Lichttest 2021: Von Halogen bis Digital-LED
Was können aktuelle Scheinwerfersysteme?

Um den aktuellen Stand der Lichttechnik von Halogen bis LED plus Laser intensiv zu beleuchten, müssen wir bei auto motor und sport nur in unsere Tiefgarage stiefeln und mit dem Dauertest-Fuhrpark unsere bewährte Testrunde starten. Als Special Guest am Start: der Audi e-tron S Sportback mit seinem hochmodernen digitalen Matrix-LED.

Lichttest
Foto: Rossen Gargolov

Meine Güte, sind wir verdorben. Nein, nicht, was man jetzt vielleicht denken könnte. Es geht ums Licht, bei Dunkelheit das wichtigste Assistenzsystem im Auto (der menschliche Verstand sollte ja immer eingeschaltet sein).

Da wir bei auto motor und sport normalerweise aktuelle Modelle testen, ist für uns Top-Licht Standard. Prinzipiell in allen Klassen, selbst Kleinwagen strahlen dank LED-Scheinwerfern ähnlich hell und effizient wie früher nur die Teuren. Deshalb denken wir sogar bei einem handwerklich gut gemachten Halogen-System, es habe jemand vorne eine Kerze reingestellt.

Unsere Highlights

Perfekter Anlass, im direkten Vergleich herauszufahren, wie es neben dieser krassen Differenz im Kosmos aktueller Lichttechnik von Schwenker über Matrix bis Laser sonst aussieht. Um das praxisnah zu erhellen, durchschneiden wir die Nacht mit dem auto motor und sport-Dauertest-Fuhrpark – reproduzierbar auf unserer bewährten Lichttest-Strecke.

Als Special Guest dabei: der Audi e-tron S Sportback, als Erster in Großserie mit digitalen LED-Matrix-Scheinwerfern zu haben. Mercedes bietet Ähnliches im bisherigen Maybach und ab sofort auch in der S-Klasse an. Es bleibt also spannend.

Starten wir direkt mit dem BMW X5, der neben schwenkbaren LED-Modulen zusätzlich mit Laserfernlicht feuert. Es kommt ab etwa 60 km/h und erst auf längeren freien Straßenstücken zum Einsatz, um eine Blendung anderer zuverlässig auszuschließen – klar, so wie das Marelli-System den dunklen Tann zum Tag macht. Plötzlich siehst du am Ende der einen halben Kilometer langen Gerade deutlich Bäume und Co., wo sonst nur schwofiges Dunkel war. In Zukunft setzt BMW übrigens auf Matrix-LED und bindet den dann horizontal und vertikal schwenkbaren Laser stärker ins Geschehen ein. Bereits jetzt überzeugt der lichtstarke X5, schwenkt mit seinen LED-Modulen an Hindernissen vorbei, anstatt einzelne Elemente auszuknipsen. Bis auf die bisweilen hektische Regelung rundum überzeugend.

Ähnlich wie der Porsche Cayenne mit seinem 84-Pixel-LED. Er blendet kamerabasiert Entgegenkommende oder Verkehrsschilder nicht nur aus, sondern erhellt zusätzlich den Bereich daneben, um die Sichtbarkeit zu verbessern. Wie alle SUV profitiert der Cayenne von der großen Einbauhöhe und Scheinwerferfläche, was für optimale Abstrahlung sorgt.

Diesen Vorteil nutzt auch der Dacia Duster. Zwar ist die Lichtleistung seiner Halogenscheinwerfer im Vergleich zu den LED funzelig-gelblich und nur mäßig reichweitenstark, doch er macht das Beste daraus. Sein Lichtkegel ist grundsätzlich angenehm und praxisgerecht wie die Aufschaltung des Fernlichts, bei der manche Systeme bestimmte Bereiche überstrahlen und andere umso dunkler bleiben.

Der Volvo XC60 lässt wenig im Dunkeln. Wie für die Mitbewerber sind Kuppen, Senken und Kurven kein Problem, seine leuchtstarken LEDs schicken stets genug Licht dahin, wohin man fährt.

Ford hat sich etwas Eigenes überlegt. Anstatt wie viele Konkurrenten auch Navi-Daten zur Steuerung des Lichtkegels zu nutzen, liest der Focus mit seiner Kamera Verkehrsschilder (etwa vor Kreuzungen oder Kreisverkehren) und passt sein LED-System daran an. Die Mercedes A-Klasse erleuchtet mit ihrem hochauflösenden 84-Pixel-LED (Multibeam) die Umgebung sowohl per Spaltenfernlicht als auch per situationsgerechter Steuerung stets zielführend, selbst an Kreuzungen und in Kreisverkehren.

Und der Audi mit Digitallicht? Ihm widmen wir sein eigenes Kapitel.

So haben wir getestet

Unsere langjährige Erfahrung mit Lichttests zeigt, dass Labormessungen zwar ergänzende Daten liefern können, die tatsächliche, im Alltag relevante Performance sich aber nur in der Praxis zeigt. Deshalb bewerten wir die Qualität der Systeme bei einer Ausfahrt über unsere bewährte, topografisch anspruchsvolle Lichttest-Strecke. Dank Kuppen und Senken, Geraden, Kurven, Waldpassagen, Kreuzungen, Kreiseln und Verkehrsschildern ist sie perfekt für die Bewertung aller Kriterien geeignet. Dazu zählt auch die Adaption des Lichtkegels auf andere Verkehrsteilnehmer.

Bewertung: sehr gut   , gut  , befriedigend  , ausreichend  , magelhaft   

BMW X5

BMW X5, Lichttest
Rossen Gargolov

Für 2.000 Euro extra kombiniert der X5 LED-Module mit Laserlicht für Reichweiten bis 500 Meter. Insgesamt sehr große Lichtausbeute auf der Straße und am Rand, teils jedoch leicht fleckig. Schneidet etwas abrupt, dafür mit kleinen Ausschnitten aus, verhindert Reflexionen von Schildern. Sehr geringe Blendgefahr.

Ausleuchtung  
Helligkeit   
Fahreindruck  
Blendfreiheit  

Fazit: Sehr helles, reichweitenstarkes Licht mit breitem Kegel und feiner Adaption. Leicht inhomogen.

Mercedes A-Klasse

Mercedes A-Klasse, Lichttest
Rossen Gargolov

Für 1.488 Euro Aufpreis strahlt die A-Klasse mit Multibeam-LED (Matrix). Grundsätzlich homogene, gleichmäßige Ausleuchtung mit zartgelber Farbe, sichtbaren LED-Spalten und ordentlicher Reichweite. Angenehm ruhige, etwas zögerliche Regelung mit großen Ausschnitten, die lange offen bleiben. Keine Blendung.

Ausleuchtung  
Helligkeit  
Fahreindruck  
Blendfreiheit  

Fazit: Sauber gemachtes, konservativ ausgelegtes Matrixlicht mit typischer "LED-Gardine".

Ford Focus

Ford Focus, Lichttest
Rossen Gargolov

Für je nach Ausstattungslinie unterschiedlichen Aufpreis (500 bis 1.300 Euro) strahlt der Focus mit kamera-gesteuertem Adaptiv-LED. Leuchtkraft und Reichweite auf der Straße sind geringer als bei der Konkurrenz. Homogene, gleichmäßige Farbe und entspannte Adaptivregelung, die an einen Fernlichtassistenten ohne Matrixfunktion erinnert.

Ausleuchtung  
Helligkeit  
Fahreindruck  
Blendfreiheit  

Fazit: Unspektakuläres, mäßig reichweitenstarkes, gleichmäßiges LED-System mit durchweg ruhiger Regelung.

Dacia Duster

Dacia Duster, Lichttest
Rossen Gargolov

Lediglich das Tagfahrlicht strahlt beim Duster per LED, der Rest funzelt mit Halogen. Fläche und Höhe der Scheinwerfer holen das Beste aus dem vergleichsweise gelblichen, mäßig hellen, immerhin homogenen und praxisgerecht verteilten Licht. Leicht streuscheibig vor dem Auto. Gut abgestimmte Fernlichtaufschaltung mit langem und breitem Kegel.

Ausleuchtung  
Helligkeit  
Fahreindruck  
Blendfreiheit  

Fazit: Ordentlich gemachtes, aber im direkten Vergleich mit den aktuellen LED-Systemen dürftiges Licht.

Porsche Cayenne

Porsche Cayenne, Lichttest
Rossen Gargolov

Die LED-Matrix mit PDLS Plus für 1.951 Euro extra strahlt hell und homogen-gleichmäßig, ohne störende Balken oder Ähnliches. Sie ist tendenziell auf die eigene Fahrbahn konzentriert, dimmt bei Schildern kaum ab, schneidet insgesamt zuvorkommend groß und ohne Hektik aus.

Ausleuchtung  
Helligkeit  
Fahreindruck  
Blendfreiheit  

Fazit: Praxisgerechtes homogenes Licht ohne Störungen durch Randbestrahlung. Verkehrsschilder können reflektieren.

Volvo XC60

Volvo XC60, Lichttest
Rossen Gargolov

"Thors Hammer" strahlt für 1.000 Euro extra (Lichtpaket) adaptiv und dabei hell und flächig mit homogener weißer Lichtfarbe und ordentlicher Reichweite. Die Matrixregelung wirkt manchmal etwas hektisch, verhindert jedoch auch wegen ihres großen Ausschnitts zuverlässig die Blendung anderer.

Ausleuchtung  
Helligkeit  
Fahreindruck  
Blendfreiheit  

Fazit: Homogene Grundausleuchtung mit schöner Lichtfarbe, jedoch nicht immer situative Adaption.

Audi e-tron Sportback

Audi e-tron Sportback, Lichttest
Rossen Gargolov

Neben dem guten Matrix-LED für 1.450 Euro bietet Audi (zeitlich vor der Mercedes S-Klasse) digitales Matrix-LED in Großserie. Happige 4.500 Euro extra bringen showträchtige Inszenierungen (Coming home und Leaving home) im Stand, lichtunterstützte vorausschauende Spurführung und Orientierungshilfe, etwa in engen Baustellen oder beim Spurwechsel durch Markierungen, sowie einen Lichtteppich vor dem Auto. Vor allem überzeugen jedoch die "Basics", also die feinen, sinnvollen dynamischen Regelungen bei wechselnder Topografie, Kurven, Schildern oder anderen Verkehrsteilnehmern, die das Digitalsystem sanft und akkurat an den Konturen orientiert ausblendet. Insgesamt liefert der e-tron einen schönen, hellen und homogenen Lichtkegel mit nicht allzu weißer Farbe sowie minimalen Schatten (vermutlich durch die Scheinwerfergehäuse). Keine Blendung anderer erkennbar, feine Dimmung verhindert Verkehrsschild-Reflexionen.

Ausleuchtung   
Helligkeit  
Fahreindruck   
Blendfreiheit   

Fazit: Ob man die Inszenierungen im Stand wirklich braucht, muss jeder selbst wissen. Auch die lichtunterstützte Spurführung durch die Markierungen erscheint ungewohnt, doch die Regelgüte des aufwendigen Digitalsystems überzeugt total. Keiner verteilt sein Licht feiner, keiner blendet gefühlvoller ein und aus. Das garantiert stressfreies Fahren bei Dunkelheit.

Digital-Matrix-LED: Spieglein, Spieglein

Über eine Million Mikrospiegel zerlegen das LED-Licht des Audi in 1,3 Millionen Pixel, was neben animierten Projektionen eine sanfte, kaum merkliche Regelung des Lichtstroms beim Fahren ermöglicht.

Digitalsysteme sind nicht unbedingt heller als andere, regeln aber extrem fein. Dahinter steckt ein Chip namens DMD (Digital Micromirror Device), dessen Mikrospiegel mit einer Kantenlänge von nur einigen Hundertstel Millimetern sich mithilfe elektrostatischer Felder pro Sekunde bis zu 500-mal kippen. Je nach Stellung schicken sie das Licht entweder über Linsen auf die Straße oder in einen Absorber, um Ausblendungen zu erzeugen. Theoretisch könnte man mit dem System Filme schauen, praktisch liefert es Inszenierungen im Stand, markiert beim Fahren die Fahrspur oder passt den Lichtkegel an die statische und dynamische Umgebung an.

Krasse LED-Gardine? Von gestern

Lichttechnik
Audi

Die maximale Helligkeit von Lichtsystemen und deren Funktionsumfang sind gesetzlich vorgegeben, doch innerhalb dieses Rahmens und der technischen Grenzen entwickeln sich immer feinere Strategien.

Als die ersten Matrix-LED-Systeme auf den Markt kamen, meinten es die Ingenieure besonders gut, zogen je nach Fahrsituation regelrechte LED-Gardinen vor dem Auto auf und zu, ließen uns und den Dioden keine Ruhe. Anstrengend – für den Fahrer. Das hat sich geändert: Die Anpassung an die Topografie sowie die Adaption beim blendfreien Fernlicht sind bei Schwenkern, Multibeam- und/oder Matrix-LEDs zwar noch wahrnehmbar, laufen jedoch immer dezenter. Zudem sind die anfängliche Fleckigkeit und Farbigkeit (Regenbogen-Ränder) des LED-Lichts passé; Reichweite und Präzision sind hoch, egal ob Kompaktklasse oder großer SUV. Selbst Kleinwagen-LEDs bieten inzwischen ordentliches Licht, in der Kompaktklasse gibt es dann Top-Performance zum fairen Aufpreis. Wie die Zukunft aussehen könnte, zeigt heute neben dem Laserfernlicht das (teure) Digitallicht: Es kann in 100 Metern Entfernung eine Fläche von 2,5 Zentimetern Breite aus dem Lichtkegel aussparen, beim an sich guten 84-Pixel-Licht sind es üppige 1,8 mal 2,4 Meter.

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Fazit

Licht ist bei Dunkelheit das wichtigste Assistenzsystem. Eine Binse? Kaum. Denn erst der direkte Vergleich der Systeme zeigt die individuellen Stärken und Schwächen. Für sich genommen kommt man mit jedem System klar, lediglich das Halogenlicht des Duster fällt bezüglich Helligkeit und Lichtfarbe erschreckend ab. Doch erstens hilft ihm seine ordentliche Lichtverteilung, und zweitens kommen immer mehr Nachrüstsysteme auf den Markt, teils sogar mit LED. Die adaptiven Systeme zeigen in unserem Test, wie weit die Technik ab der Kompaktklasse inzwischen ist. Souverän leuchten die Probanden selbst tückische Kuppen und Senken aus, schneiden Entgegenkommende und Vorausfahrende aus dem Fernlichtkegel heraus. Wobei es hier durchaus Differenzen gibt: Die einen arbeiten eher abrupt, fast hektisch, andere mit ruhiger Leuchthand und großzügigen Ausschnitten. Auffällig hell: der BMW dank Laser-Unterstützung. Überragend sanft und gekonnt: das aufwendige und sehr teure digitale Matrix-LED des Audi. Über dessen Zusatzprojektionen mag man geteilter Meinung sein, die reguläre Ausleuchtung beim Fahren läuft jedoch beim e-tron bemerkenswert angenehm, effizient und ermüdungsarm. Besser geht es kaum.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten