35 Jahre Mercedes G-Klasse
Absolutes Abenteuer-Spielzeug

Veränderung bedeutet nicht unbedingt Revolution. Oft ist es ein stetiger Prozess, der Zeit erfordert. Die Welt verändern – so etwas geht schließlich nicht über Nacht. Der Mercedes G folgt seit 35 Jahren diesem Prinzip.

Mercedes G-Klasse, Modellvarianten
Foto: Beate Jeske

In einer Zeit, in der Modellvarianten und Facelifts mit der Frequenz einer zuckenden Kaninchennase bei den Händlern auftauchen, harrt die Mercedes G-Klasse zeitlos in ihrem Marktsegment aus.

Optisch nur geringfügig verändert, folgt lediglich die Technik in der Mercedes G-Klasse dem Wandel der Zeit. Egal wie viele Jahrzehnte zwischen zwei Modellen auch liegen mögen, das Einsteigen und Platznehmen unterscheidet sich wie das Anziehen der rechten von der linken Socke. Der Komfort steigt allerdings erkennbar mit den Jahren.

Mercedes G-Klasse hat weder ABS noch Airbags an Bord

Im grünen 280 GE von Peter Schmid ist davon noch wenig zu spüren. Das zweitürige Mercedes G-Klasse Cabrio aus dem Jahr 1986 verfügt über 150 PS und 226 Newtonmeter aus einem Reihensechszylinder mit 2,8 Litern Hubraum. Der Fahrtwind zischt entlang der aufrecht stehenden Frontscheibe, und die Mücken, die eben noch von den schlammigen Pfützen in den Innenraum tanzten, wirbeln davon. "Sechs oder sieben Vorbesitzer hatte der G, als ich ihn 2007 gekauft habe", erzählt Schmid. Das Automatikgetriebe wechselt in den nächsten Gang, dabei versiegt das Rasseln der sechs Zylinder kurz – wie bei einer Atempause. Schmid, Diplom-Ingenieur und Dekra-Sachverständiger, blickt auf den Kilometerzähler.

Er schüttelt den Kopf: 36.548 heißt es dort. "Er hat bestimmt mehr als 200.000 Kilometer auf der Uhr. Wer weiß, wie oft die fünfstellige Anzeige schon herumgelaufen ist", sagt er und lacht. Weder ABS noch Airbags sind an Bord des Gelände-Cabrios. Die Achssperren werden mechanisch zugeschaltet, und bis die Plane wieder per Hand über das Gestänge gezogen ist, vergehen bis zu 15 Minuten.
Als Neunjähriger saß Schmid das erste Mal hinter dem Steuer einer Mercedes G-Klasse. Auf abgesperrtem Gelände fuhr er 1979 den Ur-G seines Vaters – der Auslöser für seine Begeisterung.

Die Entwicklung des ersten zivilen Mercedes-Geländewagens begann sieben Jahre zuvor mit der Kooperation von Daimler und der Steyr – Daimler – Puch im österreichischen Graz. Das Ziel: Die Mercedes G-Klasse sollte der beste Geländewagen der Welt werden. Punkt. Anstatt der damals üblichen Blatt- wurden Schraubenfedern, ein Stabilisator für die Vorderachse sowie ein Leiterrahmen verbaut.

Mercedes G-Klasse als zuverlässiges Reiseauto

Die anfänglich in die Fahrzeugkonzeption eingebundene Bundeswehr entschied sich 1976 allerdings für den VW Iltis als Nachfolger des DKW Munga. Und auch der Auftrag des Schahs von Persien über 20.000 Mercedes-G-Klasse-Militärfahrzeuge ging verloren, als 1979 die islamische Republik Iran gegründet wurde.

Der zivile Nutzen und gehobener Komfort rückten in den Vordergrund, spätestens seit die Entwicklungshoheit von der Nutzfahrzeug- in die Pkw-Sparte wechselte und vor allem der Innenraum hochwertiger wurde. Peter Fromm lehnt mit der Hand am Ersatzrad seines G 350 Bluetec von 2013. Es ist das Alltagsauto des 74-jährigen ehemaligen Unternehmers aus der Schweiz. Nachdem ihm seine E-Klasse 1996 aus einem Parkhaus im italienischen Verona gestohlen wurde, wechselte er zur Mercedes G-Klasse. "Die Niederlassung hatte einfach kein anderes Auto da", erklärt er seine Entscheidung.

Mit dem G weltweit unterwegs

Was aus Mangel an Alternativen begann, entwickelte sich zu einer Überzeugung. Zeitweise besaß er vier Mercedes G-Klasse-Modelle gleichzeitig, inzwischen sind es nur noch zwei. Das zweite ist ein 1999er G 500 mit 296 PS und Fünfgangautomatik, den er für Fernreisen umgebaut hat. Insgesamt 24-mal war er mit seiner Frau Tina seit 2002 in Europa, Asien, Afrika, Nord- und Südamerika unterwegs. "Einen richtigen Geländefahrer erkennt man daran, dass die Abdeckung des Ersatzrads fehlt", sagt Fromm und klopft auf den Reifen an seiner Heckklappe.

Auch der gebürtige Elsässer Marc Hess nutzt seinen G 300 Turbodiesel von 1997 als Reiseauto. Sechsmal fuhr er mit der Mercedes G-Klasse nach Libyen und viermal nach Tunesien. 370 Liter Diesel fasst der 177 PS starke G mit ORC-Geländefahrwerk, Dachzelt und Frischwassertank. "Tagelang kann man damit problemlos durch die Wüste fahren, und sollte doch etwas kaputtgehen, trifft man überall hilfsbereite Menschen", sagt Hess.

Die Mercedes G-Klasse hinterließ also nicht nur Spuren im Sand. Sie folgte nie den Trends, behauptete ein eigenes Segment und verändert bis heute vor allem die Welt seiner Besitzer.