VW Polo 1.2 TSI im Test
Kleinwagen-Musterknabe?

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Als der VW Polo V vor fünf Jahren vorgestellt wurde, überraschte er mit einer in diesem Segment ungewohnten Qualität. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen, als der 105 PS starke Polo 1.2 TSI zum 100.000-Kilometer-Marathon bei auto motor und sport antrat. Am Ende hätte es fast für Platz eins gereicht.

VW Polo 1.2 TSI
Foto: Jürgen Schollemberger

Seit 39 Jahren gibt es den VW Polo. Beliebt und meistverkauft war er immer, aber trotzdem kein Überflieger im Segment der Kleinwagen. Das änderte sich schlagartig mit Einführung der fünften Generation. Sie wuchs nicht nur auf fast vier Meter Länge, reicht somit schon fast in die Hoheitszone der Kompaktwagen und ist genauso groß wie ein Golf II, sondern trumpfte mit einer Material- und Verarbeitungsqualität auf, die dem ewigen deutschen Primus Golf verdammt nahe kam. Kleinwagen sahen bis dato anders aus, waren zwar längst keine rollende Verzichtserklärung mehr, aber vom erleuchtenden Bi-Xenon-Licht, handschmeichelnden Softplastikoberflächen und schmerzfreiem Langstreckenkomfort doch meist ein gutes Stück entfernt. Der Polo hingegen kann mit fast allem ausgestattet werden, was erst in höheren Klassen üblich ist. Womit er sich auch preislich weit aus dem Reich der Kleinwagen hinauswagt, Mini und Audi A1 mal außen vor gelassen. Als WOB-VA 383 im Februar 2012 in der Redaktion vorstellig wurde, summierte sich sein Preis inklusive der noblen Highline-Ausstattung, Bi-Xenon-Licht, Navigationsradio, Alurädern und vier Türen auf 23.230 Euro. Beachtlich.

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Der VW Polo ist so groß wie ein Golf II

Genug der Vorschusslorbeeren, blättern wir durchs Fahrtenbuch. Genauso dezent und unauffällig, wie der silberne VW Polo optisch daherkommt, spulte er seine Kilometer ab. Die meisten Lobeshymnen betreffen den Motor, einen turbobeatmeten Direkteinspritzer mit 105 PS und – für einen 1,2-Liter-Benziner – enormen 175 Nm. Das machte anfangs einige Kollegen skeptisch. Zu viel Leistung für diesen kleinen Motor?

Am Ende hat der TSI alle überzeugt, er lief wie ein Uhrwerk und zeigte auch nach über 100.000 km nicht die Spur von Müdigkeit oder Verschleiß. Der Zweiventiler legt dank Aufladung furios los, erinnert mit seiner Charakteristik viel eher an einen TDI als an einen lethargischen Kleinwagenantrieb. Besonders unter Last läuft er zwar kerniger als ein Saugrohreinspritzer alter Schule, der Sound wird allerdings niemals aufdringlich, untermalt vielmehr den kräftigen Antritt. Erst voll beladen auf kurvigen Steigungsstrecken kommt der VW Polo TSI an seine Grenzen.

Und weil der langhubige Vierzylinder schon im Drehzahlkeller ab 1.550/min sein maximales Drehmoment ans manuelle Sechsganggetriebe liefert, kann selbiges sehr lang übersetzt werden. Das hilft vor allem auf der Autobahn sowohl beim Spritsparen als auch beim Geräuschreduzieren. So dreht der Motor des VW Polo bei Tempo 130 im sechsten Gang nur 2.600/min, bei 160 km/h gerade mal 3.200/min. Das sind Werte, die man sonst nur von Dieselmotoren kennt. Kein Wunder also, dass sich die positiven Bemerkungen über den Antrieb wie ein roter Faden durchs Fahrtenbuch ziehen.

Die lange Übersetzung reduziert den Verbrauch bei konstanter Fahrt spürbar. Bei Tempo 130 pendelt sich die Anzeige unter sechs Liter auf 100 Kilometer ein. Wer bewusst ökonomisch unterwegs ist, wird auch mit einer Vier vor dem Komma belohnt. Aber wer den Motor fordert und auf der Autobahn ordentlich Gas gibt, treibt den VW Polo leicht über die Neun-Liter-Marke, Tribut ans ottomotorische Verbrennungsprinzip mit seiner Volllastanreicherung. Im Testmittel gurgelten 7,8 l/100 km durch die Sechsloch-Einspritzdüsen, kein vorbildlicher Wert, aber eben ein deutliches Indiz dafür, dass der Fahrspaß, den der potente TSI bietet, nur allzu gerne genutzt wurde.

VW Polo ist ein Langstreckenauto

Auffallend häufig und kleinwagenuntypisch wurde der VW Polo auch auf Langstrecken eingesetzt. Dafür waren neben dem Antrieb und dem niedrigen Lärmpegel auch die Sitze verantwortlich. Sie bewiesen erstaunliche Langstreckenqualität und bieten selbst nach 100.000 Kilometern keinen Anlass zur Kritik. Lediglich die hellen Bezüge sind empfindlicher als dunkle und forderten etwas mehr Aufmerksamkeit und Pflege.

Die Lenkung wurde ebenfalls von allen Kollegen positiv bewertet – genauer: als leichtgängig, direkt, gefühlvoll. Das Gegenteil traf auf das Navigationssystem RNS 310 zu, es erntete heftige Kritik, und zwar regelmäßig. Gründe: der zu kleine Bildschirm, zähe Routenberechnungen, gelegentliche Fehlinformationen und der unsensible Touchscreen. Zudem lagerten die Navigationsdaten für Europa nicht auf einer Festplatte, sondern auf mehreren CDs. Wer seine Routenfindung auch jenseits der Landesgrenze dem Navi überlassen wollte, tat also gut daran, vor der Fahrt nach der passenden CD im Handschuhfach zu forschen. Die gute Nachricht: Das Facelift im Frühjahr 2014 hat dem Polo ein komplett neues Navisystem gebracht, das alles viel besser kann.

Neben den vielen positiven Einträgen im Fahrtenbuch gibt es zwei Marginalien, die einem VW eigentlich nicht passieren sollten. Bei Kilometerstand 22.000 hielt es den Betätigungsknopf des Handbremshebels nicht mehr an seinem Platz. Er wurde für 1,82 Euro erneuert. Bei Kilometer 62.000 wurde im Rahmen der Inspektion die Dichtung der Fahrertür getauscht, weil der Kunststoff porös war. Und schließlich häuften sich in den letzten Monaten Einträge über schwammiges Fahrverhalten, die eindeutig auf nachlassende Dämpfer hinwiesen. Bis dahin gefiel das Fahrwerk des VW Polo durch seine komfortable, agile und handliche Abstimmung. Auf der Zielgeraden, Tachostand 106.000 km, mussten dann tatsächlich die hinteren Stoßdämpfer getauscht werden, weil einer von ihnen leichte Inkontinenz zeigte. Dadurch rutschte der Polo in der Endabrechnung mit dem Mängelindex 3,5 hinter den Ford Fiesta, der seit Januar 2014 auf der Pole-Position thront.

Marder lieben Polo-Antennen

Was nichts daran ändert, dass der VW Polo die Distanz mit sehr geringen Spuren geschafft hat. Kunststoffe, Lack und Polster zeigen zwar teils leichte Abnutzung – das lässt sich bei einem Dauertest nicht vermeiden –, präsentieren sich ansonsten aber erstaunlich frisch. Sogar die hellen Stoffe sind nach einer professionellen Innenreinigung wieder spurenfrei. Nichts klappert oder knarzt, was auf eine in dieser Fahrzeugklasse unüblich hohe Qualität hinweist.

Die deutlichsten Spuren sind an der Antenne zu finden, eindeutige Knabberriefen. Dazu der Eintrag im Fahrtenbuch: „Wer hat in die Antenne gebissen? Kollege oder Marder?“ Der Zweibeiner dürfte kaum einen Grund dafür gehabt haben, der Vierbeiner offenbar sehr wohl, denn neben der Antenne hatte er auch noch einen Kühlerschlauch perforiert, der daraufhin getauscht wurde. Und sonst? Nichts, bis auf die drei Inspektionen, die zusammen mit 1.000 Euro in der Bilanz stehen.

Platz 2 in der Endabrechnung

Beim letzten Service wurden zudem die vorderen Bremsscheiben und -beläge erneuert, was nach 91.600 Kilometern nichts Besonderes ist. Sogar mit den breiten 215er-Reifen ging der VW Polo trotz bisweilen verschärfter Gangart sehr sparsam um. Keiner der zwölf Pneus erreichte seine Verschleißgrenze.

Am Ende hat der VW Polo die hohen Erwartungen bestens erfüllt, war absolut zuverlässig und musste – bis auf den Stoßdämpfertausch bei Testende – nie unplanmäßig in die Werkstatt. So mancher Kollege fragte sich in den zwei Jahren: Ist das noch ein Kleinwagen? Oder viel eher ein kleiner Kompakter? VW hat es verstanden, mit einer hochwertigen Verarbeitung und Materialqualität, vor allem aber mit dem druckvollen Turbo-Direkteinspritzer, den Polo aus dem Segment der nüchternen Kleinwagen herauszuheben. Notiz eines Redakteurs im Fahrtenbuch: „Mehr Auto braucht kein Mensch.“

Aus dem Auto-Alltag der Leser

Ich fahre seit Januar 2011 einen VW Polo 1.2 TSI mit 105 PS und DSG mit inzwischen fast 80.000 km. Abgesehen vom veralteten Navisystem und dem etwas hohen Verbrauch von knapp acht Litern (hoher Autobahnanteil) ist das Auto absolut überzeugend. Es ist enorm zuverlässig, war noch nie außerplanmäßig in der Werkstatt, ist erstklassig verarbeitet, und dank des potenten Motors hat der Polo hervorragende Fahrleistungen. Ich sehe eigentlich nur ein Manko: Marder lieben dieses Auto. Ich musste innerhalb eines halben Jahres fünf Mal in die Werkstatt, um Bissschäden beseitigen zu lassen. Das ist mir bisher noch bei keinem anderen Auto, sei es Neu- oder Gebrauchtwagen, passiert. Würde den Polo dennoch jederzeit wieder kaufen.
Max Westermann, Freiburg

Mein VW Polo TSI mit 105 PS und DSG ist 2011 zugelassen worden. Die bisherigen Erfahrungen: Bei Kilometerstand 20.030 fiel der Turbo aus, er wurde erneuert. Kurz darauf rasselte die Steuerkette so stark, dass sie ebenfalls auf Kulanz erneuert wurde. Zudem wurden noch zwei Marderschäden behoben. Obwohl das Fahren mit dem Polo viel Spaß macht, fällt die Bilanz nach heute 35.440 km etwas durchwachsen aus. Bei keinem Fahrzeug zuvor hatte ich derlei massive Reparaturen.
Helge Wienert, Elmshorn

Ich fahre seit 2010 einen VW Polo mit dem 60-PS-Dreizylinder. Jetziger Kilometerstand ist 73.000 km, der Verbrauch liegt knapp über 5 Liter/100 km. Bisher gab es nur ein Problem mit einer losen Spurstange, die Geräusche verursachte. Die Verarbeitungsqualität ist gut. Ich würde das Auto auf jeden Fall wieder kaufen.
Bernd Smigielski, Witten

Fazit

Der VW Polo 1.2 TSI ist zwar teuer, beeindruckt dafür aber mit viel Komfort, gutem Platzangebot und herausragender Zuverlässigkeit.

Technische Daten
VW Polo 1.2 TSI Highline
Grundpreis18.470 €
Außenmaße3970 x 1682 x 1462 mm
Kofferraumvolumen280 bis 952 l
Hubraum / Motor1197 cm³ / 4-Zylinder
Leistung77 kW / 105 PS bei 5000 U/min
Höchstgeschwindigkeit190 km/h
Verbrauch5,3 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Auto Straßenverkehr 13 / 2021
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Erscheinungsdatum 26.05.2021

76 Seiten