Alfa Romeo 4C gegen Lotus Elise S Club Racer
Die Leichtbau-Könige im Vergleichstest

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Zu Beginn seiner Karriere hetzen wir dem Alfa Romeo 4C mit dem Lotus Elise S Club Racer gleich eine Leichtbau-Legende hinterher. Wer macht das Rennen im Kampf um die Purismus-Krone?

Alfa Romeo 4C, Lotus Elise S Club Racer, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Das Thema Leichtbau nutzen Automobilhersteller heute in ihren Pressemitteilungen gerne inflationär. Eine Kostprobe? "Das Leichtbaukonzept hält das Gewicht des Audi RS3 Sportback gering und bringt für die Verteilung der Achslasten und damit für das Handling große Vorteile." Wir alle wissen, dass der RS3 mit 1.647 Kilo alles andere als ein magersüchtiges Handling-Wunder war. Konzentrieren wir uns lieber auf zwei echte Leichtbau-Götter, deren Gesamtgewicht nah an der Masse liegt, die bei einem Audi RS3 auf der Vorderachse lastet (985 kg). Willkommen, Lotus Elise S Club Racer und der neue Herausforderer Alfa Romeo 4C.

Alfa Romeo 4C fahrfertig 1.024 Kilogramm schwer

Schon bei der eigentlich nüchternen Fahrt auf die Waage kommt Feierlaune auf. Die Alfisti versprechen für den attraktiven Zweisitzer, der bei Maserati in Modena gefertigt wird, ein Trockengewicht von 895 Kilo. Mit allen Betriebsflüssigkeiten und einer 40-Liter-Tankfüllung sind es dann fahrfertig 1.024 Kilo. Das Duell auf der Waage gewinnt trotzdem die Lotus-Mannschaft aus dem britischen Hethel. Die Anzeige unserer geeichten Waage bleibt bei 932 Kilo stehen. Bei der Elise ist es ein bisschen wie bei einem Guinness - auch wenn das Rezept nicht mehr taufrisch ist, schmeckt es immer noch verdammt gut.

Und wie fühlt sich das Leichtbaukonzept im Quattro Ci, wie sich der Alfa Romeo 4C verführerisch auf italienisch nennt, an? Eine gewisse Grundsportlichkeit ist Voraussetzung, um den breiten Seitenschweller zu überwinden. Die Bandscheibenvorfallgefahr ist jedoch nicht ganz so groß wie im Lotus. Egal ob Lotus Elise S Club Racer oder Alfa Romeo 4C, die Einstiegsturnübung zaubert schon vor dem Weg zur Arbeit ein bisschen Boxengassengefühle her. Übrigens auch bei Nässe - in Elise und 4C vertreiben jeweils puristische Einarmwischer im Rennwagenstil die Tropfen von der Scheibe. Herrlich, auch wenn das Konzept nicht ganz so perfekt wischt, begeistert diese Askese genauso wie der Verzicht auf Gasdruckdämpfer bei Lotus und Alfa an der Heckklappe. Leichtbau ist Trumpf!

Rein ins 4C-Cockpit. Neben schlanken Leder-Türschlaufen glänzt das Leichtbaukonzept im Innenraum durch Sichtcarbon. Dahinter verbirgt sich ein Kohlefaser-Monocoque, das nur 65 Kilo wiegt. Wie in den meisten Rennwagen ist das zum Fahrer hin ausgerichtete Armaturenbrett unten nicht verkleidet. Puristischer geht's nicht - hier fällt der Blick direkt auf die nackte Lenksäule, frei liegende, aber sauber angeordnete Kabelstränge und die stehenden Aluminiumpedale. Ein Handschuhfach gibt's nicht, nur eine Lederlasche in der maximal Smartphone, Kreditkarte und Ersatzunterhosen für tagelange Serpentinenjagden Platz finden. Bravissimo, so geht Leichtbau!

240 PS im Alfa Romeo 4C

Gatter auf für 240 Pferde. Auf ihren 1.750er- Vierzylinder-Turbo sind die Alfa-Jungs besonders stolz. Dürfen sie auch sein, nicht nur weil das Aggregat mit Alu-Bock im Vergleich zur Basis aus der Giulietta Quadrifoglio Verde rund 22 Kilo weniger wiegt, sondern auch weil es gemeinsam mit dem optionalen Sportauspuff (Aufpreis 700 Euro) eine erotische Gesangseinlange hinlegt. Kerniges Aufbellen, emotionales Röhren, vergnügliches Turbopfeifen oder Zwischengas-Schmatzer - schön, dass die Alfa-Komposition nicht wie bei vielen aktuellen Turbo-Boliden künstlich, sondern ehrlich klingt.

In puncto Sound hat die Lotus Elise S Club Racer Nachholbedarf. Damit der aufgeladene 1,8-Liter-Vierzylinder von Toyota nicht mehr nach Nähmaschine, sondern nach Rennsport klingt, werden ein Sportluftfilter sowie eine Abgasanlage fällig, die nicht immer für Freude bei den TÜV-Beamten sorgen.

Zurück zum Alfa Romeo 4C: Wie geht der Leichtbau-Nachwuchs aus Italien? Turboloch? Ladedruckdellen finden sich hier genauso wenig, wie eine lethargische Anfahrschwäche. Schon im unteren Drehzahlbereich legt der Alfa Romeo 4C im Test mit der Schnellkraft eines Sprinters los. Dabei gaukelt er erfolgreich ein viel potenteres Kraftwerk vor - 4,3 Kilo pro PS sei Dank. Dass der Alfa Romeo 4C, trotz seines erfrischenden Antritts und sauberen Launch-Control-Starts die Werksangabe aus dem Stand auf 100 km/h um eine halbe Sekunde verpasst, könnte an unserer Messbesatzung gelegen haben.

Lotus Elise S Club Racer mit manuellem Schaltgetriebe

Standardmäßig erfolgt die Messung aller Testwagen mit zwei Personen und vollem Tank. Und was reißt der Lotus? Auch er leidet unter dem Schicksal der doppelten Messmannschaft und verpasst seine Werksangabe um sechs Zehntelsekunden. Egal, Club-Racer-Fans können happy sein, dass Lotus die abgespeckte Version mit 220 PS aufgelegt hat. Die Elise Club Racer startete ihre Karriere nämlich zunächst als 136 PS schwache Luftpumpe. Bergauf musste da schon mal mit dem einen oder anderen Golf TDI gekämpft werden.

Seit das fein am Gas hängende und mit gleichmäßiger Leistungsentfaltung attackierende Triebwerk des S-Modells auch in der Club-Racer-Version Einzug hielt, gehören solche Demütigungen der Vergangenheit an. Während sich der italienische Zweisitzer mit schnellen Schaltzeiten seines TCT-Doppelkupplungsgetriebes durch die Gänge zappt, behauptet die Elise S Club Racer eine der letzten Purismus-Bastionen: Ein Hoch auf das manuelle Schaltgetriebe. Ganz so schnell wie die automatisierte Schaltbox des Alfa Romeo 4C wechselt der Brite im Test zwar nicht die Fahrstufen, doch das trübt die Freude über das Zusammenspiel aus Kupplungspedal und Alu-Kugelschaltknauf nicht. Schade, dass die 4C-Macher kein manuelles Getriebe als Option anbieten.

High Noon in Hockenheim: Endlich dürfen die beiden Leichtbau-Stars auf dem Kleinen Kurs gegeneinander antreten. Sport-Taste drücken, ESC deaktivieren - die Elise S Club Racer steppt als Erste über den 2,6 Kilometer langen badischen Asphalt. Bremse, Fahrwerk, Lenkung - in der britischen Kurven-Legende erlebt der Pilot den Grenzbereich endlich mal wieder so ungefiltert wie ein Fußballfan, der direkt an der Eckfahne den Kick ansieht. Jetzt spürt man, wie entkoppelt doch so mancher PS-Held heute geworden ist, der im Lastenheft den Spagat zwischen Alltag und Rennstrecken-Performance schaffen muss.

Elise fliegen die Symphatien zu

Gerade weil die Elise nicht die ganz perfekte Begleiterin ist, fliegen ihr noch heute die Sympathien zu. Am Kurvenbeginn zeigt die Club-Racer-Version ein leichtes Einlenkuntersteuern. Gutmütige Lastwechselreaktionen können aktiv genutzt werden, um das leichte Schieben über die Vorderräder auszumerzen. Die Lenkung ohne Servounterstützung gibt eine messerscharfe Rückmeldung und teilt dem Piloten außerdem unmissverständlich den Zustand der Ideallinie mit. Passierte Curbs und Bodenwellen kommen als Stöße in der Lenkung an. Das kleine Lenkrad sorgt dabei fast für leichtes Formel-Feeling.

Fahrwerksseitig könnte die Kombination aus Bilstein-Dämpfern und Eibach-Federn noch etwas straffer abgestimmt sein, denn das CR-Modell fällt mit Roll- und Nickbewegungen auf. Doch das ändert kaum etwas am Fahrspaßfaktor, den der Lotus während der 1.15,1 Minuten dauernden Runde auf dem Kleinen Kurs ins Cockpit zaubert. Nach dem Motto "Adaptivdämpfer sind was für Großstadt-Flanierer" verzichtet der Alfa Romeo 4C genauso wie der Lotus auf die kompromissbereite Dämpfertechnologie. Ganz so asketisch wie die britische Spaßbüchse geht das Italo-Coupé jedoch nicht an den Start.

Hier reicht kein schlichter Tastendruck, um das ESP zu deaktivieren. Im Alfa Romeo 4C kann es nicht gänzlich abgeschaltet werden. Über die elektronische Fahrdynamikregelung D.N.A. kann neben den drei Fahrprogrammen Dynamic, Natural und All Weather der Race-Modus angewählt werden. In dieser Fahrstufe greift das ESP nur noch dann ein, wenn fast ein ungewollter Abflug in die Reifenstapel droht. Reinsetzen, losfahren, schnell sein - die Fahrwerksabstimmung ist schlicht grandios. Während der Alfa Romeo 4C, genau wie der Lotus, im Alltag etwas spurrillenanfällig reagiert, glänzt er auf der Rennstrecke mit einfach beherrschbarem Fahrverhalten im Grenzbereich.

Alfa Romeo 4C keine Diva

Der 4C ist keine zickige Diva. Einlenkbefehle setzt der Alfa Romeo 4C ohne spürbare Anflüge von Untersteuern und noch direkter als der Lotus um. Das Fahrwerk ist straffer und besser ausbalanciert als in der Elise. Außerdem antwortet der italienische Mittelmotor-Renner nicht ganz so stark auf Lastwechsel wie die Elise, er stürmt neutraler um den Kurs. Sowohl Lotus als auch Alfa verzichten auf den Einsatz von mechanischen Sperrdifferenzialen. Eine Traktionsschwäche unter Last ist bei keinem der beiden am Kurvenausgang zu spüren. Während die Elise bei deaktiviertem ESP auch die im Lotus-DPM (Dynamic Performance Management) befindliche elektrische Differenzialsperre EDL (Electronic Differential Lock) abschaltet, arbeitet bei Alfa im Race-Modus das elektronisch simulierte Sperrdifferenzial namens Q2 aktiv mit.

Dass hier irgendetwas regelt, spürt man aber zu keinem Zeitpunkt während der schnellen Runden. Spätestens beim Thema Lenkung verstummen Elektronikgegner. Auch hier wird ohne Servounterstützung knackig die Armmuskulatur trainiert. Die Haltekräfte fallen noch etwas höher aus als in der Elise. Ebenso wenig wie die Lotus-Lenkung will das präzise Pendant im Alfa Romeo 4C jedoch eine elektromechanische Servolenkung imitieren - Fahrbahnunebenheiten kommen hier grundehrlich, wenn auch nicht ganz so stößig wie in der Lotus-Lenkung an.

Klar, für Schlechtwegfanatiker wurde der 4C nicht entwickelt, sondern für alle, die begeistert auf der Ideallinie surfen wollen. Etwas puristischer und emotionaler gehen die handgerissenen Schaltvorgänge in der britischen Lady über die Bühne, doch auf der Rennstrecke punktet das 4C-Doppelkupplungsgetriebe mit Perfektion und flinker Reaktion beim Ziehen der Lenkrad-Schaltwippen. Ein autonomes Hochschalten muss von Rennstreckenfans nicht gefürchtet werden. Die Gänge werden im manuellen Modus, in den Fahrstufen Dynamic und Race, beim Erreichen der Drehzahlgrenze gehalten. Daumen hoch, hier ist auch ohne Kupplungspedal noch Selbstbestimmung angesagt.

Italienischer Gänsehaut-Virus

Pluspunkte gibt's auch für die Abstimmung der 4C-Bremsanlage, die mit gut dosierbarem Pedaldruck und gelungener ABS-Regelung perfekt arbeitet. Während der Alfa beim Spät-in-die-Kurve-Hineinbremsen quietschvergnügt mitfeiert, verhärtet das Bremspedal in der Elise bei solchen Fahrmanövern, und dem Vierkanal-ABS werden seine Grenzen aufgezeigt. Im Vergleich zu Dickschiffen gehört jedoch auch der Club-Racer-Lotus zu den anregenden Spätbremsern der Szene.Senke, Südkurve, Start-Ziel-Gerade - der Alfa 4C tobt über die Ziellinie. Und? Nicht nur wegen seiner beeindruckenden Rundenzeit von 1.14,0 Minuten wird er nach seinem Erstauftritt dort aufgenommen, wo der Lotus Elise schon seit Jahrzehnten Mitglied ist: im exklusiven sport auto-Fanclub der ultraleichten Kurvenspaß-Ikonen!

Technische Daten
Alfa Romeo 4C Coupé Lotus Elise Club Racer S
Grundpreis63.500 €48.250 €
Außenmaße3990 x 1868 x 1184 mm3824 x 1719 x 1117 mm
Kofferraumvolumen110 l112 l
Hubraum / Motor1742 cm³ / 4-Zylinder1798 cm³ / 4-Zylinder
Leistung177 kW / 240 PS bei 6000 U/min162 kW / 220 PS bei 6800 U/min
Höchstgeschwindigkeit258 km/h234 km/h
0-100 km/h5,0 s5,2 s
Verbrauch6,8 l/100 km7,5 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten