Maserati Quattroporte S Q4 im Fahrbericht
Downsizing in der Upper Class

Jetzt wehrt sich auch Maserati nicht mehr gegen Downsizing: Der neue Biturbo-V6 mit 410 PS bildet das Einstiegsaggregat im Quattroporte. Bleiben dabei zusammen mit dem ebenfalls neuen Allradantrieb die Emotionen auf der Strecke?

Maserati Quattroporte A Q4, Frontansicht
Foto: Achim Hartmann

Wer wissen will, warum ein Maserati Quattroporte so aussieht, wie er aussieht, und so fährt, wie er fährt, muss mit einem seiner Ingenieure essen gehen. Wenn Benedetto Orvietani über Risotto und Steak Fioretina spricht, steckt mehr Leidenschaft in seinen Worten, als viele Deutsche das ganze Jahr über fürs Essen aufbringen. Benedetto, verantwortlicher Ingenieur für technische Integration und Validierung, schneidet mit seiner rechten Hand präzise Scheiben in die Luft und erklärt mit leuchtenden Augen, wie feinstes Rindfleisch behandelt und abgehangen sein muss, damit es zart wird.

Emozione und Passione, Gefühl und Leidenschaft – dafür lieben wir Italien und den neuen Maserati Quattroporte, weil er schon im Stand danach aussieht. Der alte war insgesamt kein besonders gutes Auto, eher trieb er das Feld der Luxus-Limousinen von hinten an. Seine Karosserie verwand sich unter harten Schlägen bisweilen wie ein noch warmes Stück Pane, die Lenkung wirkte überweich wie in Kaffee getunkte Biskuitstangen, und das Platzangebot im Fond – naja, Espresso-doppio-Tasse in der Kannen-Liga. Bedienung und Verarbeitung? Scusi! Doch wenn der alte V8-Sauger bellend, gurgelnd und brabbelnd seinen Dienst aufnahm, tischte der Ferrari-Ableger im Maserati Quattroporte das feinste Klangmenü auf, das man aus einem Tropfen Benzin zaubern kann. Selbst eben noch teutonisch korrekt über die zahlreichen Nachteile dozierende Testfahrer verstummten kurz und kramten dann aus ihrem Urlaubs-Italienisch ein gesungenes „Bella macchina“ heraus.

V6-Turbo-Herz stammt von Ferrari

Benedetto kennt die Nachteile des Vorgängers nur zu gut, aber er weiß auch, was der neue Maserati Quattroporte unbedingt bewahren muss. Kleine Fehler – der Alte hatte große – verzeihen Maserati-Fans sofort, fehlende Leidenschaft nie. So war es emotional betrachtet ein Wagnis, anstatt eines V8-Saugers einen Sechszylinder-Biturbo als Einstiegsaggregat für den Viertürer aus Modena vorzusehen. Klanglich gesehen ist ein Turbolader nichts anderes als ein störendes Element im Auspufftrakt, ein Akustik-Filter, der Energie und damit Sound aus dem Abgasstrang zieht. Eben zuviel Wasser in der Suppe.

Ebenso unschön ist dieser virtuelle Wattebausch, der plötzlich unter dem Gaspedal steckt und gierige Leistungsansprache verhindert. Ohne spezielle Behandlung und mit einer x-beliebigen, verbrauchsoptimierten Turbo-Entwicklung wäre der Maserati Quattroporte ungeachtet seiner sonstigen Qualitäten emotional tot. Beim EU-Prüfstandslauf der Hero und auf der Piazza der Looser. Benedetto weiß, dass ein leckeres Menü die richtigen Köche braucht.

Die Cucina des neuen V6 im Maserati Quattroporte steht in Maranello und hört auf den Namen Ferrari. Dort wird der aus dem V8 abgeleitete Sechszylinder aus feinen Zutaten zusammengebaut. Bohrung und Hub entsprechen ebenso denen des großen Bruders wie die Technik für die variablen Ventilzeiten, Direkteinspritzung, die Aufladung und den Blockaufbau. Der Kleine ertrommelt sich im 60-Grad-Winkel und mit einem Kühler für jeden Lader 410 PS, deren Kraftmaximum spürbar früher als beim neuen V8 anliegt.

Ohne die Sporttaste gedrückt zu haben, wirbelt der Dreiliter-V6 den 1,9 Tonnen schweren Maserati Quattroporte so lässig nach vorne wie ein Pizzabäcker den Teig. Kein Wattebausch, sondern ein Bäuschchen wartet unter dem Gaspedal. Selbst wer vorher den nominell deutlich stärkeren V8-Biturbo getriezt hat, krakeelt nicht nach mehr Leistung. Die kleine Macchina rennt mit 283 km/h nur zwei weniger als die große, und die prestigeträchtigen unter fünf Sekunden auf Tempo 100 sollen ebenso drin sein – mit Allrad, doch dazu kommen wir noch.

So lassen wir es Maserati auch durchgehen, dass sich der Maserati Quattroporte V6 schlicht S nennt und damit subjektiv mindestens genau soviel Sport suggeriert wie der V8-GT S. Sport, das war doch die Taste, die wir noch drücken wollten. Klick und Freude: Endlich grummelt der V6 so tief, als hätte Bud Spencer einen Dreizack in den Po gepiekt bekommen. Wütend schnaubt er bei Zwischengas mit voll geöffneten Auspuffklappen, und der Vorwärtshaken des V6 wirkt wie von eben jenem Carlo Pedersoli geschlagen.

Spektakel – auch dafür kauft man sich einen Maserati Quattroporte. Vor allem, wenn er ohne die früheren Nachteile wie dem ruppigen automatisierten Schaltgetriebe auskommt. Ja, die Sache mit dem Motor vorne und Getriebe an der Hinterachse – Transaxle – las sich gut in Pressemappen, kostete aber Unmengen Platz im Fond desaserati Quattroporte und brachte kaum Vorteile. Die ausgeglichene Gewichtsverteilung funktioniert auch ohne diesen inzwischen konstruktiv narzistischen Akt. Jetzt flanscht der bekannt exzellente ZF-Achtgang-Automat direkt am Motorblock, schaltet sanft, sicher und subito.

Mit Allrad am besten

Wer es besonders sparsam mag, bemüht im Maserati Quattroporte dann noch den ICE-Modus (Increased Control and Efficiency) für ein noch weicheres Gaspedal und niedertouriges Cruisen – was aber so gar nicht zu Maserati passt. Ähnliche Krämpfe dürften Hardcore-Tridente-Fans bekommen, wenn sie das Wort Allradantrieb hören. Ach herrje, jetzt zieht der Luxus-Cruiser hinten gar nicht mehr so böse. Und das ist auch gut so: Der Allrad-´Maserati Quattroporte ist der bessere Maserati Quattroporte. Nur 0,1 Liter Super pro 100 km und 60 kg addiert die Q4-Variante zu den 10,4 Liter und 1.860 Kilogramm des Hinterrad-Quattroporte. Dafür krallen sich alle vier 21-Zöller traktionshungrig in den Asphalt, und das Handling wirkt ruhiger und ausgeglichener.

Es herrscht trotzdem anmachender Zug auf der Heck-Kette. Die elektromechanisch betätigte nasse Mittenkupplung verteilt die Leistung deutlich heckbetont, was der Pilot nicht nur spürt, sondern auch im informativen Kontrollbildschirm zwischen den Instrumenten sieht. Wenn der Grip nicht passt, sind 50 Prozent der Kraft in 150 Millisekunden nach vorne geschubst. Technisch muss sich die italienische Alternative in der Luxusklasse ebensowenig verstecken wie Fleisch in Ravioli.

Maserati Quattroporte ist kein Komfortwunder

Die Lenkung schmeckt im Maserati Quattroporte jedoch noch nicht perfekt. Teilen wir sie in zwei Kategorien: schnelle Richtungswechsel – dann passt sie ideal und dreht einen hurtig und zackig in jede engere Kurve. Bei langsamen, komfortablen Richtungswechseln geht einem die Flatterhaftigkeit in weiten Autobahnkurven und die Anfälligkeit für Fahrbahnstöße schon mal auf den Keks – pardon, die Amarettini. Ohnehin ist ausschweifender Komfort sicherlich immer noch nicht seine Stärke. Die optionalen 21-Zöller rumpeln rustikal über wenig gepflegte Straßen und sind bei Querfugen mitteilsam wie eine italienische Mama beim Plausch mit der Nachbarin.

Geschenkt, denn der Dreizack hat jetzt auch richtig Platz: Fast zwölf Zentimeter mehr Fondraum entstehen aus dem deutlich gewachsenen Radstand. So dürfen die sehr platzbedürftigen Chefs unter den Chinesen ihre XS-Gliedmaßen im XL-Fond parken. Auch sonst hat das Interieur des Maserati Quattroporte klar gewonnen, ist zu 94 Prozent perfekt verarbeitet und nervt nicht mehr mit unausgegorenen Infotainment-Konzepten. Klassische Eleganz umhüllt unaufgeregt die Passagiere. Benedetto sagt: „Auto-Entwicklung ist wie ein Kochrezept – du musst den Geschmack deiner Kunden verstehen.“ Das ist Maserati beim neuen Maserati Quattroporte gelungen.

Maserati Quattroporte auf der Rennstrecke

Es gehört sicher nicht zu den ureigensten Aufgaben einer Luxus-Limousine, sich auf einer Rennstrecke über die Curbs scheuchen zu lassen. Mercedes S-Klasse und Co. beantworten solche Vergewaltigungs-Versuche mit heftigem Wanken und Untersteuern, begleitet von einer aufgeregt blinkenden ESP-Leuchte. Der Maserati Quattroporte fühlt sich auf seiner Abstimmungsstrecke im norditalienischen Balocco dagegen sichtlich wohl. Zackig und direkt lässt sich der 1,9-Tonner um die Kurve zirkeln, bleibt lange neutral mit leichter Tendenz zum Leistungsübersteuern und zieht mit Druck und Traktion aus der Kurve. Die ESP-Lampe bleibt ebenso cool.

Fazit

Ein wenig Angst war schon da, dass ein Biturbo-V6 und der Allradantrieb den neuen Quattroporte zum braven Luxus-Cruiser machen würden. Doch der sehr geräumige Maserati antwortet leidenschaftlich: Er klingt nicht nur großartig, er fährt sich auch äußerst dynamisch. Nur das mit dem tollen Komfort will noch nicht so recht klappen.

Technische Daten
Maserati Quattroporte S Q4 S
Grundpreis109.900 €
Außenmaße5262 x 1948 x 1481 mm
Kofferraumvolumen530 l
Hubraum / Motor2979 cm³ / 6-Zylinder
Leistung301 kW / 410 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit284 km/h
Verbrauch10,6 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten