Cabrio-Vergleichstest Porsche-Jaguar-Wiesmann
Drei Flitzer für das Open-Air-Vergnügen

Inhalt von

Weil der Winter dieses Jahr nicht wollte, fangen wir eben früher mit der Open-Air-Saison an. Das Porsche 911 Carrera S Cabriolet trifft auf den Jaguar F-Type V8 S und den Wiesmann Roadster MF4-S.

Wiesmann Roadster MF4-S, Porsche 911 Carrera S Cabriolet, Jaguar F-Type V8 S
Foto: Rossen Gargolov

Wir haben alles versucht, aber er konnte sein Institut nicht alleine lassen. Er wäre der perfekte Experte für den heutigen Vergleichstest gewesen. Er? Gestatten, Boerne, Professor Dr. Karl-Friedrich Boerne, Spross eines westfälischen Geschlechts, Leiter der Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Münster, Wagner- und Rotwein-Liebhaber sowie Porsche- und Wiesmann-Fahrer.


Wenn Schauspieler Jan Josef Liefers in der TV-Krimiserie "Tatort" als eloquenter Rechtsmediziner Boerne so richtig aufdreht, sind, abgesehen von Mordopfern auf seinem Seziertisch, auch schnelle Autos nicht weit. Neben Porsche 911 Carrera S Cabriolet und Wiesmann Roadster MF4-S testen wir heute mit dem Jaguar F-Type V8 S einen neuen Frischluft-Verfechter, der in das Beuteschema von Professor Boerne passen könnte.

Unsere Highlights

Porsche 911 Carrera S Cabrio als Klassiker

Da wäre zunächst der Klassiker: Porsche 911 Carrera S Cabrio mit indischrotem Lackkleid und mit schwarzem Lederinterieur. Fast hätten wir S-GO 1104 mit der Coupé-Variante verwechselt. Bei geschlossenem Stoffverdeck dringen selbst bei zügigem Autobahntempo kaum mehr Windgeräusche ins Cockpit als beim Elfer mit Festdach. Porsche setzt bei der aktuellen 991-Cabrio-Generation erstmals ein sogenanntes Flächenspriegelverdeck ein. Dabei spannt sich das komplette Stoffdach, abgesehen von den Seitenteilen, über vier einzelne feste Magnesium-Dachsegmente.

Klick, auf Tastendruck öffnet sich das Verdeck des Porsche 911 Carrera S Cabrios innerhalb von 13 Sekunden bis zu einer Geschwindigkeit von 50 km/h. Steife Brise bei Fahrtwind? Von wegen, das Cabrio-Erlebnis wirkt etwas gefiltert, wenn Seitenscheiben und das elektrische Windschott sich erfolgreich gegen Verwirbelungen stemmen. Selbst in einem 993-Coupé mit geöffnetem Schiebedach zieht es mehr als jetzt im offenen 991-Cabriolet. Wir stehen auf greifbare Erlebnisse, also Scheiben und Windschott runter!

Sägen, spratzeln, boxern - so prickelnd wie im Porsche 911 Carrera S Cabrio dringt sonst bei keinem Elfer-Modell die hochtourige Sechszylindermelodie in den Innenraum. Analog zu den Coupé-Versionen arbeitet im Porsche 911 Carrera S-Modell der bereits bekannte, satt am Gas hängende und bis 7.800/min drehende 3,8-Liter mit 400 PS.

Flexibles Fahrwerk und prima Lenkung

Die Fahrwerksabstimmung mit dem im S-Modell serienmäßigen PASM-Fahrwerk samt elektronischer Verstellung des Dämpfersystems findet einen guten Kompromiss für komfortverwöhnte Cruiser und die sportbegeisterte Heizerklientel. Elfer-Piloten meißeln auch im Porsche 911 Carrera S Cabrio, dank elektromechanischer Servolenkung, die höchst präzise um die Mittellage und ohne Stößigkeit reagiert, eine saubere Ideallinie auf die Landstraße.

Jetzt könnte nur noch ein Frischluft-Elfer mit Handschaltgetriebe den Serpentinen-Ausflug mehr versüßen. Das Siebengang-PDK wird, mit schnellen Schaltzeiten, perfekten Gangabstufungen und dem Automatikmodus, wahrscheinlich für ein Großteil der Cabrio-Kunden jedoch die erste Wahl sein.

Professor Boerne, was meinen Sie? "Nun ja, ich will nicht sagen von der Stange, aber vielleicht ist das Porsche 911 Carrera S Cabriolet inzwischen doch etwas zu alltäglich. Da schwebt mir eher ein Roadster von der Extravaganz eines Château Mouton Rothschild vor", würde es jetzt wahrscheinlich aus dem Mediziner mit der Zurückhaltung eines Holzklotzes heraussprudeln. Wie wäre es mal wieder mit einem Wiesmann wie in "Tatort"-Folge Nummer 851?
 
Wiesmann? Gibt es die Sportwagen-Manufaktur aus dem westfälischen Dülmen noch? Insolvenz-Meldungen des exklusiven Kleinserienherstellers beherrschen die Tagespresse, doch das Wiesmann-Team versucht weiterhin, die eleganten Modelle mit dem Gecko-Symbol vor dem Aussterben zu bewahren. Eine endgültige Entscheidung ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht gefallen.

Wiesmann Roadster MF4-S der Schnellste auf Tempo 100

Fakt ist: Es wäre jammerschade, denn optisch sind die in rund 350 Stunden Handarbeit entstehenden Automobile der Inbegriff eines Traumwagens. Wiesmann-typisch bestimmen rundliche Retroformen die Linienführung des Wiesmann Roadster MF4-S. Das Interieur dominieren fein vernähtes Leder mit Ziernähten und analoge Rundinstrumente. Im Vergleich zum Porsche 911 Carrera S Cabrio vermittelt die tiefere Sitzposition in den straff gepolsterten Schalensitzen des Wiesmann Roadster MF4-S schon vor den ersten Metern mehr Direktheit.

Knopfdruck, Anlasser-Rasseln, und plötzlich jubelt wieder einer, von dem wir uns eigentlich schon verabschiedet hatten. Welcome back, S65B40! Im Wiesmann Roadster MF4-S greift immer noch der Hochdrehzahl-V8 mit 420 PS aus dem in Rente gegangenen BMW M3 der Baureihe E92 an.

Leicht ruckend setzt sich der Gecko heiser schreiend in Bewegung und dreht mit zackiger Gasannahme viel befreiter bis maximal 8.400/ min hoch, als wir es gewohnt sind. Kein Wunder, hier muss der Vierliter-Sauger mit DKG auch 231 Kilo weniger als im M3 schleppen. Mit seiner Leichtfüßigkeit schnappt sich der Wiesmann Roadster MF4-S in 4,0 Sekunden den besten Beschleunigungswert von null auf 100 km/h vor Porsche (4,2 s) und Jaguar (4,3 s).

Ausgewogene Fahrwerksabstimmung

Als so sportlich wie der Motorsound mit kehliger Stimme lässt sich auch das Fahrverhalten charakterisieren. Dank neuem KW-Fahrwerk (seit Ende 2012) eilt der Wiesmann Roadster MF4-S mit direkter Rückmeldung über die Piste, ohne dass die Handflächen dabei wie in der Vergangenheit schweißnass vor Unbehagen wurden. Daumen hoch! Die knackige, spitze Lenkung wurde jetzt mit einer ausgewogenen Fahrwerksabstimmung kombiniert.

Doch rechtfertigt das alles einen Grundpreis von 164.900 Euro? "Was haben Sie denn geraucht?", würde Boernes Ermittlerkollege Thiel aus dem Münster-"Tatort" angesichts des saftigen Preises für den Wiesmann Roadster MF4-S lospoltern. Auch für feinste Handarbeit ist das zu viel.

Jaguar F-Type V8 S mit Top-Sound in den 300 km/h-Club

Und Boerne, was halten Sie vom Jaguar F-Type V8 S? Mit einem Grundpreis von 100.500 Euro gewinnt der Jaguar mit Fünfliter-V8-Kompressor und 495 PS die Preis-Leistungs-Wertung des heutigen Trios. Dass der britische Zweisitzer nicht nur mit seinem Preis glänzen kann, sondern auch schnell ist, wissen wir spätestens seit dem Test des V6 mit 380 PS.

Ähnlich wie die schwächer motorisierten Modelle brüllt auch der V8 beim Motorstart mit der Sensibilität eines Faustschlags auf. Dem Tester gefällt’s, spießige Nachbarn drohen jedoch sofort mit einer Anzeige wegen Ruhestörung. Vielleicht sollte die im Jaguar F-Type V8 S serienmäßig über eine Soundtaste beeinflussbare Abgasanlage samt elektronisch gesteuerten Bypass-Ventilen mit einer größeren Spreizung programmiert werden. Bisher gibt’s nur die Stufen "laut" und "ohrenbetäubend".

Im Autobahnalltag trumpft der Jaguar F-Type V8 S mit souveränen Fahrleistungen auf. Trotz seines hohen Gewichts von 1.815 Kilo kann er seine Leistung ausspielen und bis 200 km/h in 14,1 Sekunden Wiesmann (14,4 s) und Porsche (14,6 s) hinter sich lassen. Als Einziger des Trios hat er Zugang zum 300-km/h-Club.

Achtgang-Automatik mit schnellen Gangwechseln

Runter von der Autobahn, raus auf die Landstraße. Über einen Schieberegler (Jaguar Drive Controller) schärfen wir nochmals das Ansprechverhalten der Drosselklappe, des Getriebes und der Lenkung des Jaguar F-Type V8 S. Von seinen komfortbetonten, eher indirekt fahrenden Verwandten der XK-Baureihe grenzt sich der Jaguar F-Type V8 S mit straffem, aber nicht poltrigen Fahrwerk und einer präzisen Lenkung deutlich ab. Die Achtgang-Automatik mit schnellen Gangwechseln lässt nie das Verlangen nach einem Doppelkupplungsgetriebe aufkommen

Vielleicht hätten wir den Briten nach unserem Frischluftausflug ins Allgäu nicht auch noch auf die Rennstrecke ausführen sollen. Anders als die V6-Versionen agiert der schwerere V8 mit spürbaren Karosseriebewegungen hier behäbiger als erwartet. Außerdem kann der Jaguar F-Type V8 S seine Kraft bei komplett deaktiviertem ESP nur mittelmäßig auf den Asphalt bringen.

Während leichtes Kurveneingangs-Untersteuern das Fahrverhalten im Grenzbereich prägt, keilt der Jaguar F-Type V8 S unter Last gerne abrupt aus. Kurz: Er lässt sich im Grenzbereich diffiziler fahren, schlägt aber den gut ausbalancierten 380 PS-V6 mit 1.13,9 Minuten in Hockenheim um 0,8 Sekunden.

Porsche 911 Carrera S Cabrio gelingt Kompromiss am besten

Im Vergleich zum Jaguar F-Type V8 S bewegt sich der über 400 Kilo leichtere Wiesmann so agil, wie wir es eigentlich von dem britischen Zweisitzer wünschen würden. Da der MF4-S für eine Rundenzeit auf dem Kleinen Kurs nicht mehr zur Verfügung stand, können wir uns nur an der von uns ermittelten Zeit des Coupés (sport auto 6/2011) orientieren. Der GT MF4-S ging damals noch ohne KW-Fahrwerk und mit einem tückischen Fahrverhalten im Grenzbereich an den Start. Durch das neue Fahrwerk sollte mit dem Roadster daher mindestens eine Zeit auf dem Niveau des Coupés (1.13,2 min) oder gar schneller möglich sein.

Und der Elfer? Dem Porsche 911 Carrera S Cabrio gelingt der Kompromiss zwischen Alltag und Rennstrecke mit dem niedrigsten Durchschnittsverbrauch auf der einen und der schnellsten Rundenzeit auf der anderen Seite am besten. Dank beeindruckender Traktion, sehr präzisem Einlenkverhalten und einer starken Verzögerung der optionalen Keramikbremsanlage von bis 12,4 m/s² gewinnt der Open-Air-Elfer mit 1.11,6 Minuten klar.

Und, welchen der drei nehmen Sie jetzt? So viel sei vorab verraten: Auf Professor Boernes Automobilwahl im nächsten "Tatort" dürfen wir diesmal besonders gespannt sein.

Technische Daten
Jaguar F-Type V8 S Cabrio SWiesmann MF4-S Porsche 911 Carrera S Cabriolet
Grundpreis100.500 €164.900 €118.442 €
Außenmaße4470 x 1923 x 1319 mm4220 x 1860 x 1190 mm4491 x 1808 x 1292 mm
Kofferraumvolumen196 l145 l
Hubraum / Motor5000 cm³ / 8-Zylinder3999 cm³ / 8-Zylinder3800 cm³ / 6-Zylinder
Leistung364 kW / 495 PS bei 6500 U/min309 kW / 420 PS bei 8300 U/min294 kW / 400 PS bei 7400 U/min
Höchstgeschwindigkeit300 km/h293 km/h299 km/h
0-100 km/h4,3 s4,0 s4,2 s
Verbrauch11,1 l/100 km12,3 l/100 km8,9 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten