera 4 fast drei Sekunden ab. Respekt BMW!

Das sitzt. Wenn der Elfer nicht schon schwarz lackiert wäre, würde er vor Ärger jetzt sofort diese Farbe annehmen. Einen Tag später sieht die Welt jedoch schon wieder anders aus. "Ah joo, kannsch kumme, isch drogge." Heute lauschen wir erneut auf das gewohnte Startzeichen aus dem Badischen. Der Kleine Kurs ist abgetrocknet – der Porsche 911 Carrera 4 stürmt wieder auf die Ideallinie.

Umgekehrtes Spiel bei Trockenheit

Vergessen ist die Schmach vom regnerischen Vortag. Sehr neutral und mit äußerst zielgenauem Einlenkverhalten der Vorderachse zieht der Allrad-Elfer nun seine Runden. Auf Lastwechsel reagiert er leicht und in einem sehr produktiven Maß. Beeindruckend fällt außerdem die mechanische Traktion aus. Bringt man es ausnahmsweise doch einmal fertig das Heck querkommen zu lassen, zieht sich der Porsche 911 Carrera 4 beim Gaslupfen sofort wieder gerade.

Dazu kommen ein in allen Belangen kräftig anschiebendes 3,4-Liter-Boxer-Triebwerk sowie die auf der Rennstrecke konstant mit hohen Verzögerungswerten um die 12,00 m/s² glänzende Keramikbremsanlage. Kurz: Bei Trockenheit könnte das Paket nicht besser sein. Mit einer Rundenzeit von 1.12,2 Minuten umrundet der Porsche 911 Carrera 4 den Kleinen Kurs trotz seines Leistungsnachteils von 50 PS nur eine halbe Sekunde langsamer als sein großer Bruder 4S. Dank ausgezeichneten Trockengrips bewegen sich auch die Beschleunigungswerte (0 – 100 km/h: 4,4 s), die Bremswerte (aus 100 km/h: 34,3 m) sowie das Slalomtempo (72,1 km/h) auf durchweg sehr hohem Niveau.

Mit seinen Beschleunigungswerten (0 – 100 km/h: 4,6 s) und seinen Verzögerungswerten (aus 100 km/h: 34,9 m) folgt der BMW M135i xDrive dem Porsche bei Trockenheit dicht im Windschatten. Unter querdynamischen Gesichtspunkten muss der Bayer jedoch "abreißen" lassen.

BMW M135i xDrive bei Trockenheit hinter Carrera 4

Sowohl im Slalom (68,5 km/h) als auch auf dem Kleinen Kurs (1.15,5 min) lässt sich der BMW M135i xDrive sehr gutmütig dirigieren. Während das Einlenkverhalten sehr direkt verläuft, geht der kompakte Bayer unter Last leicht ins Untersteuern. Auf Lastwechsel reagiert er insgesamt nur sehr zaghaft. Subjektiv fühlt sich das Allradkonzept auch bei Trockenheit deutlich frontbetonter an als im Porsche 911 Carrera 4.

Fazit: Während der Allrad-BMW auch sommerbereift sowohl bei Nässe als auch bei Trockenheit mit niedrigen Außentemperaturen klarkommt, sollte beim Porsche rechtzeitig auf Winterreifen gewechselt werden. Bei einem vorherigen Test (siehe sport auto 3/2013) überzeugte ein 911 Carrera 4S mit Michelin Pilot Alpin PA4-Winterbereifung mit besserem Nassgrip bei ähnlichen Wetterbedingungen als die aktuell genutzten Pirelli P Zero-Sommerpneus mit Porsche-Kennung.

Die Ergebnis-Tabelle sowie Eindrücke und Impressionen finden Sie in der Fotoshow.

Technische Daten
BMW M135i xDrive Porsche 911 Carrera 4 Carrera
Grundpreis44.000 €101.068 €
Außenmaße4340 x 1765 x 1430 mm4491 x 1852 x 1304 mm
Kofferraumvolumen360 bis 1200 l125 l
Hubraum / Motor2979 cm³ / 6-Zylinder3436 cm³ / 6-Zylinder
Leistung235 kW / 320 PS bei 5800 U/min257 kW / 350 PS bei 7400 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h283 km/h
0-100 km/h4,9 s4,4 s
Verbrauch7,8 l/100 km8,6 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten