Fahlke Larea GT1 S10 im Fahrbericht
So fährt sich das V8-Kernkraftwerk mit 1.004 PS

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Die 1.000-PS-Grenze haben auch schon andere überschritten, doch das Faszinierende am Fahlke Larea GT1 S10 ist, dass er dabei unter 1.000 Kilo wiegt. Wir sind den Supersportwagen gefahren.

Fahlke Larea GT1 S10, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Viele Landstraßen rund um das norddeutsche Scheeßel erinnern an die legendäre Hunaudières-Gerade auf der Rennstrecke in Le Mans. Einziger Unterschied: Die topfebenen Pisten rund um Scheeßel sind meist übertunnelt. Neben jahrzehntealten Alleebäumen bilden Holzkreuze ein ganz besonderes Tempospalier. Kurz: Die Bedingungen für den ersten Ausflug im 1.004 PS starken Fahlke Larea GT1 S10 sind so prächtig wie für einen Hubschrauberflug inmitten von Hochspannungsleitungen.

Das Leistungsgewicht des Fahlke Larea GT1 S10? 0,9 kg/PS!

Fahlke Larea GT1 S10, 1.004 PS - was ist das denn? Das ist in erster Linie ein positiv verstrahlter Sportwagen-Junkie aus Norddeutschland, der seinen Traum vom eigenen Automobil verwirklicht hat. "Mich hat kein Sportwagen mehr gereizt, da habe ich mich entschieden, mein eigenes Auto zu bauen. Ich habe bewusst die Nische der Rennwagen mit Straßenzulassung gewählt", erzählt Markus Fahlke, Erbauer des Larea GT1 und Chef von M-Racing Fahlke Kfz-Technik und Prototypenentwicklung mit Standorten in Buchholz und Scheeßel.

Der studierte Maschinenbau-Ingenieur ist hauptberuflich Geschäftsführer des Familienunternehmens, das in der Automatisierungstechnik beheimatet ist. "Die Gedanken an ein eigenes Auto kamen1997. Ernst wurde es dann 2004", erzählt Fahlke weiter, während er die Flügeltür des Larea GT1 S10 auf der Fahrerseite öffnet. Unter der Carbon-Karosserie sitzt ein aus hochfesten GT1000-Chrom-Molybdän-Stählen gefertigter Gitterrohrrahmen, der 80 Kilo wiegt. "Wir nehmen ein Vierkantrohr, das unheimliche Verwindungen aushält. Das hat nur 1,4 Millimeter, noch Fragen?", schwärmt der Selfmade-Autobauer weiter.

So liegt das Leergewicht des Fahlke Larea GT1 S10 mit 910 Kilo auf dem Niveau einer Lotus Elise, obwohl der Larea GT1 fast 70 Zentimeter länger und 30 Zentimeter breiter ist. Fahlke lässt dabei keine Zweifel aufkommen, dass seine Eigenentwicklung eine Bastelbude ist. Nur Motor, Getriebe und Fahrwerk kauft er ein, alles andere ist made in Norddeutschland. Dazu zählen auch sämtliche Carbonteile, die im firmeneigenen Autoklav gebacken werden. Das Streben nach perfekter Verarbeitung, nach geringem Gewicht und hoher Leistung treibt Fahlke an. "Kunden, die ein Radio und eine Klimaanlage wollen, schicken wir gleich wieder nach Hause", verteidigt er sein außergewöhnliches Konzept.

Fast 40 Exemplare verkauft

2010 konnte der erste fahrfertige Larea gefeiert werden. Mittlerweile fanden fast 40 Stück einen Abnehmer. Die Lieferzeit beträgt fast eineinhalb Jahre. Da hat einer aus unternehmerischer Sicht wohl alles cleverer gemacht als so mancher darbende Kleinserienhersteller. "Das Rezept ist: ein Mädchenname. Denn Männer können sich weibliche Namen besser als männliche merken", lautet Fahlkes Theorie. Heute kribbelt es im Fahrbericht besonders im rechten Fuß. 1.004 PS warten - tausendundvier.

Wer die richtige Einstiegs-Choreografie aus Lenkrad-nach-rechts-Drehen und Abstützen auf dem kniehohen Seitenschweller beherrscht, findet geschmeidig den Weg in die Vollschalensitze des kanzelartigen Cockpits im Gruppe-C-Stil. Drinnen dominiert Sichtcarbon. Nein, falsch, hier dominiert eigentlich die reine Nacktheit. Auf dem kantigen Armaturenbrett sitzen sechs Kippschalter, ein Renndisplay, der Startknopf und ein Drehknopf für die Bremskraftverstellung. Dazu kommen acht Knöpfe am Carbonlenkrad, eine manuelle Handbremse sowie ein Schaltknauf, der aus einem Porsche 996 stammt. Das war's.

"Ein Porsche 911 GT3 ist eine Luxuslimousine im Vergleich zu unserem Auto. Der Larea ist 'ne Waffe mit gruseligem Drehmoment. Ich würd' das heute nicht voll auskosten, bei den ganzen Bäumen hier", mahnt Fahlke. Mehr kann er nicht sagen, sein martialisch-muskulöses 1.400-Nm- Monster schneidet ihm das Wort ab. Dem kurzen Anlasserjaulen folgt ein Rennkonzert - der Achtzylinder bollert, die Benzinpumpe sirrt, das Getriebe mahlt. Die Kupplung hat Biss und Schärfe, überfordert aber nur Fahranfänger. Wer schon mal einen echten Rennwagen bewegt hat, wird beim Larea-Start nicht das Gesicht verlieren.

Fahlke Larea GT1 S10 mit Kumho-Semi-Slicks

Kleiner Tipp, um Blamagen zu vermeiden: Vor dem Supermarkt nicht in der ersten Reihe parken. Der Wendekreis des Fahlke Larea GT1 S10 gleicht dem eines 40-Tonners. Der Flügeltürer nimmt Fahrt auf. Zu den anfangs erwähnten Alleebäumen gesellen sich im Fahrbericht übrigens noch flammneue und kalte Kumho-Semi-Slicks sowie morgendlicher Berufsverkehr - was hier heißt: GT-Rennwagen trifft Erntemaschinen und Trecker.

Egal, so ein bisschen Adrenalin am Morgen hilft dem Nicht-Kaffeetrinker. Der bestialisch am Gas hängende 7,2-Liter-Kompressor-V8 erinnert mit dem ersten Tritt in die Magengrube ganz kurz an eine andere 0,9-Kilo-pro-PS-Erfahrung. Gedanken an den Tracktest im Lotus-Formel-1 von vor zwei Jahren werden wach. Dritter Gang, die Hinterreifen des Fahlke Larea GT1 S10 fahnden erfolglos nach Traktion. Draußen muss das Weidevieh jetzt Kumho-Gummi-Aroma inhalieren. Schalten, nächster Versuch. Vierter Gang, langsam greifen die 335er-Walzen hinten. Fünfter Gang, 3.000, 4.000, 5.000/min. Stopp, heute drehen wir den Larea GT1 nicht bis zu seiner Maximaldrehzahl von 7.800 Touren!

In Flensburg hatten sie sich schon auf einen neuen Langzeitbekannten eingestellt. Tempolimit, Bäume, kalte Reifen - die heutigen Fahreindrücke sind so wertlos wie DM-Banknoten. "Mit warmen Reifen hat das Teil richtig Traktion. Dank der Aerodynamik hat der Wagen bei 250 km/h übrigens 300 Kilo Abtrieb", sagt Markus Fahlke. Und, Topspeed? Mit einer langen Getriebeübersetzung soll der Fahlke Larea GT1 S10 über 400 laufen. "Längsdynamik finde ich uninteressant. Für mich persönlich ist 360 km/h 'ne gute Geschwindigkeit. Danach kann man das Thema eigentlich stoppen", hält sich der Larea-Erbauer lächelnd aus der Topspeed-Rekordjagd anderer heraus.

Speziell gefertigtes Triebwerk

Genüsslich knisternd erholt sich der Fahlke Larea GT1 S10 vor einem norddeutschen Bauerngehöft von 1905. Gegensätze ziehen sich an. Und die könnten jetzt, da die Kohlefaser-Flunder ihre LMP-ähnliche Motorhaube öffnet, nicht größer sein. Wir stehen vor einem V8-Kernkraftwerk, das aus den USA stammt. Das Aggregat fertigt der US-Motorenbauer Mast Performance, der sich auf die LS-Baureihen spezialisiert hat, die aus verschiedenen Corvette-Generationen bekannt sind.

"Unser Triebwerk wird nur nach unseren Spezifikationen ganz speziell angefertigt. Da ist nichts von der Stange. Der Motor kostet 55.000 Euro", verrät Markus Fahlke. Auch das Getriebe ist eine stramm verstärkte Sonderanfertigung, Kostenpunkt 40.000 Euro. "Im Einkauf", fügt der Ingenieur hinzu. Mehr als der GT1-Kaufpreis von 640.000 Euro interessiert uns die Rennstrecken- und Längsdynamik-Performance. "Können wir gerne machen", nimmt Markus Fahlke die Einladung zum sport auto-Test sofort an - meistens ein vielversprechendes Zeichen.

Fahlke Larea GT1

Der Larea GT1 wurde von Markus Fahlke entworfen. Zunächst flog der studierte Maschinenbauer sechseinhalb Jahre als Verkehrspilot, bevor er ins Familienunternehmen zurückwechselte, das in der Automatisierungstechnik tätig ist. 1997 wurde die Kfz-Sparte gegründet. 2004 begann die Entwicklung des Larea GT1. Heute gibt es vier Leistungsstufen (S6, S7, S9 Evo, S10). Derzeit in Entwicklung: eine über 1.200 PS starke Version (S12).

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten