Vergleichstest Porsche Boxster S und Mercedes SLK 350
Prestige-Duell der offenen Zweisitzer

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Von der Papierform her sind der Mercedes SLK 350 und der Porsche Boxster S dicht beieinander: 305 PS starker V6-Frontmotor hier, mittig angeordneter, 310 PS starker Sechszylinder-Boxermotor dort. Auf Heckantrieb vertrauen beide Autos im Test - für die Kraftübertragung zeichnet beim Mercedes SLK ein manuelles H-, beim Porsche Boxster ein automatisiertes Doppelkupplungsgetriebe verantwortlich.

Porsche Boxter S, Mercedes Benz SLK 350
Foto: Rossen Gargolov

Auch wenn es bislang nicht wirklich danach aussieht - der Frühling kommt, so sicher wie das Amen in der Kirche. Und mit ihm - Wirtschaftskrise hin oder her - die Lust auf offene Autos. Sportlich fokussierte Open-Air-Jünger schielen dabei gern auf die Nische hinterradgetriebener Roadster mit einer anständigen Portion Leistung unter der Haube. In diesem Jahr werben gleich drei Hersteller mit neuen Modellen um die Gunst der zumeist zahlungskräftigen Klientel.

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Neuauflage des alljährlichen Open-Air-Festivals

Porsche hat mit seiner nach wie vor aus Coupé und Roadster bestehenden, frisch renovierten Einstiegsbaureihe sehr früh im Jahr den Startschuss zur Neuauflage des alljährlichen Open-Air-Festivals gegeben. Die S-Modelle von Cayman und Boxster trennen nun zehn PS zugunsten des bewusst sportlicher positionierten und in der Folge auch über 8.500 Euro teureren Coupés. Beide Autos schöpfen aus einem 3,4-Liter-Sechszylinder-Boxer mit Benzin-Direkteinspritzung Kraft. Im Boxster S tritt der vor der Hinterachse positionierte Sauger mit der Kraft von 310 Pferden an.
 
Die Bayern, die sich mit dem neuen BMW Z4 vom Doppelpass-Spiel verabschiedet haben und nunmehr die 2-in-1-Lösung favorisieren, haben ihr stattlicher und deutlich schwerer gewordenes Coupé-Cabriolet bereits in Südspanien präsentiert, Nissan präsentiert das auf 336 PS erstarkte 370 Z Coupé in Paris. Der dazugehörige Softtop-Roadster folgt später im Jahr.

Unterschiedliche Dach-Konzepte
 
Messen müssen sich alle, insbesondere der konzeptgleiche BMW Z4, am in diesem Segment über Jahre etablierten, anno 2008 einem Facelift unterzogenen und mit einem potenteren V6-Sportmotor versehenen Mercedes SLK 350. Der anhaltende Markterfolg von Letzterem war nach Aussagen von BMW der Grund für die Münchner Abkehr vom Stoffmützchen und den damit einhergehenden Verzicht auf ein reinrassiges zweisitziges Sportcoupé. Das gefühlte Plus an Sicherheit durch das feste Dach über dem Kopf, so das Credo der BMW-Strategen, habe Mercedes stets sichere Marktanteile beschert, an denen man nun partizipieren wolle. Ob der Plan aufgeht und es dem fraglos fabulösen 306-PS-Biturbo-Reihensechszylinder des Bayern-Roadsters gelingt, das überaus stattliche Gewicht des offenen Zweisitzers von immerhin 1.600 Kilogramm vergessen zu machen, wird zu einem späteren Zeitpunkt der Test zeigen müssen.
 
Was die reine Papierform angeht, so sind dem neuen Z4 sDrive 35i in Bezug auf das Leistungsgewicht jedenfalls sowohl der Boxster S als auch der SLK 350 überlegen. Der Porsche muss mit jeder seiner Pferdestärken 4,7, der Mercedes 4,9 Kilogramm in Bewegung setzen. Der neue Hardtop-Roadster von BMW bekommt es dagegen mit 5,2 Kilogramm pro Leistungseinheit zu tun. Das könnte Spuren hinterlassen. Aber zurück zum heute schon möglichen Vergleich Porsche versus Mercedes. Nach der brillanten Vorstellung des geschlossenen Bruders Cayman S auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim (der Zweisitzer düpierte mit seiner Zeit von 1.13,9 Minuten den Basis-Elfer und kam dem 911 Carrera S näher, als den Porsche-Entwicklern lieb sein konnte), schien die klare Niederlage des etablierten Coupé- Cabriolets aus Stuttgart-Untertürkheim in den fahrdynamischen Disziplinen festzustehen.
 
Auch wenn der SLK 350 dem Boxster S von der Papierform her sehr viel dichter auf den Fersen ist, als in Anbetracht der unterschiedlichen Bedachungskonzepte zu vermuten steht. Anders als bei BMW ist es Mercedes nämlich gelungen, das Gesamtgewicht des Fahrzeugs trotz des versenkbaren Hardtops in vertretbaren Grenzen zu halten. Mit 1.493 Kilogramm bleibt der 4,10 Meter kurze SLK über 100 Kilo unter der vom BMW-Werk gemachten Angabe für den stärksten Z4 - im vollen Testwagenornat wohlbemerkt. Vor diesem Hintergrund geht der Umstand, dass der Innengeräuschpegel im Mercedes SLK trotz des festen Dachs über dem Kopf kaum geringer ausfällt als beim dem klassischen Softtop treu gebliebenen Boxster, dem diesbezüglich in diesem Segment bis zum Erscheinen des Nissan 370 Z Roadsters vorerst die Rolle des letzten Mohikaners zukommt demnach in Ordnung. Genussvolles Radiohören verbietet sich bei mit hohem Tempo absolvierten Autobahnüberflügen in beiden Autos. Im Falle Mercedes soll bei der nächsten SLK-Generation ein vom Hersteller selbst entwickeltes, das Karmann-Käppchen ersetzendes Hardtop Abhilfe schaffen. Aber nun genug der Dach-Geschichten.

Sprint-Bestwert dank Launch Control
 
Beschäftigen wir uns mit dem, was für sportliche Autofahrer von Interesse ist und steigen in bewährter Weise mit einem Abgleich der in den Standardmessungen ermittelten Fahrleistungen ein. Wie im Vorspann bereits erwähnt, geht der Porsche mangels Verfügbarkeit manueller Getriebe bei den ersten Testwagen wie der Cayman S zuvor mit dem neuen Porsche Doppelkupplungsgetriebe PDK an den Start, wohingegen der Mercedes zugunsten bestmöglicher sportlicher Konstitution auf eine herkömmliche, exakt geführte, aber etwas knochig agierende Sechsgang-H-Schaltung vertraut.
 
Die im Sport Plus-Modus des aufpreispflichtigen, elektronisch geregelten PASM-Fahrwerks hinterlegte Launch Control beschert dem neuen Boxster S im Standardsprint von null auf 100 km/h einen Bestwert: Binnen 4,9 Sekunden ist die Übung mit passgenauem Wheelspin abgehakt. Zu diesem Zweck ist bei abgeschaltetem ESP die Sport Plus-Taste zu drücken, mit dem linken Fuß die Bremse zu halten und mit dem rechten das Gaspedal über den Kick-down-Punkt hinaus durchzutreten. Das System regelt nun selbsttätig die bei rund 6.000/min liegende ideale Anfahrdrehzahl ein, woraufhin es beim Lupfen des Bremspedals problemlos und pfeilschnell vorwärts geht. Die sich anschließenden Gangwechsel erfolgen im Millisekunden-Bereich. Nach 14,4 Sekunden ist die 180-km/h-Marke passiert.
 
Innerhalb der SLK-Baureihe würde es schon eines SLK 55 AMG bedürfen, um unter fünf Sekunden auf Landstraßentempo zu sprinten. Der SLK 350 Sportmotor ist mit 5,4 Sekunden für den 0-100-Sprint angegeben, ließ sich beim Test jedoch 5,6 Sekunden Zeit. Auch hier wurde selbstredend ohne ESP beschleunigt. Bis zum Erreichen der 180-km/h-Marke erhöht sich der Vorsprung des nominell fünf PS stärkeren und rund 40 Kilogramm leichteren Porsche Roadsters auf anderhalb Sekunden. Dass der Sechszylinder-Boxer des Boxster S insgesamt mehr im Strumpf hat, unterstreichen auch die ermittelten Elastizitätswerte. Beim Durchbeschleunigen von 80 auf 180 km/h im vierten Gang nimmt der Zuffenhausener dem Untertürkheimer Roadster beachtliche 2,7 Sekunden ab.
 
Angesichts der überzeugenden Vorstellung des stärksten Boxsters in den Beschleunigungsdisziplinen waren die Erwartungen für die Zeitenhatz auf dem Kleinen Kurs hoch gesteckt. Hatte doch der dort mit 1.13,9 Minuten verblüffende, mit Bridgestone Potenza RE050A-Pneus der Dimension 235/35 R 19 vorn und 265/35 R 19 hinten identisch bereifte Cayman S bei den Standardmessungen kaum besser ausgesehen.
 
Das Coupé sprintete in 4,7 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und erreichte nach 14,1 Sekunden 180 km/h. Tatsächlich sah die Sache dann jedoch anders aus. Zwar überzeugt auch der offene Zweisitzer mit makellos direktem Einlenkverhalten, verzögerungsfrei vorgetragenen Gangwechseln, Neutralität und steter Kontrollierbarkeit. Die beispiellose Zackigkeit und Kompromisslosigkeit, mit der Anfang des Jahres das Coupé bestach, weist der Porsche Roadster jedoch nicht auf.
 
Obwohl auch der Boxster S im Sport-Modus des PASM-Fahrwerks deutlich weniger Seitenneigung aufweist als der SLK 350 und Richtungsänderungsbefehle eine Spur zügiger umsetzt, vermittelt der offene Mittelmotorsportler doch einen generell zivileren und weniger kompromisslosen Eindruck als der geschlossene. Auch wer beifallheischende Stimmgewalt sucht, ist mit dem zweisitzigen Coupé besser bedient als mit dem Roadster. Ergo fällt der Abstand zwischen Boxster S und SLK 350 auf der Rennstrecke weniger gravierend aus, als zu befürchten war. Mit 1.15,6 Minuten ist der Porsche zwar ein gutes Stück schneller, gänzlich enteilen tut er dem Mercedes, der zwar gleichfalls spontan einlenkt, dann jedoch seiner insgesamt etwas softeren Abstimmung Tribut zollen muss, aber nicht.

Unterschiede beim Bremsen
 
Insgesamt fällt auf, dass der sehr neutral ausgelegte, im Grenzbereich absolut narrensichere SLK 350 die Befehle des Fahrers einen Tick weniger zackig umsetzt als der Boxster S. Der Eindruck des weniger kompromisslos auf Sport getrimmten Ganzen setzt sich beim Mercedes Roadster auch auf der Bremse fort. Zwar verzögert die mit 330 Millimeter großen Scheiben vorn und 290er-Discs hinten ordentlich dimensionierte Anlage zuverlässig, doch wird das Bremspedal nach der dritten forsch angegangenen Runde sukzessive weich. Ein gleichbleibenderes Ansprechverhalten wäre für den sportlichen Einsatz somit wünschenswert. Auch in Bezug auf die reinen Verzögerungswerte kommt der Mercedes SLK 350 nicht an den in dieser Disziplin wie immer makellos agierenden Porsche heran: 10,5 m/s² warm beim SLK stehen einer mittleren Verzögerung von 11,3 m/s² warm beim Boxster S gegenüber. Das Pedalgefühl bleibt beim Porsche über die gesamte Zeit hinweg konstant.
 
Und doch - unterm Strich ist die Performance des Mercedes Roadsters in den Fahrdynamikdisziplinen aller Ehren wert. Schließlich ließ sich der 272 PS starke Vorgänger für die Umrundung des 2,6 Kilometer langen Kurses im Badischen anno 2006 noch 1.18,7 Minuten Zeit. Die für die Roadster-Baureihen SL und SLK bewusst sportlich gehaltene Auslegung des 3,5-Liter-V6, der nur hier mit über 300 PS angreifen darf, hat sich also in jeder Hinsicht bezahlt gemacht. Dies gilt umso mehr, als der Mercedes SLK 350 sich im täglichen Einsatz nicht einmal als ungebührlich durstig erweist. Wer gefühlvoll mit dem Gaspedal umgeht und der auch akustisch verlockenden Versuchung hoher Drehzahlen widersteht, kommt mit rund zehn Liter Super Plus frei. Forsch gefahren lässt sich der Frontmotor-Roadster maximal 15,0 Liter durch die insbesondere oben heraus verführerisch heisere Kehle rinnen. Das addiert sich im Testmittel zu 11,8 Liter Durchschnittsverbrauch auf 100 Kilometern.
 
Von derart viel Zurückhaltung können Boxster S-Piloten nur träumen. Trotz moderner Benzindirekteinspritz-Technik und vom Werk versprochener Verbrauchsreduzierung von 15 Prozent genehmigte sich der mit 4,34 Meter Länge ranke und schlanke Zweisitzer im sport auto-Testmittel stolze 15,3 Liter Super Plus. Nun geben wir zwar unumwunden zu, dass wir selten bewusst verhalten unterwegs sind. Aber an Geschwindigkeitsbeschränkungen und Staus auf der Autobahn kommen die sport auto-Mitarbeiter ebenso wenig vorbei wie am ganz normalen alltäglichen Wahnsinn im Stadtverkehr. Von daher stellt ein Teil der ermittelten Verbräuche fast zwangsläufig ein relativ normales Abbild des tatsächlich Machbaren dar - zumal wenn, wie im Testbetrieb geschehen, bei moderaterer Fahrweise auf das mittlere der drei möglichen Automatikprogramme des aufpreispflichtig an Bord befindlichen PDK vertraut wird.
 
Dass der Boxster S sich selbst unter diesen Umständen mindestens 14,1 Liter zu Gemüte führt, ist daher durchaus als Fauxpas zu werten. Dies gilt umso mehr, als der im Januar getestete Cayman S sich unter ähnlichen Umständen genügsamer gab, was in einem um 1,3 Liter geringeren, wenngleich ebenfalls nicht wirklich Maßstäbe setzenden Durchschnittsverbrauch von 14,0 Liter Super Plus auf 100 Kilometer resultierte. Ein Abgleich mit den handgeschalteten Modellen der Einstiegsbaureihe erscheint vor diesem Hintergrund also allemal interessant.
 
Doch monetär zimperlich oder finanziell schlecht aufgestellt dürfen Porsche-Fans ja bekanntlich ohnehin nicht sein. Schon die Eintrittskarte ins Open-Air-Vergnügen gerät in Zuffenhausen deutlich teurer als in München oder Untertürkheim. Während der Mercedes SLK 350 ab 47.689 und der BMW Z4 sDrive 35i ab 49.850 Euro zu haben sind, wechselt der handgeschaltene Porsche Boxster S erst ab 55.781 Euro den Besitzer - beste Fahrdynamik, das zweifellos prestigeträchtige Image der Marke und ehedem als unverrückbar geltende, inzwischen aber weitgehend ausgestorbene Roadster-Werte wie Softtop oder Mittelmotorkonzept inklusive.

Technische Daten
Porsche Boxster S Mercedes SLK 350
Grundpreis59.923 €48.582 €
Außenmaße4342 x 1801 x 1294 mm4103 x 1788 x 1298 mm
Kofferraumvolumen280 l300 l
Hubraum / Motor3436 cm³ / 6-Zylinder3498 cm³ / 6-Zylinder
Leistung228 kW / 310 PS bei 6400 U/min224 kW / 305 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit272 km/h250 km/h
0-100 km/h4,9 s5,6 s
Verbrauch9,4 l/100 km9,6 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten