BMW 320d GT und 320d Touring im Test
Sticht die Reiselimousine den Kombi aus?

Die ja eher nicht unterbesetzte BMW-Modellpalette wird nun vom 3er GT ergänzt. Verdrängt er den Touring als reise- und alltagstalentiertesten 3er? auto motor und sport testet das im exklusiven Vergleich.

BMW 320d Touring, BMW 320d GT, Frontansicht, Bremstest
Foto: Hans-Dieter Seufert

Eigentlich hatten wir ja vor, zum Berg zu kommen. Doch dann kommt der Berg zu uns. Gespült. Schon bei der Ankunft am Flughafen von Palermo steigert sich das Nieseln in heftigen Regen. Und der stürzt jetzt auf BMW 320d GT und 320d Touring, als führen wir durch eine Waschanlage und nicht auf eine Rennstrecke hoch in den Bergen Siziliens. Kleine, erdverklumpte Bäche mit Grünzeug rauschen uns bergab entgegen, schwemmen durch die Radkästen, schwere Tropfen prasseln gegen die Frontscheibe, übertönen das Knurren der Dieselmotoren, spülen schließlich über die flache, wischerlose Heckscheibe des BMW 3er GT.

Wir krauchen durch die Fluten den Berg hoch zum Autodromo Vincenzo Florio, steigen aus – der Lucyk, der Seufert, der Renz –, flüchten unter ein Tribünendach, von dem der Regen wie ein Wasserfall platscht, und wollen gerade ein wenig zetern, da knipst sich der Niederschlag aus. Und weil das hier Italien ist (das Land, das sich gern mit Gewitterstürmen über sorgsame, tagelange germanische Planung lustig macht, wo kaum etwas auf Anhieb funktioniert, aber alles doch immer irgendwie klappt), blinzelt darauf die Sonne durch die Wolken, fegt mit strammem Bergwind den nassen Asphalt trocken. So können wir als erstes Automagazin überhaupt echte Messwerte der Autos erheben und sie einem richtigen Vergleichstest unterziehen. Denn es geht um mehr als offensichtliche Unterschiede der 3er-Varianten, um mehr als 800 Euro, die sie ausstattungsbereinigt trennen.

BMW 3er GT mit irrem Raumangebot

Aber solange Andreas das Messsystem einbaut und hochfährt, Hans-Dieter die Objektive auf Kameras klickt, Blitzgeräte aktiviert und Stative streckt, bleibt Zeit, durch die Autos zu krabbeln. Wie der – bisher nicht gerade durch überragenden Erfolg aufgefallene – 5er Gran Turismo versteht sich auch der BMW 3er GT als komfortable, variable und platzspendable Reiselimousine. So reckten die BMW-Techniker den Radstand wie bei der für China entwickelten Langversion des 3er um elf Zentimeter. Das schafft in Kombination mit 20 Zentimeter mehr Außenlänge und 7,9 Zentimeter mehr Höhe als beim Touring ein Raumangebot, mit dem der kleine GT den Kombi deutlich überbietet und sich zwischen 5er und 7er einsortiert.

Der Kombi hat sich ja in seiner aktuellen Generation vollwertige Viersitzigkeit angeeignet, liegt bei Raumangebot und Gepäckkapazität aber weiterhin eher auf dem Niveau der Kompaktklasse. Was ja durchaus der Grundidee des BMW 3er entspricht, der seine Passagiere tief und körpernah integriert, Fahrer und Beifahrer beim – mit 4.300 Euro sehr teuren – M-Sportpaket zudem in Sportsitzen mit besonders gutem Seitenhalt (nein, wir nutzen hier nun nicht den Vergleich mit einem Maßanzug, so abgewetzt wie der seit den Zeiten des Nullzweier ist).

Mehr Stau- und Fußraum im BMW 3er GT

Dagegen positioniert der BMW 3er GT seine – besser auch nur vier – Passagiere erhaben: Pilot und Co. sitzen kuschelig, komfortabel und aussichtsreiche 5,9 Zentimeter höher als im Touring. Anders als beim 5er GT möblieren den Fond des BMW 3er GT keine verschiebbaren Sitze, sondern eine bis in die Seitenverkleidung gezogene Dreierbank. Auf der bedrängt die früh absinkende Dachlinie des Schräghecks den Kopfraum für die Sitzriesen unter den Großgewachsenen.

Knie- und Fußraum sind dagegen superb (ja, Anspielung verstanden: auch in dem Sinn, dass der BMW 3er GT in diesem Punkt mit Skodas großer Limousine mithalten kann). Schließlich packt sich der BMW 3er GT zwischen 25 und 100 Liter mehr Gepäck in den Laderaum als der Kombi. Doch im Alltag lassen sich dessen 495 bis 1.500 Liter besser nutzen. Denn obwohl auch der BMW 3er GT seine Rücksitzlehne dreigeteilt klappt – fernentriegelt und federgespannt sogar –, fehlen ihm für echten Sperrguttransport die Ladehöhe und das Trennnetz des Touring. Beim BMW 3er GT stört zudem die fixe Laderaumabdeckung, von der nur eine Hälfte mit der Heckklappe hochschwingt, während die andere die Ladeöffnung versperrt.

BMW 3er Touring ist agiler

So, die Messsysteme sind drin. Raus auf die Strecke und ab dafür: Der 75 kg leichtere Touring beschleunigt mit dem drehfreudigen, durchzugsstämmigen und sparsamen Zweiliter-Turbodiesel etwas energischer, verzögert mit Sportbremsen (700 Euro) vehementer. Nur kleine Differenzen, doch sie treffen die unterschiedlichen Charaktere der zwei 3er. Noch klarer zeigen sie sich bei der Fahrdynamik, die wir wegen der zu kurzen Geraden auf der Strecke nicht anhand von Slalom, Wedeln und Ausweichtest überprüfen können, dafür anhand einiger Runden im 1,4 Kilometer langen Autodromo. Das ist dem BMW 3er GT kein so großes Bedürfnis wie dem Touring. Der lenkt energischer ein, minimiert mit M-Setup samt strafferer Federabstimmung, Adaptivdämpfern und härteren Stabilisatoren die Seitenneigung. Er bleibt länger neutral, reagiert bei deaktiviertem ESP auf Lastwechsel mit einem kurzen, agilen Heckkick. Im 3er der Generation F30 steckt selbst als Dieselkombi alles, was einen Mittelklasse-BMW ausmacht.

Dagegen steckt im BMW 320d GT ein kleiner 5er. Nicht nur in den Abmessungen ist er dem quirligen 3er-Clan fast entwachsen. Schon wegen des längeren Radstands wirkt er – na, nicht sperrig –, aber eben träger. In Kurven biegt er mit stärkerer Seitenneigung, gibt sich früher dem Untersteuern hin, reagiert mehr auf Lastwechsel und lässt das ESP früher regeln. Doch hätte der BMW 320d GT sich nicht mit dem per M-Technik gedopten Touring angelegt, feierten wir wohl auch ihn als agil und dynamisch.

BMW 3er GT mit ganz anderem Charakter

So preisen wir die Komfortkompetenz des BMW 3er GT, die wir außerhalb der Messbahn auf Schlechtwegestrecken – also praktisch jeder italienischen Straße – testen.

Da federt die adaptivgedämpfte Schräghecklimousine beflissen, steckt schwere Schläge sanfter weg, leistet sich einzig sachtes Nachschwingen auf langen Wellen. Dennoch bleibt der Vorsprung auf den straffer abgestimmten Kombi knapp. Der spricht stramm an, bietet aber mit Adaptivdämpfern guten Komfort. Dazu trägt in beiden Fällen die hervorragende Automatik bei, die schnell und treffsicher durch ihre acht Stufen schlupft, sich zudem auf den Charakter der beiden Varianten einspielt, etwas eiliger im Touring schaltet, gelassener im BMW 3er GT.

Der liegt schließlich ein paar Punkte hinter dem Touring, als sich wieder schwere Wolken über die Gipfel drängen. Wir packen schnell ein und sind schon über alle Berge, bevor die wieder zu uns kommen können.

Fazit

1. BMW 320d Touring
516 von 1000 Punkte

Weil er in der aktuellen Generation gewachsen ist, reicht das Raumangebot gut aus. Dazu beeindrucken der sparsame Motor, das Handling und die Bremsen.

2. BMW 320d GT
512 von 1000 Punkte

Er ist kein Zweiter, sondern eine andere Art des BMW 3er, verwöhnt Passagiere mit mehr Raum und Komfort. Doch die Größe mindert Temperament und Agilität.

Technische Daten
BMW 320d Touring Sport Line (M Sportpaket)BMW 320d Gran Turismo
Grundpreis43.850 €42.150 €
Außenmaße4624 x 1811 x 1429 mm4824 x 1828 x 1508 mm
Kofferraumvolumen495 bis 1500 l520 bis 1600 l
Hubraum / Motor1995 cm³ / 4-Zylinder1995 cm³ / 4-Zylinder
Leistung135 kW / 184 PS bei 4000 U/min135 kW / 184 PS bei 4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit226 km/h226 km/h
0-100 km/h7,8 s8,1 s
Verbrauch4,6 l/100 km4,9 l/100 km
Testverbrauch6,7 l/100 km6,9 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten