Veritas RS III im exklusiven Fahrbericht
Sportwagen-Brücke in die Vergangenheit

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Der neue Veritas, lateinisch für Wahrheit, erinnert an den Rennsportwagen RS aus den fünfziger Jahren. Jetzt geht der streng limitierte Supersportler Veritas RS3 in Kleinserie. sport auto fuhr exklusiv das Nullserien-Fahrzeug mit 507 PS starkem Zehnzylinder.

Veritas RS III
Foto: Rossen Gargolov

Als wären sechs Jahrzehnte mit einem Fingerschnipsen blitzschnell vergangen. Der Fahrtwind wirbelt im Veritas RS III wie beim historischen Pendant über einen winzigen Frontscheiben-Stummel direkt ins offene Cockpit, dessen Enge einem Formel-Wagen gleicht. Und die Sitzposition im Veritas? Der Pilot sitzt wie Ende der 40er Jahre tief geduckt weit hinter der nicht enden wollenden Motorhaube kurz vor der Hinterachse. Auch die flache Silhouette weckt Erinnerungen an den historischen Vorgänger.

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Veritas RS III ist eine Retro-Flunder wie vor 60 Jahren

Die Retro-Flunder ist kaum einen Meter hoch und fast fünf Meter lang. Und wie vor rund 60 Jahren versteckt sich BMW-Technik unter der Karosserie. Spätestens der Name verrät die Verwandtschaft. Der Veritas RS III tritt die Nachfolge des von August 1948 bis März 1950 gebauten Veritas RS an.

Leichtbau ist Trumpf
 
Die Geschichte der Automobilmanufaktur Veritas begann kurz nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 im badischen Dorf Hausen. Damals beschlossen drei ehemalige BMW-Mitarbeiter, auf Basis von BMW 328-Chassis neue Renn- und Sportwagen zu bauen. Der Name Veritas war dabei ein spontanes Zufallsprodukt, als die französischen Besatzungstruppen nach einem Namen der neuen Automobilmarke fragten. Leichtbau war Trumpf. Mit viel Enthusiasmus trieben die Veritas-Mechaniker Aluminiumkarosserien von Hand auf Holzmodellen. Es entstanden Rennsportwagen wie der Veritas RS, das Formel 2-Monoposto Meteor sowie unterschiedliche Straßensportwagen.
 
Während Veritas-Piloten mit 13 deutschen Meistertiteln zu den erfolgreichsten Rennfahrern der Nachkriegsgeschichte gehörten, sah es abseits der Rennpiste düster für die Firma aus. Den Straßenfahrzeugen mangelte es an Zuverlässigkeit. Nach finanziellen Schwierigkeiten und verschiedenen Umzügen des Werkes, zuletzt an den Nürburgring, wurde Veritas 1953 von BMW übernommen. Rund 40 Kilometer entfernt von der alten Produktionsstätte blüht die verblichene Sportwagen-Marke seit 1999 in der Grafschaft Gelsdorf wieder auf. In einem unscheinbaren Hallenkomplex sitzt die VerMot AG, die sich die Namensrechte gesichert hat.
 
Kleinserienmodell ab 2010 für 410.550 Euro
 
Nach der Präsentation einer ersten Konzeptstudie im Jahr 2001 rollte nach fast zehnjähriger Entwicklungszeit der erste fahrbare Prototyp des Veritas RS III aus der Halle. "Das war ein von Hand modelliertes Fahrzeug mit dem V8-Motor aus dem alten M5", erinnert sich Chefdesigner Michael Söhngen, während er seine Hand über die Flanken des schwarzen Veritas RS III-Nullserienfahrzeugs gleiten lässt. Dieses ähnelt zum größten Teil dem späteren Kleinserienmodell (maximal 30 Einheiten), das ab April 2010 in achtwöchiger Handarbeit entstehen soll. Fünf Autos sind bereits zum Preis von 410.550 Euro vorab verkauft worden. Acht weitere sind reserviert.
 
Ein Hauch von Formel 1 weht durch die Veritas-Manufaktur in der Eifel. Das komplette Kohlefaser-Karosseriekleid produziert die Firma Formtech, die vergangenes Jahr die Wirkungsstätte des insolventen Formel 1-Rennstalls Super Aguri aufgekauft hat. Unter der Carbon-Haut verbirgt sich eine aufwendige Gitterrohrrahmen-Konstruktion. Herzstück des Retro-Sportlers bildet wie schon beim historischen Vorbild ein BMW-Motor. Das V10- Aggregat mit 90 Grad Zylinderwinkel und das Siebengang-SMG stammen aus dem aktuellen M5 der Baureihe E60 mit 507 PS und fünf Liter Hubraum (Hier geht es zum Fahrbericht mit vier Generationen BMW M5). Ein sequenzielles Sechsganggetriebe wird noch erprobt, soll aber zu Produktionsbeginn ebenfalls erhältlich sein.
 
Zuvor bleibt noch Zeit für eine weitere Abstimmungsfahrt des Zehnzylinder-Supersportwagens mit der Fahrgestellnummer 0002, auf der sport auto exklusiv ins Lenkrad greift. Halt, ganz so schnell geht es dann auch nicht. Nachdem sich die winzige Tür oder besser: ein Großteil der Cockpit-Verkleidung samt winziger Schutzscheibe, ufo-förmigem Außenspiegel und vier analogen Rundinstrumenten im 45-Grad-Winkel geöffnet hat, ist Einstiegstechnik aus dem Formel-Sport gefragt. Erst über die hohe Wagenflanke klettern, dann mit beiden Armen auf dem Kohlefaser-Monocoque abstützen, um sich schließlich mit gestreckten Beinen in den mit braun gesteppten Nappaleder überzogenen Recaro-Schalensitz plumpsen zu lassen. Wer die Reihenfolge missachtet, kollidiert mit dem tief stehenden Sportlenkrad mit Schaltwippen.
 
Höchstgeschwindigkeit von 347 km/h
 
Doch sind die Vierpunktgurte einmal geschnürt, der Zehnzylinder giftig durch die Edelstahl-Auspuffanlage mit Fächerkrümmern und M5-Kats bellend in Alarmbereitschaft versetzt, muss sich der Pilot beim Blick über das massige Powerdome warm anziehen. 507 aufgeregte Pferde treffen auf nur 1.067 Kilogramm Lebendgewicht. Die 325er-Walzen an der Hinterachse suchen bei deaktivierter Traktionskontrolle mit weiß qualmendem Dunlop-Duft nach Halt auf den feuchten Eifel-Landstraßen rund um die Nürburg, bevor der Hecktriebler schwänzelnd wie von einem Katapult abgefeuert nach vorn schießt. Aus dem Stand soll die 100 km/h-Marke laut Veritas in weniger als 3,2 Sekunden Geschichte sein. Ohne nennenswerte Frontscheibe schwillt der Fahrtwind im Cockpit bei steigendem Tempo vom lauen Lüftchen zum tosenden Orkan an. Ein heftiger Hurrikan soll auch drin sein - Veritas beziffert die Höchstgeschwindigkeit mit 347 km/h.
 
Brücke in die Vergangenheit

 
Nicht nur der Kampf Luftzug versus Helmvisier und Nackenmuskulatur verspricht Formel-Gefühle auf der Straße. "Für die Fahrwerkskinematik war Johannes Gruber, technischer Leiter bei Mücke in der DTM, verantwortlich", erklärt Designer Söhngen. Neben der direkten Servo-Zahnstangenlenkung glänzt das auf der Nordschleife erprobte Fahrwerk mit doppelten Alu-Dreiecksquerlenkern und der über Pushrods betätigten Feder-Dämpfer-Einheit von Öhlins mit Renn-Charakter. Feine Details, wie die in die Alu-Radträgern gestanzten Veritas-Logos, versprühen Kleinserien-Charme. "Wir wollen mit dem neuen Veritas eine Brücke in die Vergangenheit schlagen", sagt Chef-Entwickler Söhngen zum Abschluss. Einen passenderen Ort für die Endmontage hätte man nicht finden können. Seinen letzten Feinschliff soll der RS III im neuen Ring-Boulevard am Nürburgring erhalten.

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