Sommerreifen-Test 2014 der Größe 205/55 R 16
Die besten Reifen für Kompakte

Fünf Top-Marken, dreimal Mittelklasse und drei Newcomer: Wer baut den besten Reifen – und wer bietet das beste Preis-Leistungs-Verhältnis? Wir haben elf Sommerreifen im Format 205/55 R 16 getestet.

Sommerreife, 205/55 R 16 V, VW Golf, Reifenwechsel
Foto: Dino Eisele

Mit heulendem Motor rast der Golf um die Kurve. Viel zu schnell, denn mittendrin steht Wasser auf der Bahn, gefährliche sechs Millimeter tief. Schon schießen weiße Wasserfontänen aus den Radkästen, die Reifen verlieren den Halt, der Wagen bricht aus, rutscht schlagartig nach außen weg. Testalltag beim auto motor und sport-Reifentest: Wie hier beim Aquaplaningversuch durchleuchten insgesamt 14 Einzeldisziplinen die Fähigkeiten der neuesten Reifen in 205/55 R 16 V, einer Dimension, die aktuell auf der Mehrzahl aller Kompakten ab Werk verbaut ist.

Sicher fahren im Sommer

Elf Sommerreifen treten zum Reifentest an: Bridgestone schickt den bewährten Turanza T001 ins Rennen. Wie die meisten Top-Allrounder tritt er mit asymmetrischem Profildesign an. Kräftige Blöcke an der Außenschulter sollen dabei für Kurvenstabilität und gutes Lenkansprechverhalten sorgen, die Wasserableitung übernehmen groß dimensionierte Längsrillen in der Profilmitte. Nach diesem Prinzip sind auch Continental PremiumContact 5, Dunlop Sport BluResponse, Hankook Ventus Prime, Michelin Energy Saver plus, Pirelli Cinturato P7 und Toyo Proxes CF2 profiliert. Nur der günstige Premiorri Solazo aus der Ukraine setzt auf ein laufrichtungsgebundenes V-Profil. Mit konventionellem, weder laufrichtungsgebundenem noch asymmetrischem Profil starten die Chinesen GT Radial und Westlake.

Brandneu im Feld der Top-Marken: der auf Wasserverdrängung optimierte Uniroyal Rainsport 3. Als schwarzer Hai zieht er mit Sharkskin-Technologie zur schnelleren Wasserableitung in den Längsrillen, der Kombination aus asymmetrischem und laufrichtungsgebundenem Profil sowie nassoptimierter Gummimischung alle Register, um sich auf nasser Straße zu behaupten.

Reifentest 2014: Bis zu 14 Meter Differenz beim Bremsweg

Aquaplaning kennt der Uniroyal kaum, zieht im Test mit 85 km/h ganze 15 km/h schneller durchs Längs-Aquaplaningbecken als der Westlake und zeigt mit beeindruckenden 4,31 m/s² Querbeschleunigung im Kurvenaquaplaning der Konkurrenz die Dreiecksflosse. Fast – der Hankook schiebt sich im letzten Moment an ihm vorbei und schnappt ihm den Aquaplaning-Sieg vor der Nase weg. Beim Bremsen ist das auf Nässe optimierte Profil des Uniroyal jedoch dessen offene Flanke, und so bremst sich der Continental aus 100 km/h mit beeindruckenden 51,8 Metern nach vorn. Die Überraschung in dieser Disziplin kommt aus der Ukraine: Mit 53,1 Metern verzögert der Premiorri kaum schlechter. Kurz dahinter: Uniroyal und Toyo, auch Hankook und Pirelli bremsen noch recht sicher.

Michelin und Dunlop nehmen zugunsten des Rollwiderstands mit rund 57 Metern etwas längere Bremswege in Kauf, auch Westlake kann das Niveau von unter 58 Metern halten. Weit hinten am Horizont, mit gut acht Metern Rückstand auf das Feld: Bridgestone und GT Radial. Das kostet wertvolle Punkte und macht in Summe vierzehn Meter Bremswegdifferenz zur Spitze. Das klingt zunächst harmlos. Vergleicht man jedoch die Restgeschwindigkeiten, wird der Ernst der Lage klar: Dort, wo der Conti bereits steht, rutschen die Letzten des Feldes noch mit rund 45 km/h vorbei – oder treffen mit Wucht auf ein Hindernis.

Conti und Pirelli mit hervorragendem Grip auf nasser Fahrbahn

Nicht nur beim Bremsen, auch bei Kurvenfahrt sind die Nässeprofis klar überlegen. Volle Punktzahl auf dem nassen, aber schnellen Handlingkurs gibt es nur für beste Rundenzeiten bei gleichzeitig sicherem und überraschungsfreiem Fahrverhalten.

Die Strecke simuliert regennasse Straße, Pfützen und damit Aquaplaning sind selten. Hier kämpft Gummi gegen Wasser, es zählt der pure Kontakt mit dem Asphalt. Je größer die eroberte Kontaktfläche, desto besser der Grip. Das weiß auch der schwarze Hai von Uniroyal und beißt entschlossen in das nass glänzende Kurvengeschlängel: Bestzeit.

Doch gute Rundenzeiten allein genügen nicht. Mehr Dynamik durch höheres Gripniveau und bessere Harmonie mit dem fein regelnden ESP-System des Golf bieten Conti und Pirelli, der Uniroyal muss sich im Handling letztlich, wenn auch knapp, geschlagen geben. Auch Toyo fühlt sich im Wasser wohl und kann, wie Hankook und Dunlop, mit untadeligem Fahrverhalten den Anschluss an die Spitze halten. Alle anderen sind nicht ohne Makel: Michelin zeigt im Handling zu deutliches Übersteuern, Premiorri schwimmt früh auf, Westlake fehlt es allgemein an Grip, und die Nass-Performance des GT Radial ist schlicht ein Schlag ins Wasser.

Dunlop und Pirelli auf trockenem Asphalt unschlagbar

Haben die Nässespezialisten unter den Sommerreifen im Gegenzug Probleme auf dem Trockenen? Uniroyals schwarzem Hai helfen beim Trockenbremsen weder Haifischhaut noch Aquaplaningprofil. Mit langen 38,7 Metern Bremsweg kann er sich nur knapp gegen die Letztplatzierten verteidigen. Vorne sind Conti, Michelin, Pirelli und Dunlop, das Mittelfeld besetzen Hankook, Toyo, Premiorri und Bridgestone. Ein ähnliches Bild im Handling: Auf dem schnellen Asphaltparcours liegen die gemessenen Durchschnittsgeschwindigkeiten zwar recht nah beieinander, doch im Fahrverhalten gibt es gravierende Unterschiede.

Der Premiorri ist weder Fisch noch Fleisch. Sein Profilbild erinnert mehr an einen Allwetterreifen – und so fährt er sich auch: schwammig, indirekt und träge, auf niedrigem Niveau aber nicht unsicher. Auch Westlake mit insgesamt schwachem Grip und GT-Radial mit dezentem Grenzbereichsübersteuern können auf dem trockenen Rundkurs nicht vollständig überzeugen.

Sportiv führt Dunlop das Feld an, ausgewogen folgen Bridgestone, Uniroyal, Toyo, Hankook und Michelin. Kritik erntet der etwas spitz ausgelegte Conti. Über alle dynamischen Trockenprüfungen hinweg sind somit Dunlop und knapp dahinter Pirelli auf trockenem Asphalt nicht zu schlagen.

Continental holt Gesamtsieg beim Reifentest 2014

Und in Sachen Kraftstoffersparnis und Rollwiderstand? Hier wird nicht lange im Trüben gefischt, mit einem Rowi-Beiwert (CR) von 8,31 schnappt sich der Uniroyal einen der vorderen Plätze. Das könnte für den Gesamtsieg reichen, doch Michelin und Dunlop laufen auf den riesigen Testrollen im Labor noch leichter und brillieren mit CR-Bestwerten von 7,06 und 7,36. Das wird eng. Wo sind die anderen Titelaspiranten? Dem Conti im breiten Mittelfeld genügt ein CR von mäßigen 8,77, um den nassgriffigen Uniroyal in letzter Sekunde vom Thron zu stoßen – Gesamtsieg beim Sommerreifen-Test 2014!

Pirelli rollt mit 9,57 noch schwerer ab und kommt daher nicht mehr am Uniroyal vorbei: Das reicht für Platz drei. Doch im Abstand von wenigen Zehnteln dahinter lauern Dunlop, Toyo, Hankook und Michelin, die ebenso recht ausgewogen und rollwiderstandsarm oder wie Michelin zusätzlich stark laufleistungsoptimiert sind. Die Leistungsdichte empfehlenswerter Sommerreifen ist in diesem Test extrem hoch, aber auch hier gilt: Es kann nur einen Sieger geben.

Sommerreifentest im Detail: Quer-Aquaplaning

Ab 80 fahren Sie Wasserski, so wurde in den 70er-Jahren entlang der Autobahnen vor Aquaplaning gewarnt. Aquaplaning steht für das Aufschwimmen des Reifens bei höheren Geschwindigkeiten. Wasser schiebt sich dabei wie ein Keil zwischen Reifen und Asphalt, hebt das Rad von der Fahrbahn ab, Lenk-, Brems- oder Antriebskräfte können nicht mehr übertragen werden. Wann es gefährlich wird, hängt von vielen Faktoren ab: von Reifenbreite und Geschwindigkeit, Wasserhöhe und Profiltiefe, Reifenluftdruck und Radlast sowie natürlich von der Art und Beschaffenheit des Reifens.

Unterschiede ergeben sich auch aus der Fahrsituation, etwa ob Aquaplaning bei Geradeausfahrt oder in Kurven auftritt. Bei auto motor und sport-Reifentests werden daher beide Szenarien getrennt voneinander in Versuchen nachgestellt. Beim Versuch zum Kurvenoder Quer-Aquaplaning wird eine Kreisbahn mit einem bewässerten Kreissegment (Wassertiefe 6 mm) befahren. Ausgewertet wird die höchste erreichbare Querbeschleunigung im Wasserbecken. Interessant sind die zugehörigen Geschwindigkeiten: Während der Beste im Test noch mit 75 km/h im Wasser die Spur hält, reißt der Grip beim Schlechtesten schon bei 67 km/h ab.

Sommerreifentest – So haben wir getestet

Um bestmögliche Genauigkeit und Ergebnissicherheit zu gewährleisten, werden, soweit durchführbar, sämtliche Versuche in diesem Test mehrfach durchgeführt. In allen Kriterien werden die Produkte nach einem zuvor festgelegten Muster bewertet. Grundsätzlich erhält der beste Reifen eines Versuchs die maximal mögliche Punktzahl von 10 Punkten. Das Bewertungsschema folgt einer progressiven mathematischen Funktion, wodurch sichergestellt ist, dass auch hochwertige, in ihren Eigenschaften nah beieinanderliegende Produkte ausreichend trennscharf bewertet werden können. Dieses Schema gilt gleichermaßen für die objektive Bewertung durch Messgeräte wie auch für die subjektive Benotung durch die erfahrenen Testfahrer, was etwa bei der Beurteilung des Komforts und des Handlings zum Tragen kommt.

Beim Handling auf nasser oder trockener Bahn führt ein ausgewogenes, sicheres Fahrverhalten zu einer Optimalbenotung. Ungenügende Haftung oder ausgeprägte Lastwechselreaktionen im Grenzbereich führen zu Punktabzug.
Die Aquaplaningtests, jeweils getrennt in Längs- und Querrichtung, geben Auskunft über die Reaktion der Reifen etwa beim Durchfahren von tiefen Spurrinnen. Die Höhe von kritischer Aufschwimmgeschwindigkeit oder Querbeschleunigung zeigt jeweils die Sicherheitsreserven der Reifen auf. Für optimale Wiederholgenauigkeit wurde das Nassbremsen wie auch das Längs-Aquaplaning mit schienengeführten Sonderfahrzeugen durchgeführt.

Der Rollwiderstand der Reifen wird in unterschiedlichen Testlaboratorien auf Rollenprüfständen ermittelt. Dazu werden zwei Reifen eines Testsatzes an unterschiedlichen Orten auf voneinander unabhängig arbeitenden Rollenprüfständen gemessen, basierend auf den Regularien der EU, was dem Rollwiderstandsbeiwert bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h entspricht.