Test Mercedes A45 AMG gegen BMW M135i xDrive
Allrad-Angriff der Über-Kompakten

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AMG gegen M: Es ist das klassische Finalspiel der Sportwagen-Champions-League. Mercedes stürmt im Kompaktsegment mit dem A45 AMG von der fünften in die erste Liga und von da gleich weiter ins Finale. Endet der steile Höhenflug mit dem Sieg? Oder kann sich der M135i xDrive erfolgreich zur Wehr setzen?

Mercedes A 45 AMG, BMW M135i xDrive, Frontansicht
Foto: Wolfgang Groeger-Meier

Kann man die Gegenwart objektiv beurteilen, ohne die Vergangenheit zu ignorieren? Lässt sich abgespeichertes Wissen einfach so löschen und die damit verbundenen Emotionen gleich mit? Wenn ich an die A-Klasse von Mercedes denke, flattern schräge Bilder durch den Kopf: Ein missglückter Elch-Test und in der Folge ein Automobil, dessen Image irgendwo zwischen Gehhilfe und Treppenlift angesiedelt war.

Wenn ich an den Einser-BMW denke, kehren wohlige Schauer eines Wochenendes mit dem herrlichen Einser-M Coupé zurück. Ist das Testurteil schon entschieden, bevor ich überhaupt eingestiegen bin? Ist die Gegenwart in Form des BMW M135i xDrive nichts weiter als eine Verlängerung der Vergangenheit? Doch was, wenn eine Revolution dazwischenkommt, oder wenigstens ein Bruch, eine Zäsur?

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Mercedes A45 AMG ist eine Zäsur in der A-Klassen-Geschichte

Nach 20 Kilometern im Mercedes A45 AMG ist klar: Ich sitze mitten in einer Zäsur, nur die Sache mit der Revolution muss noch geklärt werden. Der A45 AMG ist exakt das, womit ich nicht gerechnet hätte. Wie auch? Im Segment der ultrastarken Kompaktwagen war der Sportableger AMG bisher gar nicht präsent. Womit auch? Nun teilt die neue A-Klasse keine Schnittmenge mehr mit der alten A-Klasse. Gut so. Ein neues Auto – anders erdacht, konträr positioniert.

Und obendrauf ein AMG-Arrangement, dessen technisches Datenblatt zunächst an Tippfehler glauben lässt: Vierzylinder-Turbo mit 360 PS in einer A-Klasse, kombiniert mit Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe – und das alles in einem gefällig gezeichneten Hot Hatch mit knackigem Hinterteil, zu dem einzig die stupsnasige Mops-Front nicht so ganz passen will?

Der A45 AMG belässt es nicht beim Bruch mit optischen Traditionen. Auch der Innenraum wurde aggressiv umgepolt. Die aufpreispflichtigen Performance-Sitze (2142 Euro, leider) verschraubstocken den Fahrer mit dem Auto, das Instrumentenbrett strahlt wie eine grell geschminkte Schönheit, die zwar ihre Abstammung aus der niederen Fahrzeugkaste nicht vollständig verbergen kann – doch der Sportfreak fühlt sich sofort heimisch.

A-Klasse mit dem 450-Nm-Punch eines Grizzly Bärs

Was ist mit Motor und Getriebe, und Fahrwerk, Lenkung, Bremse, also das, worauf es wirklich ankommt? Der Powertrain macht seinem Namen im Westentaschen-AMG alle Ehre. Mit einer Literleistung von 180 PS setzt der Mercedes A45 AMG auf Radikalität und übertrumpft die Konkurrenz aus dem Stand. Der Zwei-Liter-Twinscroll-Turbo mit der Kennziffer M 133 tönt in Fahrbindung mit dem Klappenauspuff, als bestehe das Autoleben nur aus Mistral-Gerade und Döttinger Höhe.

Mit dem 450-Nm-Punch eines Grizzly Bärs schnellt der Merceds A45 AMG schon aus niedrigen Drehzahlen fein los. Doch was wirklich beeindruckt und überrascht, ist der späte Kick über 5000 Umdrehungen – der zweite Wind, der bei AMG mit einer Orkanstärke von maximal 1,8 bar bläst. Diese fast Saugmotor-ähnliche Charakteristik passt perfekt auf die Rennstrecke, wo all die schönen Datenblatt-Newtonmeter bei 2.000 oder 3.000 Umdrehungen wirkungslos verschimmeln.

Das Doppelkupplungsgetriebe portioniert die Kraft in sieben Gänge und verteilt sie weiter auf alle vier Räder des A45 AMG, weshalb Traktion niemals ein Thema ist. Die kurzen Schaltzeiten, die einer aufgerüsteten Lamellenkupplung und der Getriebesoftware aus dem SLS AMG GT geschuldet sind, werden unterlegt mit einem satten Mach-mal-Platz-da-Schaltknall. Daran wird man sich nicht so schnell satt hören.

Mercedes A45 AMG mit knackigem Rennsport-Fahrwerk

Im manuellen Modus agiert das Getriebe äußerst flink, hält die Gänge und dreht aus ohne Hochzuschalten – alles so, wie es sein muss. Der Allradantrieb hört auf den etwas blechernen und wenig viel versprechenden Namen 4Matic, doch das System verteilt über eine elektronisch geregelte Lamellenkupplung bis zu 50 Prozent der Last an die Hinterräder und freut sich inständig über zwei Anwendungen: Der stehende Start mit Launch-Control gelingt im Mercedes A45 AMG mit katapultartiger Vehemenz, was zu hervorragenden Werten für die Standardsprints auf 100 (4,6 Sekunden) und 200 km/h (17,6 Sekunden) führt.

Und zweitens stempelt der Allradantrieb den bemerkenswerten Power-Output der gedopten A-Klasse mühelos auf die Straße, sobald der Scheitelpunkt einer Kurve passiert ist. Dann verlangt das System nur noch eine Gaspedalstellung, um sich auf die nächste Gerade zu kanonieren – nämlich Vollgas.

Über das Fahrwerk des Mercedes A45 AMG wurde viel geschrieben, mit dem Tenor: ziemlich hart, ziemlich trocken. Doch ganz ehrlich: Harte Federn teilen präzise mit, auf welchem Geläuf man reitet, und für den Sportfahrer ist das vorteilhaft. Das Fahrwerk des Mercedes A45 AMG ist in dieser Beziehung sehr kommunikativ und hält eine weitere Überraschung parat.

Je schärfer die Gangart, desto besser fühlt es sich an. Eigentlich ähnelt es stark einem Rennfahrwerk, das sich im Straßenbetrieb vor Langeweile nur etwas schüttelt. Weil die AMG-Lenkung um die Mittellage nicht sehr spitz und explosiv ist, führt die Fahrwerkshärte aber auch nicht zu ungebührlicher Zappeligkeit bei der Lenkarbeit.

Null-Fehler-Job bei der Fahrdynamik und Bremsen

Unter rein fahrdynamischen Gesichtspunkten sind beim Mercedes A45 AMG also alle Zutaten vorhanden, um die Konkurrenz vom Hof zu rempeln. Die Messwerte für den Slalom dokumentieren das Ergebnis: Das Heck lenkt freudig mit und ist gut zu kontrollieren, bei Lastwechseln kommt ein Hauch Übersteuern ins Spiel, auch wenn Fahrsicherheit die Trumpfkarte bei Mercedes bleibt.Wenn die Lenkung noch eine Spur direkter übersetzt wäre, könnte die Präzision der Kurbelarbeit sogar noch profitieren.

Beim Kapitel Bremsen macht AMG den Sternen alle Ehre: sehr gute Bremswerte, ein kompaktes Pedalgefühl, das Sicherheit, Kontrolle und exakte Dosierbarkeit vermittelt. Die Sattheit hat Gründe. Denn erstens wurde die McPherson-Vorderachse des Mercedes A45 AMG mit steiferen Achsschenkeln und neuer Elastokinematik aufgepimpt. Zweitens wuchs die Bremsen-Hardware auf üppige Maße, die Scheiben vorn und hinten messen jetzt 350 und 330 mm. Und drittens harmoniert das Paket perfekt mit den ringsum 235 Millimeter breiten 19-Zoll-Reifen von Dunlop.

Die Rundenzeit auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim fasst die Güte des Technik-Arrangements in eine simple Zahlenreihe: mit 1.15,2 Minuten setzt der Mercedes A45 AMG hier ein fettes Ausrufezeichen. Untersteuern, wie bei Allradlern oft üblich? Ja, aber das beschränkt sich weitgehend auf die Einlenkphase und hat weniger mit dem Allradantrieb selbst zu tun als mit dem Fakt, dass die Gewichtsverteilung im Vergleich zur ewigen Stammkonkurrenz von BMW, hier dem M135i xDrive, ungünstiger – sprich frontlastiger – ausfällt.

Steckt der BMW M135i xDrive das 40 PS-Malus weg?

Wo steht der neue Mercedes nun im direkten Vergleich zur Konkurrenz von BMW, die in unserem Kopf immer noch als Messlatte herumspukt? Der M135i xDrive hat ein PS-Malus von 40 PS, und das fällt ehrlich gesagt deutlich ins Gewicht, weil AMG seine Hausaufgaben in allen anderen Disziplinen erledigt hat. Ja, natürlich, der Sechszylindermotor ist eine Wucht und ein anbetungswürdiges Alleinstellungsmerkmal obendrein, das Pluspunkte bei Sound und Sympathie bringt. Er ist das Sahneteil im Einser, ungemein leichtfüßig, kräftig und prickelnd, aber auch sehr gleichmäßig und gelassen. Nein, wir können die Vergangenheit nicht ganz ruhen lassen.

Doch das fulminante Powerplay bei hohen Drehzahlen macht den AMG zur besseren Wahl auf der Rennstrecke, was in Kooperation mit der Mehrleistung in Hockenheim zu einem knappen Sieg reicht, auch wenn der Benz-Motor auf Grund seiner hohen spezifischen Leistung etwas temperaturanfälliger zu sein scheint als der gleichgültigere Hubraumriese im BMW M135i xDrive.

Dieser Befund übersetzt sich nahtlos bei den Beschleunigungswerten, wo der Mercedes A45 AMG dem BMW M135i xDrive bis 200 km/h ein Zeitfenster von gut einer Sekunde aus den Rippen schneidet. Mercedes setzt BMW bei der Power das Messer an die Kehle.

Getriebe-Gleichstand bei M und AMG

Beim Getriebe-Thema herrscht Ausgeglichenheit, trotz höchst unterschiedlicher Konzepte: Das Achtgang-Automatikgetriebe des BMW M135i xDrive gehört mit zum Besten, was für Geld zu kaufen ist, doch das Doppelkupplungsgetriebe beim Mercedes A45 AMG steht dem kaum nach, vermittelt mit seiner mechanischen Würze noch eine Spur mehr Rabiatheit und Sport-Feeling. Der BMW steht insgesamt für Sattheit, der Mercedes für Wildheit und Aggressivität. Das ist bei Lenkung und Fahrwerk zu spüren. Die Lenkung des M135i xDrive ist harmonischer, das Fahrwerk ausgewogener, aber der Mercedes A45 AMG ist näher am Limit.

Womit wir bei der Charakterfrage angekommen wären. Der Mercedes A45 AMG ist der Vollgas-Junkie, er animiert zur schnellen Gangart, und wenn der Fahrer ihm folgt, wird das Arrangement mit jedem Zacken Speed immer besser. Beim BMW M135i xDrive scheint es eher umgekehrt zu sein: Alles bis 90 Prozent wird souverän abgearbeitet, die letzten Zehntel sind dann nicht so sehr sein Metier.

Mercedes A45 AMG kostet 6.000 Euro mehr

Fairerweise muss man anfügen, dass ein voll angeblasener AMG-Mega-Benz mit einem BMW verglichen wird, der zwar das M im Schriftzug trägt, aber kein vollwertiger M sein kann, zumal ihm sein schärfster Giftzahn gezogen wurde – nämlich der Heckantrieb.
Dann wäre da noch der Preis: Wer sich den AMG-Zuschlag von fast 6.000 Euro nicht leisten kann, wäre mit dem BMW M135i ohne xDrive auch sehr gut bedient – inklusive des Giftzahns Heckantrieb. Den Hecktriebler haben wir als überzeugend in der Supertest-Erinnerung. Jetzt gehen uns aber wirklich die Argumente aus, um das Weltbild zu retten und historische Erfahrungen und Emotionen zu schützen – vor dem neuen Stern von Mercedes.

Technische Daten
BMW M135i xDrive Mercedes A 45 AMG 4Matic AMG
Grundpreis44.000 €50.159 €
Außenmaße4340 x 1765 x 1430 mm4359 x 1780 x 1417 mm
Kofferraumvolumen360 bis 1200 l341 bis 1157 l
Hubraum / Motor2979 cm³ / 6-Zylinder1991 cm³ / 4-Zylinder
Leistung235 kW / 320 PS bei 5800 U/min265 kW / 360 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
0-100 km/h4,9 s4,6 s
Verbrauch7,8 l/100 km6,9 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten